Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 20, 1909, Zweiter Theil, Image 12

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    WILL-II um uWWEMLLULLLULIZ
Der verschollene Sohn Z
Roman von !
M. B e s h o 1 d Z
is. Fortissimo-) I
Und doch lag in den blauen Ingen
cugeniens etwas was auf ein leises
Mißttauen deutete; sie richtete manche
Frage an den Doktor, und die Ant-.
sori schien sie nicht immer zu befrie- z
M
Der Lasset war während dieser Un
terhaltung eingenommen und die Zeit
d Fluge verftrichen, Die Sonne neigte
sich schon ihrem Untergange, als
stund Winter sich erhob, um Abschied
II nehmen.
Aiedel bat ihn, noch ein Stündchen
zn bleiben, er versprach, eine vortreff
iickie Boiole brauen zu wollen, aber der
Doktor lednte die Einladung in höf
lichem Tone ad, und der Rentner
mußte zu seinem großen Bedauern ihn
begleiten.
Der Fabrikant begleitete seine Gäste
bis zum Thore und kehrte dann auf
die Terrasse zurück
»Der ist schlau wie ein Fuch5«, sag
te er iartaftisch, «wo man gut aufge
nommen wird, darf man nicht iu lan
k bleiben, dann tann nian später im
ser wieder toininen.«
,Und wie gefällt Dir der Herri«
fragte Frau Riedel ihren Gatten mit
einein deiorgten Blick auf Eugenie, die
Die geistesabwesend in die Ferne hin
anzichath
»Ich kann noch nicht urtheilen,
sertha. Er erlaubte sich eine Bemer
kung über unser Jalöbche. für die ich
anfangs Satisfaktion von ihm fordern
wollte« er hat’s aber vielleicht nicht so
Me gemeint. Jsch traue dem Gorner
nicht. der dichtet Jedem etwas Schlech
tes an, aber von unserer Familie soll
er die Hände »blassen, es könnte ihm
schlecht belommen.«
Frau Riedel schüttelte mit ernster
bedenklicher Miene das Haupt, ein
dunller Schatten alitt flüchtig über
ihre sonst so heitere Stirne !
»Wenn ich darüber nachdenke,j
Friedrich. dann meine ich auch, mirs
sollten strenger sein mit dem Jakob«,j
sagte fee, »es kann und darf nicht län-!
aer so fortgehen, es muß doch einmal
ein Ende nehmen«
.Was?« fragte Riedel ärgerlich.
»Das Mitßiggwen — wir haben
such arbeiten Iiissen und uns ist es
nicht so leicht gemacht worden. Jakob
sollte endlich einmal ernst an seines
Studien denken, damit er bald sein
Examen machen kann.«
«Uch was, Du siehst das schlimmer
as. wie es ist.«
»Gewiß nicht, Friedrich Man kanni
niemals wissen, was der nächste Tag
brinat und so wissen wir auch nicht,
ob mir im nächsten Jahre noch in den
selben Verhältnissen sind.«
»Nanul«
IDu tannst um einen Theil Deines
Bermogens betrogen werden, und
selbst trenn dieser Fall auch nicht ein
triite, so ist es immerhin recht sehr zu
wünschen, daß Jakob selbst sein Brod
verdient· Es hat Deinem Stole ge
schmeichelt, wenn er mit seinen Freun
den hierher tam und die ganze Stu
dentenschaar Dich ihren Papa Riedel
It.»nte. aber diese Schmeicheleien haft
Du auch theuer bezahlen müssen —-«
»Das war nicht schlimm, Bertha«,
unterbrach er sie, aber ihre Worte schie
nen doch Eindruck auf ihn gemacht zu
l,aben, »ein Fäßchen Bier oder ein
Dutzend Flaschen Wein —- lieber Gott
kenn ist ja auch ein. nal jung gewesen,
sud die Studenten haben immer
Dur-If
»Und ich fürchte, unser Jakob zeich
net ch gerade darin besonders ausl«
n lann das wundern! Er ist ja
ein wahrer Riese! Aber so an« Un
recht hast Du am Ende ni t, sprich
einmal ein ernstes, vernünftiges Wort
sit ihm, er soll dafür sorgen daß er
bis zum nächsten Frühjahr sein Ex
ernen resoloirtz wenn er es will, lann
er’s auch.s er ist gescheidt gutng s
Das Gespräch wurde in diesem Au-j
blirk durch das Erscheinen Elfrie
i unterbrochen, Eugenie erhob sich
ralch und atna ihrer Freundin entge
»Er Ioar hier«. sagte sie leise. mäh
send sie ihren Arm in den Elfriedens
b, »ich habe nun auch den Ber
der der Unglücksnachricht lennen
- rnt. er hat uns Alles ausführlich
essen « »
Die beiden Elltädchen wandten der
Jena-sie den Riicten und schritten in
Zä- dlchtere Gebusch des Gartens hin
«Auch uns hat er heute Mittag ein
gehenden Bericht erstattet", erwiderte
Eifriede, »und ·an der Wahrheit seiner
Wittherlungen ist nicht zu zweifeln«
»Ur weisse- dennoch daran.«
« seine wollte ich solchem Zwei
fel Its-I geben, wenn ich für ihn nur
einst schwächen Dultpunit hätte!
