Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 05, 1909, Zweiter Theil, Image 12

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    Beut-Knecht
anzriistotvionnet
M dem Abendschnellzug fuhr ich
— Berlin weg. Rach Osten! Ich
Ist- die Heimnth wiedersehen, nicht
Ist im Sommer and herbst. wie es
is den festen Jahren geschehen, fon
Ien im derben Voefriihling. Mein
treuer Dei-ging begleitete mich natür
lich. denn ich wollte mit grauen Haa
Es noch einmal die löstlichen Stun
den genießen, die ich als Jüngling auf
den- Schnepfenzug und auf ver Birli
sahst-als oerlebt hatte·
In Berlin war der Frühling be
reits rnit aller Macht- und Pracht
eingezogen An den Sträuchern war
schsn das junge Laub aufgebrochen,
nnd auch an den Linden und Kaste
nien schimmerten die dickgefchtvollenen
Knospen grünlichgelb. Auf Reisen.
die mich innerlich nicht berührten.
schiefe ich wie ein Murmelthier.
Diesen-il floh der Schlaf meine Au
gen. Meine Gedanken eilten dein
ge voraus . . . . heimwärts nach
Pen.
Langsant verging die Nacht. Beim
ersten Morgengrauen stieg ich in die
Himmels-im die mit der Eilfertigieit
einer Positutfche durch die unendliche
Johannisburger beide schleicht. Das
eintsnige List-ten der einförmige Kie
fetntoaid wirkten besänftigend auf
meine Nerven . . · mir fielen die Au
senztr. Jch erwachte erst, als der
Zug auf der kleinen Staton R. . . . ;
hieit Ein junger Bursche, den ich:
nicht tannte, nahm mir das Gepäct !
ad und trug es zum Wagen« half mir
in einen weiten Wolfes-setz den ich sehr
gut kannte. stopfte mir die Pelzdeae
Inn die Beine und ließ die kleinen
Kruppigen Kunter ausgerisem
Die fiirsorgliche Berpactung war
durchaus nicht überflüssig denn es
wehte dort hinten an der russischen
Grenze ein sehr frisches Lüftchen.
Ins den Seen lag noch das Eis. Es
sch schon grau und duntel aus, aber
der Nachtfrost gab ihm noch immer
die Kraft, am Tage den Strahlen der
Sonne zu tragen. Nur der Regen
Iestoingt ei. Unter seinem Einfluß
zerfällt die manchmal noch fußdicke
Date in Splitter und Zeile. Dann
kommt der Sturm, zertrümmert die
Masse und wirft die tlirrenden, gli- ;
iernden Stücke am Ufer zu hohen
Wollen aus . . . .
Dicht am Forsthause liegt ein klei
ner See. Ich traute meinen Augen
nicht. Die Schonzeit der Fische hatte
doch bereits begonnen! Aber da tum
Ielten sich doch noch die Fischer aus »
dein Eise und zogen das große Netz »
bog mich vor nnd stiesz den Kut
an·
»Was ist denn da los? Wird noch E
WM
·Yiein, Herr Wohthiiter. Sie su
chen den Kuhm«
»Den Kuba? Den alten Macht«-»
»So ist es, Herr. Gestern ist er er- «
trauten « «
Kopfschiittelnd legte ich mich zuruck.
Wie war das möglich?! So ein al
ter Steinmasur, der am Wasser groß
Zudem Zeit seines Lebens auf dem
geangelt und gesischt hatte, war
auf seine alten Tage noch so unvor
sichtig gewesen! Da tonnte doch nur
der verdammte Branntwein daran
schuld sein. Jch fragte weiter:
»Ist er eingebrochen .-"
»Nein, Herr, er ist n e’ Eisloch
getrochen.«
Wahrscheinlich hat er sich vorher
gehörig satt getrunken?«
aNein, Herr, er rvar diesmal ganz
uiiehtern.«
Jch ließ halten, fchiilte mich aus
den Pelzen und sprang vom Wa
gen. Von hier aus hatte ich nur eini
hundert Schritt bis zu den Fi
fchern. Sie hoben gerade die Enden
der Flügel aus den Wahne. Mein
stetem-, der Försier, kam mir entge
gen, schob mir ein Brett über das
diinne Ufereis und begrüßte mich.
