Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 03, 1909, Zweiter Theil, Image 13

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    Schach auf Leben nnd Tod.
Eine Neiiebekanntichnit. Von M a r i e
W alte r.
Während einer Badekur in Mit-in
nen lernte ich einen Rassen tennen,
der trotz seiner sechzig Jslire noch
den Eindruck eines bünenipasten Recken
in:chte. Er hatte ein bewegtes Leben
hinter sich. und da wir viel zufam
men verkehrten, so erzählte er mir
manchmal vie ieltianien. oft recht
gefährlichen Abenteuer, die er in fei
ner Jugend bestanden hatte.
Eines Tages trafen wir uns in ei
nem Tafe. wo zwei Herren Schach
spielten. Dieser Anblick übte eine inn
derbare Wirkung auf meinen knist
ichen Freund aus, denn er starrte un
verwandt. mit sichtlicher Erregung, auf
das Schachbrett und ich iali deutlich,
Ivie sich feine Hände irampfbaft ball
en.
«Spielen Sie Schachf« fragte ich,
mich im stillen über iein Benehmen
wandernd.
R
Es lllckik stumm. schloß sekllndeti-"
, lang die Augen und fagte dann in
gediiniofteri Ton: »Dieses Spiel
erinnert mich immer an eines meiner
schrecklichen Erlebnisse, an da- ich bis
heute niir mit Schaudern zii denken
AMICI i
»Besten Sie es mir nicht erzäh
len?« bat ich.
«’s ist eine griifelige Gefchichte«,
entgegnete er, »wenn Sie’s aber hö
lreri mögen, ioill ich"s Ihnen erzäh
en."
Er zündete sich eine frische Figura
te an, liesz sich eine Tasse staelen Kas
fee bringen nnd begann:
.Während des rusfisch - tiirtischen
Krieges — im Jahre 1876 —- mur
de ich in geheimer Mission als Kund
fchafter nach Stanibul geschickt. Da
ich mich dort mehrere Tage Jus-halten
mußte, lo gab ich mich rer Sicherheit
balder für einen snriichen Derioifch
aus.
Eines Nachmittags — die Sonne
sandte glühende Strahlen herab —
suchte ich rnir an der Solimanst
lchee ein fchattiges Bläschen ziim Aus
ruhen. In nächster Nähe der Motchee
befanden sich mehrere Ooiumtsöhlen
Als ich an ihnen vorbeiging, stol
perte aus einer derielben ein euros
päisch getleideter Mann nennt-. Er
lollidirte dabei so heilig init einem
albiinesiichen Soldaten, dafi le terer
ziemlich iinianft zu Boden fiel. inen·
wilden Fluch aus«-stoßend, raffte sich
der Gistiirzte auf, schwang seinen Sä
bel und drang gegen den Fremden
vor, der sicher der blinden Wirth des
Soldaten zum Opfer gefallen wäre,
bötte ich denfelben nicht mit einem
träftigen Faustseblag niedergestrerlt.
»Das irae gutgerielt!« rief der Frem
de. augenscheinlich erstaunt iiber den
schlagfertigen Derioisch Ohne ihm zu
antworten, zog ich ihn hastig mit mir
fort, durch einige Seitengaiien zum
Stadttl,or hinaus. Unter der Einwir
luna des Optiimrauiches, der ihn
umnebelte. folgte er mir willenlos.
Crit als wir den Verort Engiib er
reicht hatten, blieb er flehen.
»Warum führen Sie mich hier
her?" fragte er in erniichtertem Ton
»Um der uns drohenden Gefahr
zu entrinnen«, gab ich turz zurück.
Der Fremde lachte sorglos .iui.
»Vat» ror einem lumpigen Bald-Wo
gout braucht man doch nicht davon-—
zulaufenl Sie sind zu ängstlich. Aber
— Sie haben mir das Leben ahne
tet und dafiir danle ich Ihnen· cl. ein
Name iii Jean Beaulieu. Ich bin Ne
porter eines Pariser Blatteg und
tocllte die tiirtiichen Loiumhöltlen
aus eigener Anschauung tenneis ler«
nen. Und Sie, mein Herr? Wer lind
Sie? Jedenfalls weder Tiirte noch
Terwisch.'« »
Ich zögerte mit der Antwort. Sein
off:neö. ehrlicher Gesicht veranlaßte
mich jedoch, ihn rückhaltlos iiber mei
Iten verhungert Verm tin-Unkennt
Er piiss leiie vor sich hin. »Oui!
