Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 10, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-» Anzeiger und II set-old.
Jahrgang 3.0 Grund Island, Nebr» m. September I d09 Zweiter (Theil.) Nummer 3.
VieIlt ist so schön.
»w
Dek Vogel steigt. ein vertörpertesLied,
Helltlingend nen Himmel. dahin es
ihn sieht,
Und selig wirbelt er in den Höh’n:
Die Welt ist so schön!
Der Strahl des Morgens erweckt die
Blum’.
Ausschließi sich ihr duitendes Heilig
timm,
Aus offenem Kelche die Diifte kveh’n:
Die Welt ist so schön!
Im flüssigen Silber, im schimmernden
Bach
Eilt sliichtia die Welle der Welle nach;
Sie netzets das User mit sanftem Ge:
tön:
Die Welt ist so schön!
Was stehst du Mensch mit sinsteretn
Bl ict
Und schaust in die iiniteke Brust zu
rück?
L, wolle den Jube! doch ringsum
sehn
Die Welt ist so schön!
« —--——
Grube Harmonie.
Von Armin Wechsler.
Seide tonnte Fritz hammer auf
feinem Bauerngute nicht spinnen. Es
war tliiglich steriler Boden, den eg da
zu beackern gab und die Erträgnisse,
die nach harter, unablässiger Arbeit
erzielt wurden. reichten gerade hin,
um die Wirthschaftsgeböude vor dem
Verfall zu bewahren. Es war merk
würdig: während ringsum alles fast
von allein zu gedeihen schien und die
Bauern bebiibige, reiche Leute wurden,
standen die hölmchen auf Hamnier’g
Fluren wie »armer Leut’ Getreide«.
Natürlich galt der ,,Sandsuchs«, so
wurde hammer in der Umgegend ge
nannt« bei den übrigen Bauern nicht
für voll und er mußte gar manche
stachelige Redensart über sich ergehen
lassen, wenn er sich Abends im Kret
scham sehen ließ. Namentlich der
Grundhofbauer that sich unter denje
nigen hervor, die ihr Miithchen an
hammer zu kühlen pflegten. Der
Bauer glaubte auch guten Grund
hierzu zu haben, denn eg ging im
Dorfe das Gerücht, daß Johanna,
des Bauers blondes Töchterlein, fiir
Fritz Hammer außergewöhnlicheg Jn
teresse an den Tag lege.
«.hallo, hammer Fritze«, rief dem
Eintretenden der Bauer zu. »warst
Du heute in Deinem Garten und hast
tontrollirt, ob Deine Kartoffeln als
Spalierobst fortkommen werden?«
Dröhnendes Gelächter von allen
Seiten war die Quittung über diesen
Win. Hammer setzte sich etwas abseits
an einen Tisch und meinte: »Laf3t
mich nur zufrieden, —- eg ist ja be
kannt, daß die diimmften Kartoffeln
bei den größten Bauern wachsen.«
Da hatte er die Lacher auf feiner
Seite, und der Grundhofbauer wurde
fuchsteuselswild.- »Alle Wetter«,
schimpfte er, »willst uns wohl gar noch
foppen? Wenn Du aus Deiner Wüste
nei mal eine gesunde Kartoffel wirst
ernten können, soll dieselbe auf der
nächsten landwirthschaftlichen Ansstel
lung prämiirt werden«
Hammer sah ein, daß er in dem»
Geiänt ichliesziich doch den Kiirzeren
ziehen werde und machte sich bald aufJ
den heimweg Unterwegs traf er Jo:
hanna. Die Begriiszung war eine der
art herzliche, dasz es teinem Zweifel
unterliegen konnte, dasz die beiden ein
Herz und eine Seele waren.
»Dein Vater hat mich eben wieder
mal schön abgesiihrt,« klagte hammer,
»wenn’s nach dem ging, würden wir
im ganzen Leben tein Paar werden«
»Es geht aber nicht allein nach
dem,« erttärte Johanna recht ernst
hast« »ich habe da auch noch mitzure
den und schließlich ist doch das ’ne
Sache, die mich mehr angeht als Va
tern.«
»Du scheinst deiner Sache rechts
sicher zu sein,« meinte Friy zögernd.
