Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 23, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats— Anzeiger und Jserold
- J ggggggggggg 909. Zeiw pay-i t.)
Die Brücke.
Es führte eine Brücke morsch und
schmal
Ueber einen Bach. Da tam einmal
Ein Mann mit leichtem heitern Sinn.
.·Ei'«, hörte man ihn lachend sprechen,
»Was sollte bei mir just die Briicle
brechen2"
Und er schritt leicht darüber hin. ·—
Dann kam einer, ein Pefsimist, ein
trüber;
Der sah die morscheBriicke und sprach:
»Ich komme sicher nicht gut hin
über!'«
Und er betrat sie ängstlich —- und sie
brach.
i
—
Wean der Tag sich neigt . . .
Von Elisabeth Kohlenh
jerna.
Grau ist die Hütte, und bald fällt
sie wohl ein. Grau sind die beiden
Alten, die darin wohnen. Wie ein
zitternder Sonnenstrahl, den der trübe
Blick taum mehr zu unterscheiden ver-—
mag, steht ihre Jugend vor ihnen. Sie
war von Arbeit erfüllt von Früh bis
Abend. Aber damals schaffte es sich
so leicht. Und dann hatten sie ja im
mer einander. Als sie ihren Haus
stand gründeten, da wußten sie noch
gar nicht recht. was das eigene Heim
wertb war. Rings um sie regte sich
das Leben und der Wald stand so
grün. Und der Himmel iiber ihnen
war so blau, der Himmel in ihnen so
wolkenlos.
So allmählich, Tag fiir Tag, wuch
sen die Sorgen und die Liebe. An
fangs hatten ihre Herzen freudig im
Takt geschlagen, in den schweren Ta
gen waren es gar nicht zwei Herzen
mehr, eines war es, von derselben
scheuen Hoffnung, derselben stummen
Furcht-erfüllt Jhre Hände waren hart
und rauh von dem Griff um grobe
Gerathe, aber so steif wurden die Fin
ger nie, daß sie sich nicht zu einem
dankbaren zuversichtlichen Gebet hal
ten tonnten.
Kinder kamen, Kinder gingen. Die
der Tod nahm« bekamen sie in gewis
ser Weise in hellen Etinnerungen wie
der, doch die das Leben mit sich zog,
die gab es nie zurück. Wortkarge
Brieie sind im Laufe der Jahre in
die kleine graue hütte am Waldesrand
gekommen. Grüße an Vater und Mut
ter, eilig und ganz ausgefüllt vom eis
genen Lebens-weg
Jeht ist in dem Sinn der Alten die
Sonne untergegangen. Und ein lan
ger dunkler Abend bricht an. Er harrt
ihrer im Armenhaus. Die Gemeinde
will ihre hätte haben. Sie soll in ein
Kulturmuseum weit weg gebracht wer
den. dem ist sie versprochen worden,
weil sie eine echte Riggaoghiitte ist,
mit spitz zulausendem Dach, einer
Mausesalle vor der Thiir und kleinen
Fensterscheiben mit bauchigem Glas-.
Der Dachlauch wächst sroh und iip
pig bis zum Schornstein, und Moos
verstopft die breiten Mauerspalten mit
dem weichsten grünen Sammt, aber
der Stein vor dem Eingang verwit«
tert, als wüßte er, daß seine Zeit um
ist.
Lars und Maja haben all die Jahre
geglaubt, daß die Hütte ihnen gehöre.
Der Gutsherr liesz sie hineinziehen, als
sie heiratheten, es wird jetzt zu Johan
nis! stinsundvierzig Jahre. Und sie
haben bei ihm in der Arbeit gestan
den, solange sie arbeiten konnten.
Jeht ist es aus. Sie sind in die
Kammer eingekrochen, die niedrig ist
wie eine Krhpta, mit ihrem Ballen
dach und der leeren Brotstange an der
Wand. Als wollten sie sich vor allem
Bösen in der Welt verstecken, sitzen sie
da an dem Klapptisch: Maja nur ein
dünner kleiner Schatten, Lars ein
knorriger, vertrockneter Greis, mit
großen Kinderziigen in dem bartlosen
Gesicht.
