Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 12, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Treu-old
Jahsqang 29. Grund Island, Nebr» 12. Februar l909. (.Zweiter Theiu Nummer 25.
Mein Tag.«
Mein Tag, wie ich dich immer schau:
Du kamst smir grau und gingst mir
grau,
Unsd zwischen Grau und Grau ge
schmiegt
Ein bischen helle Sonne liegt.
Das bischen heller Sonnenschein
Soll mir, wick- Gott, ins Herz
hinein,
Tief, tief, recht tiefvdakz Wams und
r
Die lange, graue Zeit durchbricht
Nicht immer, dask es is gelang,
Und daß mein herz die Noth be
ERN
Ost war es dunkel drin, und oft
hab keinen Glanz ich mehr erhossi.
--—.--.
Recht.
VonRoseRaunau.
Ich atte see seit kangem satt täglich
so gese n. Sie hielten Arm in Arm
in einem Hausflur still, lugten hinter
der Thitr hervor und redeten leise zu
einander. Leise, als hätten sie annsn
sie seien drüben an dem Fenster zu bö
ren, an dem ihre armen alten Augen
scheu und doch unverrückt sehnsüchtig
hingen.
Und dann tam manchmal ein Aus
leuchten in ihreGesichter, und ein zärt
lich eixrises Nicten und Grüßen be
gann, as niemand sehen und niemand
erwidern sollte.
Ein Knabe und ein Mädchen hatten
ihre hellen Kö se am Fenster gezeigt,
»in kindlichem axnpse über ein Spiel
zeug, das seder allein gewollt, und
das sie ebenso schnell wieder fahren
ließen, um sich gemeinsam in ein gro
ßes Bilderbuch zu vertiefen. Die Ge
sichter der tdiden Alten strahlten dazu
wie Sonnen.
Du, leise erschreckend, bogen sie siclk
zurück. Sie wollten wohl sicherer sein
vor dem indifferenten typischen Go
verneßgesicht, das hinter den Kindern
auf-getaucht war und zu rufen schien-·
Und sie warteten weiter, warteten
geduldig, ohne die Gitterthiir ans den
Auaen zu lassen.
iJth til-erflog sie ein Erzitternx er
wollte eilen, aber sie hielt ihn ängstlich
nnd .keschwi5rend zurück, und er fügte
sich. Endlich setzten sie sich in Bewe-»
nun-g, mit vorsichtig nlimessenden
Schritten hinter dem Fräulein nnd
den Kindern her, die das Hat-H verlas
sen hatten, dem Pakt zu, dessen lichte
Bäume gleich hinter der Häuserreihe
sich irn Winde wiegten.
Die Sehnsucht trieb sie vorwärts
und wollte ihnen Flügel geben, und
zur Freude die Kraft und Schnelle der
Jugend. Aber ein tliigeres tlekerlenen
hemmte die histenden Schritte und
wehrte den Abstand zwischen ihnen
und den geliebten Kindern
Es mußten ihnen wohl geliebte
Kinderjeinz es war, Fli- ob eine zwin
gen-sie Welchtl voll wesen junge-«
ichwinaien Füßen tani und auch nie
alten schweren Fiisze leicht machte.
Stahen die Kinder zurück, io traten
saie alten hinter ein Gebüsch, oder sie
drehten sich um und biictten sich nach
einer Blume am Weg.
Dann saßen sie bis zum Sonnen
untergehen aus einer Bank von weiten-.
still und sahen qtiictlieh dern Glück der
Kinder zu. Die lachten in jener aus
athmenden iterteit, die ahnen läßt.
daß sie Erlö tsein von einem verschüch
terndm Druete bedeutet, der aenieins
hin aus ihnen lastet und, von keinem
milden Mutterwort gehoben, wieder
aus sie wartet.
Die Frühlingssonne war im Ver
scheidenx sie lies; ihr rothes Blut in
den blauen himmel verströmen und
iibergosz schmeichelnd die alten nie-os
-betoachsenen Bäume damit, die ihre
langen grünen Sammetschleppen wie
Königinnen trugen.