Schweigend gingen wir zu den Fi
schen. Man sah es ihnen an, daß
die traurige Veranlassung auf ihnen l
leistete. Es fiel kein lautes Wort.
Fliifiernd machten sie sich auf das Er
cheinen der Zeichen aufmerksam. an
denen man das gleichmäßige Einho
len des Nehes erkennt. Die Fische
site den Flügeln, nach denen sich sonst
eifrig alle Hände ausstreckem wur
.-des in das Wasser zurückgeschüi
Jelj . . . Jest ein kurzer Ruf . . . sie
"· u es deutlich gespürt daß der
etwas Schweres gefaßt
Fide . . . .
s Man-I fchölten sie den Körper
« III Netfalten und legten ihn
I aqu Ei. Der Förster trat
. . beugte sich hinab und strich
Iebtest wie lieblofend rnit der
s- Ide- des W Deutlich sah
M M stünrock dabei ein paar
" I aus den Augen era
die Hacke- in den Bart
" DI- tvsseräuwien Speicher
reas- --« Ess- Ess
» dass m sit Tan
skghtrickt In feinem Sonn
der Wes vom
is stiele
i
i
i
.- -.»..., -· -·-.«-·—- —
Die Dolzschliiaer, die das Reh ge
ZVSM waren nach reichlicher Bewie
tbung gegangen, den Tagselohsh den
ihnen der Förster bot, hatten sie ab
gelehnt. Aus allem war zu erse
hen. daß biet noch was Besonderes
vortaa . . . ich hatte auch von den
Kindern sprechen hören und mir et
wai zusammengereimt. Doch ich
scheute mich zu fragen . . . ei ifi oft
richtiger, zu warten, bis die Betheilig
ten selble zu sprechen anfangen. Da
raus brauchte ich nicht lange zu war
ten. Beim Frühstück sing der Förster
an: -
»Du wunderst Dich wohl, daß wir
von dem alten Kuba soviel Aufbe
bens machen. Er hacö verdient! Er
bat meine beiden Kinder vom Tode
des Ertrinlens gerettet und ist selbst
dabei ums Leben gekommen. Für unj
bat die Sache noch eine etwas bittere
Beimischunsg, denn er hat uns mit sei
ner Aufopferung feurige Kohlen aufs
»Damit gesammelt« wie man so. zu
ssagen pflegt. Und wir brauchten
uns gar nicht zu beklagen, wenn er
ruhig davongeaanaen wäre, ohne aus
das Geschrei der Kinder zu böten.«
»Es war aber mit ihm schon nicht
mehr auszuhalten," wars die Förfier.s
srau ein, die eben aus der Hinterstube
bereintrat. «
»Seht richtig! Das will ich nach
her auch erzählen. Wie geht's den
Kindern?«
» »Die sind außer aller Gefahr. Die
"Liese ist siebersrei und Georg bat
schon Appetit . . . ich lasse ihm eben
Milch auflochen. . .«
»Gott sei Dank . . . aber nun hor i
mal. Jm Herbft warens achtzehn(
Jahre, daß er bei uns dient. Ich
gahelte ihn ’mal auf dem Markt ins
Pillkallen auf. Sein früherer Dienst
herr hatte ihn kurzerhand abgelehnt
und an die Luft gesetzt, weil Kuha
sich fafi täglich deteank und dann
»sehr eklig wurde. Jch nahm ihn,
weil mir gerade mein Knecht nach
Westfalen durchgegangen war und ich
xdurchaus einen Menschen haben
; mußte. Jch hoffte, daß er hier auf der
»einfarnen Förfterei keine Gelegenheit
shahen würde, sich den Insel zu ver
sichs-sten
’ Darin hatte ich mich allerdings
I getäuscht. Weiß der Denker, wie er
das fertig kriegte, sich den Schnur-s
zu beschaffen. Als er wieder einmal
fett war, hatte ich mit ihm unter
