Schach auf Leben nnd Tod. Eine Neiiebekanntichnit. Von M a r i e W alte r. Während einer Badekur in Mit-in nen lernte ich einen Rassen tennen, der trotz seiner sechzig Jslire noch den Eindruck eines bünenipasten Recken in:chte. Er hatte ein bewegtes Leben hinter sich. und da wir viel zufam men verkehrten, so erzählte er mir manchmal vie ieltianien. oft recht gefährlichen Abenteuer, die er in fei ner Jugend bestanden hatte. Eines Tages trafen wir uns in ei nem Tafe. wo zwei Herren Schach spielten. Dieser Anblick übte eine inn derbare Wirkung auf meinen knist ichen Freund aus, denn er starrte un verwandt. mit sichtlicher Erregung, auf das Schachbrett und ich iali deutlich, Ivie sich feine Hände irampfbaft ball en. «Spielen Sie Schachf« fragte ich, mich im stillen über iein Benehmen wandernd. R Es lllckik stumm. schloß sekllndeti-" , lang die Augen und fagte dann in gediiniofteri Ton: »Dieses Spiel erinnert mich immer an eines meiner schrecklichen Erlebnisse, an da- ich bis heute niir mit Schaudern zii denken AMICI i »Besten Sie es mir nicht erzäh len?« bat ich. «’s ist eine griifelige Gefchichte«, entgegnete er, »wenn Sie’s aber hö lreri mögen, ioill ich"s Ihnen erzäh en." Er zündete sich eine frische Figura te an, liesz sich eine Tasse staelen Kas fee bringen nnd begann: .Während des rusfisch - tiirtischen Krieges — im Jahre 1876 —- mur de ich in geheimer Mission als Kund fchafter nach Stanibul geschickt. Da ich mich dort mehrere Tage Jus-halten mußte, lo gab ich mich rer Sicherheit balder für einen snriichen Derioifch aus. Eines Nachmittags — die Sonne sandte glühende Strahlen herab — suchte ich rnir an der Solimanst lchee ein fchattiges Bläschen ziim Aus ruhen. In nächster Nähe der Motchee befanden sich mehrere Ooiumtsöhlen Als ich an ihnen vorbeiging, stol perte aus einer derielben ein euros päisch getleideter Mann nennt-. Er lollidirte dabei so heilig init einem albiinesiichen Soldaten, dafi le terer ziemlich iinianft zu Boden fiel. inen· wilden Fluch aus«-stoßend, raffte sich der Gistiirzte auf, schwang seinen Sä bel und drang gegen den Fremden vor, der sicher der blinden Wirth des Soldaten zum Opfer gefallen wäre, bötte ich denfelben nicht mit einem träftigen Faustseblag niedergestrerlt. »Das irae gutgerielt!« rief der Frem de. augenscheinlich erstaunt iiber den schlagfertigen Derioisch Ohne ihm zu antworten, zog ich ihn hastig mit mir fort, durch einige Seitengaiien zum Stadttl,or hinaus. Unter der Einwir luna des Optiimrauiches, der ihn umnebelte. folgte er mir willenlos. Crit als wir den Verort Engiib er reicht hatten, blieb er flehen. »Warum führen Sie mich hier her?" fragte er in erniichtertem Ton »Um der uns drohenden Gefahr zu entrinnen«, gab ich turz zurück. Der Fremde lachte sorglos .iui. »Vat» ror einem lumpigen Bald-Wo gout braucht man doch nicht davon-— zulaufenl Sie sind zu ängstlich. Aber — Sie haben mir das Leben ahne tet und dafiir danle ich Ihnen· cl. ein Name iii Jean Beaulieu. Ich bin Ne porter eines Pariser Blatteg und tocllte die tiirtiichen Loiumhöltlen aus eigener Anschauung tenneis ler« nen. Und Sie, mein Herr? Wer lind Sie? Jedenfalls weder Tiirte noch Terwisch.'« » Ich zögerte mit der Antwort. Sein off:neö. ehrlicher Gesicht veranlaßte mich jedoch, ihn rückhaltlos iiber mei Iten verhungert Verm tin-Unkennt Er piiss leiie vor sich hin. »Oui! Eine titzliete Million!