Ihrr der Bericht des Doktors Winter
lautet o klar, so deutlich, daß man
ihm nahen scherzten muß, und er
th ausserdem dre Wahrheit seiner
Wheilnngen dadurch heträstigt, daß
er unt die Uhr und den Siegelring
seines Bruders iiherhrachte.«
Enge-sie war an dem kleinen
springbrnnnen stehen geblieben, be
trofer Miste sie die Freundin an.
«- M wußte ich noch nicht, sagte sie
Zenit zittern-der Stimme, »er hat hier
IM III nichts W erwähnt.«
»Und Du wirst nun zu en, daß
dieser Thatsache gegenüber I er Zwei
fel Thorheit wätec erwiderte Elfriedes
nicht minder bewegt.
»Nein, die tann und werde ich nicht
zugeben! Mir hat dieser Dotter
Winter lein Vertrauen eingeflöfzt, wie
könnte er also für feine Mittheilunqen
vollen Glauben von mir verlangen?
So liebenswürdig er auch auftritt so
herzlich und aufrichtig auch feine
Theilnahme zu sein scheint, es liegt
doch etwas in seinem Blick was mir
nicht gefällt. was aufrichtig gesagt.
mich Var diesem Manne wa warnt
will nicht behaupten, daß er Alles,
was er uns über das Schicksal
Eduards berichtete, erfunden haben
soll aber wäre es denn nicht möa ich,
daß er in seinem eiaenen Interesse
annches darin erdichtet haben könn
te «
.Und was sollte ihn dazu bewogen
haben?'«
«Jch weiß es nicht, Elsriede iiber
diesen Punkt habe ich noch nicht nach
gedachtf
»Die Uhr und der Ring meines
Bruders -—-«
,Brachten nicht auch die Brüder
Josephs dem Vater einen blutigen
Rockf« ·
»Um Gott, Euaente, Du glaubst
doch nicht —«
«Jch bin mir nich nicht tlar gewor
den, was ich glauben soll oder darf««
fuhr Eugenie fort, der beitiirzten
Freundin mit vollem. ernstem Blick
in’s Antlih schauend, «ich kann einst
weilen weiter nichts sagen, als dasz ickz
diesem Fremden mißtraue, und daf.
Iseine Mittheilungen meine Hoffnun
sgen wohl erschüttert. nickt aber ver
snichteit haben. An dem Schifft-stack
selbst läßt sich nicht zweifeln. aber
ebenso fest steht es auch· daß Eduard
bei dieser Katastrophe sein Leben ge
reitet bat, nicht nur der Doktor Wi
ter, auch der Matroie in Bremen be
hauptet das. Ueber die späteren Er
eignisse aber sind wir nur einseitig
unterrichtet, und eH muß uns überlas
sen bleiben, ob wir diesem einseitigen
Bericht Glauben schenken wollen oder
nicht. Der angebliche Freund Eduards
lann eine ganz andere Rolle gespielt
haben, wir wissen es nicht; ob und
welche Interessen ihn dazu verleiteten.
ist uns ebenfalls unbetannt, das aber
behaupte ich mit voller Bestimmtheit
daß dieser Herr eine jene Naturen ist,
rie bei Allem, was sie unternehmen,
stets ibr eigenes Interesse in den Vor
dergrund stellen."
Die Mädchen waren tiefer in den
Garten bineingewandert, Elfriede ver
mochte die Zweifel ihrer Freundin
nicht zu theilen, so gerne sie es auch
gewollt hätte.
