Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 07, 1909, Zweiter Theil, Image 14

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    Bis aus Ende der Welt.
stumm von Mosis-man Bocttcher.
« -— a
’ (6. Fortsetzung)
.!,lch«,« unterhraeh ihn Julia mit
endet Stimme »das ist es nicht, an
III ich denke, darauf kommt es doch
It Sicht anl« Eine Weile saß sie
sicher schweigend dann bog sie der
Mich vorn geluntenen Kopf eursick
nnd sagte in ihrem alten bestimmten
Ton: «Nein. Tisch gehe mit keiner
Lüge in die Ehe. Ich Rinas- nicht
»Aber mich. Jch würde niemals die
sagst lot-, daß es sich rächen müßte
.--—, le oder lo.« Wieder erschien der
entlaste-Jene fast herbe Zug um ihren
Mund, als sie schloß: »Wenn Sie sich
die Mühe gegeben hätten, mich ein we
tiisstennen zu lernen. hätten Sie das
wissen müssen, Winfried. hätten Sie
stir diese Stunde ersparen können«
Borgstedt drang noch einmal mit be
wegten Worten in sie, wiederholte feine
leidenschaftlichen LieRserllärnnaen
Hat und beschwor-; aber Julin blieb
. M- wurde ungeduldig, und zuletzt
gingen sie in offenem Groll auseinan
----.-----.---.—-.-.-·-——»—
Mit den Abend hatte man sich mit
Alma v. Schlichen zum Mufiziren
MehredeL und so fand man sich
denn gen-en neun Uhr. als es dean
stärker zu dunkeln begann, nnd
e Konturen der Baumkronen schon
schwärzlich gegen den stahlhlauen
« mel standen, im tunlich-behagli
sen Musikinlon des Hotels zusam
nette
Nur der Oberst und Waldernar
fehlten- Der erstere hatte am Mor
gen hinter dem Rücken seiner Familie,
m unbe·;wingbarer Leidenschnit ge
. trieben, einen neuen Jagdausflug un
ternommen und sich dabei offenbar
Munstrengt Bei Tisch war ibrn
noch verhältnsißmäßia wobl aeweienk
Nachmittags aber hatten ihn starke
herzbellemmungen und Bitt-einbe
siiIclverden befallen, und bei dein tur
jen Spaziergang, den er vor dem
Rachtmnbl zu unternehmen pflegte.
seinem sogenannten »Appetiterre·ner«
tat ihn-. das Gehen so sauer gewor
den, daß er nach wenigen hundert
Schritten hatte heimkehren und sich
Insi Sofu ausstrecken müssen. Der
Professor hatte ihn untersucht, ins
gebracht und neben absoluter
stehe Diziitatiseinsvriszung und Eie
ssiaiche verordnet. Gefahr wäre teine,
meinte er; wenn's aut ginge. würde
fchon nrornen trüb alles wieder hübsch
is Ordnunq seit-«
Beides-nat aber — so oberfläcblicke
er war, so impulsiv war er auch —
Ontie sch- nicht bewegen lassen, von
seines Vaters Schmerzenästatt zu
weichen —- trotz der beiden biibschen
Schottinnern denen er begeistert die
, Heut schnitt, wobei ihm die eine ge
nau so gut gefiel wie die andere.
Und während die beiden Kraustöpse
inmitten eines halben Dutzend son
« Damen und betten im -
alon ihres treuen Verehrers harr
ten, hielt dieser seines Vaters Puls
mbliissia zwischen den Fingern,
tte dem alten Herrn Zuversicht
— its-und driirttr. als ihrn von ungefähr
eine Thräne ins Augen steigen wollte,
M beißen Kuß auf die sehnige,
Hatt geeiinderte Soldatenband.