Eine titzliete Million!« äußerte er.
«Wlssen Sie. was- eg siir Sie bedeu
tet, wenn Sie entdeckt werden?«
Ich nikttr. »Ja, das meist ich, und
eben deshalb möchte ich Ihnen rathen.
sich nicht in meiner Gesellschaft zu
zeigen. Es iönnte Sie in schlimme
Ungelegenheiten bringen. Wir wol
len uns lieber hier trennen.«
Doch davon wollte er nichts hören,
und da wir unt fest verhältnißinößig
sicher fühlten, sn setzten wir unsern
Wea gemeinsam irrt. Nach einiaen
Minuten oelannten wie an ein aus
gedehntee Grundstück, aus dem sich
ein weitlöusiaer Palast erhob.
Neunieria luate mein Geiäksrte über
die eieultemachsene Mauer. »Viel-h ein
herrlicher Gartent« riei er mir zu.
«Wie angenehm lühl muß es da sein!
Ab. und am Sprinqbrunnen steht eine
teizende Türlin ohne Schleier-. Die
will ich inipien --— habe eine Camera
bei mir.«
«Lassen Sie hast« warnte ich ihn.
»Ich izte gehört. daß hier der Pa
icha Ahrned diiaz wohnt. der we en
ieiner Grausamkeit berüchtigt it.
Machen Sie also teine Thorheit!«
«Erit muß ich lein hübsches Weib
chen photographiren«, bebarrte der
Franzase lachend. »Es ist zwar, als
wie wenn ein Schnltnahe Aepiel
stiel,.lt, aber das reizt mich gerade.
helfen Sie mit- mal dabei!«
Ich ließ rnich wirklich überreden.
Mit großer Gewanvtheit schwang er
lich arti meine Schutt rn und stand
eben im Benrisi. die Camera zu rich
ten, als wir Schritte hinter uns ver
nahmen und gleich daraus den albas
nesiichen Soldaten mit einigen Pa
instwiichtern gewahrten. Der neh
—
tüchtige Baschibozout war uns heim
lich gefolgt hatte Beaulieu aus der
Mauer gesehen und ihn eiligst ange
zeigt.
Wir wurden verhaftet und durch
sucht, und da man bei mir Papiere
sand, die mich verrietben, so musten
wir uns aus das Schlimmste gefaßt
machen.
Bis zum Abend hielt man uns in
einem engen Raum gefangen, dann
tam ein nubischer Diener-, der die s:lt- «
same Frage an uns richtete, ob wirI
verstanden, Schach zu spielen. Wir’
bejahten beide, und so führte er uns
in das Gemach des Pafchas. der aqu
einem niederen Divan saß. Vor ihm«
stand ein Tischchen rnit einem Schach
brett, aus deni die Figuren, aus mei
ßem und schwarzem Elfenbein ge
schniyt, ausgestellt waren.
»Ihr spielt Schach?" wandte sich
der Liirte zu Beaulien.
»Ja,« erwiderte dieser mit fester
Stimme. Er schien all« seine Leicht
herzigteit verloren zu haben, denn
sein Gesicht war blaß und tiefernst.
»Gut,« sagte Hijaz, »Ihr werdet
jetzt um Euer Leben spielen. Und
nachher auch Euer Freund. Wenn
Jhr mich schlagt —- was Euch aber
nicht leicht gelingen dürste —, so ver
spreche ich Euch die Freiheit. Jm an
deren Falle droht sofortiger Tod.
Laßt uns beginnen!« J
Schweigend nahm Beaulien ihm·
gegenüber Plat« und aus einen Wint
seines Gebieters stellte sich ein riesen
hafter Nubier mit gezücktem Schwert
neben ihn. Mich überlies es eiskalt,
als ich die haarschars geschliffene
Klinge im Licht der Lampen blinten
sah. Das Spiel begann.