»Ich tann auch nicht behaupten, daß
die äußere Erscheinung dieses Dottors
auf tntch einen angenehmen Eindruck
gemacht hätte«, sagte sie nach einer
Pause; »aber war er der treue reund
und sleger meines Bruders, .o darf
ich mich auch dem Dante nicht entzie
hen, den ich ihm schulde, und ich witt
de dies thun. wenn ich ihm Miß
trauen zeigte —'
»Das sollst Du auch nicht«, unter
brach Eugenie ste, während sie vor ei
nem Beet voll hochstämmiger Rosen
stehen blieb, die mit ihrer farbenleuch
tenden Blüthenpracht jedes Auge ent
ziicken mußten. »Es liegt auch nicht in
unserem Interesse, daß Du es thust,
Eifriede, tm GegentheiL der Fremde
muß in dem Glauben bestärkt werden«
daß er hier festen Boden unter den
Füßen habe. Jch werde ihn beobach
ten und Alles aufbieten, um mir dar
; über, ob meine Zweifel berechtigt sind,
T Gewißheit zu verschaffen«
,Und was erreichft Du dadurch.
voraus esett, daß Du wirklich diee
Gewiß «t erhieltestik fragte Elfriede
gedankenvoll
.Warten wir das ab; Derr v. Bach
wird ja auch aus Bremen Nachrichten
s mitbringen«
, Ich furchte. daß diese Nachrichten
nur den Mittheilungen des Doktors
zur Bestätigung dienen werden«
s »Wir können doriiber ietzt noch nicht
I urtheilen, und selbst dieser Bestätigung
s stände noch immer mein Mißtrauen ge -
l genäher. Glaubst Du denn nicht« daßs
«ein solches Mißtrauen seine Berech
tigung hat« auch dann, wenn es schein
bar der Begründung entbehrt?«
Elsriede hatte eine weiße Rose abge-·
pflückt, aus der jetzt sinnend ihr Blick
ruhte.
»Nicht immer«, erwiderte sie .und
namentlich dann nicht, wenn das Miß
trauen dem Groll über vernichtete
hussnungen entspringt. Du willst den
Fremden beobachten, Eugenie, wer
kann es Dir wehren! Ich fürchte nur,
daß Du Dir dabei nicht die objektive
Ruhe bewahren wirst, die nach meiner
Anschauung nöthig ist, um ein richti
ges Urtheil u sällen."
.Ueberla e das mir, Elsriede, ich
werde erst dann ein Urtheil fällen.
wenn ich meiner Sache sicher bin. Und
ich glaube in diesem Punkte einen gu
ten Verbiindeten zu haben«, fuhr sie
mit trübem Lächeln fort, »Dosten
Winter scheint mit dem Rentner Göt
ner bereits sehr liirt zu sein, und der
Rentner —«
Aus du« Urtheil Hörner? gebe ich
gar nicht-", fiel Elsriede ihrer Freun
dtn Engente in s War ; »er- nimmst
mir der Wahrheit ni t genau. Jch
hoffe. daß Herr v. Bach morgen u:
rücktehren wird dann wollen wir
ren wie er über den Fremden urtheiltf
nachdem er ihn kennen gelernt dat
Und nun wollen wir abbrechen, Enge
nie ich muß nach haufe; Mann be
darf meiner die Mittheitunxren Win
ter’i haben sie in hohem Grade ang
grissem aber darum nicht min r
schmerzlich sind-«
Sie schritten tangfsm dem Gitter
thor zu, Eugenie wiegte gedankenvoll
natI Haupt und athmete tief und
ji«-ver auf.
Ich wallte diefer Doktor Winter-i
nip- nicht hierher getammenc fagtei
fie, als sie der Freundin die band zum
Abschied reichte; »ich ziehe die Unge
wißheit. die der Hoffnung nach Raum
läßt, der niederdrückenden Gewißheit
vor. Ader so rasch trage ich die hoff
nungen, die mir leucht de Sterne
waren nicht zu Grabe rfie mit
gehobener Stimme satt; «ich klammere
mich auch jeht nich an sie, fetbst auf
die Gefahr hin daß sie nur Stroh
halme sind. Mir ift, ais fliifterte eine
innere Stimme mir zu. daß ich mich
in meinem Vertrauen nicht getäuscht
sei-en solle!
Eifriede drückte idt schweigend die
Hand und schritt von dannen; sie be
griff diese haffnungsfteuvigteit der
Freundin. die durch nichts sich er
tchiittern ließ. aber theilen tonnte sie
dieselbe nicht. Der Bericht Winter-C
hatte ihr zu tlar bewiesen, daß the
unglücklicher Bruder nicht mehr unter
den Lebenden weilte. — » L
; Die Vermutouna, oan Bruno ruin
:er ein Betrüger sein könne« wies sie
zurück, das sichere. ruhige Auftreten
Dieses Mannes fprach su sehr dage
aen.
