Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 21, 1909, Zweiter Theil, Image 13

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    Ver postlagernde Brief.
Novellette von B. R i t t w e a e r.
»Ist ein poftlaaernder Brief siir
mich da? Für Fräulein Ruih von
Shdow?« Die junge Dame erröthete,
während sie die Frage stellte. Natür
lich — wenn ein junaes und hübsches
Mädchen nach posilaaerncen Brieer
fragte, so nahm man ohne weiteres
an, es handle sich um eine ,,heimliche
Liebe«. Der Beamte, den sie heute
zieren ersten Male am Schalter sah und
r sonsderharerweisecsivil trug, würde
das selbverständlich auch denken.
Schon dreimal hatte sie anaeiragt, oh
etwas fiir sie da sei, und dreimal war
es vergeblich gewesen. Ach, wenn die
Dame, von der sie Antwort auf ihre
Meldung erwartete, wüßte, wie lana
ihr die Zeit wurde und wie schrecklich
ihr diese Wege waren!
Jsm Anzeiger hatte Rath vor eini
gen Tagen ein Gesuch aelesen. Es
wurde ein iunaeizi Mäde ans auter
amilie als Bealeiterin einer krönt
lichen Dame nach dem Siiden »ar
wünscht. Es waren nur einiaeSprach
lenntnifse erforderlich, und bei gesen
Ieitigem Gefallen sollte die Stellung,
ür die ein verhältnismäßig hoiee
Gehaltokiebotrn wurde. eine dauernde
sein« uth hatte sich hinter dem
Riicken ihrer Mutter sofort gemeldet.
Einer solchen Stelluna kennte sie aes
niiaen. Sie heb-errichte die englische
und französiiche Sprache ziemlich
gründlich und hatte auch mit ihrem
verstorbenen Vater etwas Jtalienisch
etriehen, als er nlante, mit Frau und
chter nach Italien zu reisen. Es
kam nicht dazu: ein Hirnschlag machte
dem Leben des Obersten ein fahre
Ende und er ließ seine Familie —
außer Rath war noch ein Sohn da
in recht mißlicher Laae zuriiet tsdaar
war Offiiier und brauchte einen Zu
schuß. Das Kommißvermöaen, aus
welches die Eltern aeheirathei hatten,
war sehr zusammengeschmolzem und
Rath fühlte immer bestimmter die
Verpflichtung selbst fiit sich zu for
aen. Ihre Mutter war noch riiftia
und brauchte sie nicht unbedingt.
Trotzdem war sie sehr dagegen, daß
Ruth irgend einen Erwerbszweig er
greifen sollte. Sie hoffte auf eine aute
Heirath fiir die hübsche Tochter, der
von vielen Seiten aehuldiat wurde.
Es war ihrer Ansicht nach siir eine
von Shdoiv durchaus unpassend, eine
Stellung anzunehmen
Aber Ruth hatte nach ein paar Jan
ren das »glänzende Elend« gründlich
satt. Ach, wenn sie doch die Stelle be
äinel Dann wäre sie auch den gräß
lich-en Mar Helmhrecht los mit seinen
zwei lästigen Tauten. Ter reiche
Ritterguthesitzer war ein notorischer
Schwachtops. Trotzdem wünschte die
Frau Oberst, daß Ruth ihn heirathen
olle. Der ewigen Kämpfe auch nach
dieser Richtung hin war das junge
Mädchen so entsetzlich milde.
Langsam und benriiat ging Ruth
aus kltniregen ihrer Wohnuna zu. Sie
sehnte sich nach einem Menschen, tei
dem sie sich hätte aussprechen können.
Trotz aller aesellschastlichen Beziehun
gen, die die Frau Oberst so eifrig
pflegte, stand Ruth doch recht allein.
Es widerstrebte eben ihrem ehrlichen
Charakter zu sehr. ihre wirkliche Laae
su verbergen. Sie schämte sich, das-,
sie, sung und nesund, wie sie war. ihre
Tage mit Tennielpieh Tanz und ähn—
kichen Amiisements auszufüllen ge
zwangen war, daß sie sich auf den Hei
rathsniarkt sühren lassen mußte, an
statt sür ihren Unterhalt zu arbeiten.
Als sie so in trübe Gedanken versun
ken durch die Anlagen ging, treuzte
ein Herr ihren Weg. Er stutzte bei
ihrem Anblick und zog dann grüßend
den Hut. Sie dankte mechanisch und
besann sich, wo iie das Gesicht schon
aelehen haben mochte. Und snit eineni
Mal hatte sie’s: es war der Post
beainte, der ihr vor einer halben
Stunde den Bescheid gegeben hatte.