Ahmed hijaz, der ein leidenschaft
licher Schachivieler war, besaß eine so
große Fertigteit in diesem Spiel,
daß er nur selten einen ebenbürtigen
Gegner fand. Trotzdem hegte ich we
nig Besorgniß für meinen Gefahr
ten, der mir erzählt hatte, das- er
wiederholt bei Schachturnieren als
Sieger hervorgegangen war. Ich
selbst besaß telne besondere Uebung;
mein Leben erschien mir daher be
drohter als das meines LeidensgencL
sen.
hijaz wurde bald verdrießlich, denn
Beaulieu setzte ihm scharf zu und
trieb ihn immer mehr in die Enge.
Plöhlich drückte der Türte aus eine
silberne Klingeh Augenblicklich er
schien eine bildschöne Griechin, die
uns in goldenen Tassen Motta ser
virte. Dann begann das Spiel von»
Neuem
Der Pascha war im Nachtheil. Er
beugte sich tief über das Schachbrett,
nur mühsam seine Wirth verbergend,!
indeß Beaulieu eine zuversichtliche
Miene zur Schau trug. Der Sieg
schien ihm ja gewiß. Plötzlich ries der
Poichm «Schoch!«
Die Augen des Nubiers funtelten
erwartungsvoll und fester umklam
merte seine schwarze Faust den blin
tenden Yatagan.
Mir schlug das Herz zum Zer
springen. hastig überblickte ich das
Brett. Ahmed Hijaz schien doch das
Spiel zu verlieren — in höchstens
vier Zügen mußte Beaulieu ihn be
siegt haben.
Plößlich bemertte ich, wie der Pa
scha dem Nubiet mit den Augen
winkte und eine kaum mer!liche»
Handbewegung machte.
Das beunruhigte mich. Jch hatte
wiederholt von dem tückischem grau
samen Charakter des Türken erzahlen
hören und so befürchtete ich auch jetzt
eine verrätherische That von seiner
Seite.
Schon stand ich im Begriff mei
nen Gesährten zu warnen, als Ahmed
Hijaz abermals triumphirend aus
rief: »Schach!"
Beaulieu schüttelte den Kopf —— er
war seines Sieges vollkommen sicher
—, doch im selben Moment sauste die
Klinge des Nudierg durch die Lust.
Schaudernd schlos-, ich die Augen. Ge
rechter himmel! Es gibt Dinge, die
man bis an sein Lebensende nicht ver
gißt!« —- —
Der Rasse machte eine Pause,
stärite sich mit einem Schluck Kassee
und suhr dann satt:
»Der arme Beaulieu, der aus so
schreckliche Weise seinen Tod sand,
wurde sicher vermißt und gesucht, al
lein außer mir hat wohl niemand
sein trauriges Schicksal erfahren.
Für diesen Abend schien der heim
tiickische Pascha die Lust am Weiter
spielen verloren zu haben, denn er be
sahl, mich in mein Gefängniß zurück
zuführen. Noch unter dem Eindruck
seiner grausigen That stehend machte
ich einen Iluchtdersuch, der jedoch
miszlang.
Am nächsten Tag nach Sonnenun
tergang mußte ich wieder vor dem
Tiger in Menschengestalt erscheinen.
Alles war wie am vorher gehenden
Abend· Die Lampen brannten, der
Pascha saß aus dem Divan, ich ihm
gegenüber vor dem Schachbrett und
neben mir stand der unheimliche Nu
bier mit seinem Yatagan, an dem
noch das Blut meines armen Ge
fährten liebte.
Das Spiel begann — ein Spiel
aus Leben und Tod.
Anfangs hatte ich die größte Mühe,
meine Erregung niederzutiimpfen,
aber nachdem ich einige Vortheile er
rungen hatte — ich nahm meinem
Gegner einen Läufer und mehrere
Bauern —, wurde ich ruhiger. Nach
einer Weile jedoch verlor ich einen
Thurm, und nun trieb mich der Pa
icha Zug um Zug in die Enge. Bald
merkte ich, daß et mir im Spiel weil
überlegen war und mir anfangs nur
nachgegeben hatte, um sich dann de
ftamebr an meiner Niederlage zu
irriden
Sänger und länger zögerte ich. be
rer ich meine Figuren schob. Der Pa
icha lief-: mich ruhig gewähren. Mit
rein grausamen Behagen ekner Katze,
die mit der gefangene·n Maus ipieli,
lebnte er sich in die Rissen zurück, ge
miichlich seine Nargilelspeiie rau
chend. Dann llingelie er wie am
Abend zuvor, und wieder erschien die
schöne Griechin, aber diesmal bot fse
uns Wein an.