« äußerte er. «Wlssen Sie. was- eg siir Sie bedeu tet, wenn Sie entdeckt werden?« Ich nikttr. »Ja, das meist ich, und eben deshalb möchte ich Ihnen rathen. sich nicht in meiner Gesellschaft zu zeigen. Es iönnte Sie in schlimme Ungelegenheiten bringen. Wir wol len uns lieber hier trennen.« Doch davon wollte er nichts hören, und da wir unt fest verhältnißinößig sicher fühlten, sn setzten wir unsern Wea gemeinsam irrt. Nach einiaen Minuten oelannten wie an ein aus gedehntee Grundstück, aus dem sich ein weitlöusiaer Palast erhob. Neunieria luate mein Geiäksrte über die eieultemachsene Mauer. »Viel-h ein herrlicher Gartent« riei er mir zu. «Wie angenehm lühl muß es da sein! Ab. und am Sprinqbrunnen steht eine teizende Türlin ohne Schleier-. Die will ich inipien --— habe eine Camera bei mir.« «Lassen Sie hast« warnte ich ihn. »Ich izte gehört. daß hier der Pa icha Ahrned diiaz wohnt. der we en ieiner Grausamkeit berüchtigt it. Machen Sie also teine Thorheit!« «Erit muß ich lein hübsches Weib chen photographiren«, bebarrte der Franzase lachend. »Es ist zwar, als wie wenn ein Schnltnahe Aepiel stiel,.lt, aber das reizt mich gerade. helfen Sie mit- mal dabei!« Ich ließ rnich wirklich überreden. Mit großer Gewanvtheit schwang er lich arti meine Schutt rn und stand eben im Benrisi. die Camera zu rich ten, als wir Schritte hinter uns ver nahmen und gleich daraus den albas nesiichen Soldaten mit einigen Pa instwiichtern gewahrten. Der neh — tüchtige Baschibozout war uns heim lich gefolgt hatte Beaulieu aus der Mauer gesehen und ihn eiligst ange zeigt. Wir wurden verhaftet und durch sucht, und da man bei mir Papiere sand, die mich verrietben, so musten wir uns aus das Schlimmste gefaßt machen. Bis zum Abend hielt man uns in einem engen Raum gefangen, dann tam ein nubischer Diener-, der die s:lt- « same Frage an uns richtete, ob wirI verstanden, Schach zu spielen. Wir’ bejahten beide, und so führte er uns in das Gemach des Pafchas. der aqu einem niederen Divan saß. Vor ihm« stand ein Tischchen rnit einem Schach brett, aus deni die Figuren, aus mei ßem und schwarzem Elfenbein ge schniyt, ausgestellt waren. »Ihr spielt Schach?" wandte sich der Liirte zu Beaulien. »Ja,« erwiderte dieser mit fester Stimme. Er schien all« seine Leicht herzigteit verloren zu haben, denn sein Gesicht war blaß und tiefernst. »Gut,« sagte Hijaz, »Ihr werdet jetzt um Euer Leben spielen. Und nachher auch Euer Freund. Wenn Jhr mich schlagt —- was Euch aber nicht leicht gelingen dürste —, so ver spreche ich Euch die Freiheit. Jm an deren Falle droht sofortiger Tod. Laßt uns beginnen!« J Schweigend nahm Beaulien ihm· gegenüber Plat« und aus einen Wint seines Gebieters stellte sich ein riesen hafter Nubier mit gezücktem Schwert neben ihn. Mich überlies es eiskalt, als ich die haarschars geschliffene Klinge im Licht der Lampen blinten sah. Das Spiel begann. Ahmed hijaz, der ein leidenschaft licher Schachivieler war, besaß eine so große Fertigteit in diesem Spiel, daß er nur selten einen ebenbürtigen Gegner fand. Trotzdem hegte ich we nig Besorgniß für meinen Gefahr ten, der mir erzählt hatte, das- er wiederholt bei Schachturnieren als Sieger hervorgegangen war. Ich selbst besaß telne