«Bin ich auch«, beträftigte Johan
na, »denn ich habe die seste Ueber eu
gung, daß aus deinem Gute bei ingen
swer Bewirthschastung doch noch mal
was werden wird.«
»Ach jeh, das wär’ zu hoffen«,
stöhnte Frid. «Aber’ö sieht noch nicht
so aus . . .'«
»Na, verlier nur die Kurasche
nicht," redete ihm Johanan gut zu.
«Jeht muß ich aber nach Hause eilen,
denn sonst ist der Vater eher da als
ich.
Ein kurzer Abschied und sort war
e.
si Alt Iris hammer am nächsten Mor
gen in seine Felder ging, war er sehr
nachdenklich gestimmt. Ging es denn
mit demhenter zu, daß gerade auf sei
dem Boden weniger wuchs wie weilen
weit ringsum? Weshalb lag überall der
fette Humptsboden in dicken Schichten
umher, während er bis zu den Find
cheln im Treibfand stampfte? Das
mußte doch einen Grund haben, aber
was für einen?
Hammer hielt eben auf ein Bitten
wöldchen zu, dessen Saum er beinahe
erreicht hatte. Da gewahrte er etwas
Seltsameg: bei völliger Windstille bes
wegten sich plötzlich die Blätter des
vordersten Baumes als ob sie vom
Sturmwind Izerzauft würden. Der
Stamm fchien von einem nervösen
Zittern befallen zu sein und langsam
im Boden zu versinten Hastig sprang
Hammer hinzu, er griff nach dem
Stamme, wollte sich an demselben fest
halten« gerieth aber selbst in eine un
haltbare Lage. Der Boden wanlte
unter seinen Füßen. er brach durch, ——
big an den Leib verschwand er im
Boden! Da fand sein rechter Fuß ei
nen Hatt. es tani Hammer vor, als
ob er in morsches, briichiges Holz
trete
Nun hies-, es, sich ans der Grube
wieder berauszuarbeiten. Das gelang
unter der größten Anstrengung, denn
die Masse unter seinen Füßen bröctelte
immer wieder ab. Aber endlich hatte
er sich doch aus dieser Kute befreit.
Tausend. er war ordentlich im
Schweiß gerathen. Aber es erschien
ihm doch von Wichtigkeit, der Sache
auf den Grund zu tommen. Sollte
er etwa den Schlüssel zur Lösung des
Nätbsels gesunden haben, weshalb
aus seinem Grund und Boden Kar
tofseln nur dann gediehen, wenn sie
»als Spalierobst gezogen« wurden?
Hammer holte Spaten und Hacke.
Dann buddelte er vor der Bitte, vor
der er eingesunten war, ein großes
Loch aus, und schachtete und schach
tete . . . . Er warf eine ganze Menge
Erde aug: Sand, Latten, wieder
Sand, dann schwärzlichen Gras, wie
er ihn noch selten gesehen hatte. Und
dann war er aus die Stelle gestoßen,
wo sein Fuß Halt gesunden hatte.
Es schien ein im Verwesen begriffe
ner Baumstamm zu sein, dicht an die
ten gedreftt lag ein zweiter und an
diesem wohl ein dritter. Mit kräfti
gem Hackenschlag ris; er ein mächti
ges Stück der schwärzlichen Masse
aus dem Grunde. Das nahm er sorg
sam mit nach Hause.
Am Abend zeigte er seinen Fund
Johanna. Die beaugte und betastete
das Stück von allen Seiten:
»Das ist Kohle, gute schwere
Brauntohle,« erklärte das Mädchen
mit aller Bestimmtheit »Damit
fährst du sosort nach der Stadt und
läßt die Geschichte begutachten von
’nem Berginspettor oder noch besser,
von ’nem Bergrath. Wenn der sagt,
’g ist Kohle, dann besitzst du ja den
tbeuersten Grund und Boden weit und
breit. Werthooll ist derselbe nicht
dadurch wag auf ihm wächst, sondern
durch das, was unter ihm verborgen
itt.««
Fritz Hammer kam mit dem Be
scheide zurück, daß man ihm baldigst
Nachricht zukommen lassen würde.
