Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 23, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Jahrgangw
Nebraska
Staats· Art-zeiget und Neu-old
191 9.09 (Zwetei rTheiU
Frühling.
Sie kommen hervor, »die lieblichen
Blumen,
DieFrühlingsbotem sie zeigen sich all’!
So ionnnet auch ihr aus den dunkeln
Stuben,
Erfüllet die Luft mit jubelndemSchalL
Der-Frühling hält Einzu , der Lenz
ist erlsienen
Mit feiner blendenden Blüthe-sprache,
Die Leiden des Winters will et süh
nen,
So lommt doch und sein« wie die
Sonne lacht.
D Frühling, du selige, goldene Zeit,
Du gleichst doch keiner andern: i
Die Welt liegt vor mir so weit, so.
weit, !
Und wandern möchte ich, wandern! (
Ver letzte Liebe-Dienst
Erzählung von Edmund Stu
r a w y.
. In dem mit auserlesenem Geschmack
eingerichteten Solon des Großindu
striellen Neinbnrtner war eine tleine
Gesellschaft versammelt. Es herrschte
eine äußerst animirte Stimmung Das
Essen war vorzüglich gewesen, der
Wein womöglich noch besser, und siir
das Uebrige sorgte der sprudelnde
Wih unt humor des Gastgebers.
Wenn es eine Person in diesem tlei
nen Kreise gab, die nicht so recht aus
ganzem her-sen mitthat, und dadurch
gewissermaszen etwas aus dem Mittel
vuntt gedrängt schien, so war es Rein
hartner’s Gattin, eine ziemlich reizlose
verschüchterte und gedrückt aussehende
Frau. Obwohl lrampshast nnd wie
ängstlich bemüht, in die allgemeine
Frohlichteit mt einzusiimmem lag
doch ilber ihrem ganzen Wesen immer
etwas Fremde-, Nichtdazu eltöriges
Das hatte seine guten Zrindr. Die
Ehe hatte der Frau eine roße Entwu
schung gebracht. In den gMiidchentriius
men war ihr die Liebe undE anders,
Ins andere erschienen. ur dein
rangen der Eltern nachgebend, war
sie einem Manne, dessen erste Frau
taum ein halbes « ahr unter der Erde
lag angetraut wor n. Als die Zweite!
Er war zwar sehr lieben-würdig und
gut, aber es fehlte die rchete Wärme.
Das war nicht die große, herrliche
Liebe, die alle Schranten bricht. Sie
siihlte ev, daß sie nur ihres Geldes
wegen geheirathet worden war. Und
das war es auch, warum sie nie ihres
Lebens so recht sroh werden konnte;
das war es auch, warum sie sich inmit
ten ihres glänzenden Wohlstandes so
arm siihlte wie eine Bettlerin. Reich
war sie und doch --— so arm!
Eben hatte der Hautherr einen bu
moristischen Toast beendet, ein von
Lebenslust und Daseinssreude über
schäumendes »Prosit!«, welches von
sämmtlichen Anwesenden stürcniich er
widert wurde, ausgebracht nno dag
volle Glas bis zur Neige geleert. alk
das Stubenmädchen eintrat, bei der
Thiir stehen blieb und verlegen aus
Reinhartner hinsah.
»Was giebt eg, Minnat« fragte er.
Da sie noch immer zögerte. trat er
aus sie zu. Das Mädchen sliisterte lei
se: «Ein Mann?... Sprechen will er
mich?.... Hast Du ihm nicht ge
sagt · . . ?«
»Ja, guts Herr! Aber er nat so
bitt’... Jch hav’ net Month . .. Es
muß was Wichtig’s sein. Er ictaut
net sehr empsehlenswertli aus . .
Die Gesellschaft hatte sich um den
Zwischensall nicht geliitninert. Man
ließ eben den hauslxrrn hoch leben.
Lautes, helles Lachen mischte sich in
den Klang der aneinandergestotzenen
Gläser.