Der Gutsherr hat es gesagt. Hin
müssen aus der Hütte fort. Sie sollen
nach »Rulpethal«. Freilich klingt es
schön, der Name, und freilich brauchen
sie dort nicht zu frieren und zu bun:
gern. Aber nicht ein einziger Win
tel, den man sein nennen kann, wird
einem dort gegönnt. Und was das
Schlimmste ist, die beiden, die nie ges
trennt waren. die dieselben Lasten ak
tragen. dieselben Kämpfe qetämpst,
die immer, immer zusamgengehörtem
sollen jetzt jeder in einem andern Saal
wohnen. Die Ordnung ist streng und
zeitgemäß in dem neuen »Altersheim«,
einem mächtigen Gebäude, aus das die
reiche Gemeinde nicht wenig stolz ist.
und wohin sie all den Menschenaus
schuß versrachtet. der seine Zeit gedient
hat oder vorzeitig geknickt worden ist.
Lars’ blaue Augen haben einen]
ängstlichen Blick bekommen, und un
ausgesprochene Worte zittern um den
eingesuntenen Mund. Warum sollte
er sie aussprechen? Niemand hörte aus
ihn. Der Nachbar dort oben in dem
großen rothen Bauernhos mit dem
Herrschastsaltam er, der sich sonst
nicht um die Alten titmmert, bat ge
stern gesagt: »Na, jeßt werdet Jbr es
aber gut haben. Ich höre ja, Jhr
tommt nach Nuhethal«.
Die Bibel und das Psalmenbuch la
gen aus dem Tisch vor Lars ausge
schlagen. Er las und las vom Gott
der Liebe, der denArmen und den Rei
chen gleich wohl will, der den Vög
lein ibr Nest giebt und den Lilien aus
dem Felde ihr Kleid. Und schwer
tropsten die Tbränen in- die Furchen
seiner Wangen.
Die Menschen hatten gewiß Gottes
Gebot alle zu lieben vergessen.
Er sagte etwas davon zu Maja.
Sie nickte leise. Jbr Gesicht war gelb
und die Augen waren groß und glän
zend vom hungersieber, das ihre letz
ten Kräfte verzehrte. Sie sagte doch
nur selten, daß sie hungrig sei. Das
Bißchen, was sie hatten. sollte Lars
bekommen. Bald tonnte sie sich in dem
großen Saal an dem langen Tisch
sattessen, wo sie nur eine Nummer
war.
Ach, Herrgott! Es ist wohl sünd
haft, aber sie bittet jeden Abend, lie
ber vorher in ihrem armseligen Bett
sterben zu dürfen. Aber nicht nur sie,
auch Lars2 Aus Erden ist es wohl zu
enge, da nehmen sie zuviel Raum ein,
wie derschrumpst und vertrocknet sie
auch sind. Aber unter der Erde muß
wohl Platz sein für zwei schmale Ar
mensärge. Sie dentt sich, wie gut und
friedlich sie Hand in Hand einschlum
mern könnten, so wie sie jetzt jeden
Abend liegen. Sie wagen es nicht,
einander loszulassem nicht, solange sie
zusammengehören durften.
Die Tage gehen und der Tag kommt
immer näher heran, an dem die beiden
Alten nach Ruhethal gebracht werden
sollen. Jhre Gebete werden immer
inbrünstiger. Gott tann helfen. Die
sen Glauben geben sie nicht auf, aber
vor den reichen iooblthätigen Menschen
haben sie mehr Angst als je. Die
sprechen eine Sprache, die die Alten
nicht begreifen. Sie stehen gleichsam
oben aus einer hohen Treppe und
werfen ihnen Brosamen hinab.
Manche dieser Almosen werden so
hart geworfen,« daß sie sie wie ein
Schlag ins Gesicht treffen.
Eines Abends entschlummert Maja
mitten in einem Vaterunser. Lar
musz ihre Hand gewaltsam aus der
seinen ziehen, und er fchluchzt wie ein
Kind, weil er nun ganz allein ist.