Aber das «baldigst« dauerte bedenklich
lange, - eg vergingen Tage und Wo
chen, ehe sich etwa-, in der Angelegen
heit regte. Fritz wollte schon ver
zweifeln, -— da aber ereignete sich et
was unertvarteteg. Vier Herren ta
men vor dem Gutghause von Fritz
Hammer angefahren und ließen sich
von ihm nach dem bewußten Birken
tväldchen führen. Einige Arbeiter
wurden mitgenommen, die mußten
buddeln. fchaufeln und harten. Die
Herren suchten eine ganze Anzahl vons
Stücken aus, die sie in Säcke ver
packen ließen und mit nach der Stath
nahmen.
Am Abend ging es im Kretscham
außerordentlich lebhaft zu: es galti
eine große Neuigkeit zu debattiren
und der Name Fritz Hammer
schwirrte von Mund zu Mund. Die
Spannung löste sich erst, als der
Grundhofbauer erschien. Er hatte
sich noch kaum gesetzt, da erfuhr er
auch schon die Sensation.
»Du«, klärte man ihn auf, ,,beiin
Fritz Hammer haben sie heute Kohlen
gefunden.«
»Was rechts«, höhnte der Bauer,
,,bei mir liegt ’n ganzer Schuppen
vol.«
»Red’ nit so g’spassig«, knurrte ein
anderer, ,,mit faden Wissen ist da
nichts zu machen. Eine Kommission
aus der Stadt war da. Die hat fest
gestellt, daß unter dem Birkenwäld
chen mächtige Kohlenflöze liegen.'«
Da sptßte der Grundhofbauer in
etwas die Ohren. Aber er sagte doch
geringschätzig: »Sol1en sie doch liegen,
der Habenichts, der Hammer, hat ja
lein Geld, um sie abbauen zu lassen.«
»Wenn er dein Schwiegersohn sein
wird, wirst ihm schon so viel und noch
viel mehr geben«, lachte dem Grund
hosbauer sein Nachbar ins Gesicht.
Das ging diesem denn doch über die
Hutschnur, solche lästerliche Reden ver
letzten ja seine Autorität. Puterroth
vor Zorn sprang er auf nnd schlug
mit der Faust auf den Tisch, daß die
Gläser durcheinander tanzten.
»Daß dir ein Wetter in die Knochen
sahre«, tobte er tviithend, »dieser heil
lose Durlmiiuser wird mein Schwie
gersohn im ganzen Leben n . .
Ehe der Erreate aber nach das
»nicht« vollenden konnte, ging die
Thür ans und Fritz Hammer trat ein.
Nun richtete sich die ganze Wuth des
Bauern gegen diesen. Ein Hagel von
Schimpsworten prasselte ihm entgegen.
Der Bauer war vorwärts gesprungen
und wollte sich auf den Eintretenden
stürzen. Von allen Seiten aber fiel
man dem Bauern in die Arme und es
gelang den vereinten Kräften, ihn wie
der aus seinen Stuhl niederzuzwiw
gen.
Fritz Hammer überschaute die Si
tuation mit einem Blick, ließ sich aber
trotzdem aus seinem gewohnten Platz
nieder. Als sich der Lärm soweit ge
legt hatte, daß man sich verständlich
machen konnte, sagte Fritz in aller
Ruhe. als sei nichts vorgesallen:
»Die Kommission hat mir ver:
sichert, daß die Kohlenslöze unter mei
nem Grund und Boden außerordent
lich mächtig seien. Alle gratulirten
mir dazu, daß ich jetzt der reichste
Mann im Dorfe sei. Trotzdem werde
ich Johanna heirathen, weil ich ihr
mein Versprechen gegeben habe. Ob der
Grundhosbauer damit einverstanden
ist oder nicht« ist uns gleichgiltig. Jo
hanna wird bald großjährig und da
brauchen wir die Einwilligung ihre-Z
Vaters zur Heirath nicht mehr.«
Mit gemessenem Schritt verließ
Hammer die Gaststube, den Grund-—
hofbaner mit einem Gesicht ruriirtlasi
send, dem jeder Zua in’H Geistreiche
versagt war.
