Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 17, 1909, Zweiter Theil, Image 16

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    Ver Reisekoffer.
Stizze von Kontos Reinting.
Der junge Bostgelkilse Iris Kriege
betrat das Amtszimmer und blieb
in dienstlicher Stellung vor seinem
Vorgesetzten stehen.
«Run, Dur Kriege. was haben
Ste?m fragte der Postdirettor —
.ettoai Mriönliches?«
«Nein, Herr Direktor, eine dienli
liche Meldung: der Geldbriesiräger
Müller ist noch nicht von seinem Be
stellgang zurückgekehrt obwohl be
reits sost eine Stunde über die sonst«
übliche Zeit verstrichen ist.«
»Nicht möglich!« Der Bostditettor
lehnte sich zurück und sah eine Zeit-;
lang nachdenklich zu Boden —- »bö«
ten Sie, Herr Kriege« — fuhr er
dann sort — »Sie sind ietzt dienst
irrit«
«Jawohl, Herr Postdirettor. Jch
hol-e soeben den Abschluß gemacht.«
.Trotzdekn! Jch muß Sie noch
ein Weilchen dienstlich beschäftigen
Wir müssen sofort Nachforschungen
anstellen. Ich kenne Sie als tüchti
gen Beamten und intelligenten Men
schen. Machen Sie sich sofort einen
Auszug von den Bestellung-en die
Müller heute zu erledigen hatte. Und
denn sragen Sie nach — ob und rvo
Müller bereits bestellt Tat·
anohh Herr Direktor.««
Fritz Krieqe verließ das Amtszim
mer und machte sich an die Arbeit
Nach kurzer Zeit legte er dem
Postdirektor Die Liste der Bestellgänge
vor:
«Müller hat 9534.7O Mark bei
sich. Die erste Bestelluna ist Linden
skraßeZ Ich mache mich soiort aus
den Wen« —- meldete er
Schon nach einer halben Stunde»
kehrte er wieder zurück !
«Nun?" sraqte der Vorgesetzte ei- i
lia.
»Ein sonderbarer Fall, Herr Di: i
rektor« — berichtete der junge Post s
aehilse —- im Hause Lindenttraßes
17 hatte der Rechtsanwalt Tr. Maer
zu bekommen. Das Geld ist nichti
ausgezahlt worden. Ich habe nochl
einige weitere Nachfraaen gehalten:
vom Hause Lindenftraße 17 an ists
keine weitere Bestelluna erfolth
»Ja der That höchst sonderbar!«
der Postdirektor schüttelte den Kopf
— »Mutter ist dcch ein niichterner
Mensch und ein alter, bewährter Be
amter?«
»Ich Denke, ja, Herr Direktor.'«
«Hkn.... nun, dann bleibt uns
in der That nichts- anderes übria. als
zunächst der vorgesetzten Behörde und
—- wenn meine Befürchtungen zutref
sen —- der Kriminalvolizei Mittw
luna davon zu machen. Ich danke
Ihnen, lieber Mieae Sehen Sie
nun noch schnell ein lurzes Protokoll
aus und dann können Sie geben.
Halten Sie sich aber zu Hause aus;
es tann sein, daß ich Sie bald wieder
telegrapsisch rufen lassen muß.« l
Eine Stunde später war die Unter- I
suchuna bereits in vollem Gonge.
Der Geldbriesträger war noch immer;
nicht zurückgekehrt und man mußte
nunmehr entweder rnit einer groben
Pslichtverleßuncn oder aber mit ei-«
nein Verbrechen, das an Müller be-»
ganaen wurde, rechnen. -
Der Kriminaltornmissär und der
Postdirektor begaben sich nach dem!
hause Lindenstraße 17, ersuhren je- !
doch aus ihre Nachfrage, Daß Nie-i
wand den allen bekannten Briefträgerl
dort aesehen hatte. i
Der Partien der im Keller vess
Hciufes ein Fiobienqefchäft betrieb
zuckt-: mit den Schultern und erticir
te, auch keinen irrend-vie Vers EisFti
nen Menicken vor dem quie oder
in der Nähe beobachtet zu knien
«H-.1ben Sie auch ionit Niemand
bemerkt« —fraqte der Kommissär —
»der in der neunten Stunde das
Haus betreten oder verlassen hat?«
»Gewiß· Die Dienstboten des Hin
ses, der Depeichenbote, die Angestell
ten des H rrn Rechtsanwaltes und.