besondere Uebung; mein Leben erschien mir daher be drohter als das meines LeidensgencL sen. hijaz wurde bald verdrießlich, denn Beaulieu setzte ihm scharf zu und trieb ihn immer mehr in die Enge. Plöhlich drückte der Türte aus eine silberne Klingeh Augenblicklich er schien eine bildschöne Griechin, die uns in goldenen Tassen Motta ser virte. Dann begann das Spiel von» Neuem Der Pascha war im Nachtheil. Er beugte sich tief über das Schachbrett, nur mühsam seine Wirth verbergend,! indeß Beaulieu eine zuversichtliche Miene zur Schau trug. Der Sieg schien ihm ja gewiß. Plötzlich ries der Poichm «Schoch!« Die Augen des Nubiers funtelten erwartungsvoll und fester umklam merte seine schwarze Faust den blin tenden Yatagan. Mir schlug das Herz zum Zer springen. hastig überblickte ich das Brett. Ahmed Hijaz schien doch das Spiel zu verlieren — in höchstens vier Zügen mußte Beaulieu ihn be siegt haben. Plößlich bemertte ich, wie der Pa scha dem Nubiet mit den Augen winkte und eine kaum mer!liche» Handbewegung machte. Das beunruhigte mich. Jch hatte wiederholt von dem tückischem grau samen Charakter des Türken erzahlen hören und so befürchtete ich auch jetzt eine verrätherische That von seiner Seite. Schon stand ich im Begriff mei nen Gesährten zu warnen, als Ahmed Hijaz abermals triumphirend aus rief: »Schach!" Beaulieu schüttelte den Kopf —— er war seines Sieges vollkommen sicher —, doch im selben Moment sauste die Klinge des Nudierg durch die Lust. Schaudernd schlos-, ich die Augen. Ge rechter himmel! Es gibt Dinge, die man bis an sein Lebensende nicht ver gißt!« —- — Der Rasse machte eine Pause, stärite sich mit einem Schluck Kassee und suhr dann satt: »Der arme Beaulieu, der aus so schreckliche Weise seinen Tod sand, wurde sicher vermißt und gesucht, al lein außer mir hat wohl niemand sein trauriges Schicksal erfahren. Für diesen Abend schien der heim tiickische Pascha die Lust am Weiter spielen verloren zu haben, denn er be sahl, mich in mein Gefängniß zurück zuführen. Noch unter dem Eindruck seiner grausigen That stehend machte ich einen Iluchtdersuch, der jedoch miszlang. Am nächsten Tag nach Sonnenun tergang mußte ich wieder vor dem Tiger in Menschengestalt erscheinen. Alles war wie am vorher gehenden Abend· Die Lampen brannten, der Pascha saß aus dem Divan, ich ihm gegenüber vor dem Schachbrett und neben mir stand der unheimliche Nu bier mit seinem Yatagan, an dem noch das Blut meines armen Ge fährten liebte. Das Spiel begann — ein Spiel aus Leben und Tod. Anfangs hatte ich die größte Mühe, meine Erregung niederzutiimpfen, aber nachdem ich einige Vortheile er rungen hatte — ich nahm meinem Gegner einen Läufer und mehrere Bauern —, wurde ich ruhiger. Nach einer Weile jedoch verlor ich einen Thurm, und nun trieb mich der Pa icha Zug um Zug in die Enge. Bald merkte ich, daß et mir im Spiel weil überlegen war und mir anfangs nur nachgegeben hatte, um sich dann de ftamebr an meiner Niederlage zu irriden Sänger und länger zögerte ich. be rer ich meine Figuren schob. Der Pa icha lief-: mich ruhig gewähren. Mit rein grausamen Behagen ekner Katze, die mit der gefangene·n Maus ipieli, lebnte er sich in die Rissen zurück, ge miichlich seine Nargilelspeiie rau chend. Dann llingelie er wie am Abend zuvor, und wieder erschien die