Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 11, 1909, Zweiter Theil, Image 14

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    vBis ans Ende der Welt. —
III-un von plaximiliau permis-v
' A
(11. FortseßungJ
10. Ka p it e l.
Daß W und Berge ihr gut ge
than hatten, baß ste sehr viel frischer
und bleibender aussah, das; ihre Au
gen treit froher und heller blickten, als
vor Antritt ihrer Reise, das war Alt
dorf Strich sbeim ersten Wiedersetpen ai
Jntia ansgeszllew
Eine volle Woche beobachtete und
wüste er «nabliissig. Dann glaubte
er sicher zu sein, daß Julia das Alte,
M sit gequält. die noch einmal em
Itgrloderte Liede oder das heiße.
renevolle Mitleid sest und start über
wenden hatte. Denn so oit er gewin
eren tot-r in diesen acht Tagen, war sie
ihm mit immer steigender Herzlichteit
Eigenart-und hatte sich einmal sogar
leise darüber beklagt. daß er stets nur
so wenig Zeit siir sie übrig hätte.
Do gab er ihr Borgstedto Troe
sche.
Sie kas das gelblich-Mike Papier,
des die Falten, von Altdor g Intuit
tersdem Griff noch immer nicht ganz
verloren hatte, nnd wechselte, während
der ännstiich Besorgte kein Lluqe von
ihr ließ, ein paar Mal nacheinander
die Farbe
Schließlich sagte sie, und ihre
Brust hob sich dabei in einem betrei
tsen Unsotbtnem »Die Verwundnnj
hat er also überwunden, wie es
sank
Der Professor nahm ihr das Tele
stumm aus der Hand und fragte da
bei unsicher: »Macht eg Dir teine
Sorge, daß er wiederkommen wills
Furchtrst Du Dich nicht vor seiner
Wiederkehr?«
Julia wich Altdorss Blick, aus dem
bei allem durchdringenden Forschen
so unendlich viel Liebe sprach. aus
und starrte. die Lippen fest zusam
men qeoteßn zu Boden. Ein düstern
Schatten lag aus ihrer blossen Stirn.
So stund sie und schwieg, indeß Alt:
does in derzebrender Unrufe aus ibre
Antwort wartete.
«Julia'·, bat er endlich in innigem
Ton nnd nahm ihre schlaff herab
hängende Rechte — «Julia!"
DI sah sie ibn wieder voll und
groß an und sagte, wenn auch zö
gernd nnd thcsk »Ich siirchte mich
nicht. Du bist ja bei mir.«
Leise zog er sie an sich und drückte
ihren Kopf an seine Schulter. »Also
Du siirchtest Dich doch noch! Er hat
doch noch Gewalt über Dicht« Sanft
strich er ihr über das blonde Haar,
wie man ein trantes Kind streichelt.
Dann schluckte er, als säße ihm et
was in der Kehle, und fuhr schläesz
lich fort: »Sieh, Liebling, ich habe
noch nie ein Wort üler Borgstedt zu
Dir gesprochen, obgleich sein Name
ja in letter Zeit aus allen Zungen
war. Ich mag nicht den Eifersuch
tigen spie!en. der Steine ausnimmt,
seinen Nebenbubler zu bewersen. Aber
das —- das eine —- hast Du es denn
noch immer nicht selbst ertannt, daß
Borgstedt nicht der Mann ist, aus den
eine Frau wie Du ihr Gliirt bauen
kanns Du siehst doch sonst so hell
undsebars, bist doch sonst so klug!
Und ich meine, ein kluger und guter
Mensch dars doch nur da mit ganze-.
Seele lieben, wo er schrantenlosx zu
achten· bedingungslos zu vertrauen
vermag. Alles andere ist doch gleich
san- nur böser Zauber, Sinnenblend
wert. das sich überwinden lassen muß,
das starke und gesunde Naturen be
siegen wie eine Krankheit die sich ih
nen ins Blut geschlichen hat Wenn
Dir auch alle miteinander Jrrthii
mer« zugänglich sind, zulent dürierts
sit-. die wir Jus uns halten. die wiri
Ins nicht wegwerer wollen, sür die
Sei-neben die Zänellosen doch nichts
als Mitleid iibrig habe-, nichts hö
heres, Größerei.«
»Ja«, aals Jutia zurück, »Du hast
wohl recht. Aber —« Plötzlich
schmiegte sie sich noch fester an ihn.
.Saa —« wär’ es nicht dag- keftr. Du
machtest mich gleich jetzt zu Dein-er
Frau? Sofort, ebe er wieder da ist?"