Da -- tauchte in der Thürössnung
eine in dieser Umgebung seltsam wir
lende Gestalt aus. Ein Mann war's
in den Bierziaeriabren, in schlechter,
abgeschabter Kleidung. Win hingen
ihm die ungepslegten Haare in die
Stirne und aus dem schrecklich bleichen ;
Gesichte blickten zwei glanzlose Augen«
wie erschreckt in die Runde. Auf der
hohen. eleganten Gestalt Reinhartrier's’
Fliehen diese Blicke endlich starr has
en.
Das Erscheinen des Fremden hatte
aus die Gesellschaft wie lähmend ge
wirlt. Eine Verlegenheitspause ent
standl
Reinhartner immerfort anstartend,
sagte der Mann seit schmerzlich und
wie bittend: Weinbertnermk
Dieser ging nun rasch aus den
Besucher zu, sah ihm ins Ge cht nnd
ries plöslickt überrascht: » h« ich
rechtf! Das ist sa —- nattirlich ist
ertit —- Brendlert Robert Vrendlert
Mein alter Kamerad und liebsten
bester Schulsrenndt Die herrschasten
verrät-erst Komm’!«
· nell schritt er mit dem neuen
Gast in sein elegantes Arbeitezimmer.
Mit ausrichtiger Freude nahm er
Brendlerkh beide Hände und schüttelte
sie betzkich «
«Willkomrnen, alter «f,reund will
tomeneni Aber to setz gich doch!««
Der Mann blieb stehen bickte wie
ängstlich auf die mit Seide iiberzoge
nen Stuhle und sagte leise und
stockend: »Ich »s- ich dank Dir. .
Und sei net barb, daß ich Dich be
lästigc Sei net barbt.. .«
»Aber was fällt Dir denn ein! Setz
Dich nur wieder -- so.. !« Es mö
gen schon so gegen zwanzig Jahre her
sein, daß wir uns nicht gesehen ha
ben! Also -—- wie gebt es Dir, Ro
s beri?« I
» »Ich dank Dir, Heinrich, fiir Deine
Herzlichteit.. Hab’s net ektvart’.
Es geht mir so weit ganz gut
Reinbartner betrachtete sein Gegen
iiber forschend und meinte: Aber es
scheint mir. .. Dein Aussehn
Du weichst inir aus!...«. rstcind
aus, legte beide Hände aus Brendler’s
Schultern und sagte mit großer Wär
e »Robertl, alter Freund! Nicht so!
Schau«, es thut mir weh! Lass die
falsche Scham! Schau mir in die Au
gen —— so — und jetzt sag’ mir, wie
es Dir gelit! Geh’, sag's!«
Brendler wandte sich unter den sor
schenden Blicken Neinhartners wie ein
Wurm. Plötzlich schlug er beide Hän
de vor’s Gesicht, brach in ein wildes,
oerztveifeltes Schluchzen aus und rief :
«Schlecht!! Heinrich . . . schlecht!! . . .«
»Nobert!!«
»Seit drei Wochen la Arbeit . . .
Zwa Tag schon nix gessen . . . Unter
standsloo bin ich, unterstandslosll"
»Was sagst Du, was?!"
Keuchend, stoßweife und sich im
Sprechen förmlich iiberstiirzend, fuhr
der Andere fort: »Tag und Nacht irr’
ich herum in den Gassen . . . wie a
Hund ohne Markenl . . . Jch waß net,
wo ich hin foll! Wohin denn nur, wo
hin denn?! Ka Dach . . . la heim . . .
und la Z'hausl Und da —« er preßte
die Hand aufs Herz —- »da thut’s so
weh, so furchtbar weh! Heinrich —- ich
halt-'s nimmer aus!!«
«Robertl Unglücklichrrl Und Du
bist nicht gleich zu mir? Zu Deinem
alten Kameraden?«
»Sei net bös’ . . . Verzeih mir . . .
Jch hab· mich net traut! Dort, wo’g
Glück z’Haus is, dort siecht ma die
Elenden und Verdammten net gern!
Ma nimmt den Leuten den Appetit!"
»Ach geh’!« Reinhartner ließ Essen
nnd eine Flasche Wein bringen und
sagte: »sz, Robert, iß und trink’!«
Während dieser Messer und Gabel
zur Hand nahm, sagte er: »Aber sag’
mir nur um Himmelswillem wie das
Alles so gekommen ist?«
Brendler legte Messer und Gabel
beiseite und seufzte tief aus.