Nie hatte er's so deutlich gemerkt,
sie Lieb ihm der Vater war. nie hatte
er es sc schrecklsait schwer empfunden,
Mktei er gegen ihn versäumt und
W, ais ietzt, da der Tod drau
ssäxan der Schwelle-gewaltsam Ein
, begehrte
S. K a v i i e l. i
Frau v. Rotienbuka, die sich trotz
all des Schwerem Das sie im Leben
durchgemacht-. immer die naive Hoff
. nungsfeliaYeii eines Kindes bewahrt
«« hatte und darum in isten Sorgen
W wie ein Kind zu beschwichtigen
M, saß jin Musiksalon am Klavier
« und Ließ die weißen, feinen Finaer
stillt-direkte über die Tasten gleiten.
silsu v. Schlichen. ganz in Weiß
«dei, stand neben ihr, die Geige
, am Kinn, den Bogen auf der
- Ke, und b!ickte, während sie die
We des Vorspiel-D- Leife mitzähite,
ist« Borgitedh der sich. ganz abseits
. m.Iulia, zwischen die beiden Schot
tåum siefe hatte. Und aus-seinen
. «an zucke ein Blit zu der »klei
»-» km Zigeunerin« biniibek, auswan
? Gerad waldigen-T verliebt.
W ward roth bis uniee das
« W Gebt-, gerieth so in Verwir
emez daß sie ims- ein Haar das recht
igie Einsehen versäumt hätte, traf
Wissen halben Tyn zu tief, faßte
U rasch und spielte. Sie spielte
Mantis DER-Tonart Spieltei
- ; " ins-eite, jauchztk schluchzte unt
M ei. Und alles an ebr sibriete
,, bebe-e. Nicht nur die edle Cre
WaGeigef dg: Meistkäämaii di·
M Jana ae eineef «, eeen, ei
« sp lich-n Weit eingehaucht «zi
·. iet, nicht nur die klein«
" W Anders-nd deren Finger wi
« - über die Saiten sie-fees unt
junge Mir
Hex elfen
beiteseie mein
- M »
Mesleris. der
— Les-, .M
W
v
Augen blickten iraurnbaft lächelnd
aufwärts in selige Weiten.
Die Hörer im Kreise unter dein
großen, blitzenden Kristalllenchter sa
ßen da wie gebannt. Die beiden Schot
tinnen hielten die Hände im Schooß
gefaltet und sei-den aus wie lebende
Engel. und ihr Vater, ein verdorrter
Riese, der nur aus Haut nnd Knochen
zusammengeleimt schien. faß, die Ell
bogen aui die Kniee stützend-, die lan
gen Spinnensinger in den grauen
Backenbart gekrolli, und eine Thriine
nach der anderen tkovite aus feinen
aefchlossenen Augen iiber die basieren
lederartigen Wangen
Professor Altdorf saß allein in der
entlegenften Ecke, hilb von dein dont
len. alterthümlichen Harmoniurn vers
deckt.
Er hatte den versteckten Platz ge
wählt. um aut beobachten zu können
Daß der ,,Afriic:ner«. nachdem er bei
der Mittagstaiel in Galonierien ac
aen Julia zerflossen war, sich beim
Abendessen ganz in den Schranken
obligater gesellschaftlicher Höflichkeit
gehalten, Hatte ibn auf den Verdacht
gebracht, daß eine neue geheime Aus
sprache zwischen den beiden stattar
iunden haben mußte. und er wurde
den Gedanken nicht los, daß Bezie
hungen zwischen den beiden bestanden.
Fäden. die sich nicht nur von Borg
fiedt zu Juliu, sondern auch von Ju
lia zu Borastedt spannen, daß der
jähe Wechsel im Benehmen des Lieus
tenants auf das ja so leicht zu erwe
elende Schmollen und Grollen beim
licher Liebe zurückzuführen märr.
Nun wollte er feben, ob nicht irgend
eine Gebärde. ein Mienenspiel sein
·Blick ihm Gewißheit gäbe in seinem
Verdacht.
Aber über Vilma v. Schliebens
Mrifterlpiel vergaß er. date er auf
einem Spähen-often faß. Die schwin
genden Töne wirkten auch um seine
starke Seele vnitige Schleier. lief-en
ihr Flügel und trugen sie fort vom
Wirrsal und Leid dieser Erde: und
auch feine hellen Augen fchkvssts sich
und sahen im Dunlel nnirdiich lichte,
traumhalt fchöne Gefilde.
Die Geige schwieg plötzlich, und die
verhaklenden Schlußatlorde des Kla
viers weilten ihn ganz aus seiner seli
gen Betäubung
Die bunte Reihe unter dem Kron
leuchter saß noch einen Moment wie
erstarrt. Frau v. Boegftedt war die
erste, die unter lauten Beifallsrulen
in die von Ringen innielnden Hände
tlatschte, nnd dann erbrause der all
gemeine Beifall
Vilrna stand lächelnd da· die Geige
lässig in der Linien, und dehnte in
wobligenr Behagen tieiatlnnend den
biegfanIen Körper. Welcher Künstler
ließe sich nicht gern von den Wogen
des Upplaules ern-rauschen?