Wie sonderbar, daß er sie griisztel Sie
hatte ihm doch nicht als Dame gegen
übergestanden, sie tannie ihn doch gar
nicht· Es war eine stritt-it von ihm.
Natürlich einem Mädchen gegenüber,
das postlagernde Briese akholen will,
erlaubt man sich solche Freiheitenl
Jähe Nothe schoß ihr in’g Antlitz bei
dein Gedanken, den sie dann gleich
wieder verwarj. Ter Gruß war so
resrettvoll gewesen« der Ausdruck des
hübschen männlichen Gesichte so ehr
erhietig. Eine Beleidigung konnte der
Herr nicht beabsichtigt haben.
Immerhin der Weg zum Schalter
würde ihr moraen noch schwerer wer
den, nun sie einmal die Aufmerksam
leit dieses Postmenschen erregt hatte.
Warum er nur in Civjl gewesen war?
Im Dienst tragen doch die Be.1mten
stets Uniiorm Tita, das tonnte ihr
schließlich einerlei sein. Vielleicht
hoffentlich! war morgen ein anderer
am Schalter.
Als Nuth nach Hause lam, traf sie
Besuch an: die beiden Tanten des
jungen Helmhrecht. Das hatte ihr
gerade noch gesehltt Sie erainaen sich.
naclxdem sie ,,ihre liebe süße Ruth«
zärtlich begrüßt hatten, in Lobvreiiun
gen des Neffen, versicherten, daß er
»eine Seele von einem Menschen« sei
und daß die Frau, die ihn bekäme,
gewiß außerordentlich glücklich werden
wiirde. Die zwei alten Damen waren
ehen vom Gut des Neffen zurückge
kehrt und erwarteten ihn in den näch
sten Tagen in der Stadt Da würden
doch die Oherstin und »die liebe süße
ltuth« ihnen das Vergnügen machen,
scai Thee bei ihnen zu trinken. Max J
miirde sich natürlich vorher einen Be
such erlauben. Die Oberstin sagtel
lhocherfreut zu und machte nach dem
Weggang der Damen Muth bittere
Vorwurfe iiber ihren Mangel an Ent
gegenlommen.
) Muth ließ den Redestrom schwei
gend über sich ergehen und sagte nur
zuletzt noch einmal in sehr bestimm
tem Tone: »Da ich Max Helmbrecht
ganz entschieden nicht heirathen
werde, halte ich es für richtig, ihm,
oder vielmehr seinen Tauten, dies
möglichst deutlich zu zeigen Das er
fordert meiner Ansicht nach der An
stand.«
Am folgenden Tage um dieselbe
Stunde, wie seither, stand Ruth von
Sndow wieder am Postschalter. und
sie bekam einen sehr rothen Kopf, als
der hübsche Beamte in Civil richtig
wieder Dienst hatte. Und kein Mensch
aufzer ihr wartete auf Abferligung
es war wirklich zu peinlich!
Der Beamte wartete ihre Frage gar
nicht ab, sondern reichte ihr, leicht
grüßend, sogleich einen Brief: »Heute
ist etwas siir Sie da, gnädiges Fräu
lein«. Ruth stammelte Verwirrt:
»Da-Ue sehr«. und ärgerte sich dann
über sich selbst. Man bedankt sich doch
nicht am Poftschalterl Aber freilich
—-ein Poftbeaniter grüßt fa auch fonst
nicht. Und nun waren ja vorläufig
die Wege zum Schalter zu Ende! Sie
wandte sich zum Gehen, da hörte sie
die Worte: »Einen Augenblick noch,
gnädiges Fräulein . . . Entschuldigen
Sie, bitte, daß ich mir erlaube, Sie
hier aufzuhalten. Aber alte Bekannt
fchaft giebt mir vielleicht das Recht
dazu.«
»Wie Bekanntschaft -—-- ich erinnere
mich durchaus nicht -- «
»Das glaube ich gern. gnädiges
Fräulein. Sie waren ja noch ein
Kind damals, als ich in Posen unter
Jhrem Herrn Vater stand. Von Hart
mann. Sie erinnern sich meiner na:
tiirlich nicht, aber ich sehe Sie noch
vor mir, mit den langen Zöpfen und
der Schultasche am Arm. Die Nach
richt vom Tode Jhreg Herrn Vaters
hat mich tief ergriffen. Wenn ich mir
gestern, als ich Jhnen begegnete, einen
Gruß gestattete, den Sie gewiß als
untorrett empfunden haben, so halten
Sie es, bitte. der dankbaren Erinne
rung an meinen gütigen Vorgesetzten
zugute.«
»O- wie gern, Herr von Hartmannl
Jch fürchtete schon ich dachte ja,
warum soll ichs nicht gestehen? Jch
dachte im ersten Augenblick« Sie wä
ren der Meinung, einem Mädchen ge
genüber, das postlagernde Korrespon
denzen fiihrt - es macht doch leicht
den Eindruck, als ob man etwas zu
verbergen hätte, nicht wahr? Und ich
bestellte mir den Brief doch nur post
lagernd, weil ich meiner Mutter eine
Aufregung ersparen wollte. Es han
delt sich um eine Stellung, die ich an
nehmen möchte und -— «
»O. gnädigeg Fräulein, da schlägt’s
eben sieben Uhr. Mein Dienst ist fitr
heute zu Ende. Würden Sie mir
wohl gestatten. Sie ein paar Schritte
zu begleiten? Ich möchte doch auch
noch hören, wie eo Jhrer Frau Mutter
geht. Und Ihrem Herrn Bruder.«
»Gewiß, gern, Herr von Hartmann.