»Aber fo greif’ doch zu! Du hast ja
noch teine zwei Bissen . . .'«
»Ich lann net . . .« Wehmiithig
lächelnd sagte es der arme Teufel.
»So hungrig war ich, aber jetzt . . .
Jch muß mich erst wieder d’rau ge
wähnen. . . . Wiss kommen ioi . . .
Mein Gott! Die Verhältnisse . . . Der
Vater gestorben . . . Jch hab’ müssen
meine Studien aufgeb’n und verdie
nen, Mutter und Schwester erhalten
. . . Krankheit . . . und so halt . . .«
»Ja, ja, aber . «
»Die Armuth allan io’g ja net,
heinrichl Da wirten Hunderte Sachen
mit, die Du net begreifen kannst! Um
das zu verstehn muß ma im Voll
anfg’wachsen sein! Du waszt da davon
ntxl Deine Eltern waren wohlhabend.
Dein Talent io g’hegt und pflegt
word’n und frei von tlanliche Sorg’n
hast Du studir’n können. Als Jngr
nieur und wohlhabenden Mann hast
Du a reiche Partie g’macht, bist da
durch wieder weiter kommen . . . Im
mer weiter . . . Ah! Da geht Alles so
glatt, so anders. Immer und überall
san mir im Nachtheil! Auf alles mils :
sen wir verzichten: Aus hils’, Rekom
mandation, materielle Unterstühung—
anf Allejl Rix wie Prellfteine giebt’s
auf unser’m Lebensweg und das
Schicksal haut Einen erbarmungslos
von an zum ander’n! Und da schau’n
noch die Ander’n verächtlich auf uns
herab! Das Können is doch la
Kunst· wann ma G’leg’nheit zum
Lernen hat! . .«
Neinhartner strich mit ver Hand
über die Stirne und murmelte:
»Schrect!ich ist das, schrecklich! Du
warst auf der Technik der Liebling der
Lehrer. Eine große Zukunft ist Dir
prophezeit worden. Du warst ein gros
ßes Talent im Konstruiren und im
Erfindeni«
»Ja! Zum Konstruir’n i)ab’ ich Ta
lent g’habt, aber net zum Leb’n! Mei
ne Ideen und Zeichnungen hab’n mir
Anv’re g’stohl’n und unter eigenen
Namen auig’fiihrt. Sie hab’n dadurch
ihr’n Weg g’machtt Dem einfachen
Maschinisten hai’9 jaNiemand glaubt,
daß er so was im Stand’ is sichan
sen! Der hat doch nix g’lernt . . . Und
so a Kerl will sich bemerkbar machen!
Ah! tommt net raus . . ewig net
raus! . .«'
Frau Neinhartner war eingetreten
Hund blickte fragend auf die beiden
Männer. Reinhartner sagte wie er
lliirend: »Ein Schulsreund von mir.
Es geht ihm nicht am besten. Jch
werde sehen, was ich siir ihn thun
lann!«
Ader da stand schon Brendler vor
ihm, streckte wie beschwörend diehiinde
aus und rief teuchend: »Reinhariner!
Du verstehst mich falsch! Nix siir mich
will ich, nir fiir mich! Mit mir is ’s
vorbei! Es is aus, ich g’spiir’s! Na,
na, Heinrich! Es ist aus mit mir! Ich
geh’ in’s Spital Aber ans möcht’ ich
noch, bevor all’s Wind is! Deshalb
bin ich ja 'tocnmen! Jch hab’ a Weib
g’habi . . . Vorig’s Jahr is s’ g’
storb'n! O. sie war so schön und brav!
Und gern hab’n wir uns g’habt, so
schrecklich gern! A gute Partie hätt’ s’
machen können als Mädel! Aber sie
hatllz ausg’schlag’n mir z« Liab! Treu
hat s’ zu mir g’halt’n und immer
g’hosst, daß es endlich besser wird!
Und nix hat s’ g’habt von ihr’n gan
zen Leb’n, nur Kummer und Sorg’n!