Borgftedt schickte einen flüchtigen
Blick zu Julia hinüber, die eben ne
ben ihre Mutter qetreten war, um ihr
zu tagen, daß sie rasch einmal nach
dein Vater sehen wurde. Dann gina
er feften Schrittes auf die »kleine
Zigeunerin« los, nahm ihre rechte
Hand, die noch den Bogen bielk iiibrte
sie zu verehrungsvollein Kuß an seine
Lippen und sprach in berboltenenk
Ton, aber doch fo laut· daß Julia es
hören mußte, hingerissen, begeistert
gleichsam: »Ich weiß lein Wort, das
meiner Bewunderung Ausdruck verlei- ;
sen könnte. Aber ich bin glücklich, das-H
es mir vergönnt ist, diese begnodete
Hand küssen zu dürfen."
Vilmia stand glutbiibergossen. Jn
ihren dunklen Augen erschien ein
Glanz, wie er wol-l in die Augen ei
nes Menschen tritt, der nach jahre
langen Ringen, nach tausend- und
abertautendmaligein Verzugen sich
blötzlich —- er weiß seldit nicht wie
I— an das Ziel seiner hoffnung ge
stellt fiebt —- ein Glanz, feucht oon
niedergetärnpften Tbränen, verwirrt
und Feigheit vom ängstlichen Noch
nicht-glauben-wollen, und doch ein
Glanz voll iubelnder Seligkeit.
Der Lieutenont beugte sich noch ein
mal über die kleine bräunliche hand;
dann wandte er sich mit einein selt
samen Lächeln an Juliu, die eben zur
Thiir schritt. »Nun, gnädigei Fräu
lseintk wollen Sie uns schon verlas
m «
Mit einem Lächeln sagte er das, in
dem — so schien ei Altdorf — Iro
nie, Herausforderung Rochelust und
Drohung zum Ausdruck kamen.
Julin fah den Lächelnden groß on,
ein vonr Selunden lang.
Altdorf aber wähnte, noch nie in
seinem Leben einen so angstvoll fle
benden Blick gesehen zu beben. und
ihm war, oli zerspriinge etwas in
feiner Brust seit scheillekn Klang. wie
die Fette einer tönende-i Geige zer
rei .
. « ulia ging dinauj. Vilnia «o.
i Schlichen begann von neuem zu spie
k leu. Schuberts Ave Maria: »Sei ge
t grüßt, du Oedenedeite!« Wie das;
,- Danlgedet einer von aller Erdennotl
s befreiten Seele klang ei.
Der Profesor hatte die Lippen sei
, , -. Sein IIMI was
! III -der
—
»
herantreten und ihm ins Ohr kenntenI
mögen: Wüten Sie sich! CI giebt
Männer. die keine Schertereien enter
ihren Augen dulden!«
Mit müder Bewegung strich er sich
über die Stirn.
Alter Knabe. was hast du dich ernr
das Liebesgrländel drr Ungen zu
iiiinniernt Dein Bart ist chon grau.
und die Mädchen wollen Zagen liche
Männer. Get- heicn an denen Ope
rntionötiich. Was du wissen wolltest,
haft du ja nun erfahren!
Er sah noch einmal zu Borgstedt
hin, der vorniibergedeugt, im den
Rücken wendend, dasaik itterer
Neid stieg in ihm aus. Also den dort
Iiebte Julia, den dort liebte sie so
sehr, daß ihre Augen vor Angst und
Qual erstarrten, weil et einer ande
ren mit schmeichelnder Rede die Hand
getüßtl
Daß Julia viel zu stolz war, urn
je sür sich selbst zu bitten, daß sie nur
um Schonung, um Erbarmen siir die
andere, sür ihre Nebenbuhlerin, ge
siebi holte — das lonnte Altdorf ja
nicht ahnen! —
Da idin der Aufenthalt in Lieben
stein nun gründlich verleidet war,
und er auch zur Fortsetzung der Fuß
tour durch den Thüringer Wald
ncht die geringste Lust mehr ver
spürte. io wäre er am liebsten gleich
am nächsten Morgen wieder nach
Haufe oereiit. wo er in Arbeit und
Berufs-sorgen Vergessen zu finden
hoffte. Aber die Rücksicht auf den
bedentlichen Zustand des Obersten
hielt ihn fest: und dann wußte auch
Juliu, die in der Angst um das be
drodte theure Leben alles andere Zu
vergessen schien. io ielir um ienL
Bleiben zu bitten. Nur zu ihni hatte"
sie das felsenfefte Vertrauen, daß er
dem Vater über diele gefährliche Kri
sis weghelfen könne« Der Badearzt
wäre ja aewiß ein tüchtiaer Mann.