Sie haben meinen Vater getannt
ich freue mich darauf, noch etwas mit
Jhnen zu plaudern.«
Nach kurzer Weile schritt Ruth ne
ben dein ftattlichen Mann, der den
rechten Fuß etwas nachschleifte, durch
die Straßen. Er berichtete ihr, dasr
er infolge eines tomplizirten sinijchelv
bruchs den bunten Rock habe auszie
hen müssen, und daß er augenblicklich
den Postdienst erlerne.
»Ich bin bald fertig mit meiner
Ausbildung und darf fofort aus Art-H
stellung hoffen, gnädigeg Fräulein.
Erft habe ich furchtbar gelitten unterH
den veränderten Verhältnissen, aberj
ich habe bald eingesehen, daß auch die-·
ser Beruf befriedigt und seine Wer-i
esfanten Seiten hat. Jch bin jetzt so- ;
gar sehr einverstanden mit dem Wech
sel. Ein foizier ohne Vermögen hat
es nicht leicht.
»Gewiß," erwiderte Ruth rasch -«
»eg giebt wirtlich nichts «lleinli.heres,
als über seine Verhältnisse lelien mits
sen. Deshalb hatte ich mir auch so
glühend gewünscht, die Stelle zu er-—
halten. Aber es ist nichts damit, wie
mir der Brief eben mittheilt. Jch
habe ihn rasch gelesen, während ich
aus Sie wartete. Die Dame stößt sich
an meinem Adel. Jch sei wohl zu vor-:
nehm siir den Posten. Es ist wirklich
schrecklich! Gut, daß Mutter nicht-s
ahnt!'« Ruth hatte rasch und ohne
Scheu gesprochen, und jetzt erst tam es
ihr zum Bewußtsein, daß sie einem
ihr völlig fremden Herrn von ihren
versönlichsten Verhältnissen erzählt
hatte. Aber es hatte ihr so unendlich
wohl gethan, und Herr von Hart
mann war ja zuerst so offen gewesen.
Und sie waren schließlich zwei aus
der Bahn liteworsenh zwei Outsiders2
Als er sie ietzt fragte, ob er sich wohl
erlauben diirse, der Frau Oberst seine
Aufwartung zu machen, da erwiderte
sie rasch und ohne Bedenken:
»Natürlich. Herr von Hartmannl
Mutter wird sich sehr steuert, und Ed
gar lonimt in diesen Tagen aus Ur
laub; da lönnen wir uns mal zusam-«
men von vergangenen Zeiten unter,
halten« —
Es sand sich schon nach kurzer Zeit
eine passende Stelle silr Ruth von
Sydow, und zwar ohne daß sie noch
einmal deshalb am Schalter für post
lageri1deSenditngen zu stehen brauchte.
Wolf von Heirtinann wurde zum
Vorstand eines Postatnts am Rhein
ernannt; er ietam eine nette Dienst
wohnuna, und siir die brauchte er
nothwendia eine Hausfrau Nuth
nahm diese Stelle freudigen Herzens
an . . .
——...—C-.-——
Von Zigurd CA. Hedeints
j e r n a).