Und dennoch batten die Worte Eu
aeniens auch in ibrer Seele ein leises
Mißtrauen aeoen Winter geweckt« und
mochte sie auch noch fo eneraifch ej u
riickdriingew ei tauchte immer wie r
aus: das Menschenberi ist ein störrigei
Ding. es hält an seinen hoffnungen
lese bis sum letzten Pulsschlagr.
G
aMeine liebe. tbeure Mutter!
Wirst Du mir zürnen. wenn Du
Diese Zeilen gelesen hast? Nur mit
Bangen senoe ich sie an Dich ab, aber
ich aedente dabei auch der Worte, die
Du in der Stunde des Abschiedes mir
sagtest.
Mein Vater würde in thlichem
Falle auch vor der Reife nach Afrila
nicht zurückgeichrectt sein, hätte er da
durch Dein herz von schwerer Sorg
desreien tönnen. So sagtest Du, lie
Marga, und Du fügtest hinzu. ich habe
den ritterlichen Sinn meines Vaters
geerbt.
Die Erinnerung an diese Worte er
mutbigte mich zu einem Entschluß, der
kofch gefaßt werden mußte, und wenn
er Dich auch in der ersten Stunde in
tiefe Betrübnis versetzt, so darf ich
doch darauf vertrauen, daß Du nach
ruhigem Nachdenten meine Beweg
gründe ehren und billi en wirst·
hier angekommen. uchte ich sofort
den Räeber auf. Jch war noch turz
oor Thoreeschlusk einsetroffem denn
Jan Stren. der betre sende Matrose,
hatte bereits ein Enga ernent ange
nommen und das Schi f sollte schon
am Nachmittag des folgenden Tages
abfuhren
Meine erste Zusammentunft mit
Jan fand am nächsten Tage im hause
des Rbeders statt. .
Jan beschrieb mir den Untergang
der ,Aleinannia’ und seine eigene Ret
Jung, die an’s Unglaubliche arent
und die biet mitzutbeilen zu weit fiig
ren würde. Er war nach achtundoier
zigstiindigern qualoollem Leiden an
Bor) eines anderen Schiffes aufge
nommen worden Und hatte mit diesem
bie Reife nach Indien gemacht.
Von dort wollte er mit einem ande
ren Schiffe zur Heimath zuriiettebrew
und da diesei Schiff an mehreren Or
ten der afrilanifchen Miste landete, so
benuyte er diese Gelegenheit, um sich
nach einen früheren Gefährten zu er
tundigen
Durch einen anderen Matrosen. der
damals ebenfalls sein Leben erettet,
bei einem Regerftatnme Aufna me ge
funden und nun nach vielen Misso
len wieder eine fenstadt erreicht bat
te, erfuhr er, da auch der Schiff-Iow
zier v. Steintbal sich unter den Gerei
» teten befunden brbe und f t noch im
I Innern Afrila’s weile. an Stern
s hatte sich darauf bin alle Mühe eue
, ben, über das Schicksal feines ffis
l ziers Näheres zu erfahren, indes; blie
I ben diese Bemiibunaeu erfolgte-.
War das nun auch Aue-, was Jan
mir über den Freund mittheilen konn
te, so erfuhr ich doch in anderer Be
ziehung noch Manches, was für mich
immerhin Interesse bot.
Eduard v. Steinthol war hei den
Matrosen sehr beliebt gewesen, ver
Kapitiin und die übrigen Schiissoifis
ziere dagegen hatten sieh von ihm ab
gesondert, ihn stolz und dünlgaåtnges
nannt und selten ein freundli e ort
mit ihm gewechselt
Wer Ednard näher rannte, der be
greift das; er war nicht die Natur« die
sich CJedem anschließen konnte, und vor
Rohheiten schreckte er immer zurück·
Daß er unter jenen Leuten auch per
sönliche Feinde gehabt haben soll, ist;
allerdings schwerer begreiflich. indes-«
immerhin mit lich.
Das Sehi f, aus dem Jan Steen
ein Cngagernent an npmmen hatte.
war nach Asrita hetimmt, eine Ge
sellschaft, die mit wilden Thieren han
delt, hat ei miethet. ernte meh
rere herren ieser Oele schaft kennen,
WWW - —
ste forderten rnich auf, un der Expedis
xtion theilzunebnren und versprochen
f mir, ineine Rachforfchungen nach dem
verfchosenen Freunde tbntlriiftig un
terstüsen zu wollen.