Aber noch hat er sene Erinnerun
gen. Der abgenutzte, dürftige Haus
rath hat sie einmal neu und schinuck
hierherbegleitet. Er ist mit ihnen ge
altert. Jedes Stück hat seine Ge:
schichte. Und er spricht und plaudert
mit seinen Erinnerungen, bis es ihm
in einem glücklichen Augenblicke vor-i
tonimt, daß die Stube zu den Feier
tagen fein und gesegt ist, daß Maja
jung und frisch und froh Birkenlaub
in die große ostindische Schale steckt
und die Kinder rings um Vater und
Mutter jubeln und tollen.
Er ist so ganz in seine hellen Träu
me versunlen, daß er vor Schrecken in
die höhe fährt, als lzwei Männer aus
dem Arinenhaug vor der Thür stehen
und rufen: »Jetzt sind wir mit dein
Sarg hier. Wir sollen die Leiche ab
holen!«
Lars bat nun seine treue Maja,
nicht nur die Hälfte seines Lebens.
sondern sein Alles, aus dem Kirchhof
in die Erde senken sehen. Er hat selbst
einen Kranz für den Sara gebunden.
Man lacht über den Kranz, denn er
ist aus dem Hauslauch vom Dach der
Hütte gewunden. Aber Lars weiß,
daß es siir sie, die nun dein Kampf
entrückt ist, keine lieberen und schöne
ten Blumen geben kann.
Nun ist er allein mit seiner Anast.
lind er wartet mit tlopsendem Herzen
aus den Augenblick, tvo auch er geholt
werden wird—nicht zu der ledten, gu
ten Fahrt, sondern in das neue Heim.
Lieber Gott, lieber Gott, bittet er nnd
verbirgt sich wie ein dunkelscheuesäind
unter der abgerissenen Decke. Laß sie
mich nicht nehmen! Es kann Deine
Absicht nicht sein, Maja und mich
noch länger zu trennen.
Der Johannigabend kam. Lars
hatte seine Hütte mit Laub nnd Blu
men geschmückt Er hatte einen Korn
blumentranz um das Porträt seines
ältesten Sohnes in Amerika gehangen,
und er hatte das weiße Drilltuch- Ma
jas Stolz, aus den weißgescheuerten
Tisch gebreitet. Etwas zu essen- hatte
er sich fiir das Laub angeschafft, das
er in der Stadt verkaufte; viel war es
nicht, aber über den Feiertag würde es
schon reichen. Dann tamen sie viel
leicht . . . ach, wenn dieser Gedanke
nur nicht gewesen wäre.
Er steht in seiner Hüttenthiir und
sieht hinaus in all die grüne frische
Pracht, die im reichsten Sommer-J
schmuck um ihn lacht. Jn der Lust ists
Duft, auf der Wiese blühen Blumen,
und der Wald singt für den Alten Er
innerungslieder.
Plötzlich wird sein verrunzeltes
freundliches Gesicht ganz starr und
unter dem spärlichen weißen Haar tritt
der Schweiß hervor. Die Augen star:
ren aus die Landstraße, als käme da«
eine Räuberbande heran, aber es ist
nur das schmucke, braungestrichene
Wagelchen des Armenhauses und da
rangespannt das ausgediente Reit
pferd des Gutsherrn, von dem einat
migen Johann tutschirt, der so ver
soffen war, daß er es bei teiner Ar
beit lange aushalten tonnte.
Lars weiß, dasz ietzt seine alteHiitte
zugesperrt wird.' Das Herz klopft
nicht mehr. Es scheint stehen zu blei
ben und wie ein bleischwerer Klum
pen in seiner Brust zu liegen. Nicht
ein Wort sagt er auf dem Wege, nicht »
ein Wort, als sie ihm aus dem Wagen ;
helfen. Er möchte ja gerne »Dante!«"
sagen, aber er tann nicht. Die Lippen
sind wie eingetrocknet Er sucht in
seinem müden Hirn nach einem Gebet
um Stärte; einem Gebet, das ihm
über die Prüfung hinweghelfen kann,
denn Gott kann es ja nicht so schlecht
mit ihm meinen. Gott ist die Liebe!s
Das hat er doch all fein Leben, all
fein langes, mühsames Leben geglaubt
und gehofft.