s- Q «
Drei Jahre später. Mitten in der
früheren Wüstenei des früheren
Bauern Fritz Hammer erhoben sich
zahlreiche in Ziegelroth gehaltene We
bäude, Fabritschlote dampften, Ma
schinen sauchten, lzahlreiche Arbeiter
waren thätig, Schwebebahnen besör
betten unaufhörlich Wagen um Wa
gen vom Schacht nach dem Bahnhof
hin und zuriict Länas der Bahnae
leise sind große Schilder ausgestellt
mit der Inschrift: Brauntohlenwert
und Brilettsabrit »Hm-be Harinonie«,
Fritz Hammer E Co. Diese »Kom
pagnie« besteht aus dem Grnnthf
dauern, der inzwischen Großvater zie
worden ist. Unter den Besitzern der
»Grube Harmonie« herrscht schon
lanast die vollste Harmonie
Der große Roman.
Elizic von Ulluit.
Hier, Herr Kollege, lesen Sie doch
mal sofort diese Novelle und sag-In Zie
mir dann Ihr Urtheil.«
Mit diesen Worten reichte der lsbtf
redatteur seinem subordinirten Helfer
in den Redattionsaeschästen der aroszen
Tageszeitung »Die Stunde« ein sauber
mit Maschinenschrist geschriebenegsllia
schinenschrist geschriebeneg Manuskript
über das Doppelpuli.
»Ich stehe gleich zu Jyrer Verfü
gung, Herr Dottor,« antwortete ver
emsig schreibende junge Herr.
Egentlich führte Herr Bräuner, der
Chesredatteur, gar nicht den Titel
Doltorx aber Doktor Jlling, sein Ge
lmnurie kaute-r verliehen, Soofiir sich
genäher, hatte ihm diese Auszeichnung
dann sein Vorgesetzter durch Verlei
hung des Titels »Herr Kollege« be
dankte. Jedenfalls lebten die beiden
Herren in gutem Einvernehmen mit
einander, was ihnen auch gar nicht
schwer siel, da sie nicht nur das gleiche
Thätiateitsield hatten, sondern auch
aesellschastlich ziemlich in den aleichen
Kreisen verkehrten und sich gegenseitig
schon manches herzliche Profit zugeru
sen hatten.
Doktor Jlling vertiefte sich in den
Jnhnlt des Schriftstüites.
»Glänzend, geradezu glänzend!
Schade!« entsuhr es ihm, als er geen
det hatte·
»Nicht wahr? sagte Bräuner. »Eine
geradezu vorzügliche Arbeit, und doch
für uns nicht brauchbar. Diese sein
beobachteten psychologischen Züge, vie
Gedrungenheit der Darstellung, das
Anstiirmen des Konslitts und dann
diese geradezu geniale Lösung!«
,,.5iönnen wir denn nicht diesen
Herrn Conrud Fonbert einmal in un
sere Reduktion bitten, damit wir ihm
Aufschluß geben über die Ziele unserer
Zeitung nnd über die Zwecke unserer
Bestrebungen? Es wäre doch ewig
schade, von einem so ausgezeichneten
Schriftsteller teine Arbeiten mehr zu
erhalten, einfach, weil er uns vielleicht
die Zuriicksendung seiner Novelle übel
nimmt und falsch auslegt.«
»Ich glaube, wir werden damit lein
Gliiet haben; wir hoben ihn in frühe
re r Zeit, ehe Sie hier Ihren Stuhl be
innen, schon einmal um seinen Besuch
gebeten; nber er lehnte höflich und be
stimmt nb, weil er keine f Zeit hätte
Und dabei wohnt er qernde zwei fjsuer
straßen von biet-.