Ich tranl voll Gier, bedursie ich
doch eines Stärlungsmitiels, um die
marteroolle Spannung auf-zuhalten
Der Nubier, der io unbeweglich mit
dem Damallesschweri an meiner
Seite stand, machte mich entsetzlich
netvös. Es war eine grauenhaite
Torturi
Wir spielten weiter.
Wieder und wieder bot mir der
Iiirle Schach. und jedesmal sah ich,
wie der Schwarze neben mir seinen
Yatagan einige Zoll höher hob. Dicke
Schweißtropfen traten mir auf die
Stirn, meine Hände zitterten, ich
war laum noch Herr meiner Sinne.
Das Schicksal des unglückliche-n Fran
zosen stand mir lebendig vor der
Seele -— zweifellos erwartete mich
ein gleiches Geschick · ,
Und dann durchzuckte mich schlingt-p
der Gedanke: warum mich willenlos
abschlachten lassen, ohne wenigstens
um mein Leben aetämpst zu taben2
Auf der linten Seite war ein beei
tee Fenster. Es stand offen, aber es
befand sich zwanzia Fuß hoch iiher
dem Erdboden. Um es zu erreichen,
mußte ich an dem schwarzen Stlaven
vorüber. Jhn mit einem Faustschlaa
niederzustreckem war unmöglich, weil
ich saß, während er stand. Es blieb
mir nur das eine Mittel: seine Beine
iu umklammern und ihn mit einem
keitigen Ruck zu Fall zu bringen.
Noch zögerte ich. Der Kerl war ein
Riese von Gestalt « ihn umzuwer
sen, eriorderte mehr als aervöhnliche
Kraft. Der Pascha hatte sich über das
Schachbrett gebeugt, mit hämischer
Schadensreude den Zug überlegend,
der mein Todesurtheil bedeuten sollte.
Keine Minute länaer durste ich
warten. Blitzichnell wandte ich mich
dem Nubier eu, umklammerte seine
nackten Beine, spannte meine ganze
Musteltrait an und riß ihn um.
Wie ein Stiiet Holz fiel er dröhnend
tu Boden. Jch mußte über seinen
Körper steigen, um ans Fenster zu
gelangen und damit verlor ich eine
kostbare Selunde.
Der Pascha war ausgesprungen
Mit lautem Wuthschrei stürzte er sich
.1usmich, doch schon hatte ich den
Yataaan des Nubierg ergriffen, und
mehr von dem Gedanken beherrscht,
den Tod des armen Beaulieu zu rä
chen als mich zu schützen, versetzte ich
dem Türten einen so wuchtiaen Hieb
iiber den Kopf, daß er lautlos nieder
sont.
Schon stürmte die Dienerickast
durch das dumpfe Ausschluan des
fallenden Körpers autgeschrectt. inc
Zimmer, doch ich hatte mich bereits
zum Fenster hinausgeschwungen
Nur den Umstand, daß ich beim
Hernbsprinaen in einen Kirschbczim
iiel, dankte ich mein Leben. llnver
letzt glitt ich zur Erde, eilte durch den
Garten bis zur Mauer, die ich mit
Leichtigkeit überkletterte, und lief
dann, so rasch ich konnte, Der Stadt
zu.
Jm Dunkel der Nacht aelanq es
mir, Stamlsul zu erreichen. Ich der
wandelte mich nun in einen alten
Bettler, und in dieser Vertleiduna
tonnte ich unbehelligt meine Mission
zu Ende führen.
Seit jener Zeit aber tann ich tein
Schgchspiel mehr sehen, ohne in eine
gewisse Erregunq zu gerathen, erin
nert es mich doch immer an die ent
setzliche Stunde, in der ich aezwunaen
wurde, mit Schachsiauren um mein
Leben zu spielen.
Bei-kannt.
Bettler: » »Bo: etwa einem Jahre
schentten Sie mir eine atte Weite, in
der ich nachher einen Hundertmarti
schein iand.«
Tamet »Himmel, und Sie bringen
mit wirklich jept das Geld zurüd!«
Bettler: »Nu, ich wollte nur fra
gen, ob Sie wieder eine Weste für
mich haben!"