»Na, also, da haben wir Lars,«
sagt die Vorsteherin mit ihrer resolu
ten klaren Stimme. »Wie geht es Al
terehen? Schlecht sieht er aus, aber
hier wird er schon wieder munter wet
den. So — hier stellen wir die hol -
schuhe hin. Mit denen darf man e
hinauf in den Saal. Was hat er da
in seinem Bündelchen? Das hebe ich
inzwischen aus.«
Sie nimmt ihm seine kleinen Be
sidthiimer aug den zitternden Händen.
Sie hat strengen Befehl, nicht zu nach
sichtig zu sein und alle gleich zu halten.
Auf Ruhethal muß mustergiltige Ord
nung herrschen. Keine Unreinlichteit,
teine Nachlässigkeit Die glatten Fla«
chen der ölgestrichenen Wände streben
leer und nichts-sagend zu der weißen
Decke aus.
Die Betten stehen in einer Linie,
gleich lang, gleich hoch, alle mit grauen
Decken. Alle mit einer Nummer am
Kopftissen Die Fenster sind weit ge
öffnet.
»Ja, jetzt ist Lars Nummer fünf
zehn,« sagt die Vorsteherin und klopft
ihm auf die Schulter. »Schön nnd
ruhig wird er es jetzt haben auf feine
alten Tage.«
Lars antwortet nichts, aber fein
Herz beginnt zu hämmern. Er bewegt
die Lippen. er streckt die Hände aus«
wie in wilder Angst, dann siillt er
plötzlich schwer in den Holzsefsel zu
riiel, er kramvft die Finger ineinan
der. versucht sie zu falten. Aber sie
gleiten obnmächtig und bläulichmeisz
hinab. Mit dem alten Larg ist es zu
(5nde. Ein anderer mag Nummer
fünfzehn werden.
q-·-—
Eine Schatmetensilapellc
In Caravaggio, einem anniisttiigen
Ort in der Nähe Von Bergamo, bat
sich eine originelle Kapelle gebildet
Es handelt sich um eine Anntsl von
Schalmeienbliifern (Z.impognari), die
mit einer ganzen Reihe von Instru
menten der verschiedensten Größen
und Tonlagen ausgerüstet sind und so
ein richtiges Orchester bilden. bei dem
die Melodie- und BegleitinftrumenteJ
geschieden sind. Zur Verstartunq ver
Wirtuna werden Tamburins und
Zchallbecken gebraucht. Durch das
Intsammentvirien der verschiedenen
Tonarten der Zampogne, unter denen
einige von ganz gewaltiger Größe
sind« ergibt sich ein hoher, kräftiger
harmonischer Ton, wie von einer
Menae von Flöten Die Musikstücke,
die von dieser eigenartigen Kapelle
zum Vortraa aebracht werden, sind
Hirtenli ever, Tanzmeisen uno Marsch
aesänae, die einen seltsamen einschmei
chelnven Reiz ausüben. Di-· Orche
ster hat kiirilich mehrere Concerte in
Vicenza aeaeben und einen grossen Er
folg errunaen
—-—--. -.-———-—
Hauswirth: Sie scheinen mir ein
sehr staubiaer Bruder zu sein.
Bettler: Dafür kann ick nich. Wir
Menschen sind ja doch alle aus Staub
jemacht.
Was ein Kameel leisten kann.