schöne Griechin, aber diesmal bot fse uns Wein an. Ich tranl voll Gier, bedursie ich doch eines Stärlungsmitiels, um die marteroolle Spannung auf-zuhalten Der Nubier, der io unbeweglich mit dem Damallesschweri an meiner Seite stand, machte mich entsetzlich netvös. Es war eine grauenhaite Torturi Wir spielten weiter. Wieder und wieder bot mir der Iiirle Schach. und jedesmal sah ich, wie der Schwarze neben mir seinen Yatagan einige Zoll höher hob. Dicke Schweißtropfen traten mir auf die Stirn, meine Hände zitterten, ich war laum noch Herr meiner Sinne. Das Schicksal des unglückliche-n Fran zosen stand mir lebendig vor der Seele -— zweifellos erwartete mich ein gleiches Geschick · , Und dann durchzuckte mich schlingt-p der Gedanke: warum mich willenlos abschlachten lassen, ohne wenigstens um mein Leben aetämpst zu taben2 Auf der linten Seite war ein beei tee Fenster. Es stand offen, aber es befand sich zwanzia Fuß hoch iiher dem Erdboden. Um es zu erreichen, mußte ich an dem schwarzen Stlaven vorüber. Jhn mit einem Faustschlaa niederzustreckem war unmöglich, weil ich saß, während er stand. Es blieb mir nur das eine Mittel: seine Beine iu umklammern und ihn mit einem keitigen Ruck zu Fall zu bringen. Noch zögerte ich. Der Kerl war ein Riese von Gestalt « ihn umzuwer sen, eriorderte mehr als aervöhnliche Kraft. Der Pascha hatte sich über das Schachbrett gebeugt, mit hämischer Schadensreude den Zug überlegend, der mein Todesurtheil bedeuten sollte. Keine Minute länaer durste ich warten. Blitzichnell wandte ich mich dem Nubier eu, umklammerte seine nackten Beine, spannte meine ganze Musteltrait an und riß ihn um. Wie ein Stiiet Holz fiel er dröhnend tu Boden. Jch mußte über seinen Körper steigen, um ans Fenster zu gelangen und damit verlor ich eine kostbare Selunde. Der Pascha war ausgesprungen Mit lautem Wuthschrei stürzte er sich .1usmich, doch schon hatte ich den Yataaan des Nubierg ergriffen, und mehr von dem Gedanken beherrscht, den Tod des armen Beaulieu zu rä chen als mich zu schützen, versetzte ich dem Türten einen so wuchtiaen Hieb iiber den Kopf, daß er lautlos nieder sont. Schon stürmte die Dienerickast durch das dumpfe Ausschluan des fallenden Körpers autgeschrectt. inc Zimmer, doch ich hatte mich bereits zum Fenster hinausgeschwungen Nur den Umstand, daß ich beim Hernbsprinaen in einen Kirschbczim iiel, dankte ich mein Leben. llnver letzt glitt ich zur Erde, eilte durch den Garten bis zur Mauer, die ich mit Leichtigkeit überkletterte, und lief dann, so rasch ich konnte, Der Stadt zu. Jm Dunkel der Nacht aelanq es mir, Stamlsul zu erreichen. Ich der wandelte mich nun in einen alten Bettler, und in dieser Vertleiduna tonnte ich unbehelligt meine Mission zu Ende führen. Seit jener Zeit aber tann ich tein Schgchspiel mehr sehen, ohne in eine gewisse Erregunq zu gerathen, erin nert es mich doch immer an die ent setzliche Stunde, in der ich aezwunaen wurde, mit Schachsiauren um mein Leben zu spielen. Bei-kannt. Bettler: » »Bo: etwa einem Jahre schentten Sie mir eine atte Weite, in der ich nachher einen Hundertmarti schein iand.« Tamet »Himmel, und Sie bringen mit wirklich jept das Geld zurüd!