Mutter-stehn
Mutter (deren etwas minderwerthi
get Sohn in die Fremde geschickt
wurde, zur Nachbarin): »Es ist wirt
lich aut, daß ich ihn ’n bisserl hinaus
geschickt habe, fest ist er erft vier Tage
fort und er weiß schon, wie man um
Geld depeschirt!«
Wählt-Mk
»Als-) du magst hermann nicht?«
»Nein, er scheint mir zu nichts fä:
hig zu seini«
»Na, dann nimm doch den Guitav.«
»Ach. den erst recht nicht! —- Der
scheint mir zu allem fähig zu feint«
Ieise-n
Bäuerin (zun1 Arzt, der ihrem
Mann einen Eisbeutel auf den Kopf
legt): »Meinen S' net, herr Dotta,
daß de Kält’n sei’m Verstand schadt?«
Irrtum-, sie verschwinde-.
Die Zahl der Menschen welche ver
schwindend spurlos aus der Welt ge
hen, ist viel größer als man wohl ans
zunehmen geneigt sein möchte. Man
hat berechnet, daß in dem Britischenl
Reiche, einschließlich der Kolonien, im
Jahre durchschnittlich nicht weniger
als 10,000 Männer und Frauen ver
schwinden, ohne eine Spur von sich zu
hinterlassen. Die Anlasse dieser
Schicksale und die Formen, in denen
sie sich abspielen, sind natürlich ung
mein verschieden. So hatte der erste
Gatte der belannten Sängerin Not
dica dasselbe Schicksal wie Andree: er
stieg in einem Lustballon aus und
wurde nie mehr gesehen. Der Sohn
eines der Mitinhaber des weltberühm
ten Verlagshauses Macmillan trat
Jst-« eine Ferienreise nach Griechen
land an — und das Thor des Schick
sals schloß sich hinter ihm. Am 16.
Januar 1892 unternahm der Leiter
einer Schule in der Nachbarschaft von
Liverpool in Gemeinschaft mit seiner
Frau und seinen beiden Kindern eine
Fahrt nach Liverpool. Aus der Sta
tion Börse verließ er seine Angehöri
gen, um einem Fußballtampse beiDir
tenhead beizuwohnen. Er wurde aus
rein Kambsvlane gesehen, aber von
diesem Augenblick an war der Mann
vollkommen verschollen. Eine ganz
räthselhaste und traurige Geschichte
hat Lincolnshire zum Schauplatze.
Tort seierte ein gewisser Herr Grissin
seine Hochzeit. Die Trauung war
vollzogen; das junge Paar und seine
Gäste saßen gemiithlich zu Hause zu
sammen. als ein Dienstmädchen ein
trat und meldete, ein Herr stehe unten
und wünsche Herrn Griffin in einer
besonderen Angelegenheit zu sprechen.
Ter junge Eheniann bat, ihn für ein
paar Augenblicke zu entschuldigen,
und verließ das Zimmer. Stunden
;ve«rrannen, ohne daß er wiederkeh te
JTie Gesellschaft wurde in höchstem
Maße unruhig und Nachforschungen
»wurden angestellt. Die Dienerschaft
shatte Griffin mit dem Unbekannteni
jin den Garten gehen, aber nicht mehri
zurückkehren sehen. Der Garten war
von einer hohen Ziegelmauer um
schlossen, die teinen Ausgang hatte.!
Keine Spur von dem Vermißten oder
seinem Schicksal war an der Mauer
oder im Garten zu entdecken. Die un
ter so merkwürdigen Umständen ver
heirathete Frau lebte nachher noch viele
Jahre und gab sich die allergrößte
Mühe, Spuren von dem Verlorene-i
zu entdecken —- doch ganz vergeblich.
Viele Opfer schluckt die Riesenstadt
London, ohne daß man ihren Verbleib
irgendwie erklären könnte. Vor etwa
15 Jahren reiste ein Oberst nach Lon
zdon. Auf einer Zwischenstation stieg
Jeine junge Dame in das Coupe, die
Hvon einer lustigen Gesellschaft, offen
bar aus den guten Ständen, zurBahn
begleitet wurde. Die beiden Reisenden
Tgeriethen in ein Gespräch, und es er
gab sich, daß die junge Dame zu ih
rer ersten Saison nach London reiste.