Fabrikant Vsiirt war ein braver,
ordentlicher und biederer Mann, und
das war er sein ganzes Leben lang
gewesen Nur wenige Menschen hats
ten so wenig Jugendthorheiten zu be
reiten, nur wenige so rerechtiate Ursa
che, im Allgemeinen mit sich selbst zu
srieden zu sein, wie er.
Er war auch mit sich zufrieden und
wünschte nur, mit anderen ebenso zu
srieden sein zu können, mit seinen
Lsiiichststekenden, seiner Frau und sei
nen Kindern, mit seinen Geschäfts
: freunden und Untergebenen
Leider lonnte er das nicht. Zuweii
len fragte er sich verwundert, ob nicht
seine nächste Umgebung aanz beson
ders tadelnswerth sei.
Frau Bjiirl war ja in ihrer Art ein
guter Mensch, und es gab wohl viele
Kinder, die schlimmer waren als die
seinen, das gestand er zu. Aber sie
hatte nicht das rechte Verständuiß, unt
das Hauswesen tadellos zu führen; sie
vergaß und berabfiiumte einen Theil
des tliiglich Geringen, siir das sie die
Verantwortung trug, und nie konnte
man sich darauf verlassen, dasz sie Lon
seauent und nach Prinzipien handelte;
man mußte viel Nachsicht mit ihr ha
t«en, mit der armen lleinen Frau.
Die Kinder hatten nicht gerade
Ci-.1ralterfehler; aber wenn man be
dachte, wie lanae sie schon in die
Schule gingen. wie viel ilxre Extra
stunden tosteten und zu welchen un
glaublichen Dummheilen sie fähig wa
ren, obgleich ein vermögender luger
und sorgsamer Vater, der selbst aus
schließlich durch eigene Kraft sich aus
Armuth und Elend heraufgearbeitet
hatte, alles fiir sie that --— so durfte
man sich nicht darüber wundern, daß
er zuweilen unzufrieden war.
Diese Unzufriedenheit hatte jedoch
io ost und schwer auf ihnen allen ge
lastei, daß sie alle Vertraulichleit in
die Flucht gejagt h.1tte, und die Ver
traulichleit hatte viel Liebe und Beha
gen mit sich genommen. Das sichere,
wohlversorate Heim war meist düster
und hallte selten von Frohsinn oder
aar Urberinuth wieder.
Am wenigsten aber jetzt, da der Fa
britant an einer Lunaenentziindung
ernstlich trank darnieder1aa, so daß
der Arzt täglich mehrmals kam und
alte Ha:isbewol«,ner auf den Zehen um
ierschlichen.
) Herr Biörk verlangte nicht viel, er
l lag mit geschlossenen Augen und ging
T im Stillen mit sich selbst und anderen
ins Gericht, siir den Fall, daß es nun
eine unglückliche Wendung mit ihm
» nehmen miirde. Und er fand fast al
»le«o, wag ihn selbst betras, sehr gut.
» Klug und sicher hatte er auch für den
J schlimmsten Fall vorgesorgt. der nun
» vielleicht eintreffen tonnte. Zur rech
ten Zeit hatte er aus seiner Fabrik eine
Gesellschaft gemacht, deren Attien zum
größten Theil ihm selbst gehörten und
tatte drei tüchtigen Geschästsleuten
gerade so viel davon überlassen, das:
sie es lohnend fanden, ihre Kraft siir
die Sache einzusetzen Wenn doch nur
seine Familie, siir die er das alles ge
than hatte, einen Funken von seiner
Tüchtigkeit besäsze, seine Frau dort
nicht eine solche Gans wäre!
Im innersten Herzen aber glaubte
er nicht an eine Gefahr für sein Leben,
obwohl es ein besonderer und ganz
neuer Genus; war, sich besvielsweise
die nsirre Unentschlossenheit der Hin
terbliebeuen vorzustellen, im Hinter
grund seine eigene Vortresslichteit
Mit ixiend etwas mußte man sich
dcch wirklich trösten und ausmuntern.
denn die Schmerzen in der Brust pei
nigten ihn arg.
Seine Frau störte ihn durch ihr
Weinen, und er schalt mit ihr. Auc,
die Kinder waren niedergeschlayen
und ließen die Köpfe hängen; da fraa
te sie der Kranke, ob sie nicht wenig
steng jetzt, too er sie wahrscheinlich
verlassen wiirde, sich bemühen wollten.
ihrem Vater ein wenig Freude zu be
reiten.