Wenn er sieht, das-. eine unübersteigs
bete Schranke zwischen ihm und mir
usgetichtet ist, daß es teine Hoff
nung meer für ihn giebt, dann wird
er —«
Sie brach ab. Altdorf fühlte, wie
ein Sckauer über ihre schlanke Ge
stalt hintiesextr. Sanft gab er finan
« feinen Armen. —
«Rein«, antwortete er kopfschüt
ietnd. »Ich hab' auch daran gedacht,
mehrmats daran gedacht, seit ich das.
Wamm an nrich nahm, aber nein·
—- neint So nicht! Aus Dir selbst«
Dust mußt Du das Vergangene
Meter-indem Auge im Auge, wie man
W Feind besiegt, mußt Du mit
sagst-U ferti werden. Darum ist
ei Int, daß er sinnst So nur kannst
VI in Dir klar werden. Vielleicht
Denn Du ihn wiederstehft, erkennst«
T DI. des Deine Seele einein Phantom
Eun jagt bat, einem Trugbild, das
be , s zerflattert, wenn Du es mit
M Händen angreifen willst. Die
« ft allein kann alles hell machen.
habe Dis lieb, to sehr lieb, habe
J lieber gewonnen von Tag zu
· fo Da ich lauen noch denken
« Te , tpdsßDn ein Stück
« ,- fet geworden biß, mein
-
·
.- - ,
Beitr-L Deiligstes Ader gerade da
rum. weil ich Dich so sehr lieb habe,
gerade dartun will ich Dich nur an
mich binden, wenn Du rnir ganz ge
hörft —- mit jedem Pulsschlag Deines
Mutes, mit jeder Regung Deiner
Seele. wenn Du an inan Herz
kommst aus innigstenn tiefsteni Ver
langen. Liebe und Sehnsucht kosten
Dich zu mir führen, nicht die Ach
tung, das Vertrauen und der Schat
ten Deines todten Vater-L Denn
Idee ist es noch immer. der hinter Dir
Istekzt Und der muß erst weichen. Jch
Jwill mein Glück nicht auf Schatten
banen.«
; Schweig-end neigte Julia Nähe-trink
sund Altdorf verabschiedete sich rasch
srnit lurzenh festem händedruck.
« Der August ging vorbei. Der Seps
lernt-er tain mit warmen Tagen undi
tüdlen Nächten. An den Bäume-M
deren Blüthe Oberst v. Rottenburgl
noch gesehen, reiste das Obst. und die
Blätter fingen schon wieder an. sich
bunt iu färben.
Mühen —- Reisen —— Vergehen!
Wie rasch folgt ihr euch doch im ewi
gen Wechsel!
Eines Nachmittazis, ture vor Be
ginn der Sprechstunde, trat oer Die
ner in Altdorfs Qrdinntionszimmer
und meldete: »Es ist ein Herr drau
ßen. der den Herrn Professor bitten
läßt« ihn vor den anderen Herrschaf
ten. die schon warten, empfangen zu
wouen." .
Altdorf, der am Schreidtisch saß,
runzelig die Brauen, ohne Die Feder,
die er emsig über das Papier gleiten
ließ, abzusetzen. Er tannte diese Un-«
aeduldiaen schon, die trotz der Num
mern, die in seinem Warterimmer
ausgegeben wurden, immer noch den
Versuch .nack.ten, sich aus der Reihe zu
drängen, und er ahnte, daß man dem
sonst so biederen Johann wieder mal
mit einem klingenden Händedruck ani
die Beine aekiolfen hatte.
«Der Herr Brron tommt in einer
sehr dringenden Privatangeleaenheit«.
dub der Braue zaadost wieder an.
Altdorf legte die Feder bei Seite
nahm die Karte von dem dargebote
nen Tal-lett und las: ,..v Borgstedt
hauvtmann der taiserlichen Schuh- l
. Rappe-«
» Da war er also, und er tam zu
ihr! Ob er schon bei Julia vorge
. sprachen hatte?
Drei. vier Athemzüae lana starrte«
der Professor über seinen Zchreibtrsch
hinweg ins« Leere, dann sagte er, die
Visitentarte mechanisch zusammen
dienend, mit harren deiferer Stimme:
»Ich lasse bitten.«
Lautlos glitt der Diener hinaus.
Die paar Setunden, die Altdorf
nun wieder allein in seinem Zimmer
; war, düntten ihm lanae, lange Minu
’ten. Reaungslos saß er ein wenig
ivoraebogen und stemmte die Faust
lgegen die Schreibtischtnnte Zwischen
seinen Brauen stand eine tiefe, sent
rechte Falte.