»Nun, es ist zwar etwas ungewöhn:
lich, aber dann werde ich den Herrn
aufsuchen. Ich alaube, er ist eLs tverth«,
meinte Doktor Jlling
»Wenn Sie wollen, lieber Herr
Kollege. Jch hnbe nichts dagegen ein
zuwenden trotzdem ieb ja eigentlich
finde, man sollte der Eitelkeit der jun
neu Leute nicht so schmeicheln. «
»Sie halten den Verfasser für jung,
.e·) err Dottor?«
»Noch seinen bescheidenen Honorar
sorrerungen zu schließen, ja, Herr Kol
lege.«
»Nun, dann ist es doppelt Menschen
pflicht, hinzunehen,« sagte Doktor Jl
ling autniüthig. »Vielleicht ist seine
Toilette nicht so in Ordnung, daß er
sich damit unter Menschen sehen lassen
lann.«
»Das macht Ihrem Herzen Uhre,nes
ber Kollege,« sagte Bräuner warm,
nnd dann vertiesten sich beide wieder in
ihre Arbeiten.
Dottor Jllina machte eine halbe
vStande früher Mittag und begab sich
ruf die Suche.
,,Verliner Straße 127, Gartenbaus
tsier Treppen, hier muß es sein!« sagte
er, indem er den Titeltopf des mitge
nommenen Briefes mit der Haus-num
mer einer recht bescheiden aussehenden
thietlzstaserne verqlich Er begab sich
Lfiber den sonst ganz reinlich gehaltenen
Hof zum Aufgang des sogenannten
Gartenhauses ohne Garten nnd klomm
die vier Stiegen hoch. Richtig, da war
ein Schild: Conrad Fonbert Recht
arschmactooll sah es ans und aar nicht
ärmlich. Er schellte. Ein sicher in die
Welt schauender junaer Mann öffnete;
er trug einen Malertittel, während am
Daumen der Linken eine ölduftende
Palette bina.
»Kann ich Herrn Conrad Fonbert
sprechen?«
»Ich bin lsonrad Fonbert Was
steht zu Diensten?«
DottokJllina war etwas überrascht
»Ich tomrne nämlich --— ich bin Redat
teur an der Tageszeitung »Die Sinn
de« und komme wegen Ihrer Novelle
»Herdfener«.«
Fonbert errötfrte merklich »So, so,
wegen der Novelle. Bitte, treten Sie
ein« aber Vorsicht, drei Zinsen führen
noch hinauf.«
Dettor Jllina trat in dass Alte-lieh
welches unmittelbar an den Treppen
flur grenztr. Sehr aeschcnadboll war
es ausgestattet - - zwar nicht reich,
aber durchaus nicht ärmlich. Die Stiz
zen in Kreide, Pastell und Oel, die ge
rahmten fertigen Bilder zeugten jeden
falls von einem zwar noch nicht ferti
gen, aber immerhin sehr bedeutenden
Können. Das alles war es, was Dot
tor Jlling mit einem Blick sofort sah.
»Bitte nehmen Sie Platz. Dukf ich
Ihnen eine Zigarette anbieten?«
»Dante, aernek"
Fonbert hielt dem Gast das bren
nende Streichholi hin und setzte auch
seine Ziaarette in Brand. Dann nahm
er dem Besucher qeaeniilier in eineni
Legestislil Platz.
Ein Geiis oon Behaalichleii lag
über dem Ganzen, so daf: Doktor Jl
ling das Sprechen nicht schwer wurde.