Erschöpft und matt sank Bjork da
raus in die Kissen und verfiel in eine
schlasöhnliche Betäubung Vielleicht
schlief er auch wirklich erst eine Weile;
aber als er wieder zu klarem, vollem
Bewußtsein gekommen war, laq er
noch immer mit geschlossenen Awem
still und unbewealich. Was war dac
fijr ein Flüstern im Raume, das er
durch die ossene Tbiir aus dem Neben
zirnnter hörte? Ach so, der Arzt und
seine Fran. Sie dachte natiirlich wie
der nicht daran, daß ihn das merken
würde, trenn er schliefe, und daß es
ihn stören :1«iirde, wenn er wach wäre!
Ach -- not-H wnr dag?
,,—-—-...ja, er kann höchstens noch
ztvanzia Stunden leben . . . .« slilsterte
der Arzt.
»Wie? Jst eg möglich! Der Aertn
ste! Der Aermste!« innrnielte Frau
Biört seufzend.
Ja, sie seufzte wirklich, das that sie,
aber keinen Anastruf, keinen Ver
zweiflttnaöschrei. lein Schlnchzen hörte
er. Was silr eine armselige, ober
slächliche, äußerliche Natur! Sterben,
sterben! Oh, das war ja nicht mög
lich.... Wie mit glühenden Zangen
paclte es ihn an Brust und Kehle, er
wollte rufen, tonnte aber nicht; er ver
suchte, sich inr Bett höher aufzurichten
und —— sank in Ohnmacht
Als er erwachte, lag er lange still
Was... was hatte sich denn nun ei
»
gentlich ereignet2 Es war wohl et:
? was ganz Entsetzliches, über alle Be
schreibung Grauenhafteö! Oh er
sollte ja sterben... Vielleicht war
schon eine halbe Stunde von den
zwanzig vergangen? llnd was bedeu
tete das übrigensl Zwanzig Stunden
waren das Maximum, das Höchste . ..
Er konnte jeden Augenblick sterben . ..
Er empfand ein thörichteg, wahnsinni
ges Verlangen, sich an das Herz seiner
Frau zu driielen und zu weinen
cr, der würdige, stolze Mann! -- den
Kindern viele liebevolle, ungetheilt
herzliche Worte zu iagen - den trä
aen« nachlässigen, tadelnswerthen Kin
dernl
Aber er war so unbeschreiblieh matt,
und er --- schämte sich, schämte sich
selbst angesichts des Todes, seine
Nächsten hinter die Kulissen seiner iins
ponirenden Ueberleaenheit blicken zu
lassen. Er fragte seine Frau nur:
»Lina, ist . .. ist Bramhera sehr be
unriibigt über meinen 3ustand?«
»Aber nein, Lieber, er hofft von
Deiner großen Widerstandslraft das
Allerbeste."
Daß sie ihm mit so offenein, ruhi
aem Blick gerade ins Gesicht liiaen
lonntel Wollten diese Cleriden ihn
ins Grab hineinlisten, ohne ihm die
Zeit zu geben, sein Haus zu bestellen?
Aber nein, o nein, er wollte nicht
mehr zürnen hier auf Erden, er hatte
leine Zeit mehr dazu . . .. nur noch
wenige Stunden... Wenn das nun
ans Liebe wäret Wenn sie ihm die
schaurige Botschaft nicht brincien lonns
te? Wenn sie nur durch grenzenlose
Eelostbeherrschuna ihrem Ton diese
Ruhe, ihrem Blick diese Klarheit gäbe?
liine Uhr schlug. bang zählte er die
Zchlägr. Zwei Stunden waren der:
ganaen von den »höchsteng ,zwan1,ig'«.
Alle Qualen waren geschwunden
lir hatte aelfört, das-, das vor demToke
häufig so zu fein pflegt. Mertwiirdta
trat es aber, daß seine Kräfte unoer
ändert blieben, ja, sich vielleicht ein
aanz tlein wenig steigerter« War das
das letzte Ausflackern der erlöschenden
Flamme? War es die Todesangst, die
die Schmerzen betäubte und alle Ner
ven noch ein letztes Mal anspannte?·
Denn Björt suchte sich nicht mehr
zu verbergen, daß er die bittersteAngsi
vor dem herannahenden Tode em
pfand..·. Er kämpfte noch dagegen
an, es seiner Umgebung zu zeigen.
Er sprach es nicht mit llaren, deutli
chen Worten aus. Aber eine plötzliche,
vollkommene innere Zertnirschnnq
brach unwiderstehlich durch.