aber Professor Altdorf bliebe eben
Professor Altdorf. Und unter Thra
nen lächelte lie ihn an.
Ja, Professor Altdorf blieb Pto
fessor Altdorf· Er that seine Pflicht
bei dein Obersten, auch noch etwas
mehr als die bloße Pflicht und sagte
nichts weiter. Schließlich dachte er:
es ift wohl ganz gut so. Wenn du
dich noch ein Weilchen in Julias Nähe
aufhalten mußt, unter dein Zauber «
ihrer Augen, dem Bann ihres Wesens,
mit der unumssößlichen Gewißweit,
daß du nichts mehr von ihr zu hoffen
hast« so wirft du vielleicht ani rasche
flen deiner Empfindung Herr. Jen
mer bern Feind dreist ins Auge sehen
— lo ists am besten siir einen Mann.
Jn der dritten Nacht nach dein
Jagdausflugniorgen stellte sich bei
Rottenburg eine lo ftarle Schwellung
ein« daß ber Professor, urn das
Aeußerste abzuwenden, einen Skolar
einstich machen mußte, um die durch
die Störung des Kreislauer versä
lachte Ansammlung oon Blutwasser
zu beseitigen.
Die Oberation hatte ganz uner
wartet günstige Folgen. Ratten
burgs Zustand besserte sich sast von
Stunb’ an. zwei Tage danach war
er —- fiir den Auaenblick wenigstens
—- außer aller Gefahr, unb Altdorf
konnte beruhigt abeeifen.
Waldemar. den er fin alle Fälle
noch eine Woche bei bern Kranken las
ien wollte, und Julia begleiteten ihn
Zum Babnhof, von dein aus man das
Liebensteiner Thal ini Kranz leiner
ariinen Berae von ben Altensieiner
Hälan an bis zur Burgruine hin
chkschailkll konkl. f
Der Prosessor hatte nur einen
flüchtigen Blick fiir das liebliche
Bild, das im letzten Glanz der schei
denden Sonne gluthiibergossen lockte
und grüßte. Sich nur nicht auch noch
von der Natur umstricken lassen! Das
Abschiednebmen kam ihm ja so schon
schwer genug an.
Jn den Wagen hinein reichte ihm
Julia einen Strauß wundervoller
Rosen in allen Farben, und er nahm
ihre band und tüßte sie. Zum er
sten Male! Nie vordem hatte er eine
Frauenhand geküßt, auch die seiner
Mutter nicht, und noch lange spürte
er die Berührung der feinen. sammt
weichen haut an seinen Lippen.
Die Rosen hütete er sorgsam aus
der ganzen Fahrt. Zu hause aber
schloß er sie in ein Fach seines
Schreibtisches und dachte dabei, er
wäre gar nicht er selbst, sondern ir
gend ein verliebter Primaner, der
»Erinnerungen'· sammelt. Denn er
selbst hatte noch nicht eine einzige mit
seinen dreiundvierzig Jahren.
Als» die Geschwister Rottenburg
vom Bahnhos ins Dorf zurückkehrten
gesellte sich auf halbem Weg Borg-i
jstedt zu ihnen. Er hatte in den ver- ’
gangenes Tagen. in denen Julia am
Krantenbett ihres Vaters unaufhör
lich mit dem Professor zusammenge
trofsen wars wii end er selbst sie
taum zu Gesicht kommen, wahre
hsllenaualen der Eifersucht ausge
standen und fühlte sich nun wie von
einer erdrückenden Last befreit.