Die Kinder iauchzen in die rosen
sarkene Gluth hinein und jagen mit
wilder Anmuth um Bitten und Bu
chten Bis das Fräulein, das, lesend,
steif aus einer Bant gesessen und nur
ab und zu kfliehtrniißig ein stereo
typ-es- «Don’t.« in ihren Uebermuth
gerufen, sie zum heim-we aufsardert
und ihnen die weißen wo enen Jucken
überziehen hilft.
»Di- tirne now!« Sie gehen heim
an der Hand des öltbiehen Fräuleins-.
das ffosielnd und verdrossen in dao
dännvernde Daniel sieht mit dem un
bewußten Gedanken, dah wieder ein
Tag lich abgesponnen, sreudloe, stan
los wie die anderen, ein Tag im- Früh
tina noch dazu.
Sie ift in sich versunken, und die
beiden Kinder nütien das froh aus und
ruer sich, vorwärts und rückwärts
geneigt. lustige Neckworte zu.
Der alte Mann unddie alte Frau
sind iihm blieben. Sie sehen ihnen
nur nach, pii n, solange-Licht von
den sieben Pei Gestalten durch die
Wische iehemt.
---- -- - -..---«-·.p .—» —-......—. s-- . , « —
»Ok) sie denn gar nicht mehr Deutich
reden? fragt sie.
»Ireilich«. tröstete er. »Und der
Haken wird doch Ostern, deute ich, in
die Schule lammen, und eine englische
giebteo hier doch Gott sei Dank nicht.
Wie arosz der Junge ir-ird«, setzte er
stolz hinzu.
»Und wie schön ric Given heute wie
der gewesen ist. hast ou auf ihren
Gang ausgepaßtT Ganz so, aber auch
ganz so, ist doch unsere Mars-e gegan
gen; daß man immer meinte, sie fliegt
nur so am Boden hin, statt darauglzu
treten.« Sie wischte ver tohlen die u
gem die aussahen, als ob das Weinen
ihnen Gewohnheit sei.
Ich sehte mich zu ilmen aus die
Bank; ich sagte, daß ich sie sost chon
gesehen be, und daß es ein schönes
ruhiges lätzchen hier wäre, und wie
das beste aus der Welt dieKinder seien.
Es war nicht schwer, sie zum reden zu
bringen. Erst sprach nur sie, und er
musterte mich still, als müsse er er
gründen, ob ich etan zum S ioniren
gedungen. Dann til-erzeugte i n wohl
mein Antheil von meiner Ungefähr
lichleit und meins Erstaunen, das so
mit allen Sinnen bei ihnen war.
Was alles heißt das Gesetz gut!
Was unterstützt es gar! Sie hatten in
später Ehe ein einzig Kind gehabt.
Dai- liatten sie voll Liebe behütet. hat
ten geschasst und gedarbt, um ihm
mehr Erziehung geben zu können, als
ihnen einmal in einer arbeitvollen Ju
gend gegönnt. Eins Kind. ein Mäd
chen, das Odie Zärtlichkeit belohnt, das
ihnen immer tieser mit dem eigenen
Leben verwachsen war, und das ge
ichworen hatte, es würde nie jemanden
heißer lieben als seine beiden guten
alten Eltern.