»Nun — und Besinnen" Die sich
sdoch ’mal!« drang der Kommissär
in ihn.
Der Kohienkändler überlegte:
»Ja — zwei Gefchäftgbotens die
auf einem kleinen Handwagen einen
Koffer brachten« .
»So?« Der Kommissär wurde«
nachdenklich — »einen großen Kof
fer?
»Der Kommissär notirte etwas in
feinem Buche und fragte dabei:
«Sagen Sie wo wurde der
Koffer abaeqeben?«
Der Kobleniiändler traute sich hin
ter den Ohren:
»Ja —- das war wohl ein Irr
tdurn. Der Koffer sollte zu einein
Herrn Krauie oder so ähnlich. Der
Herr wohnt aber nicht in diesem
dense. Die Burschen hatten ihn schon
abgeladen und in den haustur ge
stellt. Nach einiger Zeit sah ich dann
daß sie ihn wieder aufluden. Uns
auf meine Frage meinten sie: ues
Wss M ein Bei-sehen vorliegen
Du spsser sollte wahrscheinlich nach
pkk Lisiensiraße und nicht nach der
Kindes-streck«
ni....« Der Kommissiie schrieb
—- «nun, diese That
wohl auch nichts mit un
- . We jungen
h klåw dann Wir-Jeder fortgefah
«— M i nachderLii
« -. —--·ih::i.isiietki der Kopfen
Der Kommissar gab zwei unifor
mirten Schuster-ten einen Wink und
Ließ sie noch einmal das ganze haui
til-suchen Wie sich herausstellte ohne
jeden Erfolg.
Dann trennten sich die beiden Her
ren, und die Angelegenheit war vor
läufig erledigt....
Am Nachmittage desselben Tages
machten zwei Nadsahrer. die an der
Mariendotfer Land - Straße fu ren,
» turz hinter diesem Darfe eine sonder
« bare Entdectuna:
Im Chaufseearabem etrva dreihun
dert Schritte hinter dem leßten Hause
des Dorfes, sahen sie einen Mann,
der die Unisorm der Postbeamten
trug, anscheinend in tiesem Schlafe
liegen. Sie stiequ von den Rädern,
traten an den Mann heran und such
ten ihn machzuriittelm Nach vielen
Bemühungen gelang ihnen dies auch.
Der Poftbeamte sah zunächst ganz
verstört um sich, erhob sich aber dann,
wenn auch schwerfällig und mühsam,
und torlelte, die beiden Radfslhrer.
die ihn fiir betrunken hielten, tüms
merten sich denn auch nicht weiter
um ihn. sondern setzten ihren Weg
sort.... ,
»Ja, Miillert Um des Himmels
willens Wo kommen Sie denn ei
aenttich her?« fragte der Post-direk
tor, als derselbe Postbeamte, noch im
mer tsalb im Traume, etwa eine
Stunde später das Amtszimmer be
trat — »sind Sie betrunken, Mann?
Wie setzen sie denn nur auös Zetzen
Sie sich erst matt«
»Ich weiß von nichts-, Herr Post
direttor!'« entaeanete Mütter und
nahm fchtverfiillia Platz.
»Was Heißt das-? Sagen Sie mal:
ist Ihnen nicht wohl? Wollen Sie
i
l
etwas trinlen?«
»Ja. Ein Glas Wasser, wenn ich
bitten dars.«'
»Hier trinken Ziel« er reichte ihm
ein Glas frischen Wassers — »Und
nun saan Sie mir zunächst, woher
Sie lommen.«
Der Geldbrieiträger trank und
atbmete dann etwas erleichtert aus:
»Aus aus Mariendorf lam
:ne ich-«
»Aus Mariendorf? Ja. Mann, wie
sind Sie denn dahin gekommen?«
»Das weiß ich nicht, Herr Postdis
rettor.«
»Uniinn!« der Postviretior wurde
ungeduldig -— »machen Sie ietzt keine
faulen Ausreden Sie steifen vor Ih
rem Vorgesetzten nnd bis-ten die Wahr
heit zu saan Haben Sie getrun
ten?"