vier Augen eine fehr nachdriiitliche
Unterredung. die fiir einige Wochen
nachwirkte. Dann gings von neuem ·
los. Seinen verdienten Lohn konnte
ich ihm nicht vorenthalten, er legte
ihn in Sehn-Ins an. Eines Tages»
entdeckte ich durch Zufall -— oderk
vielmehr mein alter schwarzer Nero
—- in der Schonung hinter der Scheu- »
ne ein halbgefiilltes Fäßchen unter«
einer kleinen Tanne. Nun tarn ich
dahinter. wer ihm den Stoff besorg
te . . . ein altes Weil-, das tagaus«
tagein die Rüsselkiifergrähen abzufa
chen und ihre Beute mit hier abzulie
fern hatte." i
Dieser mitleidigen Seele legte ich J
Tnun das Dandtoerl. Jch war ja »
daran gefaßt, daß Kuda mir nun;
den Dienst kündigen, oder gar heim- T
lich Nachts davongehen würde. Aber
nein . . . er hing an meinem Aeltesien,
dem Leo, wie eine Klette. Dein Jun
gen that cr jeden ausgepeitichten Wil:
len. Er machte ihm Flinbogen und
Angeln, ließ ihn auf den Pferden vom
Felde nach hause reiten. Als uns
der Junge stark-, hat er geheult, wie
ein Kettenhund.«l
Der Förster fuhr sich mit der Hand
nach den Augenwinteln. Dann suhr
er nach einer kleinen Pause fort:
»Das versöhnt und verbindet einen
ja mit solchem Menschen. . .Wir
waren auch mit der Zeit in ein ganz
paßliches Verhältniß gekommen. Er
durste sich zu jeder Zeit, wenn er
Appetit hatte, einen Schluck aus der
Küche holen. So hielt er sich manch
mal einige Monate, bis es wieder
über ihn kam, zwei, drei Tage
lang . . . Wir drückten beide Augen
zu, wir wußten ja, wie wir mit ihm
auslamem i
Schließlich wurde er so wunderlich,
wie ein alter Junggeselle nur werdeni
kann. Er hatte im Laufe der Jahre (
sich so etwas wie eine Art Familien- z
gesiihl bei uns zugelegt, besonders
seitdem er mit den beiden Spätlingen s
Georg und Liese ebenso dicke Freund- »
schast geschlossen hatte, wie mit unse- I
rein Leo. Wenn das nicht gewesen!
wäre, hätten wir ihn doch wohl gehen
lassen. Denn er lonnte mit teiner
Margell Frieden halten«
Ein lustiges Zwintern lies dem
Förster unt die Angen. »Es ging so
lange gut, als wir die Juste hatten,
eine angefahrte Person, die den Kuba
dnxchaus heirathen wollte und ihm
immer gute Happen zustecktr. Ali
nach ihr eine junge, sorsche Margell
ins hauj wollte, gab’3 täglich Zanl
nnd Streit . . . . Das Essen, das sie
lachte, wollte ihm nicht schmecken. Und
so sind thatsächlich mehrere Möbel
nur seinetwegen weggegangen Du
kannst Dir wohl ungefähr denten, wie
set-wer es iß. hierher in die Einöde
n zu betommen."
Oschtschdmsksbsthsitdm
alten Lin-den selt- viel Gede -
cis-ic- Imt u cis-. De- ins-F
M mit set M. »Es-II als
« M II- eins Its ich noch er
is
zähiern Eines Tages m vorigen
Sommer kommt der neue Fdrfirath
gar Bereisung. Jch fuhr ihn auf den
Wangen herum und dente, mich
soll der Schlag rühren. als wir fri
sche Spuren von Pferden treffen. die
in der Nacht dort gerveidet haben
Der Forsirath fragt mich natürlich.
ob ich eine Pfändung in meinem
Buch hätte . . . Daß ei mein Kuha
war, darauf tam er zum Glück nicht.