Er ergriff die Hand seiner Frau,
Zoa sie sanft an sich und fliisterte ihr
liebevolle Worte ins Ohr. Sie faßte
es als Dankbarkeit fiir ihre sorgsarne
Pflege auf und liebtoste ibn mild nnd
schüchtern. Als er ihr aber zuflüsterte
daß er »für den Fall feiner Abberu
suna sein aanzeo Vertrauen in Linag
klaren Verstand setze und in ihre ruhiq
und treulich ordnende Hand«, da fuhr
sie erschrocken ans, schlich auf den
Zehen zlst Thiir und fliisterte bestürzt:
»Hättet Euch nm Gottegsvillen still
bier nebenan! Vater ist entsetzlich
schwach, er beginnt zu phantasiren.«
Nachniittaas niollte er die Kinder
sehen, sprach zärtlich und liebevoll mit
ihnen nnd meinte, »Gottsried werde
doch wol-l noch schließlich Naturwissen
schaftler werden« Dieser brach in ge
waltsames Schluchten ans-. tfr hatte
das letztemal eine tsing in diesem Fach
aehabt, aber nie zuvor hatte der Vater
t hierüber ein Wort verloren. lind nun
ioar es, alg wäre plötzlich etwas ne
J schmolzen im Herren des Vaters nnd
l des Sohnes. tkr sprach so zärtlich, alg
’ bereue er es, das nicht friiher auch ae
than zu haben. Sie weinten unauf
haltsam, als hätten sie verlsoraene
aarstige Gedanken abenbitten
Da sagte plötzlich die kleine Gier
trn.d, ohne die llnzuliissialeit eines
solchen Gespräch-J in einem Kranken
einirner zu bedenken, durch des Vater
ungewohnte Giite und Milde Veran
laßt, sich wichtia zn thun:
«Drnl’ doch, Vater, auf der Straße
erzählten sie eben, dafi Rathsinann
Btecker in diesem Auaenblick aestorben
sein soll, nnd leiste Moraen hat Ontel
Branibera zur Mutter aesaat, das-, er
höchstens noch Zwaran Stunden leben
könnte. Wie tanik ein Doktor das ei
nem Menschen anielsery Vater?«
Gertrnd hat es nie im Leben be
arisfen, warum ibr Vater, der sich
doch seit vier Taaen tausn beweaen
tonnte, da plötzlich im Bett aufkre
sprunaen war und sie so itiircnitch nnd
lange aeliifit hatte. während schwere
heiße Thränen iiber seine Wangen
glitten.
Gerettett Dem Leben wiederaeae
ben! Matt, völlii erfelriipft fchlofk er
die Augen« faltete die Hände unter der
Decke, das Herr von Freude erfiillt,
nnd fchfief nach einer Weile ein wie
ein Kind. fchlief fest nnd rnhia, wie
nach der Erlöfnna von qerfckinietterns
den, anaftvollen Gedanken
Als er erwachte nsar er wieder zu
frieden. Aber er tonnte es nicht sin
terlassen, dariiber wehender-ten daß
er sich ja eiaentlirb aar nicht in Gefahr
befunden hatte, wenn jene unheimli
ctien Worte einens aani anderen Men
fcben gegolten hatten Wie unvor
sichtig jedenfalls von Lina in feiner
Nähe folche dummen lstefmäelie mit
dem Arzt zu fiihrenL Sie hatten einen
Mann mit geringerer Seelen-straft
als er tödten können. wahrlich das
hätten sie können!
Er tltngelte, feine Frau kam selbst.
»Wenn ich zur Nacht umgebettet
Iwerden soll, io ist es wahrlich an der ·
Zeit. Oder soll ich hier vielleicht eine
ganze Woche lang so liegen?«
Lautlos schlich Frau Lan hinaus
und rief das Mädchen: »Dir-neu Sie
das Bett vom Herrn, aber nur recht
behutsam, ohne ihn zu stören. Heute
Nachmiiiaq war ich wirklich be orgt
um ihn; doch nun hoffe ich das Beste
und bin so froh, Denn nun ist er wie
der ganz der alte-«
Die Romamtt des Lebens.
Wie der ,,Frlf. Ztg.« aus Charlot
tenburg berichtet wird, ereignete sich
dort kürzlich auf der Berliner Straße
ein Vorfall, der durch seine seltsamen
Umstände einem Kapitel eines Ro
mans entnommen zu sein scheint, aber
thatsächlich nur ein Beweis dafür ist,
daß das Leben und seine Zufälligteis
ten die schönsten Romane schafft. Ein
junger Gardeoffizier, seit turzer Zeit
verlobt und der glücklichste Bräuti
gam, ging an einem schönen Nachmit
tage die erwähnte Straße entlang,
um seine Braut zu einein Spazier
gange in den Thiergarten abzuholen
Plötzlich sah er in ziemlich weiter
Entfernung eine Equivage daherrasen,
deren Kutscher die Herrschaft über
sein Pferd vollständig verloren hatte.