.Nicht einen Tropfen«
»Schön. Wo hat-Den Sie Ihre Ta
sche. das Geld?«
Es schien. als bemerkte Müller erst
jetzt das Fehlen seiner Geldtaiche.
Entsetzt ariss er nach der Stelle, an
der er sie sonst zu tragen pflegte, und
entaeanete nun in lläalichem Tone:
»Das weiß ich auch nicht. Herr Di
kettor verloren oder » .. gestoh
en...
Nun brauste der Vosidireltor auf:
»Zum Teufel! Wer hat sie Ihnen
denn gestohlen? So sprechen Sie
doch endlich ’mal zusammenhängendP
Dann wurde er wieder ruhiger, als
er das trostlose und veritörte Gesicht
des Gelbbriestriiaer sah —- «also
nun ’mal in aller Ruhe: es ist fest
füns Uhr Nachmittags; heut früh
um acht Uhr hab-en Sie Ihren Be
stellaana eingetreten Besinnen Sie
sich darauf?«
Müller niclte langsam:
»Ja. Jetzt besinne ich mich: ich
iabe in der Lindensiraße bestellt,
his...'«
ti- zum HI- use No 17
JGani recht! Dort atte ich keins
Rechtsanwalt Tr. Mark 500 Mart
tu bestellen«
»Haben Sie das aetlian?«
»Ja! Ich . . » items-setzt entsinne
ich mich ..... ich betrat das Haus
und ...... da stand ein Koffer . . . .
ein großer, neuer Koffer » ich sah
ihn mir noch aenzu an und dichte. wer
im Haufe wohl einen fo großen Kos
fer aebrauchte . . . ."
»Nun weiter! Und dann...?«·
»Dann ....'« Müller fuhr sich mit
der Hand über die Stirn —- »dann
hörte ich Schritte hinter mir, ex- flü-’
sterte Jemand etwas und plötz
lich fühlte ich etwas Nasseå im Ge
sicht — war es ein Tuch oder ein
Schwamm —- das mir plötzlich den
Athern raubte ich griff darnach,
aber man hielt mich wohl fest . . .. ich
tonnte mich jedenfalls nur noch
schwach wehren und verlor gleich dar
auf das Bewußtsein ..... Von die
fem Augenblicke an weiß ich nicht
mehr, was mit mir vorgegangen fein
mag. Jch erwachte erst oor etwa einer
Stunde in — Mariendors. Soweit
ich mich besinnen kann, hat mich ein
vorüberfahrender junger Mann, oder
waren es zweit geweckt...?« Und
nun schien dem armen Menschen erft
tlar zu werden« was das Ganze eigent,
lich bedeutete: er begann zu jammern
»meine Tasche das Geld ..... ich
werde meine Stelluna verlieren
man hat mich beraubt, bat mich viel
leicht ermorden wollen und ist dabei
gestört worden ..... here Direktorl
Ich bin ein alter, treuer Beamter.
sagen Sie Lelbft daß ich mir nie auch
nur die geringste Nachlässigkeit im
Dienste habe zu Schulden kommen
lassenf
uW lieber Miisef — ent eg
note der Weithirettor —- »den-g
Gesicht-ecki- cs hatJhnenja noch
Mem-d Mefe deswegen
mcht Its-reist stillb- Ste mit a:
.IW Si- Ue Stelle Dieser
-. a der m
.Sewiß. Derr Direktor! cefprt
will ich mit Ihnen gehen . . .'
Nun — wenn Sie sich wohl ge
nug fühlen. mit mir hinausgesch
ren . . . .«
»Juki-Mk Herr Direktor! Bielleichh
l daß sich die Tasche mit dem Gelde. ..
« « ..... noch wiederfindet, meinen
Sir? Nein, lieber Freund! Fitr so
dumm halten Sie die beiden abqueiniss
sen Burschen doch wohl nicht, daß
e. . . .«
»Ja-ei Burschen. sagen Sies«
»Bei-mittinnen lieber Müller, aber
In diesem Augenblicke trat der
Kriminaltornmissör ins Zimmer.
.Da haben wir den verlorenen
Sohn wieder!
Mit diesem Worte stellte der Post
direttot dem Kommissär den Geld-»
brieftriiger vor.