! Nun mußte es sich entscheiden!
sNum heute oder morgen würde der
IVorhang hochgehen über seiner Zu
kunft. Würde es das Gliick sein, das
Haus dem Dunkel hervortrat, das
sGlüch das ihm lächelnd die Hand
s entgegenstreckte?
Endlich ging die zum Wartezimmer
führende Thür. die schweren Falten
des dunkelrothen Friesoorhanas theil
ten ftch auseinander und schlossen sich
wieder hinter einem Mann, den der
Professor taum wiedererlannt hätte.
so verändert hatte er sich- so trank
und elend, so gleichsam verdorrt sah
er aus« « Die Gestalt haaer und abge
zehrt. die Wangen schmal und hohl,
blutleer die Lippen —- nur die großen
dunklen Augen waren dieselben ge
blieben. voll leidenschaftlich-r Feuers
wie einst.
Altdorf hatte sich erboten. Jn der
ibin eigenen kurzen, immer ein wenig
ungeduldigen Art erwiderte er die
höfliche Verbeugung Borgftedtg und
wies init der Hand auf einen Sessel,
der seinem eigenen schräg gegenüber
neben dein Schreibtisch stand.
»Ich muß um Entschuldigung bit
ten, daß ich mich, Ihre baue-ordnung
verletzend, durch die Reihen Jhrerz
Patienten hindurchgedrängt babe«,!
bub der Beinchen während er Plaßj
nahm, in einem Ton an. in dem das
Beben mühsam niedergetämpfter Ek
sregung deutlich vernehmbar war.
»Aber Sie werden begreifen, wenn
nign eine so weite Reise hinter sich
bat, nur zu dein Zweck unternom
men —« er guckte die Achseln. »Und
« dann —- ich tornine ja auch nicht als
s Patient.« .
Altodrf ließ feinen Diagnoftiter
blick gemessen ilber Antlitz und Ge
stalt des Aftitanerö bin leiten. »Was
haben Sie mir also zu agen?«
Auf Borgftedtj Stirn erschienen
ein paar tiefe Falten, zuckten unru
big, nervös, auf und nieder. Dann
sprach er: »Sie haben sich mit Fräu
lein Julia v. Rottenburg verlobt —
vor vier Monaten etwa; wenn ich
recht unterrichtet bin, unter etwas
eigenartigen Umständen: ans Sterbe
bett des Vater-if Er brach ab und
strich sich mit der band über die
Schläfe. «Darf ich fragen, ob Ihnen
bekannt war. daß sich Fräulein v.
Rottenburg schon vor mehr als Jah
resfrist, in Liebensiein, durch ein
heimliches IsVerlöbniß an mich gebun
den hatte-«
Der Professor hatte sich in feinem
Zchreibstuhl zurücksank-nd seine M
te griff fest uin den Löwenknopf, in
dem die geichnitzte Arrnlehne auslief,
sein Blick nahm, troß allen Dagegen
wehkens. nun doch einen strengen,
feindfeligen fast drohenden Ausdruck
an. »Alletdinas — wenigstens ifl
mir diese Thaifache in unmittelbare-n
Anschluß an meine Verlobung be
kannt geworden«
Aus Borgstedts dunklen, fieberhaft
glühenden Augen schoß ein flammen
der Blitz iu Altdorf hinüber. »Es
existirt ein Gesen, ein allerdings un
aeschriebenes Gesen, das Ehreninän-»
nern gebietet, ältere Rechte unter als
Sen Umständen zu respektiren.«
Altdorf zog die Brauen hoch. »Ich
sagte Jhnen bereits: ich erfuhr von
Ihrer beimlichen Abrede ,- anders
s tnnn ich es nicht nennen — erst n a ch
meiner Verlobung«
»Auch wenn Sie erst nach Jhrer
Verlobung von meinem Verhältniß zu
Fräulein v. Rottenburg erfuhren
gräre es wenigstens Ihre Pflicht ge
wesen« zuriickzutreten, Fräulein v.
Rottenburg wieder frei zu geben.
Schon Ihre Selbstschätzung hätte es
nicht zulassen dürfen, daß Sie ein
Mädchen an sich fesselten. dessen herz
einem anderen Mann gebärt«, sagte
Borgstedt.
Schärfer wie Altdorf-z Blick sich mit
dem des Hauptnianns traf, können
zwei feindliche Klingen nicht ausein
andertrefsen. »Ich muß es ablehnen,
mir von Ihnen Belehrungen Tiber
Pflicht und ähnliche Dinge etihksskll
zu lassen. Gesetzt wirklich den Fall«
daß Sie nor mir Rechte :n Fräulein
o. Rottenburg geh.ibt baden, so haben
Sie diese Rechte verwirti. Aber Sie
baden nie Rechte auf Fräulein v.