» Sie war voll der heitersten, glücklichen
Erwartung Am Bahnhof in Lon
don stiegen die beiden aug, die junge
Dame erklärte, daß sie erwartet witt
de, und der Oberst rief nach einer
Droschir. Jm Begriff abzufahren.
sah er die Dame noch immer wartend
aus dem Bahnsteige stehen, und eZ
drängte ihn, ihr seine Hilfe anzubie
ten; aber um nicht zudringlich zu er
scheinen, ließ er es sein. Jn der Nacht
aber wurde er durch einer Traum er
schreckt» der ihm dieselbe Dame hilfes
flehend zeigte. Er erkundigte sich nach
ihr in der Familie, wo sie nach ihrer
Angabe wohnen sollte· Sie war nicht
angekommen. Jhre Freunde hatten
den richtigen Zug verfehlt· Nun wurde
geforscht und telegraphirt. Detetti
des wurden in Dienst genommen, aber
bis auf den heutigen Tag ist die Un
glückliche verfchollen geblieben.
Sehr zahlreich sind die Fälle, in de
nen Personen freiwillig oder durch
Zwang aus lange Zeit hinaus ber
schwinden, dann aber in oft überra
fchender Weise endlich wieder zum
Vorschein kommen. So verschwand
z. B. der Sohn des englischen Pre
rnierministerg Lord Abekdeen mitten
aus einem Leben des Reichthums und
Ansehen-, um als gewöhnlicher See:
mann aufs Meer zu gehen. Er starb
durch einen Fall vom Muste, und seine
Persönlichkeit tonnte aus seiner Hin
terlassenschaft festgestellt werden. Ja
einem Hotel der Pensanze wurde ein
mal ein junger Rellner in die Bäckerei
nebenan geschickt, um ein Brötchen zu
besorgen. Er tam nicht wieder. Nach
20 Jahren betrat ein Mann das Ho
tel, ging schnurstracks zur Eigenthü
merin und legte ein Brötchen vor sie
auf den Tisch. »Ich bin ein bißchen
lange fortgewefen, Madame, aber es
war nicht meine Schuld!« Er war
unterwegs überwältigt, weggeschleppt
und an Bord eines Schiffes gebracht
worden: und alles das so schnell nnd
still, daß er durchaus tein Lebenszei
chen von sich geben oder sich retten
konnte. Den Humor auf diesem Ge
biete vertreten jene Schuldner, die an
das Ufer reißender Flüsse oder am
Gestade des Meeres oder an steile
Felötlippen ihren Rock und ihren Hut
niederlegen und sich dann spurlos aus
dein Staube machen, in der Hoffnung,
daß ihre Gläubiger an ihren Selbst
mord glauben werden. Einem von
—
diesen schlauen Thebanern gelang sein
Trick so gut, daß die Versicherungsge
sellschaft seiner »Wittwe« sogar die
Lebensversicherung auszahlte, bis den
ertruntenen Mann ein Agent der Gr
sellschaft viele Jahre nachher aus einer
Straße in London spazieren gehen sah
und ihn der Polizei überlieferte.
-——-.
Die Zteqe tm dritten Stock.
Angesichts der Anforderungen, die
die neuzeitliche Hygiene an die Milch
veriorgung stellt und die schweren
Sorgen, die diese den Verwaltungen
aineritanischer und nordeuropäiicher
Großstädte bereitet, lohnt eg sich wohl
einmal einen Blick zu werfen aus die
oieltundertjährigen Einrichtungen Pa
lermrs, der zweitgrößten Stadt des
Süden, in der Art der Milch-versor
gung, die wohl auch fifr die etwas ser
nere Zukunft erhalten bleiben dürften.
Jn den frühesten Morgenstunden er
gießen sich ganze Heerden von Kühen
und rieiiae Schaaren von Ziegen in die
Straßen der Stadt. Brüllend und
meckernd trotten die Thiere schwerfäl
lig einher, denn die stroßenden Euter
machen ihnen diese allmorgentliche
Promenade stets recht unbehaglich.