Die lächelten zu diesem Schwur und
warteten heiter auf die Stunde, wo er
gebrochen werden würde. Sie freuten
sich im voraus, wieviel leichter es ih
rem Kinde werden sollte, sein Haus zu
bauen als ihnen, die so lange bitter
siisze Jahre des Harren-s dasiir verlo
ren, freuten sich daraus, ihres Kindes
Dant·barteit darum zu sehen und zu
gestiegen
Ubet es wurde anders, als sie
träumt hatten; schöner, ganz unwa· r
scheisirlich viel schöner, sagten die, die
es nicht verstanden. Der Mann, der,
ihnen unbegreiflich, ihrer Tochter Herz
gewonnen, ist über ihrem Stande, ist
stolz; und sie lieben ihn nicht wie er
ihrer nicht hedars. Er entstammt ei
nein anderen Lande. Und sie mehrten
sich und legten der Ehe, die ihnen als
ein seltene-s Glück geneidet wurde alle
Steine in den Weg, die sie finden
konnten. Bis die Steine u einer
Mauer geworden waren zwiche n ih
nen und dein, der ihr Sohn sein
wollte
Sie werden viel Schuld getragen
haben, die alten eigenwillizen Leute,
und ihm das sLeben erschwert haben,
weil ihnen gedünkt, er verachte sie am
ihrer Einfachheit willen, indesi er wie
der jede leiseste Veränderuna nnd Ver
stimmuna seiner Frau aus ihre Beeit
flussnngaeschoben hatte.
»He gingen dato qar nicht mehr in
fein Hanf-, nur die Tochter tam zu il)
nen. Sie bracht-e ihnen Sonnenschein
und tausend Freuden mit ihren beiden
holden Kindern, die, schnell isinterein
ander geboren, der Mutter nur viel
von ihrer Kraft genommen hatten
Wie es immerhin möglich geworden,
daß eine einfache Eriältunq sie zer
brochen hatte, das hatten sie damals
nicht begriffen und würden es nie de
greifen im Leben. Wenn er nur nicht
Schuld trug!
Damals waren Vater und Mutter
an ihrem Bett gewesen und nicht sort
gegangen, gar nicht bedriidt von ihrem
gebildeten Schwieaersohn, der ihnen
unwichtig geworden schien, wie sa al
les aus der Welt Unwichtig war vor
diesen Augen, die sich schließen wollten
Und dann, wie sie unter tausend
Blumen begraben lag, hatten sie erlebt,
was wie ein Dammerschlag vor ihre
Stirn gewesen war, von dem sie erst
langsam zum Bewußtsein kommen
soll n. Er hatte sie ersucht —- o so
höslsich, er war immer so höflich! —
den weiteren Verkehr mit den Kindern
einzustellen; er hatte ihnen ertliirt, daß
er teine sremden. störenden Einstiisse
in seiner Erziehung wolle. Keine frem
den« hatte er gesagtt
»Wir haben seine Wohnung nun
nicht mehr betreten, natürlich nicht,
wir haben ihn bloß gebeten, wahrhaf
tig gebeten und immer wieder ge ehrte
ben drum, er möchte uns doch marniy
mnl die Kinder schicken. Und wenn's
nur stir eine Stunde wäre. Er hat es
nicht gemacht. Nicht ein ein iges Mal
sind die Kinder zu ihren roheltern
gekommen, wo doch die Mutter unser
ebekges Kind gewesen ist. Es gibt
bal keinen Anwdlt hier und keinen
Konsulentem die -mei;tens tliiger sind,
wo wir uns nicht he ragt haben: von
Gericht zu Gericht sind wir gegangen,
und überall sagen sie immer wieder:
Der Mann ist in seinem guten Rechte!
i Ein schönes gutes Recht, das ihm
das erlaubt. Er darf uns einfach je
des Wort zu den Kindern verbieten, er
darf sie strafen vor unseren se den
Augen, wenn sie im Vorüberge n zu
uns lächeln untd leise und verstohlen
niclen wollen und Thränen in den Au
gen haben. Er dnrs die Polizei zu
Hilfe rufen, wenn wir sie umarmen
wollen.
Jahrelang haben wir getämpst unsd
alles versucht, weil wir dn mit unseren
alten Köpfen nicht drüber weg konn
ten. Die Kinder von unserer Tochter
sind doch unsere Kinder auch, haben
wir uns alle Tage gesagt. So gut, wie
sie uns einmal beerben müssen. Aber
das soll alles nicht gelten vor Gericht
Nun sind wir endlich soweit ruhig.