Jch aber wußte es, denn hier liegt
doch auf eine Meile in der Runde
tein Dorf
Was sollte ich thun? Jch griff in
der nächsten Nacht den Attentiiter, all
er die Pferde vom Hof führen wollte,
zeigte ihn wegen Deidetontravention
an und bezahlte die Strafe. Ich
wußte ja· daß er es nur aus Liede
fiir feine Werde that. Die mußten
immer dick und rund-i aussehen bei
. aller schweren Arbeit. Ungedroschenen
shafer hat er aus der Scheune ges
kholt und ihnen auf die Raufe ge
sfteckt. Noch hunderterlei tönnte ich
fDir von ihm erzählen. Es ist
aber genug. Vorgeftern war das
IMaß voll. Er hatte sich wieder fehr
start die Nase begossen, war in die
Küche gekommen und hatte mit der
Margell aug- irgendwelcher Ursache
Streit angefangen. Meine Frau
tommt dazu . . . . das Mädel weint.
will ihre Sachen packen und abzie-,
hen.
Nun mußte ich doch eingreisen.
Dem alten Mann, der bei uns grau
geworden das Leder auswackeln . . .
das widerstand mir. Ich fchlaeterte
ihn nur so’n bißchen ab, daß er zu
Verstand takti, nahm ihn in die Stu· l
be und lohnte ihn aus. Meinsi Du,
daß er das Geld nimmt? Er stehti
nur da und schüttelt den Kopf. Als!
ich ihn bedeute. er soll das Geld ein I
stecken, seine Sachen packen und ab-’
ziehen lausen ihm die hellen Thriinen
übers Gesicht. Jch wende mich ab er l
faßt meinen Aermel, küßt ihn und
schluchzi.
»Den Fürsten wenn mich mal’ die
Ameise beißt — so nannte er komi
scherweise das Betrinten ——, wackeln
sie mir das Leder aus —- ich werde
ruhig stillhaltenk
.Nein Kuba,« sage ich »das geht
nicht mehr, «dasür bist Du zu alt. «
«Na. ja, herr Försterf erwidert er
treuherzig. »ich bin bei Jhnen ja alt «
geworden . . . .ich hab' hier meine
Knochen verbraucht. .nu wollenj
Sie mich rausschmeiszen?«
Jch war schon weichmitthig geworsj
den. aber meine Frau, die gerade da- -
zutam ließ nicht locker Die Margell
hatte rund weg erklärt, entweder sie
oder der Koba. .Wir sollten auch
mit einem Knecht nicht in Verlegen-;
heit kommen . . . ihr Bruder würde
sür den Sommer bei uns eintreten.’
Als ich nun sest blieb, ging Kuba
still aus der Stube« .Abendö tarn
er als sei nichts norgesallen. in die
Küche und sehte sich an den Tisch
Die Margell hatte auch ihre Nicken
sie gab ihm wie ich später ersahren
habe, nichts zu essen. Auch gestern
bsriih hat sie ihn hungern lassen Jch
ging nach dem Kaiser hinaus um
selbst anzuspannen. Ich wollte sah
ren und den neuen Knecht holen.
meine Frau wollte die Gelegenheit be
!nuhen. um in der Stadt Eintiinse
Izu machen. Die Pferde waren ae
füttert und geputzt wie immer. Wir
fahren ab nachdem wir dem Mädel
noch eingeschärst, ja aus die Kinder
achtzngebern
Als wir gegen Abend nach Haufe
tornrnen, ist das Unglück geschehen
Jn der Nacht war eine Kleinigkeit
Schnee gefallen. Auf dem Lande war
wenig davon zu werten Der Bo
den hatte ihn aufgezehrt Aber auf
dem Eis lag eine weiße Decke. Gegen
Mittag sind die Kinder dem Mad
chen unter den Händen verschwunden
und zum See hinuntergelaufem um
zu schiiddern. Wir hatten noch arn
letzten Tage vor der Schonzeii ge
fischt. Die große Wahne, wo wir das
Netz ausgezogen hatten, war rnit ei
ner ganz dünnen Eisdecke bezogen.
Ahnungslos sind die Kinder darauf
gerathen und eingebrochen.
Wie die Jeite vor die Thiir tritt,
hört sie die Kinder schreien. Sie
fliegt den Berg hinunter . . . aber
vor ihr ist schon der Ruba da. Ohne
Besinnen springt er in die Wuhne,
die Lise war schon untergegangen,
wirft den Georg aufs feste Eis, taucht l
unter, holt die Lise hoch . . . schiebt f
sie auch aufs Eis . . . die Margellt
packt die Kinder . . . auf jeden Arm J
eins und rennt mit ihnen nach
hause . . . Als sie sich umdrehi, ift der
Kuha nicht mehr zu sehen . . . Sie
wirft die Kinder ins Bett, stürzt wie
der runter zum See . . . nichts . . .
alles still. Kannst Dir denken . .
kein Mensch außer ihr irn hause . · .
oben die Kinder vertiamrnt . . . .
naß. . . .