»Seit und gesund-P »
«Gott!ob ja, Kommissär, wenn nuchi
noch etwas schwach auf den Beinen-T
Weiß der Teufel, was die Burschen
mit dem armen Kerl gemacht haben!«
Der Kommissiir nickte:
»Sie haben also denselben Verdacht
wie ich. Herr Direktor?«
»Wellen sehen! Aber —- darf ich
die Herren ietzt zu einer kleinen Spa
zierfahrt einluden? Halt, Herr Mül
ler. Sie trinken erst noch einen tleinen
Konnt-W
»Svazierfal1ri?« frsgte der Kom
missar —- »und wohin?«
»Noch —- Mariendorf!« entgegne
te der Bostdirettor qui gelaunt —
«nach den Anstrenqunccn dieses Ta
»aes sind wir unserem braven Müller
schon ein kleines Ertravergniiqen
fchiildia.«
Der Kommissar begriff zwar nicht
recht: aber Da es fein Beruf war, rn
lombiniren, fo fchwiea er und folgte
ten beiden.
Sie nabmen ein Auto und batten
in tisrzer Zeit die Stelle erreicht. an
der Müller ein fo wenia würdiges
Lager aefunden hatte. Sie stiegen
aus, und der Poftdirettor sagte:
.Wollen mir die Herren noch ein
Stückchen zu Fu folaen. Ich habe fo
meine eigenen danken nnd Absich
ten dabei. Vielleicht täusche ich mich
auch. Aber felbft dann lann unferetn
wiederzewonnenen Freunde Müller
ein kleiner Spaziergana in der fri
fchen Frisblinasluft nichts fchaden ..... «
Der Postbirettor batte sich nickt ge
täuscht: nachdem sie etwa hundert
Siscbritte geaangen waren, rief Milli
ler plötzlich laut und erschreckt:
«Der Koffer. Herr Direktor! Sehen
Sie dort! Derselbe Koffer . . . .«
« ..... in dem man Sie bierber
transportirt bat.«
»Was? Mich? Jn dem Koffer?«
Der Geldbrieftriiger fing an zu be
greifen
»Ich denle fo, lieber Müller. Groß
genug ift er jedenfalls dazu«
Dann batte man das Corpus delicti
erreicht.
Der Kommissar öffnete den« Deckel.
fchloß ibn aber fofort wieder und mur
melte:
Also wie ich es mir dachte: Chlo
roforrn!«
»Wie meinen Sitt« fragte ver Di
rettor.
Nun öffnete der Beamte den Koffer
abermals und bat die beiden anderen.
naberzutretem ein fader, fiißlichek Ge
ruch stiea ibnen daraus entgegen.
»Ab! Das war das fcheuleiche
Zeugs« rief Müller und wandte sich
sofort wieder ab. -
«Jawobl, here Müller« —- sagte
nun der Kommissar ernft — »das-ten
Sie den beiden Burschen, daf; fie dies
mal etwas weniger plump zu Werte
Frei-sangen find, als es fonft Leute
ihres Schlaaes zu thun pflegen....
Hoffen wir. daß uns der Koffer mög
lichst bald auf ibre Spur führt!«
Der-Furt
Fräulein: Ja unserer profaischen"
Zeit schwingt sich aus Liebe zu einer
Frau Lein Mann mehr zu einer herni
fchen That empotf
Junggeselle »So! und die Männer,
die heirathen?«
Der Kenner.
»Auf DeibeU So scheußlich kann
Riunsteinwasset ooch bloß in ’net
Kleiustadt schmecken!«
Vie Franenrichtleciw
Humor-rote oen Köthe Lu
how-ti.
Die Clettriiche 98 war fast leer.
Der Schaff-set bog sich zuweilen
nach rückwärts. damit die Luft über
iein Gesicht streiche. In dem geräu
migen Brutaoparat des Verkehrs
ils-at die Mittoglonne mit lchroülen
Diensteifer ihr Wert... Der ältere
Herr, der ihr breit nnd behaglich
standhielt, ließ feine Zeitung linten
und wandte sich an den jüngeren zui
: seiner Linien. s
»Was ftudirft du denn da io eif
rig. Paul?"