Ich will Dir offenherziq gefiel-en,
liebe Mann-« daß ich fchon vor diefer
. Aufforderung daran gedacht hatte, ob
es unter den obtoaltenden Umständen
nicht ratbfam« in ein-ten fei, felbft
nach Afrila zu rei en und dort eine
Spur zu fuchen; ich hielt das fiir eine
Pflicht der Freundfchafr und der Lie
be, nnd der Gedanke an Elfriede er
leichterte mir den Entschluß, der nun
binnen einer Stunde gefaßt werden
mußte.
Es ift leine gefahrvolle Reife, tbeu
re Mutter, deshalb öngftige Dich nicht,
das Schiff ift gut und feetiichtig, die
Bemannung mit großer Sorgfalt ge
wählt und die Rückreife lann ich auf
bedeutend türzerern Wege machen.
So bin ich denn. wenn Du diefe
Zeilen empfänng fchon auf offenem
Meer, und ich vertrnue auch fiir diese
Reife auf den guten Stern, der mich
im Feldzuge begleitet bat.
Nein, Du kann mir nicht stirnew
liebe Manie, die runde, die rnich zu
biefem Entfchluß bewogen haben, sindz
Dir ja bekannt, Du wirft ihnen Deinef
Anerkennung nicht vertagen, wenn
auch unsere längere Trennung Dich
schmerzlich berührt.
Jch werde Dir Nachrichten fchieien,
f· oft ich ei vermag« und ich lehre zu
rück, sobald ich volle Gewißheit erhal
ten habe.
i Mit »Reisegeld bin ich einstweilen
durch die Gesellschaft versehen und lieb
ware es mir, wenn Du mit dem ersten
Briese an mich tausend Thaler an die
unten oerzeichnete Adresse senden woll
test. Die Gesellschaft schickt mir Al
les, was bei ihr für mich eintrisst, aus
dem lürzesten und sichersten Wege
nach, so daß ich daraus rechnen darf,
es bei der Ankunft in Afrita vorzu
n.nden. Jch glaube zwar nicht, daß ich
die ganze Summe gebrauchen werde,
aber wäre dies auch der Fall, so wür
de damit die Gewißheit über das
Schicksal eines theuren Menschenlebens
nicht zu theuer erkaust sein.
! Und nun nochmals, verzeihe mir.
Twenn mein Entschluß Dich betrüben
« sollte, die Stimme des Ver ens und
des Gewissens zwangen mi » ihn zu
i-1sien: gebe Gott« daß er zu dem ge
wünschten Ziele fährt!
Tauiend Grüße an Dich und an
(iliriede. Du weißt. wie theuer sie
meinem Herren ist, hiite mir diesen
Schoß, bis ich heimkehre.
Mit inniger Liebe
Dein in den Tod getreuer Sohn.«
Die Maiorin ließ den Brief sinten
und ein schwerer Seufzer entrang sich
ihren Lippen.
Sie hatte mit Zuversicht gehofft,
den theuren Sohn heute wieder in
ihre Arme schließen zu können, nun
verhieß dieser Brief ihr eine Tren
nung. deren Ende noch nicht zu be:
rechnen war.
Aber zürnen konnte sie ihm deshalb
nicht, sie sah nicht. wie manche andere
Mutter es gethan haben wurde, in
diesem raschen Entschluß einen Man
gel an Liebe, dazu tannte sie das
herz ihres Kindes zu gut. und sie war
auch nicht selbstsüchtig genug dazu.
Im Gegentheil, sie war stolz aus dre
ien Sohn, sie fand in seinem Ent
schluß nur den Beweis persönlichen
Muthes und ritterlicher Gesinnung
dieselben Tugenden, die ihr den Gat
ten so theuer gemacht hatten.
Lange blickte sie, in Sinnen versun
ken, hinaus auf den Maritplaß, auf
dem reges Leben und Treiben herrsch
te. Wohl lag der Gedanke an die
lange Trennung nnd an die Gefahren,
denen Kurt entgegen ging. ihr schwer
aus der Seele, aber das Geschehene
ließ sich nun nicht mehr ändern. und
in das Unabänderliche. wenn es ein
mal Thatsache geworden war, fand
die Masorin sich rasch. Sie zählte
nicht zu jenen schwachen Naturen. die
zagend und klagend an das Schicksal
zahllose Fragen richten, ohne zu be
denken, daß sie dadurch den Gan der
Erei nisse weder ändern noch anhal
ten Innern
Der Eintritt Brigittens weckte die
alte Dame aus ihrem Brüten
«Der Postbote sagte, es sei ein Brief
ans seemen nngekommen«, nahm
Frau Brigitte in ihrer treuherzigen
Weise das ort, indeß sie einen
schüchternen lick auf ihre Gebieterin
warf. .darf ich fragen, wann der here
Doktor zurückkehren wird? Es ist
nicht Neugier, gnädige rau, ich möch
te es nur deshalb toi en. weil wir
dem jungen herrn. als er aus Ironi
reich heimkehrte, keinen sesilichen Em
pfang bereiten konnten.«
»Und wer weit-, wann mir ihn jetzt
Hihni bereiten können!« erwiderte die
Majorin, leicht das silbergrcme aupt
Diesem-. «Jch fürchte, daß vie wei
ge, aus denen die Kränze fiir ian ge
wunden werden sollen, noch nicht ge
wachsen sind.«
Bestiirsung spiegelte sich in dem
treuen Gesicht Brigittens.