Und das hat an ihr g’sressen! Jmmer
weniger is s’ word’n, bis s' der herr
gott von dem Jammer erlöst hat!
Und da, Heinrich, hab' ich Dich bitten
woll«n — sei aber net bös’ —- in der
Zeit, wo alle Menschen ihre Todten
ehr'n und ihrer denten — Heinrich!
-—— ich bitt’-Dich vielmals — a Kran
zerl, a Bouauetterl siir mein arm’s
Weib!! A paar Rosen nur — weils
die immer so gern g’habt hat — siir
mein lieb’s, gut’s Weiberl!«
Bittre schluchzend und völlig er
schöpst wars sich Brendler aus einen
Stuhl hin. . L
Und die arme reiche Frau Rein
hartner stand von ihren Gefühlen
überwältigt, wie traumverloren da
Ihre Brust wogte auf und trieben
Wie eine Offenbarung war es ihr:
Das war’s! So hatte sie sich die große
Liebe vorgestelltl Der am Rande des
Grabes stehende Mann da, dachte
nicht an sich, er bettelte um einige Ro
fen fiir sein todtes Weib.
Reinhartner streifte seine Frau mit
einem Seine-blieb Die reizlose, unge
liebte Frau erschien ihm jetzt noch viel
häßlicher. Und wie war es mit der
Ersten? Ein gleichgiltiges Nebenein
andergehen, aber keine Spur von
Liebe. Hatte er sie überhaupt jemals
gelanntt
Tief gruben sich seine Zähne in die
Unterlippe. Er legte die and aui
Vrendler’g Schulter und agte gis
preßt: »Man mir die Nummer und iai
werde einen Kranz frischer Rosen aus·
das Grab Deines Weibe-:- leaen las
sen.«
Da sprang Bredler auf und riet
eraltirtx »Na, na! Ich selber! Oh
fremde Hand soll mir’g entweih’n!«
Er entnahm der überreichten Börse
zwei Guldenstiicle, drückte Neinlyart
ner schluchzend die Tand nnd sagte.
vor Freude und Au reaung teuchencsx
»Ich dank Dir, Heinrich! Ich dath
Dir! Wann mein ar:n’s Weib a auf
Alles hat verzichten müssen, aus se
Liab und aus den letzten Liebegdieni
inqu i net verzichten!» .Muß i ne
verzichten!.. «
Die beiden Geldstücke ttampfhaft m
der Hand haltend, eilte der Arme
glückseliq von dannen und murmelte
dabei vor sich hin: »Annerl! Rosen
triegstl Frische, schöne Rosen als let
ten Liebesdienst!«
Und die beiden armen reichen Mute
sahen sich stumm in die Augen.
—
oie mitchstkaße.
Die Sterne, die dem unbewaffneten
Linse an der nächtlichen Himmelsdecte
sichtbar sind, erscheinen ohne Bezuq
nat-nie ans irgendein Centrum nahezu
gleichmäßig durch den Weltrcnnn Der
streut, in unermeßlich großen Ab
ständen von einander. Die Entfer«
nunq der Erde von der Sonne
beträgt 20 Millionen Meilen, aber
wenn wir diesen Abstand zwei
hunderttausendmal vergrößern nnd
mit dieser ungeheuren Länge als
Halbmesser eine Kngeiobersliiche be
schrieben denken, so wiirde innerhalb
dieses nnsnßbar großen Raumes nur
ein einziger Fixstern angetroffen
werden« nämlich unsere Sonne. Aehn
lich würde es sein, wenn diese unge
»henre Kugel zwischen die hellen Sterne
»gerollt wäre, die denOrion bilden oder
»den großen Bären; auch in jenen Fer
»i-.en würde sie nur einen, höchstens zwei
;Sterne umschließen, gleich einsamen
sLeuchten in der Oede des duntlenRam
irae-. Diese ziemlich gieichmäßige Vet
theilung der Sterne durch den Welt
raum findet aber nur bis zu einer ge
wissen, allerdings unsaszbar großen
Entfernung hin statt, sie gilt dagegen
durchaus nicht mehr für die zahllosen
Sterne, die die Milchstraße bilden, je-:
uen breiten, matten Lichtschimmer. der
in Gestalt eines großen Bogens iiber
den Himmel zieht, unveränderlich, in
stummer Mjestät, wie ein Abbild des
Unendlichen und Ewigen· Hier tref
fen wir aus eine völlig abweichende
Anordnung, aus höchst befremdliche
Zusammenballungen von Sternwolten
und seinen Sternchen, die einzeln gar
nicht aufzufassen sind. Zwischen die
ien Lichtwolien finden sich duntle
Straßen, manchmal wie gewundene
Kaniile, es sind Stellen ähnliche den
jenigen, die schon Herichel als Dess
uungen im Himmel bezeichnete und die
uns einen Ausblick in sternlose Ab
griinde des Weltraumes gestatten. Die
iigentliche Milchstraße besteht nicht
eng Sternen, die einzeln dem Fern
tobt-e zugänglich wären, ihr Schimmer
ist vielmehr unzerlegbar siir unsere
Instrumente Zwar sieht man über sie
zerstreut zahllose ileinsteSternchen ste
hen, aber diese bilden nicht die Milch
straßr.