Der Pananra des Befragten be
wegte sich —- wie automatisch —
nach rückwärts denn der Rechtsan
walt Paul Berg tonnte schon seit lei
nern vierten Lebensjahr mit dastün
liaut und den Ohren wackelm
»Ronsens, Ontel Klodwia .....
dirnrnelblauer Unsinn, lage ich dir!«
»Na« denn ichmeiß das Zeug doch
einfach mea. Zu Haus in Klobitten
Evas ich mit so tvns regelmäßig auf
und hou damit in aegebenen Momen
ten den Ochsenjungen um die Hör
teller.«
.Wir sind nun aber mal leider in
Berlin. Onkel und zwar tnum 200(.
Schritt oon der qelobten Gegend des
Kreurberas entfernt.«
Die junge Stimme tlang dumpf
und grollend Die ältere zitterte
leicht. als wenn etwa-s Rührung da
tin läar.
»Sieiiste. Junge, da lannste einfach
nicht mit! Machst dich wohl gar im
stillen til-er mich lustig, daß ich mir
die Stätte besehen habe, wo ich ,,ihr"
den ersten Kuß gab. Herrgott —- s—«
s— dreißig Jahre ist das nun ber.z
Mein Alter hatte mich damals zunis
eriten Male mit der Schaswolle nach
Berlinchen gelassen.«
.,Ja. ja ich weist ..... ge
heirathet tat sie sich ja nachher doch
nicht« Die weiche Stimmung des
Alten schlug um·
»Sei doch sroh, Paul. Sonst wärst
du heute um einen Erhontel ärmer.
Sprich dich meinetwegen ruhig aus.
Sag es ist ein Blödsinn, Onkel Mod
wig. daß du jeyt —— itn Juli —- hier
her pendelst, wo tein Gentleinan den
Ztiesel aus den Ast-halt seyt«, und
ich werde dir antworten: »Das Heu
is rein. mein Junge, und der Roggen
is noch nicht ganz so weit. Kalter
Winter usw. pppp. —- Da hatte ich
eben drei Tage Zeit . . Einen Grund,
deswegen so tradbürstig zu sein, giebt
dir das noch lange nicht.«
Die jungen, energischen Augen sa
hen ihn wie abhittend an.
«Wiithend hat mich nur die elende
Schreiberei hier gemacht, Onkel. Eine
Frau schmiert da über die Ehe, he-«
legt ihre spitzen, niedertriichtigen Be
hauptungen rnit großartigen Episo
den« die sie miterlebt haben will. Jch
werde dir mal ein paar Siide vorle
sen:
. . . . »Ja euch, ihr denkenden, weil
erwerbenden Mitschwestern, spreche ich
also. Laßt euch nicht durch glatte
Reden verleiten, eure sichere Brotstelle,
mit dem Leben eines Lastthieres za
vertauschen· Prüst zuvor, oh der
Mann euch Besseres zu bieten irn
Stande ist als das, was ihr bisher
genossen. Solange war der Mann der
Mitgistjiiger. Nunmehr« . . .
Die Stimme des jungen Anwalts
wuchs in Kraft und Wirth Der On
kel lachte schallend.
»h"or’ auf, Junge!« . . .
»So eine alte Schachtel«, ries der
andere empört, »ist natürlich niemals
in die Lage gekommen ja zu sagen.
Neid ist es — wilder Neid. Alle
die sitzen bleiben. werden gistig.«
Da sagte plötzlich hell und muthig
eine Frauenstiknine in der Nähe: »
»Verzeihung! Jch hörte jedes Wort
Ihrer Rede· Warum schmähen Sie
jemand, den Sie nicht tennen? Daß
Sie es wissen . · . . die Versasserin
jenes Artitels« . . . eine schwüle, be
iingstigende Stille glitt herab . . .
»bin ich.'· —
»Dunnerwetter«, sagte Onlel Klo
dewig leise -—- und laut: «J, Fräu
leinchen, es war ja nicht so schlimm
gemeint. Die hitze, wissen Se.«
Paul Berg lüstete ein wenig den
Panama und betrachtete die Spreche
rin. Seine Augen wurden groß und
starr.