Ali wir nach hause kamen, fan
den wir die sescherung . . . die Kin
der irn heftigen Fieber . . . Das Mit
del hatte Jliederthee fischt und ihnen
ein selt- Rnn tannft Dir meine
S nunung denke-, als ich höre, das
der site dabei erstunken ist . . . noch
in der W habe ich neit einer lan
sen Starr-e den See an der Wahne
MIN- MI ich Mit fW muß
is.sses«-spitsssi. aus«-in
i- W esse ich mas
kslsltstr geholt . . . sen- teh dies
sen lett-a spinnt assng tsc
chen könnte. . .«
Die Stiere-se sersngte dein starken
Mann. Er stand eins nnd ging hin
aus iider den M get been Todten,
der sein elendet Leben rnit einer That
opsernnniitljiget Liebe gendelt nnd ge
lriint hatte.
Jn wehrnilthigen Gedanken sinnd
ich am Fenster-. Unwilltiirlich ironi
tnelten meine Finger gegen die Schei
ben. Und aus dein Rhthmnj klangen
mir die Worte entgegen: .Nnr ein
Knecht! Nur ein Knecht . . .«
—
Ver überlistete Ober-si.
Von Freiherr von Schlicht.
Im ganzen Regintent war ej ein
offenes Geheintniß« daß der Oberst
von Bergen und der Oberstlentnant
von Schatten sieh gegenseitig nicht;
»tie-:t;en« konnten· obgleich die beiden
irn Kreise der Kameraden die Gefühle ·
der Antipathie. die sie gegeneinader
hegten natürlich nach Möglichkeit zu
verbergen suchten. Aber da- änderte
niente an der Thatsache. daß sie sich
gegenseitig nicht leiden mochten, ob
gleich jeder von ihnen neidlos nnd be
reitwillig anerkannte, was der andere
als Soldat leistete. Aber als Men
schen mochten sie sich gegenseitig nicht,
und die beiden Damen mochten sich
erst recht nicht. Das »Warum« hät
ten sie wohl selbst nicht angeben tön
nen, sie gaben sieh auch erst gar nicht
die Mühe· es zu ergründen. Wozu
auch? Das hätte ja doch nichts an
der Thatsache der gegenseitigen Anti
pathie geändert.
Ader wenn rne Eltern nch schon
nicht leiden tonnten, so war das bei
deren Kindern anscheinend erst recht
der Fall. Ella von Bergen, die zwan
zigjäbrige, schlanke, bildbübsche Toch
ter des Kommandeure, in die stimmt-·
liche Ossiziere det-.l Regiments unsterbi
lich verliebt waren. sand den Leutnant
von Scholten, der schon seit vielen
Jahren dem Truppencheil angebi·rte,
in den sein Vater erst vor drei Jahren
bineinversest worden war« einsach wi
derlich. Und wenn Leutnant von
Scholten von der schönen Ellen sprach,
ließ er auch nicht viel Gutes an ihr·
Aber so redeten die beiden nur dann
von einander« wenn sie rnit den El
tern allein waren. Jn Gegenwart
Dritter äußerten sie sich naturlich sebr
viel freundlichen Und nun erst, wenn
sie zusammen waren, da konnte ei zu
weilen den Anschein erwecken. als wit
ren sie die besten Freu de von der
Welt. Das war ja aucii ganz natiiri (
lich, in der Gesellschast konnten sie sich -
doch nicht gegenseitig schlecht machen,
das verboten doch schon die guten
Sitten. gegen die sie- nicht verstoßen
dursterr. j
Jn Wirklichkeit aber batte das alles ?
einen ganz anderen Grund; seit län- l
ger als einem halben Jahre waren die4
beiden nun schon heimlich miteinander «
oerlobt. Zuerst waren sie sich gegen
seitig wirllich nicht sympathisch gewe
sen« schon deshalb nicht, weil die El
tern sich nicht oertrugen; bis sie dann
beide eines Tages auf einem Diner
zusammensaszen und die Zeit dazu be
nutztem sich darüber llar zu werden«
warum sie sich eiaentlich nicht gesielen.