Ali Waldemar in einen Laden ge
treten war, sich Zigaretten zu taufen,
fragte er Juliax »Das Versprechen,
das Sie mir vor acht Tagen am
Sandberg gaben —- eI gilt doch nocht«
Julia sah ihmJn das schöne, wie
der Wschaftltch We M
und antwortete: »Ich denke, was san
eins-l MM.M- sitt trmner.s
« s- eism wi- sse-«- ist
er W M »Und dar-II Its
ich Ihnen noch einmal fagen. was
Sie mir versprachen. Sie verspra
chen mir, auf mich zu warten. bis ich
im Stande fein wiirde, Sie ohne Stel
lung einer Deiratbsiaution zu meiner
Frau zu machen«
,Jch versprach Ihnen, auf Sie su
warten, fo lange es in meiner Kraft
siebt, fo lange es von meinem Willen
abhängt. Winfried.«
aSie sind merkwürdig vorsichtig
mit Jbren Bersprechungen Sie las
fen sich iiberali eine hintertbiir offen.'·
MHaben Sie wirklich den Eindruck
von mir?« fragte Julia und sprach,
da Borgftedt schweigend die Stirn
runzelte, in bestimmtem Ton weiter:
»Ich weiß nicht, ob nicht Ereignisse
eintreten, die mich zwingen, meine
Hoffnungen und Wünfche meiner Fa
milie zum Opfer zu bringen. Mein
Vater ifi irant, meine Mutter ift lei
dend. Es lann geschehen, daß eines
non beiden hilflos und dauernder
Pflege benötbigt. Dann darf. dann
kann ich ihn nicht Fremden überlas
fen. Eine Kranienpflegerin aber
wäre eine fchlechte Frau siir Sie. Und
mein Bruder? Sie baben es wohl
felbft fchon gemerkt. er bat leichtes
Blut, er fpieit und macht Schulden,
unfer Name ist bei ibm nicht in den
beften händen.· Wieder trat der
herb-entfchloffene Zug um ibren
Mund deutlich hervor. »Es mag Jbs
nen vielleicht veraltet, romanbaft
tlingen. was ich nun fagen werde.
aber ich bade Veranlassung gehabt, es
mir reiflich zu überlegen: wenn un
ferem alten guten Namen einmal
durch den Leichtsinn meines Bruders
Schmach und Schande. meinen Eltern
Gram and Leid droben follte, so
würde ich mich —- iiinnie ich die Ge
fahr dadurch abwenden -—«- ohne Be
sinnen irgend einem reichen Mann-«
fie holte tief Atdem und stieß dcrnnL
hervor — .vertausen.' l
Sie sentte die Liver; es war, als
rieselte ein Schauer über ihre schlante
Gestalt.
Borgftedt streifte sie mit einem
Blick, der scharf war wie geschtissener
Stahl und heiß wie Flammen. »Ich
werde Sie keinem anderen Mann las
ien!" stieß er heiser hervor.
»Gegen das Schicksal sind wir
machtlos.« aab sie zurück.
Der Lieutenant blickte durch das
Schausenster in den Laden hinein, in
dem Walde-nat mit dem Auswahlen
feines Rauchbedarss augenscheinlich
nicht recht zu Stande kommen tonetr.
Dann sprach er weiter: «Jtsr starter
Familiensmn giebt Ihnen dünge
spinste ein. Sie quälen sich mit
Uederlegungen, die in die Dimension
des Unwahrscheinlichen, Unnaiiirlichen
gehören. Bleiben wir doch im Reich
der Möglichkeiten!«
.Jch habe von meinem Vater ge
lernt, alle Konsequenzen zu ziehen,
ede ich mich mit einem Wort binde.