Das war ja eine ganz junge, ent
zückende Pekson — Jhrn wurde noch
heißer. Sein Zustand glich dem, den
er einst als Elsjähriger ausgestanden,
wo ihn Onkel Klodwig’s »Manisall«
versehentlich in die Räuchertanimer
eingeschlossen hatte. Trotzdem be
hauptete er seinen Standpunkt.
»Der Artikel ist schmachvoll, gnä
digei Fräulein. Das ist und bleibt
» meine Unsicht.« -.
Jhte
Die
Sie antwortete nichts mehr-.
seinen Nasensliigel zitterten.
zsiihne gruben sich ties in die Unter
lippe. Noch zehn Minuten drückendes
Schweigen . . . sie rasste ihr Kleid und
sprang leichtfiiszig aus dein Wagen,
noch ehe er vollends hielt.
zAuch die beiden Vers-en waren am
Ziel. Aber Onkel Klodtoig hatte sich
—- aui angeborener Sparsamkeit —
die langen Ueiterstiesek stir Berlin
kurz schneiden lassen und war ein
UW W im Fltsksein It
ließ die- Elektrtsche erst richtig halten,«
ehe er sich herunter begab. Der kleine
Zwischenfall hatte ihn sichtlich er
srischt.
«So’n süßes Mädel,« sagte er ehr
lich entzückt, «weißte Paul, da pup
pert mein altes Herz ordentlich und
du . . . nee, die heutige lederne Ju
gends . .Jungr, ich fall’ um Sieh
doch dloszl ’s das die Menschenmög
lichkeit sie läuft ja gradeiider von
suns rein . . Hherrje wenn sie da
wohnte!« . . !
Und sie wohnte wirklich da! Paul
Berg sah sie von nun an alle Tage,
wie sie aus dem Balton die Blumen
goß· .den Kaffeetisch deckte. dem
Vater draußen sorglich den Leitnstuhl
mit Kissen auspolsterte . . . immer
flink und lustig und gleich entzückend
anzusehen! . .
Er wurde allmählich tiefsinnig. On
kel Klodwig war längst wieder in
Klobitten und telegraphirte ihm:
»Wann kommst Du endlich?'«
Er wußte es nicht. Er konnte ein
fach nicht fort. Zu thun war wenig.
Die paar mageren Fetiensachen rech
neten kaum mit. Den ganzen Tag
starrte er aus den Balkon gegenüber.
Sogar die Mahlzeiten fielen unregel
mässig und dürftig aus. Eines
Abends war er am Ende seiner
Kraft. Er stellte sich ihr in den Weg,
als sie ausgehen wollte:
»Gnädiges Fräulein, das Bewußt
sein, Sie neulich gekränkt zu haben,
ist mir nun doch noch getommen,
wenn ich auch meine Ansicht über den
Artikel nicht ändern kann. Dars ich
bei den Jhren morgen ossiziell noch
)mal"5 Absolution erbitten?«
) Sie wurde sehr roth.
» Das ist ganz überflüssig« . . .
; »Daß ich um Vergebung bitte · . .
- daß ich zu Jhnen kommen möchte?«
»Das letztere-"
»Dars ich wissen, warum?« Sie
antwortete hastig und leise:
»Meine Mutter ist todt. Mein
Vater ahnt nicht, dasz ich . . . schreibe.
Jch möchte auch nicht, dasz er jemals
von unserer Belanntschast und deren
Ursache ersiihre.«
»Nur darum?«
»Es ist auch noch ein anderer
Grund vorhanden.«
»Und den dars ich wiederum nicht
wissen?«
»Um keinen Preis. Jm Uebrigen
bin ich Jhnen gar nicht mehr böse . . .
es war nur . . . es übertam mich so«
. . Sie stockte. Fort war sie.
Paul Berg durchlebte seitdem
furchtbare Stunden. Die Strase sür
sein —- im Grunde genommen —- ge
rechtes Urtheil-erschien ihm grausam.
Die Liebe war über ihn getommen.
Er hätte sein zartes Gegenüber am
liebsten in die Arme gerissen und ihm
zugesliistert:
»Schreibe, was du willst. Nur
schreibe Xin meiner Wohnung . . . als
mein ,Weib . . . meinetwegen sogar an
meinem Schreibtisch.«
Aber er tonnte und durste es doch
nicht. hatte sie nicht klipp und llar
in ihrem Artikel auseinandergesetzt,
aus welchen Gründen ein Mädchen die
Ehe eingehen sollt! War er nun nicht
als zutiinstiger Erbe seines Ontels
eine brillante Partie, die sie darum
. . . aber auch nur darum . . . nie
mals ausschlagen würde?! . . .