Aber ihre Last wird beständig leichter,
denn die Glocken der Kühe und das
Schreien der Hirten locken die Kund
schast vor alle Thüren; Haus für
Haus stehen die Häuser mit Töpfen
und Schüsseln, die Hirten machen mit
einem ihrer Thiere Halt-je nachdem
ob Kuhmilch oder Ziegenmilch ver
langt wird-und die denkbar schmu
tzigiten Hände melten aus den ebenso
uniauheren Eutern die gewünschte
Menge iosort in die Gefäße. Aber
viel Altilchlieseranten liefern auch in
Palermo ,,srei ins Haus«. Nicht, daß
sie die Milch in Kannen oder Flaschen
schön verschlossen und etitettirt den
Kunden überreichen, nein, sie bringen
den lebendigen Produzenten gleich mit
zur Stelle. Mit den Kühen läßt sich
das allerdings nicht machen, denn diese
haben eine anscheinend unbezwingliche
Abneigung gegen das Treppensteigen,
aber dafiir find zahllose Ziegen in Pa
lermo täglich Gäste auch in den ober
sten Stockwerken der Häuser-. Bedäch
tig, aber sicher llimmt die an ihrem
Milchvorrath schwer tragende Ziege die
Stufen hin.1uf, prompt bleibt sie vor
der gewohnten Entreethiir stehen, aibt
meckernd von ihrer Anwesenheit Kennt
niß nnd läßt sich gern von ihrer Last
befreien. Mehrere Stunden lang be
: herrscht dieses landwirthfchaftliche
Bild die Straßen und Häuser Paler
wos, bis endlich alle Kunden befriedigt
sind. Dann dentt man auch der Kälb
chen, die in Mengen den Kühen fol
gen, man nimmt den hungirioem spin
deldiirren Thierchen, die seit dem
Abend vorher keinen Tropfen zu kosten
bekommen haben, den Maullorb ab
und lässt sie probiren, ob sie in den
; Eritern der Kuhmama noch etwas fin
den. Bis dahin hatte man sie durch
Verbinden des Maule-Z gehindert, et
was von der Milch zu erhaschen, und
» die Stockschläge hageln nur so aus die
armen Aälbchen nieder, wenn sie tläg:
lich muhend, ihre maulkorbbewehrten
Köpfe immer wieder dem Euter der
Kuh zu nähern suchen. Denn Milch
ist ein kostbarer Saft in der Groß
stadt Palermo mit ihren ROODOOEiw
wohnern, und in Sizilien iiberhaupt,
wo der Ataoigmus der Scholle so
mächtig ist, daß die immer wieder im
portirten besten Zchweizer Rinde-trai
sen schon nach wenigen Generationen
zu Biisseln mit Riesenhornern und
tncchiaen, milcharmen, mageren Lei
bern wer:en, wie man sie auf Jahr
tausende alten, bildlichen Darstellun
aen sieht. Das Land hält Mensch und
Thier im Banne der VorzeiL
Der »Bltnde«.
Ein icherzhasteg Erlebnisz erzählt
der ,,«’5igaro" aus einer siiklicben
Stadt Frankreichs-. Hier gab eine
Wandertruppe dig beliebte Zpettatel
stiick »Die beiden Blinden« hatte aber
das Pech, daß einer der beiden Haupt
darsteller turz uor der zweiten Auf
führung des Schauspieleg ertrantt-.e
Der Direktor wollte rasch ein anderes
Stück ansetzen, aber das Publikum
verlangte stürmifch »Die beiden Blin
»Aber ich habe nur einen Blinden
—- der zweite Winde ist trant«, er
klärte der Jmpreiario verzweifelt.
,,Tl,-nt nichts, soll ein anderer die
Rolle lesen«, detretirte das- Parteit
Und so geschah’s. Während der
eine der Blinden nach Vorschrift mit
geschlossenen Augen tastete, wantte
und seufzte, las der andere Blinde
seinen Pakt vor, ohne daß die Jllu
sion der Zuschauer gestört wurde. Für
ihre Phantasie war der Mann ehen
blind-—auch wenn er die Sätze müh
sam aus dem geschriebenen Heft ab
las. Und da spricht man noch von der
Wirtiichtsitssekknsucht des modernen
Theaterpublitrimg!
Dei Lehrer-i Rache.
Das Schweizer Evangelische Schul
kilatt erzählt solgendes hübsche Ge
schichtchent Die Gemeinde Unterkulm
hat mit 100 gegen 97 Stimmen eine
Besoldungserhöhnng der Primarlehrer
von 1600 auf 1700 Franten abgelehnt.