Wir müssen uns eben verstecken und
alle Nachmittage drüben hinter der
hausthiir warten wir wie Diebe und
sehen zu, ob die Kinder nicht ans Fen
sten kommen, und wenn sie fortgehen,
geken wir hinter ihnen her, solange-·
wie sie zu sehen sind.
Ansprechen thun wir sie schon lange
nicht mehr, dass wir ihnen die armen
tleinen Seele nicht nnszloserweise
kann-er machen.
Und hoffen thun wir auf gar nichts
mehr, auf nichts-. Wie wir dort die
Sterne am ·mmel sehen sund bewun
dern, so dür en wir die lKinder sehen
und bewundern. Anders nicht. Ach
wer sie doch einmal noch tiissen Wim
te, blos ein einziges «M«al.«
Der alte Mann hatte tröstend den
Arm um sie gelegt, ein ·ut-er Blick aus
seinen Augen tviirnite i r Gesicht und
ließ die Thränen darauf verfcknvinden
Thörichter Vater, mußte ich denken.
Jst-denn die Welt an Liebe fo reich,
daß wir das Erbe unserer Kinder ver
schmenden dürfen? Wartet denn im
Leben draußen soviel Wärme auf uns,
daß mir verachten dürfen, was uns
von Lieke in die Wiege gelegt ist's Und
was hast du ihnen in der Welt zu ge
lsen fiir die Zärtlichteit und Treue, die
du von ihrer Thüre sagst?
» Ich sann auf ein Wort, das ihnen
Iwohltlmn konnte, und sprach endlich
von deer Segen, den Liebe auch in der
Ferne mitten könne. Sie hörten mich
wohl taum. Sie sahen wie mit Miet
lofen Anan in den Wald hinein, der
. fröftelnd im Dämmer stand. Nur die
weißen Bietenstämme leuchteten her
vor, und auch die schienen ihre Her
melinmäntel fester um den feinen Leib
zu ziehen, als wollten sie sich schützen
vor der lalten Welt und den talten
Menschen darin.
..·..--..-— - -«
Große Vermögen
« in Wechsel zeitgeschichtlicher Aus
sa ungen verändert sich auch die Vor
stellung von Reichthum, voni großen
Vermögen Jn früheren Jahrhun
derten galt schon als Krösiis« der
eine Summe von einigen Tausend
sein Eigen nennen konnte, heute
dagegen würde ein gleicher Besitz an
irdischen isiiiterii ihn iaum mehr ali
iisohllialiend erscheinen lassen. Worin
ist dieie grundsätzliche Erscheinung
zwischen eiiiit und ietzt in puncto der
sezialenellierthung des Vermögens be
gruner Man sucht sie gewöhnlich
damit zu erklären, dasi man sie als
eine natiirliche Folge der allgemeinen
lintiverthung des Geldes bezeichnet
Jnsolge dieser Veränderung des Geld
ioerthes habe sich auch derWerthrnesser,
die Begriifsfeiiitellung sitr das große
Vermögen verschoben. Ob diese Theo
rie in ihrem nollen Umsange richtig ist,
ob nicht vielmehr noch andere soziale
und inltnrelle Momente hierbei eine
Rolle spielen --— das festzustellen, ist
gewiß eine danienswertheAusgabe der
ioziawbilofovhiichen Forichnug Dein
gegenüber ist es jedoch Thatsache, dasi
. ie Biioung großer Berniogen in neue
rer Zeit weit rascher vor sich geht als
Er- sriihereii Jahrhunderten Dafür
sind die tiiiesenverniöaen ini Dollar
lande sprechende Beispiele. Hier be
stehen allerdingg auch andere Verhält
iiitse: die Beschasseiiheit der Kultur,
der Charakter der Gesetzgebung wei
cker dersiapitalbildnng förderlich war,
und-last not least-—die wirthschast
liaie Ruhrigteit und Erpanfionssähig
teit der großen Masse des Volleiz spie
leii da eine wichtige Rolle.