l
In moudschetnfreien, klaren Wachs
ten erkennt man mit bloßemAuge, daß
die Milchstraße die einzelnen Stern
bilder in sehr ungleicher Helligkeit und
Breite durchzieht. Jni Schwan ist sie
glänzend« und gegen den Cepheus hin
zeigt sich eine dunkle Unterbrechung;
un Fuhrmann, in den Zwillingen und
im Einhorn zeigen sich aus breiter,
mtnder heller Unterlage lange glänzen-« l
de Streifen. Den prächtigsten Anblick
bietet die Milchstr. in dem Theile, der
vom Sternbilde des Adlers gegen das
tes Schützen und des Siorpions zieht. l
Keine Region der ganzen Himmels
decke, sagt John Herschel mit Recht,
gewährt mehr Mannigfaltigkeit und«
Pracht durch Fülle und Art der Grup
Pirung Vom Schwan gegen das am
südlichen Himmel glänzende Sternbild
des Zentauren hin ist die Milchstraße
ziemlich in zwei Arme getrennt, und
im Sternbilde desSchifses erscheint sie«
wiederum iiber einen breiten Raum
vertheilt mit großen dunklen, sternen
armen Lücken dazwischen.
Untersucht man die Karten undVeri
zeichnifse der Sterne bis zur St. und
10. (!trößeklasse, so findet sich, daß
die Trennung der Milchstraße in zwei
Arme in der Vertheilung dieserSterne
nicht zum Ausdruck kommt, die Milch
straße ist also ein kosmisches Wesen
weit jenseits des Raumes, in dem sich
diese Sterne sammt unserer Sonne
befinden
Erst die Anwendung der Photogra
phie auf denHimmel hat es ermöglicht,
die Milchstraße zu erfassen. Besonders
Professor Barnard von der Yerkes
Sternwarte hat zahlreiche Ausnahmen
der Milchstraße ausgeführt und festge
stellt, daß die Struttur derselben im
einzelnen verschiedenartig ist. In ges
wissen Theilen bestehen die Wolkenfor
men der Milchstrafze aus grofzen Sters
nen, in anderen aus sehr feinenStern
then, gleichsam wie Sternstaub. Vom
Skorpion durch den Schützen anstei
gend, begegnet man in der Milchstraße
Nebeln lind verdichteten Hausen, die
wie zufällig iiber dieselbe zerstreut
find. Im Schwan trifft man dagegen
auf eine Region, in der ungeheure
Mengen verfchwommenen Nebels auf
treten, vermischt mit Sternen, und
ebenso im Sternbilde des Orpheus-.
In dem leuchtenden Gewebe der
Milchstraße gibt es neben den hellen
Flecken auch duntle Stellen» die man
dem Mangel an kleinen Sternen und
Fehlen des feinen Lichtschilnlners, der ;
die Milchstrasze charakterisirt, zu
schreibt. Professor Baruard hat bei
seinen photographischen Ausnahmen
der Milchstrafze eine nicht geringe An
zahl solcher dunklen Stellen entdeckt.