Von W. He l in uth
Jn seiner ergöhlichen Schilderung
der seltsamen Abenteuer, die sein süd
sranzösrscherLandgmann Tartarin von
Tarascon aus einem Jagdaussluge
nach Asrila zu bestehen hatte, erzählt
Alphonse Daudet sehr rührend von der
Treue einesKameels, das seinemherrn
nicht nur über das Meer folgt, sondern
zuletzt auch noch dem Eisenbahnzug
»nachläust, in dem er dem allzu an
»l1änglichen Viersüszler zu entrinnen
trachtet·
Leider aber gehört diese Perle von
einemKameeI mit Haut und Haar dem
Reiche der Fabel an, denn wag auch
immer man von den Charaktereigen
schaften des KameelH zu sagen wissen
mag. die Anhänglichkeit an den Men
scben spielt unter ihnen sicherlich die al
lerbescheidenste Rolle. Persönliche Lie
benswiirdigteit ist überhaupt nicht die
starke Seite dieses in mehr als einer
Hinsicht merkwürdigen Wiederläuerg.
tfin ausgesprochen murrlöpsiaes und
cholerisches Temperament pflegt viel
mehr ivn Verein mit einem reichlichen
Dutzend anderer übler Eigenschaften
den näheren Verkehr mit ihm zu einem
höchst unersteulichen zu gestalten. und
unter den Hausthieren desMenschen ist
aanz gewiß keines, das an Unaugstehi
lichleit und Widerwärtigkeit dem Ka
meel auch nur halbwegs nahe käme.
Selbst der Wüstenaraber, der die ho
hen Tugenden seines edlen Rolles nicht '
wori- und bildereeich genug zu rühmen
weiß, der Tuareg, dessen Existenz un
trennbar mit der Benutzung des Ka
meels verknüpft ist, der in beinahe glei
chem Maß-: auf seine Dienste angewie
fene Bewohner der westasiatischen
Stevpe, sie alle haben noch nie einWort
ium Lobe des Höckerträgers gefunden,
der zwar seit vielen Jahrhunderten der
Sklave des Menschen, aber noch nie
gleich dem Pferde, dem Hunde, dem
Elefanten sein Freund und Gefährte
gewesen ist. Seine abenteuerlicheHäß
lichleit und gewisse unverschuldete Be
sonderheiten, wie der Mißklang seiner
Stimme, seine zuzeiten beinahe uner
trägliche Ausdünstung und anderes,
würden gewiß kein unüberivindliclies
Hinderniß fiir die Anbahnung herzli
cherer Beziehungen zwischen dem zwei
keinigen Herrn und dem vierbeinigen
Diener gebildet haben: aber der Erfin
dungsreichthum, den das sonst so dum
me und stumpfsinnige Geschöpf zu os
ienbaren weiß, wenn eg gilt, den auf
seine Dienste angewiesenen Menschen
durch immer neue Tücken Bosheiten
zur Verzweiflung zu bringen, seine
Halsstarrigkeit und seige Gehiissigkeii
auch bei freundlichster und riielsichts—
vollster Behandlung, seine llnzugäng
lichkeit siir alle seelischen Einwirkungen
lassen auch bei engfter Daseins-verbin
dung zwischen demKameel und seinem
menschlichen Gebieter kaum je ein an
dere-S als feindseligeg Verhältnis-. auf
kommen.
Wenn ihm nun auch um solcher uni
gemiithlichen Charaktereigenschaften
willen seine widerwillig geleisteten
Dienste nicht gar zu hoch angerechnet
zu werden brauchen: daß sie an und
für sich unter bestimmten Verhältnissen
und Vorausseyungen von beinahe un
schätzlnrremWerthe sind, muß doch rück
haltlos anertannt werden« Was das
»Schiff ter Wüste« iiir einenTheil des
dunklen Erdtheilg bedeutet, weiß jedes
Kind. Seine durch die Besonderheiten
des Körperbau-Z ledingte Leistunggsäi
higkeit macht es zum wichtigsten oder
zum einzigen Verkehrämiltel in Gegen
den, wo jedes andere Reit: und Last
thier oon vornherein versagt Von der
Natur auf ein Leben in vslanzeu und
wasserarmen Landstrichen eingerichtet,
kann das Kameel selbst bei verhältnis-,
mäßig bedeutender Anstrengung tage
und wochenlang Entbehrunaen ertra
gen, denen jeder andere Warmbliither
erliegen würde. Mögen auch imAbend
lande etwas iibertriebene Vorstellungen
von seiner sintsggungsfiihigkeit herr
IOCIL IO Dekolklll PS VcIO llllmckylll Alb
ein hohes Maß von Besckeidenheit be
zeichnet zu werden, wenn schon ein al-v
ter Weidentorb oder eine abaeniitzte
Matte als Nahrung bereitwilliaft an
genommen werden, oder wenn lslattlos
fes Gestrüpp mit zolllangem ftablhar
ten Dornen unter allen Atneichen woh
ligen Behagens verzehrt wird.