« Bettler: »Nu, ich wollte nur fra gen, ob Sie wieder eine Weste für mich haben!" Mutter-stehn Mutter (deren etwas minderwerthi get Sohn in die Fremde geschickt wurde, zur Nachbarin): »Es ist wirt lich aut, daß ich ihn ’n bisserl hinaus geschickt habe, fest ist er erft vier Tage fort und er weiß schon, wie man um Geld depeschirt!« Wählt-Mk »Als-) du magst hermann nicht?« »Nein, er scheint mir zu nichts fä: hig zu seini« »Na, dann nimm doch den Guitav.« »Ach. den erst recht nicht! —- Der scheint mir zu allem fähig zu feint« Ieise-n Bäuerin (zun1 Arzt, der ihrem Mann einen Eisbeutel auf den Kopf legt): »Meinen S' net, herr Dotta, daß de Kält’n sei’m Verstand schadt?« Irrtum-, sie verschwinde-. Die Zahl der Menschen welche ver schwindend spurlos aus der Welt ge hen, ist viel größer als man wohl ans zunehmen geneigt sein möchte. Man hat berechnet, daß in dem Britischenl Reiche, einschließlich der Kolonien, im Jahre durchschnittlich nicht weniger als 10,000 Männer und Frauen ver schwinden, ohne eine Spur von sich zu hinterlassen. Die Anlasse dieser Schicksale und die Formen, in denen sie sich abspielen, sind natürlich ung mein verschieden. So hatte der erste Gatte der belannten Sängerin Not dica dasselbe Schicksal wie Andree: er stieg in einem Lustballon aus und wurde nie mehr gesehen. Der Sohn eines der Mitinhaber des weltberühm ten Verlagshauses Macmillan trat Jst-« eine Ferienreise nach Griechen land an — und das Thor des Schick sals schloß sich hinter ihm. Am 16. Januar 1892 unternahm der Leiter einer Schule in der Nachbarschaft von Liverpool in Gemeinschaft mit seiner Frau und seinen beiden Kindern eine Fahrt nach Liverpool. Aus der Sta tion Börse verließ er seine Angehöri gen, um einem Fußballtampse beiDir tenhead beizuwohnen. Er wurde aus rein Kambsvlane gesehen, aber von diesem Augenblick an war der Mann vollkommen verschollen. Eine ganz räthselhaste und traurige Geschichte hat Lincolnshire zum Schauplatze. Tort seierte ein gewisser Herr Grissin seine Hochzeit. Die Trauung war vollzogen; das junge Paar und seine Gäste saßen gemiithlich zu Hause zu sammen. als ein Dienstmädchen ein trat und meldete, ein Herr stehe unten und wünsche Herrn Griffin in einer besonderen Angelegenheit zu sprechen. Ter junge Eheniann bat, ihn für ein paar Augenblicke zu entschuldigen, und verließ das Zimmer. Stunden ;ve«rrannen, ohne daß er wiederkeh te JTie Gesellschaft wurde in höchstem Maße unruhig und Nachforschungen »wurden angestellt. Die Dienerschaft shatte Griffin mit dem Unbekannteni jin den Garten gehen, aber nicht mehri zurückkehren sehen. Der Garten war von einer hohen Ziegelmauer um schlossen, die teinen Ausgang hatte.! Keine Spur von dem Vermißten oder seinem Schicksal war an der Mauer oder im Garten zu entdecken. Die un ter so merkwürdigen Umständen ver heirathete Frau lebte nachher noch viele Jahre und gab sich die allergrößte Mühe, Spuren von dem Verlorene-i zu entdecken —- doch ganz vergeblich. Viele Opfer schluckt die Riesenstadt London, ohne daß man ihren Verbleib irgendwie erklären könnte. Vor etwa 15 Jahren reiste ein Oberst nach Lon zdon. Auf einer Zwischenstation stieg Jeine junge Dame in das Coupe, die Hvon einer lustigen Gesellschaft, offen bar aus den guten Ständen, zurBahn begleitet wurde. Die beiden Reisenden Tgeriethen in ein Gespräch, und es er gab sich, daß die junge Dame zu ih rer ersten Saison nach London reiste. » Sie war voll