Rottenburg besessen. Rechte aus den
Besitz einer Braut« ernsthafte, heilige
Rechte tann iiur der erwerben, der
eine Garantie dafiir bietet, daß er im
Stande ist, dieser Frau eine nach
menschlichem Ermessen gesicherte Zu
tunft zu bereiten. Alles aber, was ich
über Ihre Vergangenheit und Jhr
Temperament in Erfahrung gebracht
habe. schließt diese Möglichkeit ans."
Er warf einen Blick auf den Regu
lator, der iiber dem Schreibtisch hing
»Wenn Sie mir noch etwas zu sagen
baden, fassen Sie sich kurz. Meine
Zeit ist gemessen.«
Borgstedt saß, den Kopf vorge
beuat, die mogeren hände auf den
Knieen zu Fausten geballt, und ließ
i den Blick finster und unstet iiber den
iBoden irren. Die Adern an seinen
s Schläfen waren geschwollen, jede Fi
ber seines Gesichts zuckte, und es war
fiir Altdorf nicht schwer, den Kampf,
der in des Leidenschaitlichen Brust
tobte, von seiner gefurchten Stirn zu
lesen.
»Ich —- ich glaube sicher zu sein,
daß Fräulein v. Rottenburg mich
noch iminer liebt. daß sie nie aufhören
. wird, inich zu lieben«, hub Borgstedt
endlich in mühsam beherrschtegie Ton
wieder an. »Und Sie dürfen shalh
laum hoffen, ein volles Glück an ihrer
Seite zu finden. Was soll uns eine
iFrain deren Herz uns nicht gehöri,
die mit ihren Gedanken und Empfin
dungen vielleicht bei einem anderen
ist, während wir sie küssen? Und
Sie —- so glänzend wie Sie dastehen,
so reich, so allgemein geachtet und
verehrt —- Sie kiinnen sich so leicht
ein volles, ungetrübte-i Ehegliiet schaf
fen, Sie können wählen unter hunder
ten. Sie finden leicht irgendwo ein
degehrenkwertheg Weib, das sich Ih
nen mit ganzer Seele zu eigen giebt.
Aber ich — ich bin auf die eine an e-·
wiesen. Jch habe, ehe ich hierherreiftn
alle Brücken hinter mir abgebrochen,
nur uni loszutommem nur weil ich
persönlich alles ausbieten wollte. mir
Fräulein v. Rottenburg doch noch zu
retten. Jch bin ein halb verlorener
Mann, ein ganz oerlorener, wenn ich
Julia aufgeben muß. Und darum
bitte ich Sie —« Er brach ab, würgte
und schluekte, toni aber doch nicht wei
ter, brachte den Rest nicht liber die
« Lippen.
i
i Jn Altdorf wollte sich etwas wie
Mitleid regen. Aber nur fiir vie
Dauer einer Sekundr. .Dann zuckte
es fast verächtlich um seinen Mund,
und mit schneidendein Hohn sagte er:
»Ich soll also verzichten, soll Ihnen
helfen, daß Sie Fräulein v. Motten
burq ungehindert in den grauen Este-(
bel, aus den schwanlen Boden th
rer unsicheren Zukunft hiniilserrei en;
können? — Sie ersparen mir wohl
die Antwort daraus. Es ist dieselbe,
die Sie mir ohne Zögern ins Gesicht
werfen würden icn umgekehrten Falle,
wenn ich zu Ihnen käme, solch ein
Ansinnen an Sie zu stellen.«
Er schob seinen Sessel zurück, stand
aufrecht vor seinem Schreibtisch.
Auch Borgstedt erhob sich. Mit os
sener herausforderung. mit unver
hehltern baß heftete er ieht seinen
Blick aus den Nehenhuhler. »So hohe
ich Ihnen nur noch zu sagen, dasz die
Welt sortan siir uns beide ou wenig
Raum birgt, daß wir beide seinen
Plan nebeneinander haben, daß einer
von uns zu viel ist aus der Welt.«
Nuhia und kühl, ganz ohne Feind
seligleit, eher ein wenig lächelnd,
sahen Altdorsz klare Augen hell und
groß aus Borgstedt. »Ok- einer von
uns fernerhin zu viel ist, das zu ent
scheiden steht wohl allein hei der
Macht, die uns so lange nebeneinan
der Plak gewährt hat au dieser
Erde. Mir jedenfalls sind ie nicht
im Wege. lind das sage ich Ihnen
vorweg: Alle Prvvotationen lonnen
Sie sich erlassen. Fiir solchen Firle
fanz wie ein Duell bin ich nicht zu
haben — auf keinen Fall Und nun
—- unsere Unterrednng bat wohl lan
ge genug gedauert. Meine Patienten
warten auf michs«
Borgstrdt guckte die Jchseln Sie
hören noch von mir.« Ohne Gruß
wandte er sich um und schritt zur
Thür.