Der Offizier dachte sofort daran, sein
Möglichstes zu thun, um das Pferd
aufzuhalten. Allerdings hatte er in
Erinnerung an sein junges Liebes
gliick, wie er selbst erzählte, einen Aus
genblict geschwantt, da der Ausgang
dieser Rettungsthat nicht gewiß war.
Aber sehr schnell waren die augen
blicklichen Bedenten verschwunden, er
stürzte sich dein Pferde, das zügellos
dahinstürrnte, entaeaen, und es gelang
ihm auch, das Thier zu bändiaen
und rurn Ftehen tu l·rinaen. Plötz
lich schien ihm der Kutscher auf dem
» Bock bekannt zu sein, aber er hatte in
der ungeheuren Aufregung doch nicht
Reit, tlar nachzudenken, da öffnete sich
die Thiir des Weinens und zitternd
und bleich vor Todesschreelen stieg
eine junae Dame heraus, um ihrem
Lebensretter iu danken. Kaum batte
sie ibn erblickt, als die beiden mit ei
nesn Jubelschrei einander in die Arme
stiirzten denn die Dame, der der
iunae Osfietser das Lebet- aerettet
hatte. war seine — eigene Braut.
-- .- - -—-—«.
Dieser Ring dem Wüedtgseem
fEin Vermächtniß JsflandsJ
August Wilhelm Jsslond wurde der
Besitzer eines eisernen, reich mit Dia
inanten geschmiictten Ringes-, den er
in seinem Testament sur den »Mut
digsten« unter den Schauspielern be
stimmte. Die Nummer des ,,Roland
von Berli·n'· vom sil. März erzählt,
daß dieser Rina dann an Ludwia De
priet tam, der das Kleinod in seinem
Testament Emil Devriet vermochte.
1872 aina er darauf an Theodor Dis
rina iiber, der ihn testamentarisch
Friedrich Haase iiberaab, weil er ihm
besonders wiirdia dieses Ehrenzeichens
zu sein schien, dessen Träaer stetg ei
ner der Besten in der deutschen Schau
svieltunst sein sollte. Und Friedrich
baase hatte in seinem Testament den
Ring iiir Adalbert Mattothtn bes
stimmt, denn er hatte wohl nicht ac
dacht, dass, er den so viel iiinaeren
Kollegen überlisten toiirde· Vor einem
Jahre wollte Haase Titattomgtn von
diesem tiinstiaen Erbe in Kenntniß
setzen und tiindiate ihm seinen Besuch
an. Aber Mattoiogtn, der dem Ael
teren den Gang ersparen wollte, erbot
sich in Haase zu kommen. Krankheit
verhinderte es. Der Tod tam da
etvischen nnd so ersuhr Mattowth
nicht einmal etwas davon, welche Eh
rnna ihm zugedacht war. Friedrich
baase steht also von neuem vor der
Frau-H deren Venntwortuna sur Zeit
wirtiich recht schwer sälttt Wer ist
der Wiirdiaste, dem er diesen nun
schon durch den siinsien Triiaer eines
arofzen Fchausnielerssmnens aemeihten
iRina hinterlassen soll?
Eer Fuchs ate- ungeborener
Tischtrun
Jn dem ersten Hotel des in der eng
lischen Grafschaft Surreh gelegenen
»Orte5 Redhilt waren die Mitglieder
»eines Jagdtlubg zu einem größeren
Diner vereinigt. Schon näherte sich
das Mahl seinem Ende, als plötzlich!
ein alter Fuchss, der sich vor den ver
folgenden Jägern in den Garten des
Gasthanfes gefliichtet hatte, durch ein
offenstehendes Fenster in einein ge-.
ioaltigen Satze auf die Tafel sprang.