der heitersten, glücklichen Erwartung Am Bahnhof in Lon don stiegen die beiden aug, die junge Dame erklärte, daß sie erwartet witt de, und der Oberst rief nach einer Droschir. Jm Begriff abzufahren. sah er die Dame noch immer wartend aus dem Bahnsteige stehen, und eZ drängte ihn, ihr seine Hilfe anzubie ten; aber um nicht zudringlich zu er scheinen, ließ er es sein. Jn der Nacht aber wurde er durch einer Traum er schreckt» der ihm dieselbe Dame hilfes flehend zeigte. Er erkundigte sich nach ihr in der Familie, wo sie nach ihrer Angabe wohnen sollte· Sie war nicht angekommen. Jhre Freunde hatten den richtigen Zug verfehlt· Nun wurde geforscht und telegraphirt. Detetti des wurden in Dienst genommen, aber bis auf den heutigen Tag ist die Un glückliche verfchollen geblieben. Sehr zahlreich sind die Fälle, in de nen Personen freiwillig oder durch Zwang aus lange Zeit hinaus ber schwinden, dann aber in oft überra fchender Weise endlich wieder zum Vorschein kommen. So verschwand z. B. der Sohn des englischen Pre rnierministerg Lord Abekdeen mitten aus einem Leben des Reichthums und Ansehen-, um als gewöhnlicher See: mann aufs Meer zu gehen. Er starb durch einen Fall vom Muste, und seine Persönlichkeit tonnte aus seiner Hin terlassenschaft festgestellt werden. Ja einem Hotel der Pensanze wurde ein mal ein junger Rellner in die Bäckerei nebenan geschickt, um ein Brötchen zu besorgen. Er tam nicht wieder. Nach 20 Jahren betrat ein Mann das Ho tel, ging schnurstracks zur Eigenthü merin und legte ein Brötchen vor sie auf den Tisch. »Ich bin ein bißchen lange fortgewefen, Madame, aber es war nicht meine Schuld!« Er war unterwegs überwältigt, weggeschleppt und an Bord eines Schiffes gebracht worden: und alles das so schnell nnd still, daß er durchaus tein Lebenszei chen von sich geben oder sich retten konnte. Den Humor auf diesem Ge biete vertreten jene Schuldner, die an das Ufer reißender Flüsse oder am Gestade des Meeres oder an steile Felötlippen ihren Rock und ihren Hut niederlegen und sich dann spurlos aus dein Staube machen, in der Hoffnung, daß ihre Gläubiger an ihren Selbst mord glauben werden. Einem von — diesen schlauen Thebanern gelang sein Trick so gut, daß die Versicherungsge sellschaft seiner »Wittwe« sogar die Lebensversicherung auszahlte, bis den ertruntenen Mann ein Agent der Gr sellschaft viele Jahre nachher aus einer Straße in London spazieren gehen sah und ihn der Polizei überlieferte. -——-. Die Zteqe tm dritten Stock. Angesichts der Anforderungen, die die neuzeitliche Hygiene an die Milch veriorgung stellt und die schweren Sorgen, die diese den Verwaltungen aineritanischer und nordeuropäiicher Großstädte bereitet, lohnt eg sich wohl einmal einen Blick zu werfen aus die oieltundertjährigen Einrichtungen Pa lermrs, der zweitgrößten Stadt des Süden, in der Art der Milch-versor gung, die wohl auch fifr die etwas ser nere Zukunft erhalten bleiben dürften. Jn den frühesten Morgenstunden er gießen sich ganze Heerden von Kühen und rieiiae Schaaren von Ziegen in die Straßen der Stadt. Brüllend und meckernd trotten die Thiere schwerfäl lig einher, denn die stroßenden Euter machen ihnen diese allmorgentliche Promenade stets recht unbehaglich. Aber ihre Last wird beständig leichter, denn die Glocken der Kühe und das Schreien