Denn ein Wort muß gelten, muß un
löslich sein.«
Borgstedt machte eine Bewegung
der Ungeduld. «Ilso. um zum Zie
le zu tommen: Jch gehe nach Asrita
zurück.«
In sassungzlosem Schreck blickte
Julia den Geliebten an. »Was wol
len Sie? Nach -—?« Die Worte er
starrten ihr aus den Lippen
«Jch habe teine andere Möglich
teit. Sie in absehbarer·8eit zu mei- s
net Frau zu machen." ruht oer cau- s
tenant. ganz und gar voll diisterer
Entfchlossenheit, fort. »Trete ich wie
der in die Schuhtruppe ein, so werde
ich sogleich zum Hauptmann beför
dert, und bei den günstigen Avances
mentsverhältnissem die wir dort un
ten haben. tann ich's in zwei, drei
Jahren bequem zur ersten Klasse
bringen« während ich hier noch min
bestens sechs, sieben Jahre zu thun
hätte, bis ich so weit komme. Dann
vermag ich aber auch bei meinem Ge
halt erhebliche Ersparnisse zu machen,
was ich hier nicht tann.«
«Winfried!« flehte Julia, »das —
das werden Sie nicht thun! Schon»
um Jhrer Mutter willen dürfen Sie»
es nicht!« "
Borgftedt zuckte die Achseln. »Es
ist entschieden. Jch hin mit mir im
reinen. Doch — Jhr herr Bruder
sammt. Wenn Sie mir noch etwas
zu sagen haben, dann bitte heute
Abend aus der Promenade. Jch er
warte Sie gegen neun Uhr." —
Und wieder ging Julia zu der be
stimmten Zufammentunft. Zu ihren
Eltern sagte sie, daß sie var dem
Schlafengehen noch ein wenig frische
;Luft schöpfen wüßte«
i Diesmal spürte sie nichts von der
Unfreiheit, der Scham, die stch vor
wenigen Tagen, aus dein Weg zur
Raienlaube, wie der Druck einer
Iaufi um ihr herz gelegt hatte
heute war fiir nichts Plas in ihrer
Brust, als site eine grenzenlose Angst
um den Geliebten. Noch zu keiner
Stunde hatte sie io deutlich empfun
den, wie viel er ihr galt. als gerade
est tn der Furcht vor dem Abschied,
der to leicht ein Abschied auf ewig
sein kannte. Daß wieder ihr starter
Stolz in ihr Zählen hineinftrahlte,
das sie. die Opferbereite, ein to gro
ßes Liebesopfetz das ihr wie ein Spiel
um Tod nnd Leben erschien, nt an
sah-en wollte, darüber ward sich
sechs nicht klar.
M t- iIIMO I- N Ists su den
Geliebten ding. so heiß und innig P
auch immer wieder von neuern bnt
nnd flehte, das er sich doch nicht seine
zweiten Male den Gefahren des Tro
pendienftes ausseien möchte, er blieb
Fes: bei seinem einmal gefaßten Vot
a . s
»Ich wiirde diel Schlimmeres, ich
wiirdk das Aeußerfte, das Tollste wa
gen. um Dich zu erringen,« sprach er
heiser vor Eingang. »Ich weih
nicht, ob es überhaupt etwas giebt.
wovor ich zurückschrecken wiirde um;
diesen Preis." I
Da stieg wieder das leise Grauens
dor seiner Leidenschaft in Julia auf. i
Milde des aussichtslosen Kampfes«
schwieg sie still. ;
»Ich darf Dir doch schreiben-VI
fragte der Lieutenant nach einer?
Pause. »So oft ich will ?'
Sie nickte und nannte ihm eine
Chiffre, unter der er seine Briefe an«
das Postaint ihres Wohnortes senden
sollte. Jbre Eltern durften natür
lich nichts von dieser Korrespondenz
erfahren.
»Und auch Du wirst mir schreiben?
Oft? Jede Woche einmal?«
.Ja ——- ich werde schreiben.«
Die Kirchthuentuhr schlug zehn.
»Ich muß geben« sagte Julia ton- ;
los. Dann, in deni fahlen Licht ei
net Laterne, nahm sie Boegstedis
Kopf in beide Hände, sah ihm rnit!
einem wehen Blick in die Augen undi
hauchte: »Leb’ wohl! Der himmels
nebine Dich in seinen SchnhP J
Das war das erste — und das
leyte Mal, daß sie ihn »Du« ge
nannt! —- ;
Schon am nachsren Vormittags
lam der Lieutenant, um von dem
Obersten. der noch ans Zimmer ge
bannt war. Abschied zu nehmen. Die
Familie Rottenburg war vollzählig
versammelt. -
Kröstig schüttelte der Alte dem jun- (
gen Ossizier die hand. »Na, dann
machen Si« gut. Sie unruhige
Geist,'« sagte er in einem Ton. in dem
sich Tadel und Anerkennung stritten.
«Man dient ja auch da unten redlich
für König und Vaterland. Aber« er
zog ihn näher zu sich heran, so daß
er ihm ins Ohr raunen kannte —
»nicht wieder Dummheiten machen!"