Ungleich wichtiger noch als diese Ge
nügsamleit in Bezug auf feste Nahrung
ist ja bekanntlich die Fähigkeit des Ka
meels, längere Zeit ohne Wasserzufuhr
auszulomtnm Sein Magen, der sich
übrigens von dem aller anderen Wie-—
derläuer durch wesentlich einfacheren
Bau unterlebeidet, ist darauf eingerich
tet, in besonderen Stellen getrunkenes
Wasser aufzubetrsahrem das nur sehr
langsam imtbausbalt des Körpers auf
gebraucht wird. Der Umstand, daß es
in diesen stellen alsbald zu einer schlei
migen, überlriechenden gallenbitteren
Flüssigkeit wird, mag nur nebenher er
wiibnt werden, um die thörichte Fabel
von den durstgepeinigten Wüstenreisen
den zu widerlegen, die mit dem Was
frvorratb im Magen qefchlachteter Ka
meele ihrDasein gefristet haben sollen.
Auch ein Berschmachtender wiirde sich
mit uniiberwindlichemtzlbscheu von die- ,
ser widerwiirtigen Jauche abwenden s
müssen. I
Die Gattung Kameel zerfällt be
kanntlich in zwei Arten, das zweihöcke
einhöckerige Dromedar. Der Gebrauch
des Dromedars fiir denTransvort von
Waaren und Menschen durch die afri
tanische Wüste ist uralt.
Auch zu Kriegszweeken bat das
Kameel schon in weit zurücklie
genden Zeiten Verwendung gefunden.
Es kam mit den vordringenden Türken
in das südöstliche Europa und mit den
als siegreiche Eroberer einziehenden
Arabern nach Spanien, um bei ihrer
Vertreibung gleichfalls wieder von
dort zu verschwinden Der Versuch
seiner Einbürgerung in anderen als I
Wüsten- und Steppengegenden hat sich s
beinahe überall als erfolglos erwiesen. s
Zwar ist es für klimatische Verände
rungen nicht über die Maßen empfind
lich und kommt, außer im eigentlichen
Gebirge, unter den meisten Himmels
strichen ganz gut fort, aber es verliert
überall, wo nicht die Voraussetzungen
seiner Heiinatbländer gegeben sind,
sebr bald gerade die Eigenschaften, die
seine Niitzlichteit für den Menschen be
dingen, und zu einem europiiischen
Hausthier wird es darum taum je
mals werden. .
Jn:mer häufiger und mannigfalti
get aber ist in jüngster Zeit die Ver
wendung vonKameelem und zwar von
iweihiirkerigem im südlichsten Asien, in
Britisch-Jndien, geworden, wo man
aelernt hat, aus Exemplaren bevorzug
ter Rassen —- innerhalb der Gattung
Kameel gibt es deren kaum weniger als
isnter den Pferden —- brauchbare Reit
und lebeitsthiere heranzuziehen, die
wenigstens einige von den vielen
Untugenden ihrer Art halb oder ganz
uboelegt haben. Man sieht sie als Was-«
serträger im Dienste eines indischen
Gärtners, sowie als Zugthiere vor ei
nemWastEerwagen u. vor sinem zurP«er
sonenbeförderung bestimmten Gefährt,
das dem Verkehr im Wüstendistrilt
von Radschputana dient. Die Leistun
gen, die ihnen in all diesen Fällen zu
gemuthet werden, sind verhältnismäßig
gering, und die Halsstarrigteit der
Thiere-. die sich gegen jedes größereMaß
von Arbeit sogleich mit allen ihnen zu
Gebote stehenden Mitteln zu sträuben
pflegen, bereitet darum auch ihren
Führern und Treibern nicht zu emp
sindliche Schwierigkeiten
Dieffahrer der Kasmeelartillerie und
die Reiter der Kanieltorps dagegen
wissen von den Bosheiten ihrer Thiere
ein unendliches Klugelied zu singen.