»Sie haben uns da eine aani ausae
zeichnete Novelle aesandt, deren Stil
und Jnhalt uns gleicherinaßen erfreut
hat. Das-, Jhr Stil ein so ausgeteil
ter, geschrnaclvoller ist, nimmt mich ja
nicht wunder, nachdem ich gesehen habe,
daß Sie so recht mitten im Geschmack
drin sitzen. Aber der Inhalt « dazu
sind doch tiefe sienntnisse nöthig die
man sich nicht allein ans Menschen
mühsam herausholen kann, sondern die
auch das ernste Studium einer ganzen
Reihe wissenschaftlicher Werte bedin
gen. Wo haben Sie nur die Zeit dazu
her bei Jhrem eigentlichen Beruf, dem
Sie ja astqenscheinlich nicht nur mit
Leib und Seele, sondern auch mit gro
ßem Fleiß obliegen, noch solche gründ
lichen Kenntnisse sich anziieianen?«
Fonbert war wieder roth geworden
Augenscheinlich war ihm das Thema
nicht recht bequem.
»Ich bitte Sie«« sagte Toltor Jl
ling, »nur keine falsche Bescheidenheii.
Wir sind unter uns, nnd ich bin nicht
dazu hergekommen, um Ihnen Honig
aufzutrschen, sondern aus dem Wun
sche heraus, den Mann kennen zu let-—
nen, dessen Verstand es vermag, die
feinsten Schwingungen seiner empfin
dungsreichen Seele mit so sicheren
Strichenan das Papier festzuban
nen.«
Fonbert verneigte sich. »Ja, ich hat-:
te es auch für eine grosse Kunst, nicht
nur richtig zu sehen, sondern das Ge
sehene auch so zum Ausdruck zu brin
gen, daß die anderen es genau ebenso
sehen müssen, dasz man sie einfach in
den Bann der eigenen tünstlerischen
Persönlichkeit schlägt. Das ist wohl
in der Schriftstellerei genau so wie in
der Malerei,« sügte er nachdenklich
hinzu.
»Wollen und können Sie mir verra
then, wrlchenStudienging Sie gemacht
haben, um trotz Jhrer augenscheinlich
so großen Jugend auf zwei Gebieten
Bedeutendes zu leisten?"
Fonbert wurde verlegen. Augen
scheinlich war er sich noch nicht klar,
wie weit er dem fremden Herrn da die
Wahrheit sagen könne. Er schielte
nach feiner Palette, die aus einem klei
nen Tischchen in Reichweite lag. »Ja,
sehen Sie --—- —- — aber das würde
Sie doch H —- -—« und mechanisch,
wie -1m die Verlegenheitspause zn
iikserbriiclen, langte die Linie nach der
Palette, die bald wieder an ihrem ge
wohnten Daumen hing. Und als obs
von diesem Stück ein Zwang ausginge, »
stand Fonbert aus und trat vor dass
Bild, an dem er gerade gearbeitet
hatte —- einemMädchentops von eigen
artiger Schönheit »Bitte behalten;
Sie ruhig Platz und lassen Sie sich.
nicht stören, ich muß von Zeit zu Zeit «
mein Wert ansehen: bei solch plötzli-’
ebem Anschanen sieht man manchmal
die Fehler nnd Unterlassungssiinden
schneller als beim angestrengten Su
schen-«
Dr. Jlling war anfangs etwas be
fremdet gewesen. Fonbert wandte
ihm ietzt den Niicten zu. ,,Also,
worüber ich beute hauptsächlich mit
Ihnen sprechen wolltet wir brauchen
einen aroszen Roman sür unsere Zei
tung, und ich glaube, Sie sind der ge
eignete Mann, ihn uns zu schreiben.
Nur müssen Sie mir gestatten, daß ich,
Sie etwas in die Ziele nnd Bestrebun
gen unserer Zeitung einweihe.«
Fonbert hatte bei Beginn der Rede
einen Pinselstrich gemacht, wie um
seine Unentscltlossenheit zu verbergen;
nnd je weiter Doktor Jllina kam, desto
öfter bekam sein Pinsel auf der Lein
wand hier und da einen derbessernden
Strich zu thun.
»Sie verzeihen« sagte er dann ent
schuldiqend, »daß ich weiterarbeitex
aber ich furchte, -—- daß ich, — daf-, die
Farben ——. Jch glaube ,ich bin jetzt
doch zu senr bei meiner Malerei und
tiinn meine Gedanken nicht auf Ihre
fo äußerst mertbvollenRathschläae um
schalten.«
Er leate die Palette wieder bin und
fah Dottor Jltina ratblog an.