Man erkennt auf den Photographien
deutlich, wie die Sternwolken der
Milchstrafze dort auseinandergerreren
sind, ähnlich wie die Wolken unserer
Atmosphäre bisweilen stellenweise auf
gebrochen erscheinen und din dunklen
Himmelsgrund hervortreten lassen.
Solche Stellen in der Milchstraße er
klärt Barnard, wie sriihsr HerscheL
sitr Oessnungen zwischen den einzel
nen Sternwolken, durch die wir noch
tieser in den - sternleersn - — Raum
blicken. Mit dem Fortschritt seiner
photographischen Ausnahmen traf
Professor Barnard aber auch aus Re
gtonen, in den-n die Dunkelheit nicht
wohl aus diese Weise gedeutet werden
kann. Gewisse außergewöhnlich dunkle
Kanäle der Milchstraße im Sternbilde
des Opiuchus und an anderen Stellen
führten ihn aux die Vermuthan daß
sie nicht dem Fe »len von Sternen zuzu
schreiben sind, weil sie thatsächlich
dunkler als der sterntreie Himmels
grund erscheinen u. daher siir die An
wesenheit einer dunklen Materie spre
chen. Unter den photographischen Aus
nahmen, welche hierfür beweisend sind,
ist besonders eine bemerkenswerth, wel
che eineRegion imSternbilde des Stie
res darstellt und am 9. Jan. 1907 aus
genommen wurde. Man erkennt in
ihr deutlich den Verlauf der dunklen
Materie zwischen den zahllosen Ster
nen der Milchstrasze und deren Aus-—
breitung nach Nordwesten hin. Dort
zeigt sich aus dunklem Grunde ein iso
lirter Nebelfleck, der sich wahrscheinlich
noch weiter ausdehnt, aber in diesem
ausgedehntenTlJeile lichtlos oder erlo
schen ist und das Licht der kleinen
J Sterne hinter ihm versteck.t Wenn der
in Wirklichkeit dunkle Streifen hell
wäre, so würde er sich uns als ein gro
szer Nebelsleck darstellen, von ähnlichen
Formen wie manche andere zeigen. Es
kann nach den Ausnahmen von Profes
sor Barnard jetzt wohl kein Zweifel
mehr darüber sein, daß im Weltraume
ausgedehnte Nebelmaterie sich findet,
die nicht leuchtet, sondern nur durch
Verdunkelung des Hinnnelsraumes
hinter ihr sichtbar wird.
Ueber das eigentliche Wesen der
Milchstraße, d. h. iiber die Stellung
derselben im Universum, hat sich be
sonders Wilhelm Herschel bemüht,
Aufklärung zu gewinnen. Jm Jahre
1784 war er zu der Ansicht gekommen,
daß die Milchstraße eine ungeheure
Sternenschicht sei, in welcher sich auch
unsere Sonne befinde, obwohl dieselbe
nicht im Mittelpunkte derselben stehe,
vermuthlich aber nicht weit von einer
Stelle. wo eine kleinere Sternenschicht
sich als Zweig der Hauptmasse abson
dere. Jm folgenden Jahre meinte Her
schel mit seinen großen Teleskopen die
äußersten Grenzen der Milchstraße er
reicht zu haben, in Entfernungen, die
dem 5()()sachen der Entfernung des
Sirius ungefähr gleich sein möchten.