Da batte jedes an dem anderen nur
gute Eigenschaften entdeckt, bald war
die Liebe iiber sie gelommen, und we
nig später hatten sie sich ver-lobt.
Was daraus werden sollte, wußten
nach ihrer Meinungn nicht einmal die
unfterblichen Götter, denn daß der
Oberst sich mit händen und Füßen
gegen den Schwiegersohn wehren, und
daß die Frau Oberstleutnant nie
mals diese Schwiegertochter voller
Liebe an ihre Brust ziehen würde, da
rüber waren sich beide tlar.
Ellen war ost ganz verzagt, mit
desto größerer Zuversicht blickte aber
ibr Verlobter trotz allem in die Zu
tunst; vorläufig war die sitt ihn al
lerdings auch noch ganz dunkel, aber
irgendwie mußte und würde schon
altes werden. So hatte er noch gestern
rolt Vertrauen und voller hassnung
zu Ellen gesprochen, aber heute war
selbst er ganz getniett, denn in gegebe
ner Veranlassung hatte der here
Oberst am Mittag seinen Ossizieren
mitgetheilt. er wünsche es nicht. daß
junge Leutnants sich schon vertobten
—- tvenn einer Oberleutnant sei, dann
wäre das etwas anderes, dann hätte
er nichts dagegen einzuwenden, aber
siir junge Ossiziere, die sich verlobten,
s sei in seinem Regitnent lein Platz, dies
; müßten sich dann einen anderen Trup- s
bentbeil aussuchem s
Ganz geknickt tam Schatten nachl
us und als erstes nabrn er die Un
riennitätsliste zur hand, unt seine
Vorderleute zu zählen. Er wußte die
aht aus dem Kaps, ei waren noch
Eebenhundertvierundsechzig —- dret
Jahre tonnte ej noch dauern, ehe er
Dberleutnant wurde. Sollte er noch
so lange warten. bis er Ellen Zssenti
lich als seine Braut erklären konnte,
vorausgeseht, daß ei then überhaupt
jemals gelang. den Widerstand der
bei-den Eltern zu be eitigenZ
cr permarterte st das Gehirn, wie
er sein Ziel erreichen tönte —- und
seit einemmal hatte er es gesunden.
In der Freude seines herze-II rief er
Hans laut «hurrab«, aber dann besan
wusch-.
Gast: »Herr Wirth, machen Sie die Thüre zu. sonst nimmt mit du
Luftzug meine Keim katwn vom Temp
Witth: »Ach hören Sie -— das isf aber ein alter Wis!u
er ei doch mit der Angst. Was er da
zu thun beschlossen hatte« war mehr
als kühn. Den Hals tannte es ibm
zwar nicht tasten, aber das Spiel war
sehr gewagt. Dann überwand er aber
doch alleBedenlem Schön-Ellen winkte
als Lohn, da durfte er vor teiner Ge
sabr zurückschrerten.
Am nächsten Nachmittag ließ er sich
auf dem Regimentebureau bei dem
herrn Oberst melden. Der blickte
nicht allzu gnädig aus, als er in sei
ner Arbeit gestört wurde, und daß ge
rade Schatten derjcnige welcher war,
verbesserte seine Stimmung auch nicht.