Soll ein Kameel niederlnieen, um
leladen oder anfgezäumt zu werden«
so beouemt es sich dazu, namentlich auf
den Raststationen längerer Märsche,
nur unter den stürmischsten Protesta:
tionen in Gestalt von Stöhnen und
Schreien, von Beiszen, Schlagen und
Spucken Aber mich ohne einen sol:
eben immerhin noch begreiflichen Ani
lafz geräth es oft urplötzlich in« eine
maßlose Wuth und wehe dem Kameels
treiber oder Soldaten, der in derarti
gen Augenblicken nicht auf seiner Hut
ist. Das Gebiß desZ Kaineelg mit sei
nen ini Oberkiefer sitzenden Schneide
ursd seinen fürchterlichen Eitzähnem
die mehr an die Reißet eines starken
Riiiibthierc5, alg an Gebißtbeile eines
Miederliiuers erinnern, ist geeignet,
die schrecklichsten Verletzunaen hervor
zubringen. Die Knochen splittern zu
weilen unter einem Kameelbisk wie
Glas-, und Fälle von tödtlicben Vers
wundungen durch einReitthier gehören
bei den Kameeltorps durchaus nicht zu
ten Seltenheiten. Zur Paarungszeit
ist mit den Hengsten überhaupt nichts
mehr anzufangen, um so weniger, als
das Kameel bei seinen tückischen An
griffen kaum je einen Unterschied zwi
tcken Fremden und Dem Wohlthater
macht, der es seit Monaten füttert und
pflegt. Man kann um diese Zeit
größeres Unheil gewöhnlich nur durch
Anlegen eines Maultorbes verhüten,
dessen Zwang aber natürlich ander
seits nicht danach angethan ist, die
Laune des ungebärdiaen Thieres zu
verbessern
Daß das Reiten aus einem Kameel
schon unter gewöhnlichen Verhältnis
sen nicht unter die irdischen Vergnü
gungen gerechnet werden kann, weiß
man aus den übereinstimmenden Be
richten ialpllaser Reisender, die sich nur
mit gelindem Grauen ibrer ersten Ver
suche erinnern konnten. Das Schlin
gern und Stampsen eines Schiffes aus
bewegter See ist ein himmlicbes Wie
gen im Vergleich zu dem unre Ielmäszis
gcn hinundbers und Ausundniederges
marsenwerdeu in einem Kamrelsattel
Für den aeübten Reiter, der schon ge
lernt hat, sich zu halten, wird die
Sache etwas erträglicher, sobald es
erst einmal gelungen ist, das Thier in
jenen slotten und gleichmäßigen Trad
zu setzen, in welchem es, ohne zu ermü
den, Strecken bis zu 85 Meilen zurück
zulegen vermag. Jn dieser Gangart
schlägt es mühelos auch den schnellsten
Renner unter den Pferden, der ihm
zwar anfangs zuvorlommt, aber bei
der überlegenen Ausdauer desKameels
kald weit zurijclbleibi.
Ein Thier von der Heirirasse macht
im Nothsall ohne Ueberanstrengung 60
bis 70 Meilen an einem Tage, wobei
es außer mit seinem Reiter auch noch
mit demNahrungsi undWasservorraih
für eine Woche belastet sein kann.
kommt es aus dem Marsche aus ir
gend einem seiner tausend unbegreif
ilchen Gründe in Wuth, so verfällt es
nnsehlbar in einen kurzen Galopp, der
für den Reiter noch viel schauderhaster
sein würde als der stelzende Paßgang,
wenn er nicht immer nur vvn kurzer
Dauer wäre. Erstens kann das Thier
selbst ihn nicht lange aushalten, und
kann liegt der Reiter gewöhnlich schon
in der zweiten Minute am Boden. Die
Abgewöhnnng solcher Galoppgelüste
bildet darum auch den wichtigstenTheil
der Kameeldressur. Der Tuareg, der
diese Dressur meist halbwiichsigen
Knaben überläßt prügelt sein Drom
dar nach jedem Galoppversuch un
barmherzig bis zur Erschöpfung, und
als ein brauchbaresReittliier gilt auch
in Indien nur einKameeL das nie eine
andere Gangart als Schritt oder Trak
kinschlägi.