Also Zähne zusammenbeifzen und
überwinden wie ein ganzer Mann.
II c s
Die Tage wurden noch schwüler.
Die Sonne sprang behende von drü
ben nach hüben, und eines Morgens
stellte Paul Berg durch das Opern
glas fest, daß sein Gegenüber ver
weinte Augen habe.
Arn Abend desselben Tages sprach
er sich, gerade als sie zu ihrem Buch
handler gehen wollte, gründlich mit
ihr aus
Das Resultat war eine Depesche
folgenden Inhalts an Ontel Klodwig:
»Sie will tnich trotz Vortalls in
Elektrischer. Tretsen beide Nachmit
tag-vier bei Dir ein.
Paul und Braut.«
Onkel Klodwig hatte zum Ern
pfang weiße Leinwandhosen an und
feinen Frau, der ihnr zwar ein biß
chen eng geworden war, sonst aber
ausgezeichnet stand. Er lüßte die zu
tünstige Nichte aus die Stirn und,
als sie sich das ruhig gefallen ließ.
auch aus den Mund, tlopste ihr die
Backen und sagte väterlich:
»Na, sehen Se woll . . . ich werd’
auch noch lang »Sie« sagen . . . nu
läßt er dich tooll ruhig weiterschrei
ben, waö?«
Da holte der Anwalt zu einer lan
gen Rede aus.
»Dente dir, Onkel, es ist ja gar
nicht wahr. Sie tonnte nut nicht er
tragen, daß ich eine Mitschwester so
erbarmungilos abtanzeltr. Darum
sprang sie ein. Darum — na ja —
slunterte sie ein wenig. Sie hat den
blödsinnigen Artikel überhaupt nicht
geschrieben. Sie kann gar nichtl
lckfiststellern.«
Onkel Klodwig psiss durch die
Zähne und sehte wie ein hirsch in das
Nebenztmnter.
«Johann,« rannte er dem Alten zu,
der heimlich die Sitte der Psirsichs
bot-le feststellte, »aus-her mal ein —
zwei — drei ean ins Wenzimmer.
Die Literslasche Tinte, hellstes
Stahlsedern und — hat janze
Schutt-papier weg. Ja de Rumpel
kammer. . . . Jeit gieb mir aber mal
erst einen Schluck Bowle vorweg. So
heiß wie heute war’s ja überhaupt
noch nicht«
».OIA"cI«.
Ueber die Derlunft des uns so
»ttJeuren Herrn Standard Oel-Rocke
feller schreibt die Neuwieder Zeitung:
»Gut-lich ist das Dunkel über die viel
befprochene Heilunft der amerikani
schen Rockeseller gelichtet. Die von ei
nem Herrn aus einein benachbarten
Dorfe ausgeführten Forschungen in
einer Reihe von Kirchenbiichern des
ehemaligen Fürstenthums Wied erga
ben folgendes: Die ersten nach Amerila
ausgewanderten Roaefeller waren: I.
Johann Peter Rockefeller und dessen
Bruder Johann Wilhlem aus Segen
dorf, welche sich im Jahre 1723 in
Rinaoes lzu deutsch Rheinqaty im
Staate New Jerer niederließen. 2.
Theil Rockenseller aus Bonefeld wan
derte 1735 nach Germantown im
Staate New York aus .3. Bald dar
auf wanderten noch eine Reihe von
Rockenfeller nach Amerila aus, dar
unter vermulhlich Bodhart (Gotlhard)
Rodenfeller aus Daseroth und Mar
tin Noaenfeller aus Edlfcheid ZU l
Jcohann Peter und Josann Wilhelm
waren Söhne von Johannes Rocken
feller, welcher verxtiuthlich bis 1682
auf der Mühle tu Arienheller wohnte,
dort am l7. Oltoher 1681 die Zwil
linae Peter und Lorem in der Kirche
zu Rheinbrohl tausen liesz und als
dann nach Senendori verzog. Jo
äzann Peter Rockenieller verheirathete
sich 1707 mit Maria Remagen aus
Segendori, 1720 mit Eliiaheth Chri
stiana Nuntel aus Boneield nnd nahm
vier Kinder mit nach Amerika· Oihm
wurde in Ninaoes ein Denkmal ge,eht.