Von dieser Meinung brachten ihn die
Beobachtungen während der folgenden
20 Jahre völlig zurück. »Meine
Streisziige durch den Himmel,« schrieb
er im Jahre 1802, »haben vollkommen
erwiesen, daß die Helligkeit der Milch
straße nur von Sternen herrührt, de
ren Tusammengedrängtheit zunimmt,
wie ie Heiligkeit der Milchstraße
wächst. Diese Sterne zeigen ein Be
streben, sich in Haufen zusammenzu
ziehen«
s
Jrn Jahre 1817 kam Herschel zu der
kleberzeugung daß nicht blos unsere
Sonne, sondern alle Sterne, die wir
mit dem bloßen Auge sehen können,
tief in der Milchstraße liegen und einen
Theil derselben bilden. Im folgenden
Jahre erklärte er, daß die Tiefe der
Milchstraße fiir seine größten Tele
skcpe wenigstens an mehreren Stellen
unergriindlich sei, daß seine Instru
mente sich nicht kraftvoll genug erwie
sen, um die entserntesten Sterne der
Milchstraße zu erreichen, und daß es
also unmöglich sei, über deren Gestalt
etwas aus-zusagen, So viel ist sicher,
daß die Anordnung der Sterne, welche
das-; bloße Auge wahrnimmt und selbst
diejenigen der schwächeren Sterne bis
sue Si. Größe in keiner erkennbaren Be
ziehung zur Milchstraße steht. Wir
diirfen uns vorstellen, daß diese Sterne
einen großen nahezu tugelförmigen
Sternhaufen bilden, zu dem auch un
sere Sonne gehört. Die Sterne der
Elltilchstraße stehen zu diesem aber in
keiner näheren Beziehung, sondern ge
hören anderen Sternsystemen an. Viele
der letzteren, welche uns wie Stern
stauls in der Milchstraße erscheinen,
mögen in Wirklichkeit Sternhaufen
sein, die wohl ebenso groß und ebenso
ausgedehnt sind als der Haufen von
Fixsternen, dem unsere Sonne zuge
theilt ist. Bis in unermeßliche Entfer«
nmsgen sind solche Sternhausen hinter
eineiidergereiht und jeder ist von den
anderen durch Räume geschieden, ge
gen welche die Entfernungen der Fir
sterne innerhalb unseres Haufens ge
ring sind. Die meisten der Haufen,
welche die Milchstraße bilden, smd
nahezu in einer Ebene allerseits hin:
tereinander geordnet, und deshalb er
scheint uns die Milchstraße als unge
heurer, den ganzen Himmel umspan
nender Ring. Vielleicht gibt es auch
zwei oder mehrere Ebenen, innerhalb:
deren diese Sternhaufen geordnet sind,J
Jund dadurch würden sich die Trennun- E
igen der Milchstraße erklären. Schon
sder berühmte Lambert sagte (1761):
»Die Milchstrasze unterscheidet sicn von
dem iibtiaenTlseile des Himmels deut
lich. Wenn ich gleich alle anderen Fix
sterne znsninmennelnne, so muß ich die
Milchstrasze von denselben ganz abson
dern und diesen Streifen in unzählige
kleinere Theile zerfallen. Viele von
diesen Theilen zeigen sich uns dadurch,
dass sie von den übrigen getrennt er
scheinen: die anderen bedecken einander,
weil einer hinter dem andern liegt. Je
den von diesenTheilen sehe ich als eins
besonderes System von Fixsternen ans
Wir selbst befinden uns in einem sol
chen und zu diesem rechne ich alle Ster
ne, die uns sichtbar sind und außer der -
sMiIchstkaße liegen, wie auch die größe
ren, welche diesen Bogen des Himmels
bedecken. Die übrigen Systeme liegen
in der Fläche der Milchstraße um uns
herum.« Sind -dieseAnschauungen, wie
zu vermuthen steht, annähernd rich
tin, so zeigt sich uns in der Milchsttaße
die höchste Anordnung der Sterne zu
S1)stemen, darüber hinaus gibt es keine
noch größere, es gibt keine Milchstraße
von Milchstraßen, sondern nur eine
einzige Milchstraße, diejenige, welche
wir erblicken.
Eine Ahnung der Unendlichkeit
drängt sich hier aus, aber die Grenzen
der Vernunft hemmen den Flug der
Gedanken, und vielleicht stehen wir hier
vor einem der Probleme, die überhaupt
in keiner Gestalt für uns lösbar sind.
Es kann daher nicht ausfallen, daß
auch andere Anschauungen über den
Bau der Milchstraße sich geltend ma
chen. So stützt sich Easton auf die un
gleiche Helligkeit derselben in den ver
schiedenen Regionen des Himmels und
schließt unter Bezugnahme aus die
theilweise Trennung derMilchstraße in
mehrere Arme, daß sie aus einer zahl
losen Menge von Sternen und Stern
hasen bestehe, die in spiralförmigen
Windungen angeordnet sind. Unsere
Sonne und die dein bloßen Auge sicht
baren Sterne bilden einen dieserStern
hausen, der in den Windungen der un
ermeßlichen Weltenspirale vielleicht
nahe deren Mittelpunkt sich befindet.