Die wirthschastlichoCntwicklung un
serer Zeit neigt natürlich start zu Ka
pitalbildung hin. Das zeigt sich recht
zdeutlich bei den Genossenschasts- oder
»Gemeinschaft-LUnternehmungen, deren
sTendenz überhaupt daraus gerichtet
; ist, arosze Vermögen an einer Stelle zu
jrereinigein Hier gehört es gar nicht
smehr zu den Seltenheiten, dasi das
isiaoital solcher Unternehmungen auf
ieinige hundert Millionen sich bezisseri.
jSo veriügt beispielsweise die Deutsche
Flianh die größte unter den deutschen
sGrosibantein über ein eigenes Kapital
ilAitieniapital und Reserven) von
mehr als 75 Millionen Dollars, wäh
rend die bei der deutschen Reichöbanl
! liegenden Gelder (beeares Geld und
Wechsel) die erkleckliche Summe von Z
Milliarden Mart übersteigen. Aller
dings handelt es sich hier nicht um
Vermögen in dem Sinne, daß jene
Summen dasEigenthum dieser Betrie
be darstellen. Aber sie arbeiten und
werben sdoch in wirthfchaftlicherHinsicht
nnd bilden ebenso eine finanzpolitifche
Großmacht wie der einzelne Geldfiirst.
Gar manches Land und mancherStaat
trat sein Schuldtonto im Hauptbuch
der Großbanien, auf deren Blättern
oftmals die verworrenen Fäden poli
iischer Ereignisse zusammenlanfen.
Nur kommt bei dieser Art eines großen
Vermögens nicht das Persönliche des
Einzelunternehmer-T als vielmehr der
genossenschaftliche Geist einer Gemein
schaft zum Ausdruck.
Die Entstehungsnrsachen dieserVer:
möaen liegen llar zutage. Sie beru
hen auf einer durch Gesetzgebung und
genossenschaftliche Organisation be-·
xsiinstiaten Kapitalbildnng und Kapi
tallonzentration, also auf einer künst
lich geschaffenen Grundlage. Ganz
anders bei den aroßen Vermögen der
Einzelpersonen, die dassErgebniß einer
aanzen Reihe versönlicher Eigenschaf
ten und Bethiitigungen sind. Jhr Ent
stelsungsvorgang ist also ein rein na
türlicher, wenn auch dar- Moment des
lilliirleg nnd Zufalles oftmals eine
große Rolle spielt. Hier gibt es des-—
halb auch keine Vorausbestimmung,
leine Anbaltsvnnlte iiber das Wachs
thum eines solchen Vermögens wie bei
genossenschaftlichen Kapitalbildungen,
sondern lediglich einen geschichtlichen
Werdeaana, der allerdinas oftmals
auch mit zahlreichen wirthfchaft5-psy
chologischen Momenten verbunden ist.
Vielleicht qelinat es, an der Hand die
se- da·«« Duntel unermeßlichen Kapi
talwachsthums zu lichten.
Die Kuliurgeschichte ist nicht arm an
Veispielen der Entstehung großer Ver
mögen. Und Reminiszenzen von welt
geschichtlicher Bedeutung verknüpfen
sich mit ihnen; denn die Macht des
Geldes konnte ja in früheren Zeiten
unumschräntter herrschen, weil die
Kultur über keine andere ebenbürtige
Macht verfügte. Selbst die herrsch
süchtigsten Kaiser und Könige beugten
sich vor ihr. Schon im M. Jahrhun
dert hatte sich bei den reichsten Kauf
leuten der damaligen Zeit, den Fug
gern, ein Vermögen gebildet, das nach
Millionen zählte. Jui Jahre 1546
verfügte das Handelghaug in Auge
burg über ein Betriebskapital von 5
Millionen Gulden, während das Pri:
vatvermögen der Fugger sich auf mehr
als etwa 60 Millionen Gulden belies.