»Sie wünschen, Herr Leutnant?«
lam es lurz und bündig über die Vot
gesegtenlippen
Nun war der große Augenblick ba,
der Leutnant glaubte ganz deutlich zu
fühlen, wie ian sein herz eine Se
tunde still stand, dann nabm er seinen
ganzen Muth zusammen:
»Ich bitte den Herrn Oberst ganz
gehorsamst um Erlaubninß, meine
Verlobung veröffentlichen zu dürsen.«
Dem Kontmandeur fiel die Feder
aus der hand und ganz sassungölas
iab er den jungen Osfizier an:
»Was wallen Sirt Sich verlpbent
Haben Sie denn nicht gehört, was ich
anen allen gestern Mittag er
tlärte"?«
«3u Besebl here Oberst, aber die
Mahnung tam sitt mich zu spöt. denn
da war ich bereits seit einem Viertel
jahr verlobt.«
Der Kommandeur zuate rne reich-·
seln darüber. »Das thut mir leid siir
Sie aber ich tann meine gestern ge
iiuszerte Ansicht heute nicht schon wie
der ändern. Wenn Sie daraus beste
;hen, Jhre Verlobung zu veröffent
s lichen, tann ich das natürlich nicht der
;bieten aber ich müßte sie dann gleich
3 zeitig zur Versesung eingebra, denn in
meinem Regiment duide ich teine
verlobten Leutnants.«
Also wirklich eine Versetzung
»Seht-lieu siithte, wie er bei den Wor
ten blaß wurde, aber nun gab es tein
» Zurütt mehr. So Jntxvortete er
denn:
«Was der Herr Oberst mir da er
klären, habe Ich mir natürlich auch
schon selbst gesagt. So bitte ich denn
utn meine Versetzung unter der Be
dingung, daß ich noch heute meine
Verlobung publiziren dars.«
»Wenn gegen die gesellschastliche
Stellung der jungen Dame nichts ein
zuntvenden ist ---.«
»Nicht das geringste« Herr Qberst.«
«Und ist Vermögen da?'«
»Danach habe ich nicht gefragt,
Herr Oberst, ich heirathe lediglich aus
Liebe. Die Kaution tann und wird
mein Vater stellen.«
.Und ist denn der mit Jhrent Vor
haben einverstanden?«
»Der weisz vorläusig ebenso wenig
davon, wie mein zutiinstiger Schwie
gervoter.«
«Sie wissen beide noch nicht3?«
Der Oberst snah seine Leutnant ganz
oerstiindniszloo an, dann meinte er:
»Ja, sagen Sie mol. toie denken
Sie sich das denn eigentlich? Die bei
den hahen doch bei Ihrer Jugend auch
noch ein Wort mitzureden«
Scholten hatte diese »Frage voraus
gesehen und das Gespräch absichtlich so
geführt, dofz sie erfolgen umsztr. So
war er denn um die Antwort nicht ver
legen, sondern sagte jetzt mit fester
Stimme:
»Gewiß, Herr Oberst, aber siir mei
nen Vater stehe ich ein, der sagt »ja«,
wenn der Herr Oberst nichts gegen
meine Verlobung einzuwenden hoben,
und das; mein zutiinstiger Schwieger
vater »ja« sagt, wenn der Herr Oberst
»so« sagen, dafür lege ich meine bei
den Hände ins Feuer-"
Der Nonnnandeur hörte diese Ant
wort mit sichtbareni Vergnügen. Dass
selbst der Oberstleutnont. trog aller
Feindschaft, sich fügen würde, wenn ev
selbst ja sagte, erfüllte ihn mit stolzer
Genugthuung und daß der Schwie
gervater, den er wahrscheinlich noch
nieht einmal persönlich kannte, soviel
Werth auf sein Ja legte, zeigte ihm jo
deutlich, wie ei ihm gelungen war, sieh
hier in der Stadt eine prachtvolle Po- ;
sition u schaffen. So llong denns
seine tin-me wesentlich freundlichen
als er nun erwiderte
«Wie gesagt. wenn Sie rnit Jheer
Verfeinng einderstonden sind« habe ieh
die Veröffentlichung Ihrer tier
ng nichts einzuwenden; so. ieh
Einverständnis Ihnen behilflich wäre.
etwa noch bestehende hindernlsse zu be
seittgen."
Der Eintritt des Schreibers machte
dem Gespräch ein Ende. Schatten war
entlassen und schnellen Schrittes eilte
er nach Haus« um Ellen briesliech den
Vertaus seiner Unterredung mit dem
Kommandeur mitzutheilen.