Altdor.i sah ihm nach, wie er mit
dein ihm immer noch eigenen elegan
ten iedernden Gang durch die dun
s lelrot he Portiere verschwand und inh
lings ruckte ein auälender Gedanke in
ihm auf bohrte iich in fein Hirn wie
eine niiidende Nabel.
Der würde nun zu Julea geden
Und wenn Julia ihn zurückwieö —
wae würde dieser von Leidenschaft
und Verzweiflung Angeftachelte thun-?
Var des Professors geistigern Auge
erschien das tadtenblasse Gesicht ei
nes jungen Mädchens das man am
Abend des vergangenen Tages mit
einem Schuß in der Schläfe ins
Krankenhaus gebracht hatte. Die
Mutter der Verwundeten ratte bei
der Einlieferung unter beißen Theil
nen erzählt, der sriibere Bräutigam
ihrer Tochter außer sich darüber.
daß man die wegen seiner Unze-ver
läsfmtert ausaelöste Verlobung nicht
wieder hatte herstellen wollen, hätte
im Verlauf einer neuen Abweisung,
die er sich geholt blitzschnell einen Nr
volver dervorgezogen und zwei Schilf
se auf das Mädchen abgegeben.
Wie viele, wie unendlich viele
Opfer iiigellos leidenschaftlier Men
schen. Durch verlchmäbte Liebe zur
Raserei getriebener Tolllöpfe, waren
nicht, seit er den ärillichen Beruf aus
übte, durch leine Hände gegangen!
Unwirich strich Altdorf sich über
die Auaen Unsinn —- ein Offizier
verfiel nicht aus solche Berriirttliei:
ten!
Aber Bornstedt ist durch Krankheit
und Tropentlima entnervt, iein heiß
bliitiaes Temperament hat ihm den
Halt genommen, sliisterte wieder die»
mahnende Stimme. Hätte er sonst
alle Brücken hinter sich abgebrochen..
nur um loskommen, nur um in die
Heimath zurückkehren zu tönnens i
Altdorf starrte aus die Portiere,»
rie nun längst wieder in schloereni
Falten regungslos herniederlxing.
Was sollte er thun? Anspannenj
lassen, binjaaen zu Julia, sie iontnen,«i
schützen-:- l
Dich lächerlich machen, den Ein-’
druet erwecken. als trautest du ihr
nicht« ali- sürelztes du. sie an deinen
Nebenbubler zu verlieren! raunte die;
Eitelkeit, die auch in der Brust des
Besten nie aanz stirbt.
Also still sein — abwarten. Wenn
Borqstedt wirklich zu einer That des
Wahnsinns entschlossen war, und
man siel ihm deute in den Arm —
konnte er nicht« woran er einmal ver-»
hindert wurde, morgen oder übermorq
gen zum zweiten Male versuchen? i
Die dunkle Wolke, die Fett am
himmel steht, ist das Schicksal. und
aeaen das Schicksal giebt es keins
Weinen. Wenn das Schicksal von-i
nernd herausrollt« können wir nur;
still sein und abwarten — abwarten;
wie bei einem Gewitter, das uns aus
sreiem Felde überrascht, abwarten, ol
sein schwarzes Gewölt über uns hin
zieht, um die Lust. die uns umgiebt,
mit seinen zuckenden Blinen zu rei
nigen, oder um uns zu zerschmettern
Der Professor besahl seinem Die
ner. «Lassen Sie eintreten!«
11. ask-sinkt
Borgstedt zog an der Thür derv
Nottendurg’schen Wohnung die Klin
gel.
Das Mädchen, das öffnete, bat ihn,
zu warten und truq die beiden ihr
übergebenen Karten in das Speise
zimmer, in dem die Damen bei ihrem
Nachmittage-me saßen.