W
Wen soll man heirathen!
Diese Frage ist von allen lebenden
Völkern verschieden beantwortet wor
den, und wer von ihnen recht hat,
bleibt wohl dahingeftellt. Jede Theo
rie in Fragen so heikler Natur wird
wohl zum Schweigen gebracht wer
den, wenn das Herz spricht. — So
sagt der Chinefe z. B» es igibt fünf
Arten von Frauen, die man nicht hei
rathen foll. Zunächst nicht diejenige,
die aus einem Hause stammt, wo
man die kindlichen Pflichten nachlas
fIg ausübt, sodann keine unordentli
liche; eine, die schon einmal öffent
lich befchimpft war, eine, die eine Fa
Inilienkrankheit geerbt und schließ
lich, die älteste Tochter des Hauses,
die ihren Vater verloren hat. —- An
dere Völker fassen sich zu dieser Fra
ae kürzer, die Slawen stellen als Re
gel auf: »Hol’ dir die Frau aus der
Nachbarschaft, die Gevattern von so
weit als möglich« Der alte Deutsche
dachte etwas derber über diesen Punkt
und hielt als alte Regel den wenig
poetifchen Spruch: ,,.fJeirathe über
den Mist, so weißt du. wer sie ift.«
Oder auch: ,,Kaufe Deines Nachbarn
Rind und freie Deineg Nachbarn
Kind-« In Jtal ien und Spanien gilt
derselbe Grundsatz. »Wer in die Fer
ne geht, um zu heirathen, will ent
weder betriigen, oder wird betrogen.«
Der Toskaner sagt: »Wer sich die
Frau ans fernem Lande holt, hat oft
für die neuen Verwandten Ausgaben
zu machen-« Der Franzofe wie der
Serbe faatz »Wie die Mutter-, fo die
Tochter.« Als Haiiptrichtfchnur bei
der Wahl des Mädchens wird überall
empfohlen, auf ihre Familie zu ach
ten, und die meisten Völker sind der
Ansicht, daß namentlich die Mutter
dabei entscheidend fei. Die Meinun
gen, ob man der Schönheit weg-en
heirathen foll oder nicht, sind getheilt.
Der Spanier sagt: »Mein häßliche-»
Miidchen und keine grobe Goldm
beit.« »Nicht um eines Hauses-, noch
nm eine-Z Weiniseraes willen nimm
eine Frau, die einem Affen gleicht«,
und »Nicht so schön, daf; fie tödtet,
und nicht fo häßlich, daß sie er
fchreit.« Der Litaner dagegen warnt
nnd faat: »Mit dein-er Frauen-Schön
heit wirst du dich nicht zudecken«
Denn Schönheit ist zwar mächtig,
oder wie es im Sprichwort heißt:
,,Sch·o"nheit zieht mehr als Ochsenss
aber sie ift vergänglich und —-- kein
Brot!
Freie-II
In Rechtssachen soll man nicht sei
nen gesunden Menschenverstand fra
gen, sondern Juristen.
si- ss si·
Allen qefällige Menschen sind wie
ein ansdringliches Parfüm
ik ie- si
Lieter einmal betrogen werden, als
immer misztrauen.
sit III I
Je leiser der Flug, um so gesäbelt
cher der Raubvogei.
II- Iis L
Stille Wasser sind tief — aber nicht
immer ruhen Perlen aus ihrem
Grunde.
Di- ss· III
Wenn sich einer nur entschlossen, in
einen saueren Apfel zu beißen, bat et
ihm hinterher oft noch geschmeckt.