Johann Wilhelm verheirathete lich
1714 mit Anna Maria Baue aus Se
aendori, nahm zwei Söhne mit nach
Amerita. Zu 2. Tönqu Nosenseller,
Sohn von Johann Wilhelm aus Edl
icheid, verheirathete sich 1685 mit
Gertrua Pauli aus Rockenseld, wohn
te ltiszx bis 1688 in Rocke-ibid von
da ab in (shlscheid: dessen "l695 alö
vierteg Kind aedorener Johann Thiel
—- auch Theil aen.innt —- verheirathete
sich mit Anna Gertrud Algdori. ver
toa nach Voneield und von da 1735
mit drei Kindern nach Germantotvn
irn Staate New Vort. Thiel iit der
Urabne der Vetroleumlöniar. In der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
wohnten Rockenieller in Ehlscheid,
Boneield, Renasdori. Hardern Meis
tsach, Daheroth. Altwied. Segendors,
Bieder« Heddesdorf, Fahr nnd Arien
heller. Gemeinde Rheinbrohl.«
sonderbarer- kleidet-eh
Arn Jahre-tagte der Schlacht von
Waterloo, am Is. Juni, spielt sich im
Schloß von Windior eine tleine Ge
dentceremonie ab: Ueber der Vüste
Wellingtons wird ein Zähnchen mit
den französischen Farben ausgehängt.
Dieses Zähnchen ist der Tribut, den
die Nachkommen des eisernen herzogs
siir die Besihung von Strathsieldsahe
der Krone zu entrichten haben. Eine
ähnliche Verpflichtung liegt den Erben
des Herzogs von Marlborough oh; sie
müssen am Is. August, dein Jahres
tag der Schlacht von Blenheim. eine
kleine Nachbildung der französischen
Königssahne liefern, die über der Bu
ste ihres berühmten Ahnherrn befestigt
wird. Vei dem Herzog von Marlbw
rough hat diese wohlfeileArt der Zins
zahlung einen Pilanten Beigeschmack;
er war, wie Green in seiner Geschichte
des englischen Volkes sagt, »dielleicht
der einzige, wirklich große Mann. der
das Geld um des Geldes willen
liebte«; sein Ruhm überstrahlt manche
Unredlichteiten, die heute einen Gene
ral ins Zuchthaus bringen würden.
Außer den genannten haben sich in
England manche andere sonderbare
Zahlungen bis in die Gegenwart er
halten. So besiht der heezog von
Atholl einen Theil seiner Ländereien
unter der Bedingung, daß er dem Kö
nig, wenn dieser ihn mit seinem Ve
suche beehrt, eine weiße Rose darbietet.
Die Königin Viktoria und Prinz Al
bert waren einmal außerhalb der Ro
senzeit Gäste des Herzog-L und er
hatte viel Mühe, zwei Rosen silr die
altiiberlieserte Kinderei zu beschassen.
Noch bedenklicher als die Rose er
scheint der dem schottischen Geschlecht
der Munros auferlegte Tribut eines
Schneeballs, der aus Verlangen zu
jeder Zeit des Jahres beizubringen ist.
Glücklicherweise liegt der Ven Whviö
in der Nähe des Familiensiyes, und
dort ist an Schnee auch im Sommer
lein Mangel. Von den verschwunde
nen Feudaldiensten sei die im 13.
Jahrhundert dem Salomon Attisseld
siie Verleihung von Kronland bei Do
ver auferlegte Verpflichtung erwähnt,
daß, so ost dem König beliebe, aus
dem Meere zu fahren, Salomon und
seine Erben ihn begleiten und ihm,
·tvenn er seekrank werde, den Kops hal
ten sollten. Zuleht ist dieser Sama
riterdienst an heinrich V l. ausgeübt
worden.
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Eis Nimmt-n
Zuchthausaussehen «6eut’ kriegen
wie hohen Besuch; ein Ministerrath
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Striitlinat »Sei Was hat denn
der ausgeseessenp