der Hirten locken die Kund schast vor alle Thüren; Haus für Haus stehen die Häuser mit Töpfen und Schüsseln, die Hirten machen mit einem ihrer Thiere Halt-je nachdem ob Kuhmilch oder Ziegenmilch ver langt wird-und die denkbar schmu tzigiten Hände melten aus den ebenso uniauheren Eutern die gewünschte Menge iosort in die Gefäße. Aber viel Altilchlieseranten liefern auch in Palermo ,,srei ins Haus«. Nicht, daß sie die Milch in Kannen oder Flaschen schön verschlossen und etitettirt den Kunden überreichen, nein, sie bringen den lebendigen Produzenten gleich mit zur Stelle. Mit den Kühen läßt sich das allerdings nicht machen, denn diese haben eine anscheinend unbezwingliche Abneigung gegen das Treppensteigen, aber dafiir find zahllose Ziegen in Pa lermo täglich Gäste auch in den ober sten Stockwerken der Häuser-. Bedäch tig, aber sicher llimmt die an ihrem Milchvorrath schwer tragende Ziege die Stufen hin.1uf, prompt bleibt sie vor der gewohnten Entreethiir stehen, aibt meckernd von ihrer Anwesenheit Kennt niß nnd läßt sich gern von ihrer Last befreien. Mehrere Stunden lang be : herrscht dieses landwirthfchaftliche Bild die Straßen und Häuser Paler wos, bis endlich alle Kunden befriedigt sind. Dann dentt man auch der Kälb chen, die in Mengen den Kühen fol gen, man nimmt den hungirioem spin deldiirren Thierchen, die seit dem Abend vorher keinen Tropfen zu kosten bekommen haben, den Maullorb ab und lässt sie probiren, ob sie in den ; Eritern der Kuhmama noch etwas fin den. Bis dahin hatte man sie durch Verbinden des Maule-Z gehindert, et was von der Milch zu erhaschen, und » die Stockschläge hageln nur so aus die armen Aälbchen nieder, wenn sie tläg: lich muhend, ihre maulkorbbewehrten Köpfe immer wieder dem Euter der Kuh zu nähern suchen. Denn Milch ist ein kostbarer Saft in der Groß stadt Palermo mit ihren ROODOOEiw wohnern, und in Sizilien iiberhaupt, wo der Ataoigmus der Scholle so mächtig ist, daß die immer wieder im portirten besten Zchweizer Rinde-trai sen schon nach wenigen Generationen zu Biisseln mit Riesenhornern und tncchiaen, milcharmen, mageren Lei bern wer:en, wie man sie auf Jahr tausende alten, bildlichen Darstellun aen sieht. Das Land hält Mensch und Thier im Banne der VorzeiL Der »Bltnde«. Ein icherzhasteg Erlebnisz erzählt der ,,«’5igaro" aus einer siiklicben Stadt Frankreichs-. Hier gab eine Wandertruppe dig beliebte Zpettatel stiick »Die beiden Blinden« hatte aber das Pech, daß einer der beiden Haupt darsteller turz uor der zweiten Auf führung des Schauspieleg ertrantt-.e Der Direktor wollte rasch ein anderes Stück ansetzen, aber das Publikum verlangte stürmifch »Die beiden Blin »Aber ich habe nur einen Blinden —- der zweite Winde ist trant«, er klärte der Jmpreiario verzweifelt. ,,Tl,-nt nichts, soll ein anderer die Rolle lesen«, detretirte das- Parteit Und so geschah’s. Während der eine der Blinden nach Vorschrift mit geschlossenen Augen tastete, wantte und seufzte, las der andere Blinde seinen Pakt vor, ohne daß die Jllu sion der Zuschauer gestört wurde. Für ihre Phantasie war der Mann ehen blind-—auch wenn er die Sätze müh sam aus dem geschriebenen Heft ab las. Und da spricht man noch von der Wirtiichtsitssekknsucht des modernen Theaterpublitrimg! Dei Lehrer-i Rache. Das Schweizer Evangelische