Hier richtete das unvermuthete Er
scheinen Meister Reinetes eine heillofe
Verwirrung an. Settliihler, Cham
Ipagnerflaschen, Weingläser, Blumen
svasen und Tafelgefchirr flogen tra
’chend zu Boden Ein Kellner, der ge
rade eine Platte mit Speisen herein
brachte, wurde zn Boden gerissen. Die
iTischgäste waren im ersten Augenblick
svor Bestiirznng sprachlos. Bald aber
schwangen sie ihre Stiihle nnd hetiten
Reinete mit lautem »Horrido« in eine
Ecke des Saales. Hier wurde er nach
heftiger Gegenwehr iiiiberioiiltigt und
in einen Satt gesteckt, nicht ohne vor
her die Mehrzahl seiner Bedränger
durch heftige Viszwunden zum Theil
recht erheblich zu verletzen. Sein
Schwanz wird als Trophäe einer
wohl einzig daftehenden Jagd in den
Klubräurnen unter Glas und Rahmen
verwahrt werden.
Von der alten Minervens
X. -
Soldat: »Hauptma’, hör« en mal,
du hofth en Sporn verlore!«
Hauptmann: »Macht nir. i ta’ ja
so net reit"n!«
Bart und Gewissen.
Vor einem Londoner Richter wurde
ein Vagabund mit einem mächtigen
schwarzen Barte geführt. Nachdem
der Richter einen Blick in die Akten
gethan, wandte er sich an den Ange
tlagten mit ben Worten: »Noch den
Akten zu schließen, muß Ihr Gewis
sen ebenso schwarz sein wie Jhr
Bart!«
»Nun,« entgegnete der Vagabund,
»wenn man das Gewissen nach dem
Bart mißt, so hat Euer Ehren über
haupt tein Gewissenl«
In der neuen Wirst-schritt
Junge Frau: »Sag’ mir mal aus
richtig, Männchen, schmeckte dir das
Essen im Gasthaus besser, als bei
Inir?«
Mann: »Steine Idee, liebes Kind,
dein Essen ist mehr als ausgezeichnet,
nur weith bu, ein Gutes hatte man
im Gastlmufe doch, man konnte auf
ber Speitetarte immer sehen, was
man überhaupt aß."
Triunwll.
Die Tochter eines Gutsbesitzers er
wartet ihren Verehrer, der Sonntags
reiier ist. Lange, lanae richtet sich ihr
Blick veraeblich in die Ferne. Endlich
ruft sie triuinnhirendt »Jetzt kommt
er endlich, das Pferd sehe ich schon.
Der kleine Verräther
Hängehem »Du, Mama, hat Papa
nicht eine aanz falsche Vorstellung
vom Himmel?«
Mutter: »Ich weiß nicht, mein
Kind, ich habe ihn noch nicht darüber
sprechen hören.«
HängehenJ »Aber ich. Er erzählte
dem Kaufmann, es sei ganz himm
lisch gewesen, als du verreift warft.«
Der Unterschied
»Nein, Einma, wie kannst Du nur
den einfachen, schäbia gelleideien
Ednard meinem schönen, eleganien
Bruder voriiehen?«
Sehr einfach: »Dein Bruder ist in
sieh und Ednard in mich verliebi.«
Any der Schule-.
Lehrer: ,,Miiller. woraus sind
Deine Siieiel's«
Schüler: »Aan Leder«
Lehrer: »Und woher lonnnt das
i Leder«.-»«
! Schiller: »Aus dein Fell des Och
J sen.«
Lehrer: »Wer liefert Dir also
Echuhmerl nnd Nahrltna?«
Echijlerz »Mein Vater!«
Untier-traten
Hausfrau (den Koffer ihres-» Dienst
mädchen5. revidirend): »Da ist .ja
auch die schöne Bratenschüsseh welche
Sie angeblich damals zerbrochen hat
ten!«
Dienstmädchen (schmollend): »J,
sehen Sie, und dafiir hat«-en Sie mich
so furchtbar augaeschirnpft!«
Darum.
Ball-mitten »Sagen Sic, Herr
Doktor, warum heirathen Sie nicht?«
,,Sehr einfach, meine Gnädige, ich
passe nicht mehr in den heutigen Rah
men deg thestarrdeg, für die jünge
ren Damen bin ich zu alt und file die
älteren zu jung!«
Mißvcrftnndcm
Runde-: »Wenn Sie mir den Anzug
kiLi Freiter fertia stellen, werde ich
Irrt ewiger Schuldner tsleiben.«
Schneiden »Wissen Eie, dar-an tieat
mir nichts; dac- Geaentheil wäre mir
viel an-aenehmer!«
Brichtsiiridlkrs Leiden
Kunde: »Was will Denn die junge
Frau mit der Suppenschüssel bei Ih
nen im Laden?«
KotqncigJ »Ach, die hat dieer Mor
gen km Rochbuch getauft und jetzt
;kommt sie jeden Augenblick sich be
k «
L schwerem