Laut sprach er dann weiter: ·Jmmer
bedenken, daß auch die Hereros und
Bonhelzwarte, oder wie die Schwar
zen in Südwestasrila sonst noch heißen
mögen, Gottes Geschöpse sind, und
daß sie schließlich ni is weiter thun,
als so, wiss ihre Un ultur ihnen ge
bietet, um den Besiß der angestamms
ten Schalle lömpsen.«
Ale Borgsiedt gegangen war —
leine Miene hatte in seinem schönen
Gesicht gezuckt, als er sich zum letzten
Male über Julius eislalte hand ge
beugt —, athmete der Oberst wie er
leichtert aus.
(Fortsehung folgt.)
steten-Kindern
Die zur Genüge belannten verschie
denen »Asiiiren", von denen Däm
marl im oergangenen Jahr heimge
sucht wurde, zeitigten als einschnei
dendstes Resultat die Beschäftigungs
losigleit. Wenn die Plalate, die
überall zur-hilse aussorderten, nicht
übertrieben« so gab es in die
sen Winter-Monaten mehr als 50,
000 Arbeitslose in Kopenhagen
Selbstverständlich wendet sich das heer
dieser Armen nach Kopenhagem das
mit seiner halben Million Einwohner
etwa ein Fünstel der Gesamnrtbevölle
rung einschließt und von den Provinz
lern gistig der .ungesunde Wassertovs
Dänemarlö« genannt zu werden
pflegt. Zwar hat man in der Meteo
vole selbst iibergenua zu thun, um der
wirthschastlichen Depression herr u
werden. Aber die schlimmen Ereignisse
werden als Rationalungliia angesehen
und getragen, das bindet aneinander;
und darum werden auch die Konse
quenzen nicht zu saulen Ausreden be
nutzt, um den lieben Nächsten von sich
abzuschiitteln, sondern als Avvell an
die verdoppelte hilfsbereitschast und
Gebelust. Ali dann der stramme
Winter mit dem berüchtigten diinischen
Nordost einsehte, da wurden die Nati
und Vorschläge, wie die grimmigste
- Noth zu lindern sei, die wichtigste Ta
gessragr.
Zu allererst dentt man im Norden
immer an die Kinder. Zu der großen
Masse der Arbeitslosen tommi die noch
dreimal so große ihres Nachwuchses.
Dasiir reichen alle schon bestehenden
Versorgungjeinrichtungen nicht aus.
Und ein hungerndes — srierendes
Kind —- schon greist der, der selbsi
nichts hat, suchend in seine Taschen.
So versiel man ans die Jdee der Jll
tientinder«.
Es gibt Attien zu zwanzig Kronen
und darunter. Iiir zwanzig Kronen
erwirbt der Aktioan oder die Ullios
niste, denn es können sich natürlich
auch mehrere zusammn eine Altie lau
sen, den Anspruch daraus, baß ein ar
’mee Kind 80 Tage la mit, neben
bei bemerlt, sehr reichlicher und gan
vorzüglicher Kost versehen wird. Be
niedrigem Altien kommt diese Wohl
that den Kindern einen Tag um den
andernokugutk Zudem, was damit er
reicht d, sieht die Dilhe der Aktien
Jmnme in aar keinem Verhältnis um
o mehr als sich ost vier, siins« nnd
mehr Monsre an einer eiPen Iltie
seen was- d n
HEXEN-III- Semi
fäng« löst die Anwartfch W
·r freie Oeliiftigung in allen ti
fchulen. vertheilen. Nicht nur die witt
digften, vor alle-m werden die lirm en
kleinen Schlatter beriiafichiigt.
Klassenlehrer eines jeden Aktienkindei
wird iiber die Persönlichkeit der Jll
tieneltern« unterrichtet und fest
mit ihnen in direkte Verbindung du
etwa folgendes Schreiben: Ei wird
hnen hiermit mitgeteilt, daß Jhr Al
tientind N. N. ißt. Das Kind ift. . . .
Jahre alt und eine Eltern sind . . . . .
( hier fclgt Name und Adresse). — Auf
dieie Weise geht der Okktioniir sicher,
daß fein Geld auf die defte Art ver
wendet wird Und weit mehr noch: er
wird bekannt mit der Existenz seian
Schutzlings, tann sie verfolgen und
unter llmftiinden noch in anderer und
umfassenderer Form Einfluß auf ein
aanze6, werdendea Menschenleben ge
minnen.