,,Freilich,« unterbrach Doktor Jllina
die etwas peinliche Stille, indem er sich
vom Platze erhob· »Wenn Sie ein
solch interessantes Porträt arbeiten,
tann ich Ihnen auch nicht oerdenken,
dan Sie für etwas anderes keine Zeit
badete-«
,,Vielleicht darf ich Sie aber bitten,«
fuhr Fonbert wie von einem plötzlichen
Gedanken erleuchtet fert, «morgen
Abend eine TasseTtsee bei mir zu trin—
len. Und ich verspreche Ihnen, das-,
Sie dann einen besseren Zithörer ha
lxen werden«
»Ich steile th Ebenfalls-, Hing
Doktor Jlling verbindlich, ,meinem
Mitarbeiter an unserer Zeitung, der
sub gleichfalls sehr sijr Jhre Arbeiten
interessiert, Jbre liebenswürdige Zus
sage übermitteln, ihm sagen zu können,
daß Sie nicht abgeneigt sind, uns den
großen Roman zu schreiben.«
»Oh, es wird mir eine große Freude
sein, auch Ihren Herrn Kollegen ten
nen zu lernen: bitte, bringen Sie ihn
mit, wenn er Zeit und Lust hat,« sagte
Fonbert noch, als er Doktor Jlling dte
Hand zum Abschied reichte.
Am nächsten Abend stieg Bräuner
voll Erwartung mit Doktor Jlling die
vier Treppen im Hof der Berliner
Straße 127 heraus. Fonbert empfing
rte ungezwungen wie gute alte Bekann
te. Er führte sie durch das Atelier,
das in der eigenartigsten Beleuchtung
durch zwei Versteckt angebrachte Am
peln noch stimmungsvoller aussah als
am Tage, in ein bescheidenes, aber
ebenfalls sehr geschmaclvoll gehaltenes
Wohnzimmer. Ein Tisch war sauber
gedeckt; und vier Stühle, die so recht
in dieses Kiinstlerheim paßten, waren
berumgesetzt. Noch standen die Her
ren, da trat mit der Theetanne ein jun
ges Mädchen herein, in welchem Dol
tor Jlling sofort das Porträt wieder
erkannte. an dem Fonbert gestern ge
arbeitet hatte.
»Meine Schwester!" stellte Fonberi
ungezwungen vor; »die Herren Re
dalteure von der »Stunde«, die uns
wegen der Novelle ,,Herdfeuer« bo
suchen.«
Die beiden Herren ver-beugten sich.
»Redatteur Bräuner.'«
»Dottor Jlling.«
»Bitte, wollen die Herren Platz neh
men,« sagte Fräulein Fonbert mit ein
facher Freundlichkeit Und mit feis
nem Geschick waltete sie ihres Amtes
als- Hausfrau Die beiden Herren
fühlten sich sofort wie zu Hause bei
Its-Lesen Menschen, die der Kunst so nahe
wohnten und frei waren von dem, was
den Alltag so grau macht. Bräuner
entpuppte sich als Feinschmecker und
lobte in Fachausdrijcken die vorzügliche
Zithereituna des Jrnhisses. Doktor
Jlling erhob scherihast die Theetasse
und stieß aus das Wohl der »Am-Drin
dieses Mahles« an, während Fonbert
voll frohen Stolzes seine Schwester
ansah und ihr zuries: »Dein Wohl,
Nelly!«
Als man sich die Zigaretten anziin
dete, meinte Doktor Jlling: »Aber wir
müssen jetzt auch zu dem Geschäftlichen
tommen.« Tief-mal erröthete Fonbert
nicht, aber seiner Schwester geschah es.
Als Bräuner dann über den großen
Roman sprach, und auch Doktor Jl
ling von Zeit zu Zeit einige Bemer
tnngen dazwischen warf, war es stets
Fräulein Fonbert, die antwortete,
während ihr Bruder strahlend seine
Zigarette zwischen den Fingern drehte.