Diese Vorstellung gewinnt eine gewisse
Stütze in derThatsache, daß gemäß den
photographischenAusnahmen unter den
Nebelflecken des Himmels die Spiral
form sehr häufig angetroffen wird, und
daß die Spiralnebel nach Aussage des
Spettroskops vorwiegend aus Sternen
bestehen oder doch wenigstens im Gan
zen eine völligen Gasmassen sind. Die
photographische Aufnahme der seltsa
men Ansammlung von Nebelflecken,
Sternhausen und isolirten Firsternem
die am südlichen Himmel sichtbar ist
und den Namen die große Magelhaen
fche Wolle führt, hat neuerdings erge
ben, daß dieses ungeheure kosmische
Gebilde ebenfalls eine spiralförmi e
Anordnung seines einzelnen Theie
zeigt und damit das großartigste Ge
bilde dieser Art ist, dag- sich unmittel
bar darstellt.
Der berühmte amerikanische Hirn
melssorscher Simon Newcomb ist in
seinen Studien über den Sternenhiin
mel zu dem Ergebniß gelominen, daß
soweit man ans der Abzahlung der
Sterne in allen Richtungen und aus
dem Anblick der Milchstraße schließen
könne, unser Sonnensystem sich in der
Nähe des Mittelpunktes des uns sicht
baren Theiles des llniversums befinde,
und zwar auch nahe in der Ebene der
Milchstraßr. Der Sternenhimmel er
strcctt sich nach Newcomb weiter in der
Richtung der Milchstraße, weniger weit
in der Richtung nach den Polen der
selben: die Begrenzung des Sternen-s
reiches ist nicht bestimmt, sondern et
was unregelniiißig. Tie sämmtlichen
Sterne dieses Komplexes belaufen sich
der Zahl nach auf Hunderte von Mil
lir-iien. Außerhalb der Milchstraße
zeigen die Sterne im allgemeinen keine
Tendenz, sich zu Systemen oder Hau:
sen anzusammeln, sondern sind eini
germaßen gleichförmig durch denRaum
zerstreut. Das sind die Ansichten eis
neh unserer bedeutendsten Himmels
fr-rscher.
Sehr nahe lieat die Frage, bis in
welche Tiefen des Raumeg hinaus die
Bestandtheile der Milchstraße siir uns
non-v wahrnehmbar sein mögen. Da
schon die Entfernungen der Fixsterne
ded- einen Hause115, zu dein unsere
Sonne gehört, so gros-, sind, daß wir
nuerrmutlnmgen über denDurchmes
set derselben anstellen können, so ist
einleuchtend-, daß wir von den Raum
veilxältnissen der Milchstrasze, die aus
unzähligen Sternhaufcn zusammenge
setzt ist, nichts wissen können. Wir
dürfen in dieser Beziehuna unserer
Phantasie kühn die Zügel schießen las«
seu, nnd wer annimmt, daß das Licht
der entierntestensTheilc der Milchstraße
hunderttausende und selbst Millionen
von Jahren bedarf, ehe es den Raum
bis zur Erde durchlaufen hat, wird
sicherlich keine zu überschioänglicheVor
stellunq haben von der Unendlichkeit
des Weltraumes, die sich uns in der
Milchstkaße offenbart.
Hier stehen Ivie an der Grenze un
seres auf Beobachtungen und Schluß
folgerungen gestüyten Wissens und
schauen vergeblich aus« »Anker zu wet
sen, wo kein hauch mehr weht und der
Markstein der Schöpfung steht". «
IHermann J. Klein.
—
Nicht jedem Menschen mag es zu
sagen, in der Gesellschaft den Wolf
zu spielen, aber wer die Wahl hat
zwischen dem Wolf und dem Dafeth
Jus klug, sich für den Wolf zu ent
f scheiden.