Kaum war die Anregung geben,
so ließen auch die Meldungen It Al
tioniire nicht mehr lange auf fich war
ten. Im Laufe weniger Tage hatten
schon fo viel Antheilnedmer gezeichnet,
daß mit der Betöftigung von 500 Kin
dern begonnen werden konnte. Die
seltsamften Altieneltern meldeten firh
zu einein Altienkinde ——- oder mehreren.
Die Stich-vorte, unter denen sie es ta
ten, ließen ahnen. dafz die Altioniire
fich aus allen Gefellfchaftsfchichten und
allen Altern zufammenfehiem »Ein
Phoinbre Partie« wünschte glei vier
Attientinder. »Gudruns Sparb chfe«
gal- die Mittel zu einer halben Aktie
her. »Ein Kellnertrifolium« kaufte
eine ganze Aktie, »ein Oillardkluk
nahm ebenfalls ein Kind auf fich, und
einige Studenten konnten sich zu drei
Kindern beglückwünfchen.
Es versteht sich von tell-in baß uoer
den Kleinen die Großen nicht vergessen
werden. Zum Theil sorgen diese aller
dings schon selbst dafür, daß sie nicht
-iit?erseben werden, denn es ist rein un
glaublich, wie oit man in Kopenhagen
aus oftener Straße und im hause an
gevettelt wird. Und von wem! Auch
hier ist vie bedauerliche Kehrseite der
Medaille. daß die wirtliche verseorenen
und oerschömten Armen durch ihre un
versrorenen und unverschämten Lei
densgenossen zu lurz tommen. Was
sieht man da für jammervolle Gestal
ten unter diesen Stieslindern des
Glücks---laum Menschen mehr. Ueber
all lungern sie herum, mischen sich un
geniert in den Strom des Publitums,
ein London im kleinen Stil. Man
össnet die geheizten Kirchen, um diesem
Proletariat. das oft nur Rock und hose
auf dem bloßen Leibe trägt, eine
Schlafstelle zu schaffen. Man speist
lie, so gut es geht« zu hungern braucht
niemand in Kot-entsagen
Ein humaner Bürgermeister richtet
eine Art Nachtashl in den Gängen des
herrlichen Rathauses ein. Leider
mußten die gaitlichen Pforten des
Rommunepalais schleunigst wieder
geschlossen werden, denn die Gäste
brachten ein ungebetenes Gastgeschent
in solcher Menge mit, daß die Magi
stratsbeamten sich nicht nur aus Be
dentlichteit am Kopie lraßten Ein
besonders linderliebes Gemüt brachte
in Vorschlag, die Köpfe armer Schul
tinder regelmäßig von zwei Gemein
deschwestern aus sremde Einwohner
hin untersuchen zu lassen, diese til-nee
gung stieß aber selbst bei den til-er
zeugtesten Philanthropen auf Wider
stand. So weit soll die Armenfiiv
sorge denn doch nicht gehen. Zahlen
miißig berechnet genießen etwa 5 v. h·
der Einwohner Armenunterstiißung
die der Kommune ungesähr 5 Millio
nen Kronen im Jahre tosten.
Man tann begreifen, daß es in die
sem Winter auf dem «lustigen Loben
hagen« wie ein Dömpser liegt. Eine
graue Melancholie fliegt von dem
bereisten und schneeverwehten Meer
iiber die Stadt und iiber die Men
schen. Irgend ein heller, froher
Grundton schweigt diesmal. Man
sehnt sich nach den Sommernachtss
träumen, nach Tivoli und Klumpen
borg, nach allem. was auch die Irerns
den in Kopenhagen lieben, was es
ihnen unvergeßiich macht.
MO.
X
T
Gut-then- ,,Was siFt du denn da
und hältst Maulassen eil?«
Strom-: «Weil ict müde bin, han«
Gutsherr: »Mde?«
Strauche »Ja, —- so dumme Fragen
zu beantworten.«
Der Romanabschnitt in No. 45 det
Niederschlesischen Zeitung erzählte:
Röte entledigte sich schnell ihres ans
tnisterndet Seide gearbeiteten Tuch
eocti.« Romanheldinnen ste n auch
in ihrer Kleidung von dem lltiiglts
chen ab. Ei sollte uns nicht wundern,
wenn Aste den ans Pelz modelltetten
- Strohdut ablegte und dann the ttess
Roten-sei Monds-at vor dem etchenen
Wntsptesel ndnete. ·
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