«Julia --— Boraitedt iit’L-·.« rief die
Frau Oberst, nachdem sie den Namen
des Besuchers gelesen. Davon. daß
zwischen Borgstedt und ihrer Tochter
Beziehungen bestanden hatten, wußte
sie nichts, und sie ins Vertrauen zu
ziehen hatte man leinen Grund ge
habt. Wohl aber wußte sie von den
schlimmen Gerüchten über des haupt
manns Ver-geben« außerdem hatte sie,
die immer nur der Spiegel und das
Echo der Empfindungen und Gedan
len ihres verstorbenen Mannes gewe
sen war, von jeher eine gewisse Anti
patlIie gegen den ,,Airitaner« und des
sen puhsiichtiae Mutter gehegt, und
sich, deshalb auch keineswegs dadurch
verletzt gefühlt, dasz Frau v. Borg
stedt nicht einmal den Tod des Ober
sien zur Veranlassung genommen hat
te, mit einem Kondolenzbesuch aus
der tiesen Zurückaezogenbejt beraus
zutreten, in der sie sich seit Monaten
»vor den Augen ihrer Mitmenschen
« verbarg.
Julia war der Schwäche, die ihr
einen Augenblick den Athem hatte
rauben wollen« rasch herein gewor
den. »Wenn ei Dir recht ist, em
psanae ich den Deren dauptnunn
allein-", wandte sie sich an ihre Mut
ter.
»Ist mir nz recht«, kam die
gleichgtiltige ntwort. «Kannst ja
sagen, ich sei nicht ganz wohl-«
Das Mädchen war schon hinan-.
mn den Besucher in den Solon zu
Ehren
In des Obersten Urbeitsstude, die
man durchschreiten mußte, um vom
Speiseztmmer in den Solon zu sie-I
langen — es war hier noch alles anz :
,so wie zu des Abgeschiedenen Le zei-j
ten —- machte Julta einen Moment
halt und drehte die band, die Alt
Asd- c q-« «-» ----—
var« Verlobung-ein« trug, auf dass
ftürknifch heckende herz. Jhr Mich
glitt scheu und zaghaft durch den
Raum. blieb an dem Krankenftuhl
Hatten, der noch immer seinen alten
May am Fenster unter dein beeitäsii
aes Apfelbaum inne hatte, und es«
war ihr. als sähe fre ten Vater dort
tn drohender Haltuna aufgerichtet
aenau so. wie an jenem teyten Nach
mittaa feines Lebens. :
Mit einem teiten Stöhnen schloßt
Julia die Auan einen Athemzua;
lana· Dann biß sie die Zähne auf-»
einander. trampfte vie Sande zusam-!
men und trat bochaufaerichtet, festen
Schrittes über die Schwelle
Juli a —- Julius«
In dein übermältiqenden Anfturm
Wiedersehens jedes weiteren Wor
unfiidig« eilte Beraitedt auf sie zu,
ergriff ihre beiden Hände und bedeckte
sie mit Rissen
Nur mit Miilse vermochte Julia
ihre Finger von feinem umtiains
mernden Griff zu befreien. »Ich
weiss nicht, Herr Hauptmann«, begann
sie, »moer Sie sich und mir die Qual
dieser Begegnuno bereiten Jch habe
i Ihnen in dem Brief mit dem ich Jh
! nen meine Verlobuna anzeigte, keinen
Zweifel darüber qelafsen, daß jeder
EVersuch einer Annäherung zwecklns
? nnd aussichtsios sein würde. Daß Sie
s trotdem gekommen find, ist nicht nur
zriictsichtslos, sondern. geradezu eine
; Beleidiguan für ——«
Mit einem höhnischen Tit-flachen
fiel ihr Borgstedt ins Wort. «Se!)t
gut einfindirt, dieie Rede! Nun is
Du hattest ja auch Zeit genug in
den lanoen Wochen feil Einvan
meiner Devefche Erhalten haft Du
sie doch?« Jronifch lächelnd rich
’tete er den verzehrenden Blick feiner
: dunklen Armen auf sie. Seine weißen
Zähne nnqten nervös an der Unter
lippe. »Du bist noch schöner gewor
den« feit ich in Liebenstein Abschied
von Dir nahm«, setzte et, da Julie
ichwiea, nach einem ichweren Athen
holen liimu. »Das schwarze Trauer
lleid ftekit wundervoll ru Deinem
durchsichtigen Teint und Deinem blon
den Haar. Und ich l.1nn Dir nur wie
derbolem was ich Dir ichrn gesagt
und geschrieben habe: ich lasse Dich lei
nein anderen. Und wenn es um Tod
und Leben aebt -— ich lasse Dich tei
nein anderen.«
Der höhnifche Ton. in dem er be
sonnen, war völlia in die Klsnafars
be riiqelloser Leidenschaft umgeschla
aen
lFortienuna folgt.)
Die bestehn-es see case
Der bekannte griechische Philosoph
Diogenes tavricirte sich daraus, so
coenia als möglich zu bedürfen und zu
leben wie ein Wilder. Seine ganze
Habe war, abgesehen von einem alten
Mantel, das, wag schon ber Urmensch
sein eigen nannte: ein Stock und ein
hölzerner Trintbecherx auch diesen
wars er weg, als er einmal einen
Knaben aus der hohlen Hand trinken
sah.