Einer der Inhaber jenes großen Han
delshauseg, Hans Fugger, dein außer
dem wie allen Fuggern, ein ausge
dehnter Landbesitz (im Jahre 1575 siel
ihm bei dertfrbtheilung ein solcher von
nahezu 52l),t)(.)0 Gulden zu) gehörte,
war in der angenehmen Lage, 60,(,)00
Gulden im Jahre fiir feinen Privat
bedarf ausgeben zu können. Ueber
haupt konnte er sich einer so großen
Zahlungöfähialeit rijhmeu, daß er in
dem Jahre Mist-, in dem seine beiden
Söhne heiratheten, Ausgaben in Höhe
von 243,0(u) Gulden zu machen ver
mochte. Er sowohl wie die übrigen
Fugger haben denn auch Unsummen
Geldes für Kunstgegenstände, Samm
lungen und Unterstützung ähnlicher
kulturfördernder Bestrebungen aufge
wendet. Ja selbst Fürstenwappen und
Fiaisertroneu sind mit dem Gelde der
Fugger bezahlt worden. Soweit ging
der Einflqu des großen Vermögens
der Fugger auf die Entwicklung der
Weltgeschichte und die Geschicke der
Völker.
I Aus verhältniszmiißig einfachensVer
hältnissen waren auch die Welser, die
in Hambura lebenden Kaufleute des
Hauses Parish und einige andere Han
delsherren der deutschen Hansa zu
ums-en Vermöaen gela»»t. Diesen
Geidsiirsten aus der Bliithezeit des
Handels im Mittelalter treten die
Geldflirsten aus der Blütezeit des
Rothschildg ekenbürtia zur Seite. Noch
heute erweckt der Name dieser Familie
die Vorstellung unermeßlichen Reich
thums. Nicht etwa bloß in Deutsch
land, vielmehr ebenso auch in Frank
reich, England, Oesterreich und Ame
rika, wo sich taufinänniscke Niederlas
sungen dieser Familie befinden. Und
haben sich auch die Reichthümer unter
zahlreiche Glieder dieser Familie ver
zweigt und vertheilt, so zählt doch noch
jeder Rothfchild zu den reichsten Leuten
der Welt. Als vor einicsen Jahren der
Führer des Rothschild-.bauses in Pa
ris, Baron Alfons Nothschild, starb,
hieß es. sein Vermögen habe sich aut
70 Millionen Dollars belaufen. Wohl
aus die gleiche Höhe schätzte man das
Vermögen jenes »armen·' reichen Noth
schild ein, der als kranker Mann, ge
traan von hölzernen Krücken, den mit
to reichem Golde bestreuten Wea des
irdischen Daseins wandeln mußte.
Dieser Baron Rothschild in Wien, der
den Reichthum selbst nicht genießen
konnte, besaß wenigstens die Eigen
schaft, als Mitfühlender soziale Lei
den lindern zu helfen. Sonst immer
rechnend und sparsam, ja sast geizig,
erschien es ihm Pflicht, von seinem
goldenen Ueberslusz die »Kleinigleit«
von Millionen für arme und trante
Leute auszugeben. Noch als dieser
Rothschtld in jene andere Welt über
siedelte, da die Macht des Geldes tei
nen Bettelpfensnsig mehr werth ist,
schenkte er der Stadt Wien 50 Millio
nen zum Besten ihrer Kranken und
Leidenden. Freilich was bedeutete
diese letzte Gabe gegenüber der Fülle
seines Reichthumsl Andererseits ver
mochten sie aber doch im sozialen Le
ben des- Gemeitnvesens manche Thräne
trocknen, manchen Schmerz lindern
helfen. z
Wohl an die zwei Iltilliarden sindl
es, über die diese Familie versügt und s
von deren Gliedern der Reichste, Lord«
Rothschild in London, »nur« 75 Mil
lionen Dollars sein eigen nennen
kann. Entschieden hat es einen beson
deren sozialpsychologischen Reiz, den
Ursachen nachzuqehen, daß die Ströme
so unermeßlichenReichthums gerade »in
einer Person, in einer Familie zusam
niensließen. Allein die historische For
schung findet hier oftmals verschlossene
,Quellen. Und doch würde, wie der
« Chronist berichtet, der Histoeiter in den
Archiven der verschiedenen Rothschild
Banlen die Weltaeschichte von einer
eigenthümlichen Seite kennen lernen
und überraschende, nicht immer er
freuliche Einblicke in die grosze politi
sche Küche gewinnen. Denn auch diese
Vermögen waren einst eine Großmacht
Von ausschlaggebender Bedeutung in
deren aoldenenr Glanze wichtiqe Epo
cheln der Weltaeschiehte sich widerspie
qk U.