Als der Oberst dann Mittag vom
Dienst nach haus lam, slog ihm Ellen
gliietstrahlend an den hals: .Ach, Du
bester aller Väter, ich wußte es sa, daß
Du nichts gegen unsere Verlobung eln
zuwenden hättest. Nicht wahr, Edgar
ist ein zu bimmlischer Musch. und da
stir, daß Du Dich mit seinem Vater
nicht stehst, tann er doch nicht-K
Wie es tam, wußte der Oberst selbst
snicht, aber plötzlich saß er aus einem
Stuhl und starrte seine Tochter ganz
oerstöndniszloi an.
; .Aber Papa, so oerstelle Dich doch
knicht so,« schalt Ellen, »Du hast es ia
s Edgar ausdrücklich erlaubt, sich öfsent
"lich zu verlobenk
Erst ganz allmählich begriss der
Oberst, in welche Falle ihn derDssizier
gelockt hatte, und so brauste er denn
jeyt ans: «Getvisz habe ich ihm die
Verlobung erlaubt —— aber doch nicht
mit Ditt«
wurde mich sogar freuen, wenn mein
f
»Mit wein denn sonst-' fragte el
len ihn anscheinend ganz verwundert,
»hast Du ihn denn gar nicht danach
gefragt, wer feine Braut ists«
Der Komm-indem laß ganz getniett
da, zu spät fiel ihm das jeßt ein; da
nach zu fragen, hatte er total vergessen
»Aber, Papa, wie tvnnteft Du
amt« schalt Ellen; dann aber lachte
sie fröhlich auf: «Run hilft Dir doch
xalles nichts mehr, Du hatt nun einmal
»ja gesagt und dabei bleibt es.«
; .So? Da werde ich Dir aber doch
das Gegentheil beweiien," fuhr der
Oberst auf, dann tltngelte er nach dein
Burschen und gab ihm den Befehl, lo
fort den Leutnant von Scholten zu
ihrn zu bitten.
Nach einer kleinen halben Stunde
war der zur Stelle, und als er den
Korridor betrat, eilte ihm Ellen, tros
dern sie auf ihr Zimmer geschickt wor
den war, entgegen nnd band in Hand
mit ihm betrat sie die Stube ihres
Vaters: «So, Papa. hier sind wir!
Schelte uns nur aus, —- aher heira
then thun wir uns doch. was, Edgar7'
und zärtlich schmiegte sie sich an ihn.
Der Oberst ging mn erregten
Schritten im Zimmer aus und ab, er
wollte seinem Leutnant so grob wer
den, wie er nur irgend lonnie, und er
tonnte grob werden, dafür war er be
lannt. Aber dieer Mal gelang es
ihm doch nicht, seine Tochter sah ihn
so bittend an und ihren Mund um
spielte ein so glückliches Lächeln. —
Der Oberst nahm seine ganze Energie
zusammen, er wollte stachen, aber
statt dessen blieb er plötzlich vor dein
Ossizier stehen und sagte nur: »Aber
in ein anderes Regiment lasse ich Sie
doch versetzen, da- sollen Sie wenig
stens davon baden. Und da- sage ich
Ihnen, aus die Garison, die ich anen
aussuche, tbnnen Sie sich freuen, da
scheint nicht ’nral am Sonntag Nach
Lnrittoa die Sonne-"
Da fiel ieinBlick von neuem auf fei
ne Tochter und mitten im Satz hielt er
inne. Wenn er ieine Drohung wahr
machte, bestrafte er ja auch iein Kind,
vor allen Dingen aber auch sich selbst.
denn er litt doch am nieiiten darunter-,
wenn er Ellen fortichickitr.
Er sah ein, es blieb ian nichts an
deres übrig, als vie Worte, bie er e
ftern zu seinen Offizieren gespi- n
hatte, morgen wieder zurückzunebmen«
nnd das ärgeete ibn am aller-mitten
Aber Schuld batte er daran, wie Ellen
ihm in einer längeren Rede baut-scharf
bewies, einzig nnd allein. Warum ivar
er to voreiliq qeweieni Bevor er eine
to wichtige Verordnung erließ, war es
seine Pflicht, wenn auch nicbt rade
rnit allen jun-ten Damen der todt,
to doch wenigstens mit feiner eigenes
Tochter darüber Mit-spreche zu neb
men.
Und wenn auch etwas zögernd and
widerwillig, so mußte sich der herr
KOberst doch eingestebem «Itecht III
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