Schließlich schwang sich Doktor Jl
ling zu der Frage auf: ,,Wo in aller
Welt haben Sie, Fräulein Fonbert,
alle diese Wissenschaft her?«
»Hat es Jhnen mein Bruder nicht
gesagt? Jch besache hier die Universi
tät und habe einiae sehr interessante
Kollequ über Philosophie und Logik
belegt. Nebenbei führe ich ihm die
Wirthsebait.«
»Ja,« fiel Fonbert iyr lachend rng
Wort, ,und die Novelle-n hat sie auch
geschrieben; aber aus überqtosssr Be
scheidenheit wollte sie ihren Namen
nicht aenannt haben und hatte mir
strengstens verboten, den Schleier zu
liisten: aber nun hat sie sich ia bereits
selbst berraien.«
Die beiden Herren machten ziemlich
verbliisste Gesichter; aber Doktor Jl
ling rettete sich, indem er sagte: ,,Frei
lich, bag habe ich längst gemerkt.«
Fräulein Fonbert rief ihrem Bru
der ein vorwurfgvolles »aber Conrad«
zu, und sich dann zu den Herren wen
dend, vertheidiate sie sich mit iornischem
itfisert »Eiqentlich war die Täuschung
doch nicht so schlimm; tpie Novelle trug
ioch meinen Vatersnamen, und der
Vorname war abgekürzt. Ob da nun
die ersten vier Buchstaben von Cons
radg Namen dastehen oder die ersten
vier von meinem Namen »Cornelie«,
dac- tonnte auch ebensogut ein Druck
fehler der Schreibmaschinistin sein!«
«Rirk1tia!« sagte Doktor Jlling. —
s Etwa R Wochen später begann Bräu
suer etwas zöaernd iiber das Doppel
sp.1lt: »Saaen Sie, lieber Herr Kol
leae —--- es ist zwar eigentlich aar nicht
s«räuchlich in unserer Reduktion —,
als-er könnten wir nicht versuchen,
Fräulein Fonbert alH Redakteurin für
uns zu gewinnen?«
Doltor Jlling lächelte. ,,Sehr ge
ebrter Herr Doktor, soeben wollte ich
; anen Divon die JJtittbeilunza machen,
jdaß ich gestern Fräulein Fonbert als
lebenslänaliche Redakteur-in siir mei
nen urtiinftiaen Haue-stand gewonnen
hobe«
Aus dem Resermdarexamem
Herzlich ge lacht wurde kürzlich auf
dem Brei-lauer Oberlandeggericht über
Jeine unerwartete, doch verbliissend
richtige Antwort, die einer der Raubi
» daten im Reserendarexamen auf eine
an ihn gerichtete Frage gab. Der
iHerr Eraminator verlangte vom
iPriisling eine turze Darstellung der
Geschichte des Oberlandesgerichtg
Er half ihm dabei ein wenig aus und
ibedentete ihm daß dieses Gericht
sriiher «tlppellationggericht, vordem
Oberlandeggericht geheißen habe, wie
eg auch heute wieder heiße und be
gehrte dann weiter zu wissen, aus
weichen Ursachen Und zu welchen Zeit
puntten die Namengwechsel erfolgt
seien Da der standidat keine befrie
digende Auskunft zu geben wußte,
sagte der Herr Eraminator: »Ich will
eine andere Frage stellen; vielleicht
zeigt sie Ihnen den rechten Weg sür
die Beantwortung meiner ersten
Frage Gesetzt den Fall, wir besänden
uns jetzt im Heitalter Friedrichs des
Großen. Wie würde der große König
die Herren dieses Gerichtes, —- tvie
würde er beispielsweise mich anre
dens« . Ohne Besinnen erwiderte
der Kandidat: »Mit Er!« . . . Be
zwungen von dieser unansechtbaren
Wahrheit stimmten die herren Exa
minatoren dem Prüfling rückhaltslos
bei. «