Diogenes war ein Narr, ein Natur
zustandssanatiter wie die modernen
Anhänger der natürlichen Lebens
weise, die rohes Getreibe anstatt Brot
essen. Diese Leute gehen von der
Voraussekung aus, daß alles voll
kommen sei, und daß die Cioilisation
nichts besser machen könne, als es die
Natur gemacht hat. Als ob die Kul
tur überhaupt etwas anderes wäre als
Natur; als ob wir mit unseren Erfin
:dungen jemals aus der Natur heraus
zläniem Kultur ist veredelte Natur«
lpebändigte Kraft, nichts weiter.
« Also der Philosoph hat sein Schal
chen weggeworsen, weil man aus der
hohlen hand trinken kann. Ebenso
aut konnten wir den Hammer sortwer
sen, weil wir wohl auch einmal mit
der Faust ausschlagen, das Messer,
weil wir Zähne haben, um den Braten
zu zerreißen, die Gabel, weil wir mit
den Fingern essen können.
Allmählich aber hat die Menschheit
sich verfeinert, und aus der hohlen
and trinkt man nur. wenn man zu
sall« seinen besseren Becher hat. Man
hat ich den Genuß ein wenig beque
mer ein erichtet und sich Trinkgefäße
angescha st. Und zwar hat man zu
nächst zu denen gegriffen, die die Na
tur selbst barzubieten scheint.
Die Gefässe liegen sozusagen aus
der Straße, wir brauchen nur die Au
aen auszuthunz jedes horn« jederKnos
chen, iede natürliche Röhre thut uns
gute Dienste. Vor allem aber helsen
wir uns mit den vielen Schalen, die
sich im Pflanzen- und Tierreich sin
den.
Unzählige Dinge haben eine Schale,
daj heißt eine mehr oder weniger har
te, iugelige Kapsel, die man bloß ab
zunehmen und zu zeriheilen braucht,
um ein ireffliches Trinkgefiiß zu be
low-nein Eier, Nüsse, Muscheln,
Austern, Schildkröiem die fogenannp
ien Schalihiere stecken in einer Schale:
von den letzteren ifi der Begriff wahr
fcheinlich ausgegangen.
Wie macht es Robinfon? — Er hat
als Nan vie Schaleæiner Kvivsnußx
eine Schildlröienfchaie ifi fein Zuber.
Wie hilft sich ver miiielalieriiche Pil
grim auf feiner Fahrt? —- Er hebe
eine Kammufchei auf und benußi die
gewölbie Klappe als Trinkgefchire,
vielleicht auch als Teller, um Dattel-s
darauf zu legen oder um ein Ragout
iin zu essen, wozu fich die fächetför
mige Pilgermufchel befonders eignet
Daß wir gerade diefe primitive Schale
noch deute im Original benuhem ifi
« wiß auffallend; der Grund mag
; ein« daß das fogenannie Ragout tin
rin direkter Nachfolger der wohl
fchineclendcn Kammufchel gewesen ift.
Die Piner haben ihrer-Zeit das Thier
in der Schale fellift geröftet und mit
Pfeffer und Salz verspeist; durch die
Pilger, die solche Muscheln mitzubrin
gen pflegten, ift dann das Verfahren
im Abendlande bekannt geworden.
Endlich, wie trinkt der Neger in Jn
nerafrita7 -—— Aus einer Eierfchale
oder aus einem Straußenei. Die
Stroußeneiek find die größten von ol
len Vogeleierm von herrlicher Gestalt
und Farbe, sie gleichen mit den glat
ten, glänzenden Schalen elfenbeiner
nen Gefößm Als solche werden sie
in ganz Afrtta gebraucht.
Bis hierher sieht unser Büfett recht
verlockend und appetitlich aus; nie
mand wird sich vor solchen Schalen
scheuen. Wie macht es aber der Kan
r.ibale? — Er trinkt aus der hirni
sckale des Feindes, den er eben getödtet
und ilalpikt bat! -- Die Sitte, au
Menschenschiideln zu trinken. ist uralt
und weit verbreitet. Als die Kultur
wuchs und die Menschheit dahin lam,
Thonerde zu bearbeiten, da verzichtete
tnan allmählich aus die natürlichen
Irintgefäske und stellte künstliche her.