Schul kilatt erzählt solgendes hübsche Ge schichtchent Die Gemeinde Unterkulm hat mit 100 gegen 97 Stimmen eine Besoldungserhöhnng der Primarlehrer von 1600 auf 1700 Franten abgelehnt. Ein tinderreicher Vater hatte in der Gemeindeversammlung gegen die Be soldungserhöhuna des im Dienste er arauten Lehrers gepoltert und sprach ihm nachher die Befürchtung aus, er werde sich nun wohl an seinen Kindern dafür rächen. »Nei, mi guete Ma«, erwiderte der Lehrer, »mi Nach ifch di: ich mache, daß dini Chinder gschyder wärde, ais du bisch!« Votsichtig. — q f ,,Zroei Stunden lang hat mir der Lump da drüben zu·a’scho.ut, wie ich ’g Holz tlein mach’ — und setzt, wo ich fertig bin, kommt er her und bet telt.« Zum Andeutung. »Wir soll’n unserm Bürgermeister schonend beibringen, daß wir ihn W nächstemal nimmer wählen. Wie tnach’n wir nur das?« »J« meins wir werfen ihm d« Fen ster eini« Ein ehrlicher Freier ..... Sie können aber doch mit Jhrem Gehalt keine Familie erhal ten?« »Deshalb ist auch meine Wohl auf Jhre Tochter gefallen, Herr Kommer zienrath.« Sehr wahrscheinlich. Fremder: »Wer ist denn der Herr, der da am Stammtisch so furchtbar lügt?« Witl):: »Das ist der pensionirte Oberförster.« Fremder: »Donnerrvetter! muß der erst gelogen haben, wie er noch attio Ioar!« Die junge Hausfrau. . »Aber Köchin, wieder ist die Suppe so heiß gekocht, dasz man sich den Mund verbrennt! . . . Wie ost muß ich eg Ihnen denn noch sagen, Sie sollen mit dem Holz mehr sparen!" Wöttlich. Die Huberbäuerin will ihrem Soh ne, der beim Militär dient, ein Fäß chen Wein schicken; sie trägt es aus die Post und sragt dort den Beamten, wag sie noch draufschreiben soll, damit es ihr Sohn recht schnell betommt. — Der Beamte meint lächelnd: »Schrei ben Sie nur halt daraus: Dringlich!« — Die Huberbäuerin befolgt diesen Rath, nur hat sie eine etwas eigene Orthographie, und so setzt sie halt daraus: Trinklich; was ja auch richtig war. All-gewinkt Schornsteinfeger: »Du, Einma, ick liebe dir, wir müssen heute endlich mal in’S Reine kommen. Köchin: »Da is die Wasserleitung und hier liegt Seife, nu tomm’ man erst mit Dir in’g Reine!« Aus der Schule-. Lehrer: »Was erhebt den Menschen über das Thier?« Schüler lnach einigem Besinnen, sreudig): »Der Lustballon« Herr Leh e« kec. Mangclhnstc Einrichtung. Freundin: »Wir, du kannst deinem Mann nicht einmal einen Knopf an nähen Z« Junge Frau: »Ach, ich könnte schon, aber wir haben ja gar keine Nähmas schine!« Ein gnlantet Angestellter-. Geschäftsführer (der zum Geburts tag der ältesten Tochter seines Chess eingeladen ist und das Hoch Namens der Angestellten augzubringen hat): »Wir haben heute doppelten Grund vergnügt zu sein« denn wir seiern heut das Fest der doppelten Wiederkehr des zwanzigsten Geburtstages der Tochter unseres verehrten Herrn Prinzipals! Sie lebe hoch, hoch, hoch!! f » , — U . Sein Trost. « Frau izum Gatten): »Ach, unsere Ella, die bleibt heuer in derselben Klasse sitzen!« Gatte: »Na, das ist ein Glück, sonst müßten Ivir ja wieder eine Menge neue Schulbücher tausen!« Gut gegeben. ff R Fremder-: »Wissen Sie, Herr Wirth, so ein trauriges Case, wie das Jhtige hier« hat« ich mein Lebtag nicht gese hen; hier laufen ja die Leute ’tum wie Jdioten.« « Wirth: »Fretlich, dafür haben wir aber auch ietzt gerade Fremdensaisontj