Ein tinderreicher Vater hatte in der
Gemeindeversammlung gegen die Be
soldungserhöhuna des im Dienste er
arauten Lehrers gepoltert und sprach
ihm nachher die Befürchtung aus, er
werde sich nun wohl an seinen Kindern
dafür rächen. »Nei, mi guete Ma«,
erwiderte der Lehrer, »mi Nach ifch di:
ich mache, daß dini Chinder gschyder
wärde, ais du bisch!«
Votsichtig.
—
q f
,,Zroei Stunden lang hat mir der
Lump da drüben zu·a’scho.ut, wie ich
’g Holz tlein mach’ — und setzt, wo
ich fertig bin, kommt er her und bet
telt.«
Zum Andeutung.
»Wir soll’n unserm Bürgermeister
schonend beibringen, daß wir ihn W
nächstemal nimmer wählen. Wie
tnach’n wir nur das?«
»J« meins wir werfen ihm d« Fen
ster eini«
Ein ehrlicher Freier
..... Sie können aber doch mit
Jhrem Gehalt keine Familie erhal
ten?«
»Deshalb ist auch meine Wohl auf
Jhre Tochter gefallen, Herr Kommer
zienrath.«
Sehr wahrscheinlich.
Fremder: »Wer ist denn der Herr,
der da am Stammtisch so furchtbar
lügt?«
Witl):: »Das ist der pensionirte
Oberförster.«
Fremder: »Donnerrvetter! muß
der erst gelogen haben, wie er noch
attio Ioar!«
Die junge Hausfrau.
. »Aber Köchin, wieder ist die Suppe
so heiß gekocht, dasz man sich den
Mund verbrennt! . . . Wie ost muß
ich eg Ihnen denn noch sagen, Sie
sollen mit dem Holz mehr sparen!"
Wöttlich.
Die Huberbäuerin will ihrem Soh
ne, der beim Militär dient, ein Fäß
chen Wein schicken; sie trägt es aus die
Post und sragt dort den Beamten,
wag sie noch draufschreiben soll, damit
es ihr Sohn recht schnell betommt. —
Der Beamte meint lächelnd: »Schrei
ben Sie nur halt daraus: Dringlich!«
— Die Huberbäuerin befolgt diesen
Rath, nur hat sie eine etwas eigene
Orthographie, und so setzt sie halt
daraus: Trinklich; was ja auch richtig
war.
All-gewinkt
Schornsteinfeger: »Du, Einma, ick
liebe dir, wir müssen heute endlich mal
in’S Reine kommen.
Köchin: »Da is die Wasserleitung
und hier liegt Seife, nu tomm’ man
erst mit Dir in’g Reine!«
Aus der Schule-.
Lehrer: »Was erhebt den Menschen
über das Thier?«
Schüler lnach einigem Besinnen,
sreudig): »Der Lustballon« Herr Leh
e«
kec.
Mangclhnstc Einrichtung.
Freundin: »Wir, du kannst deinem
Mann nicht einmal einen Knopf an
nähen Z«
Junge Frau: »Ach, ich könnte schon,
aber wir haben ja gar keine Nähmas
schine!«
Ein gnlantet Angestellter-.
Geschäftsführer (der zum Geburts
tag der ältesten Tochter seines Chess
eingeladen ist und das Hoch Namens
der Angestellten augzubringen hat):
»Wir haben heute doppelten Grund
vergnügt zu sein« denn wir seiern heut
das Fest der doppelten Wiederkehr des
zwanzigsten Geburtstages der Tochter
unseres verehrten Herrn Prinzipals!
Sie lebe hoch, hoch, hoch!! f » ,
— U .
Sein Trost. «
Frau izum Gatten): »Ach, unsere
Ella, die bleibt heuer in derselben
Klasse sitzen!«
Gatte: »Na, das ist ein Glück, sonst
müßten Ivir ja wieder eine Menge
neue Schulbücher tausen!«
Gut gegeben.
ff R
Fremder-: »Wissen Sie, Herr Wirth,
so ein trauriges Case, wie das Jhtige
hier« hat« ich mein Lebtag nicht gese
hen; hier laufen ja die Leute ’tum wie
Jdioten.« «
Wirth: »Fretlich, dafür haben wir
aber auch ietzt gerade Fremdensaisontj