Aber beibehalten wurden troßdem die
beiden ursprünglichen Formen, die des
Kopfes, die man der Gestalt des
Schädels, des Straußeneies, der Los
tosnußschale entlehnte, und die der
flachen Schale, die man der bisher bes
nutzten Muschel nachbildetr. Und
diese beiden Formen haben sich bis auf
den heutigen Tag erhalten; sie sind im
Laufe der Jahrhunderte vervollkomtns
net, in Gold und Silber, in Glas und
Porzellan nachgebildet, auf einen Fuß
gestellt und mit Henkeln versehen
worden, aber ihre Grundgestalt hat
sich darüber kaum geändert: im kost
barsten Teller ertennt man noch die
Muschel und im rheinweingefiillten
Römer noch den Kopf.
Die Kasseetasse ist eine stehende
Verbindung dieser beiden ursprüngli
chen Gefäße; sie besteht aus einem
Kon und einer Schale. Die Ober
tasse ist der Kopf; bis auf den heuti
gen Tag spricht man in vielen Gegen»
den von einem Kaffeelopf oder einem
Iheetovf, in England heißt sie tin
(·np. Jn Frankreich nennt man die
LbertasseI Tasse. ein arabisches Wort,
das in viele Sprachen und auch in die
unsrige übergegangen ist« das alte
Wort Kopf verdrängend. Aber die
llntertasse nennt der Franzose noch
Hain-»Hm also wörtlich den Unter
kopf; ein deutlicher Beweis. daß auch
die Obertasse einmal tun-fu« oder
Kon geheißen hat.
Woher nun diese stehende Verbin
dung? Wie lommt es, daß diese bei
den alten Gefäße regelmäßig zusam
mengestellt werden« wenn Koffer
getrunlen werden soll? —- Denn Ge
fäße, Trinkgesöße sind beide Stücke,
das steht man schon daraus, daß die
Untertasse ganz gleich gearbeitet und
aus gleichem Material hergestellt ist
wie die Obertafse, was gewiß nicht
der Fall sein würde, wenn die Unter
tasse bloß die Bedeutung eines Unter
sahes hätte. Es lrinlt sich allerdings
bequemer aus einem tiefen Becher, als
aus einer flachen Schale; eine solche
scheint mehr zum Ausgießen als zum
Eingieszen da zu sein. Aber man ver
gißt, daß Rassee und Thee heiße Ge
tränke sind; alles ist heiß, was in
Tassen ausgetragen wird. Heiße Ge
tränke aber machen die Zugabe einer
Schale ioiinschenswerth, in der sie sich
abliihlen können.
Es ist also teine Thorheit, wenn der
einfache Mann seinen Kassee aus der
Obertasse in die Untertasse gießt, um
ihn vorsichtig zu schlürfen, wenn ihm
das auch als Ungeschicklichleit ausge
legt wird; er handelt mit richtigem
Jnsrinkte, denn dazu ist die Untertasse
eigentlich da. Demselben Zwecke dient
auch der Kasseelösseh ein nicht minder
nothwendiaes Zubehön der Löffel ist
auch nur eine Art von flacher Schaale,
gleichfalls aus der Muschelschale her
vorgegangen und in vielen Sprachen
nach ihr benannt. Es läuft auf das
selbe hinaus. ob wir den Kassee aus
der Untertafse trinken oder ob wir ihn
wie Suppe mit Löffeln essen; in den
Pariser Konditoreiem wo der Milch
lassee in sogenannten Bals, d. h. in
Bowlen fervirt zu werden pflegt, ge
schieht das in der That. Im Orient
aber erinnert das kleine, runde, aka
bische Fingan, ein Porzellantiißchen,
das weder heutel noch Fuß hat und
in einen Untersatz in Form eines
Eierbechers gestellt wird, noch heute
daran, dass die arabischen Tassen di
rekt aus Cierschalen hervorgegangen
sind. Früher waren unsere Oberta en
selbst ganz flach und richtige Kaseei
schälchen, erst nochmals bekamen sie ei
ne chlindrische Gestalt; damals konnte
man die Untertasse füglich noch ent
behren. Ueberhaubt ist dieselbe nicht
eradezu unerläßlich, um Be viel
ehlt sie in den Wiener affeehiiu ern,
wo man den Aasfee aus Gläsern
trinkt.
I Dr. Rudolf KleinbauL
Die wahren Mütter haben tagtäg
lich Müttertagx und zwar vom Mot
gen bis zum Abend.
O I t
Jener Chimgoee Eieiiriter. der
man sich selbst die haare schneiden
eine Maschine ersunden hat« mit der
kann, hätte doch lieber seine Kenntnisse
Zur Erfindung einer Maschine verwen
-en sollen, die das Haar wachsen iiißi.
Die würde ihn jedensalls reicher ge
macht haben