»So hat er ferne heimteltr noch
nicht gemeldet?« fragte fie.
»Im Gegentheil, er schreibt mir,
daeeer sich nach Afrita eingeschifit
ha , um dort den vertchollenen Sohn
ges Generals von Steinthal zu tust
en.«
«Giitiger Gott!« rie Frau Brigitte
entfe t, aber über das Antlis der al
ten me glitt ein ruhiges, freund
liches Lächeln, ein Zug jener stillen
Manatiom vie aden Stürmen im
herezen Schweigen gebietet.
« r ist bereits auf dem Meere und
an dem Geichehenen läßt sich nun
nichts mehr ändern«, sagte se in se
MA—
M Zone, .und wo er auch sein
merkl Brigitte, er ist in Gottes Dand.«
- des ·Jahre können vergeben«,
les-tit- Brtgitte. »in-e dann vie Wüste,
die wilden Thiere und die bösen Men
schen —
»Er reist nicht allein, ihn begleiten
Personen, die driiben belannt sind,
und so lange wie in sriiheren Zeiten
dauert eine solche Reise auch nicht
mehr. Wir miissen uns in Geduld
lassen, Kurt weiß ja selbst, wie sehr
ich mich nach ihm lehne, er wird die
Trennung nicht unnötbig verlangen
Schick roch die Magd nach Clemens
rub, ich lasse das gnädige Fräulein
bitten, mich zu besuchen. Aber Du
iagit dein Mädchen einstweilen noch«
nichts, Brigitte, ich will nicht, daß die
Sache heute schon an die große Glocke
gehangen wird·"
s Seufzend ging Brigitte hinaus, die
; Majorin oertielte sich noch einmal in
z den Inhalt des Briefes und wanderte
« dann lange aus und nieder. .
Je länger sie über den Jnhalt dieses
« Brieer nachdachte, desto llarer wurde
es ih daß Kurt nicht anders hatte
hande lönnen, sie war überzeugt, daß
ihr Saite in demselben Falle ebenso
gehandelt haben würde.
Und wenn ej ihm wirllich geling,
den Vetlchollenen aufzufinden, wenn
er bei seiner heimlehr ihn mitbrachtc
welch herrlicher Lohn erwartete ihn
dann sür die Mühen und Gefahren!
Und wenn er nicht beimleisrteT »
Die Majorin preßte unwilltiirlich
beide hände auf das pochende her ,
dieser furchtbare Gedante machte te
erbeben!
—.- - --·
Aber nein, wes-dato touie ne gieich
das Schlimmste besiirchtenz war er
nicht auch aus dem Feldzuge gesund
und wohihehalten heimgetehrti «
Sie liesz sich wieder am Fenster nie
der; aber das bunte Treiben aus dem
Marltplah, das sie sonst mit gro
siem Jnterefse beobachtete, konnte heute
ihre Aufmerksamkeit nicht fesseln. ·
So oerftrich eine Stunde-und seht
trat Elfriede in das trauliche Bon
doir.
Die alte Dame ginq ihr entgegen
und zog sie neben sich aus den Dido-r.
dann holte sie den Brief Kurts aus
der Tasche.
Mortsetzuna folgt)
Großmannssncht der Technik.
Die großen Erfolge der Maschinen
bautechnit haben, wie übrigens andere
Lultursortschritte auch, ihre angefan
den Begleiterscheinungen. Namentlich
machen sich solche in der Verkehrstechs
nik geltend. Aufgeftachelt durch den
oft blinden Enthusiasmus des Publi
kums und dessen trititlose Bewunde
rung technischer Neuerungen, schießen
Ingenieure, Fabrikanten und Ver
tebrsunternehniungen heute ost über
die Grenzen oernunftgemäßer Wirth
schafttichkeit hinaus. Es sei uns er
laubt, als Beleg hiefiir nur einige we
nige Beispiele herauszugreifen.
Jn erster Linie seien die Auswiichie
der Ozeanschisfahrt angeführt. Die
Erfolge der deutschen Dampser
«Deutfchland« und Kaiser Wilhelm
der III ließen die englische handels
marirxch nicht schlafen. Das »Bkaue
Band oes Ozeans« mußte unter allen
Umständen zuruckgewonnen werden.
Die deutschen Dampser waren bereits
mit ihrem Tonnengehakt und ihrer
Maschinenkeistung aus einem Punkt
angelangt, wo jede Rentabilität aus
hört. Wenn die gewöhnlichen, mit 10
—16 Knoten saht-enden Post- und
Laftdamdfer nicht wären, und der
Norddeutfche Llond und die Dani
durgsAmeritanische Patetfahrtgeselk
fchast allein nur solche Luxus
Schnelldampfer hätten, so wäre ihr
frnanzielter Ruin nur eine Frage von
Monaten. ZurErhärtung dieser That
sache diene die einfache Erwägung.
daß der Kraftbedars eines Schiffes
und damit in ähnlichem Verhältnis
der Kohlenverbrauch, die Verringe
rung des nühlichen Laderaums durch
die Kohlendunker etc. mit der dritten
Potenz der Geschwindigkeit zuneh
men. Während z. V. ein Poftdampser
von 17,000 Tonnen und 16 Knoten
,—.-.
Geschwindigkeit mit einer Maschinen
leistung von 9000 Pferdeträften aus
tommt, so erfordert ein Schnelldamp
fer von 21,000 Tonnen und 22 Paa
ten bereits 27,000 Pferdetriifte. Da
bei ist beim Poftdamofet der Raum
für Kohlen gegenüber dem Nuyraum
für Güter sehr bescheiden, beim
Schnelldampfer dageaen nehmen die
Kohlenbunter I des Laderaums ein.
Troß der nachweisbaren Unreniabili
tät solcher Kolosse hat die englische
handelsmarine die Leistungen der
deutschen Schnelldarnpfer noch über
trumpfen wollen und hat die Ueber
schiffe lso muß man sie wohl nennen)
»Lusitania« und «Mauretania« in
Betrieb gefest, die mit 25 Knoten in
der Stunde die besten deutschen Lei
stungen noch in Schatten stellten. Sie
hat diesen Sieg dadurch errungen.
dass sie Dampsturbinen anstatt ders
bewährten Kolbendampfmaschinen an-!
wendete. Ob das ein kluger Schritt
war. wird die Zukunft lehren. Je
denfalls ist der sau und Betrieb die
ser unrentablen siolofse nur möglich
geworden durch die vom Staat ge
währten großen Suboentionen Der
englische Staat lann sich eben den
Luxus leisten, mit den öffentlichen
.Geldern eine für handel und Verlehr
! nahezu werthlose Wettsahrspielerei zu
iunterstühen Eine solche muß ei aber
Igenannt werden, wenn man, bedenkt,
sdas aus der .Mauretanta' Maschinen
und Koblenbunter mehr als die
hölstn des verfügbaren Rate-net ein
nehmen u. eine nennenswertbe Fracht
xbesörderung mit diesen Renommiri
Tschissen überhaupt ausgeschlossen is
« Wird die deutsche andelsmarine
sich«verleiten lassen, die e Parsorceleii
stungen sumSchadenibrer mirt schast·
Ilichen Soltdititt noch übertres en zu
wolleni Fast müssen wir das be
fürchten!
Ein anderes Beispiel technischer
Groszmannisucht bietet das kürzlich
auch in der Basler Presse erwähnte
deutsche Projett, die Hauptstadte
durch direkte Schr. Nahnen mit 125
Meilen Geschwindigkeit zu verbinden.
Wo soll denn die Verzinsung des bie
siir nöthigen ungeheurenKaoitals ber
kommen-Z Betanntetmaßen rentiren
heute schon alle Schnellziis rnit den
üblichen Geschwindigkeiten von 50bis
25 Meilen schlecht oder gar nicht, und
ie Güter- und Personenziige müssen
die Berti-G dieser Schnelloerbinduns
en decken heute braucht ein 850
onnenzug mit 50 Meilen Geschwin
digkeit aus ganz ebner Strecke bereits
rund 570 Pserdestärten· Bei 125
Meilen würde derselbe Zug rund
2100 Pserdestärten erfordern. Zur
Zurücklegung von 300 Meilen würde
also der erste Zug 3800, der zweite
5300 Pserdetraststunden gebrauchen,
oder w Prozent mehr bei gleicher Lei
stung. Wer wollte die diesem erhöh
ten Krastoerbrauch und rapiden Ma
terialverschleiß entsprechenden hohen
Fabrdreise entrichten, bloß weil er
eine Strecke statt in 1 Stunde und 45
Minuten vielleicht in so Minuten
fahren kann?
Ganz ähnliche Alißvethällntsse sitt
den wir oft bei der Elektrizitiitsindus
strie. Ein Elektrizitiitswerk überdie
tet das andere an Grösse der Einhei
ten. Dampfturbinen von 10,()00
PferdestiirtM wie sie Essen hat, sind
bereits ein überwundener Standpunkt
und nicht mehr groß genug. troydem
es Thatsache bleibt, daß so große Ein
heiten im Betrieb weder bequem noch
wesentlich sparsamer sind als kleinere,
aber zahlreichere Maschinen.
Jn ähnlichem Optimismus besagen
sich auch die Freunde der Luftfchiff
fahrt. Die Zeppelinschen Erfolge in
allen Ehren und zugegeben, dass Lust
schiffe und Drachenflieger mit der Zeit
so vertraute und beliebte Zportstnittel
werden, wie der Autotstbiliiliennwa
gen und gute wissenschaftliche und mi
litärische Dienste leisten: ein öffentli
ches Berlehrsrnittel können sie aber nie
werden. Man beachte nur die Kosten
des orojettirten Luftfchiffbahnhofes
Luzerw um rasch erniichtert zu wer
den. Die Luftschifflinie Lazari
Friedrichshafen ist ja zweifellos sehr
interessant, aber es wird ihr gehen,
»wie dem Freilichttheater Heriensteirn
» bei schlechtem Wetter wird der Betrieb
Iganz eingestellt, bei gutem sind die
;Rrösusse. welche die hohen Fahrt-reife
zahlen, bald gezählt.
’ Zum Schlusse noch ein tomifches
Beispiel fiir technische Großsprecherei
und Prahlerei. Jeden Sommer, un
gefähr utn dieselbe Zeit. tommt wie
der die Kunde, daß Edison einen, die
ganze Elektrotechnit aus den Kon
ftellenden. leichten und ultraleichten
Allurnulator erfunden habe. Die
Techniker sind das bereits gewöhnt
und freuen sich jedes Jahr, wie auf
die Ankunft eines alten llttfreundes,
bis der Edison-Altumulator wieder
Unter dem Druck der hiyewelle in die
Zeitungen kommt. Der leichte Edi
sansAttumulator war immer erstaun
lich. diesmal aber ist er geradezu un
heimlich leistungsfähig Er verrichtet
stundenlange Arbeit und muß dafür
nur während weniger Selnnden wie
sder geladen werden, d. h. also, er hat
1200 oder noch mehr Prozent Nah
effekt und gibt, alle phhfikalifchen Ge
; sehe umftoßend, mehr her als er erhal
«ten hat! Jn Wirklichkeit wird der
EdisonsAlkumulator schon lange ge
baut, hat aber troh seines wirklich
’tleineren Gewichts prattisch gar tei
nen Erfolg. denn sein Wirlungsgrad
ist knapp 50 Prozent!
i
seine es treue-il
Zur Belehruon des Publikums hat
die Berliner Feuerxvedr Leitiiihe auf
gestellt, die beim Ausdrucks eines Bran
des auch bierzulade Beachtung verdie
nen. Diese Leitsöke sollen in den Ein
gängen der Ver iner Häuser ange
bracht werden und auch einen Hinweis
auf die nächste Feuermeldeitelle enthal
ten. Fol endes ist der analt der
amtlichen änweisunw
Feuer! Ruhe und Besonnenheitl
l) uerwehr alartnirenl
! 2) hüten nach den Treppen ge
» schlossen baltenl
I Z) Nicht auf den Treppen aufhal
« ten!
i 4) wish-det- spekssmu hoben sich
der Feuern-ehe bemerkbar zu wachen.
s) Niemals auf Zurui des Publi
lusns berablpringenk Nur die Anord
nungen der Feuern-ehe befolgen.
S) Jn deraualknten Räumen sich
kriechend bewegen; nasses Tuch vor
Mund und Nale halten.
Ein Rezept fiik die Lebensmabls
zeit: Zum Salat des Lebens liefert
uns die Sorge den Essig und der hu
mor das Oel.
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Es gibt Menschen, die ihr ganzes
Leben den 'elnen Fuß im Steigbllgel
vertrottem