Allerdings werden diese Vermögen
aus der deutschen Handelsgeschichte
Inichi nur durch ihre Zahlenhöhe, son
dern auch durch die Eigenart ihrer
sEntwictlung übertroffen. Hat doch
schon der Volksmund den »grenzenlo
Hen« Begriff des .,Multimillionärs«
geprägt « ein Begriff, der so recht die
Vorstellung des hiinmelstiirnienden
sWrsltentratzers oder anderer ,,unbes
grrnzter Möglichkeiten« erweckt. Auch
der Multimillionär ist ja eine Pflanze
der amerikanischen Treibhauskultun
Hier liegt die Entstehung und das
Wachsthum derVerinögen klar zutage
Eine neue Kultur, eine neue Geschäfts
politik setioas herrschsüchtig und unge
fättr ebenso skrupellos wie die deS
;!l.ltittelolters) und die soziale Eigenart
s der Gesetzgebung mußten sich verbin
den, um das Gras in die Halme schie
ßen zu lassen. Denn nicht allein kauf
männische Tüchtigkeit (ini Sinne von
Sparsamkeit und Rechtschaffenheit),
oder die geschäftliche Ausnutzung der
sionjitnkturen führten zum Erfolg,son·
dern hier wirkte auch die Trustbildung
ais wichtiger Fattor mit. Es zeigt
slcls Mel Un Illsdllllilcllmlllkll UDll
kaufmännischer Persönlichkeit und ge
nossenschastlicher Organisation Wie
anders könnte das Lebenswert eines
Einzelnen niit einein Milliardeii:Ver—-s
nidgen aetrönt werden, über das bei
spielsweise der Petroleuinkönig Jolsn
D. Rockesekler versügt! Oder sollte
lediglich die kaufmännische Tüchtigkeit
ins hergebrachten Sinne Andreio Car
negie 125 Millionen oder W. K. Van«
derbilt 100 Millionen in den Schooß
gelegt haben? Darin liegt ja der so
ziale Unterschied des Erfolges-: War
die Fugger, die Rothschild5, dieseruppg
und andere durch Generationen hins
disrcfi erreichten, das haben jene Mul
iinrillionäre in der verhältnißniäßig
kurzen Zeitspanne eines Menschenal
ters fertig gebracht. Es scheint, als
ob in unserer schnelllebigen Zeit auch
die Vermögen schneller ioiichsen Auch »
Pierpont Morgan niit seinem aus 75i
Millionen und Georg Gould mit sei-s
nein aus 70 Millionen geschätzten Ver i
mögen gehören zu diesen modernen
Geldsiirsten
Aber auch aus dein Glanze dieser:
Millionen und Milliarden leuchten diei
Ereignisse der Weltgeschichte, der amess
riknnischen Kultur hervor. Sie stel-;
len wie aus einem Oelgeiniilde den sor
bigen Hintergrund dar, auf dein sich
das Bild der Weltereignisse erst recht
deutlich abhebt. Schon in der Ent
wicklung des Handels der Neuzeit tre
ten marlante Züge hervor, die an die
Geschäftspolitik amerikanischer Teilst
rnagnaten erinnern. War es doch
Theodore Roosevelt, der das Wort von
den »reichen Räubern« prägte, um da
disrch die neschöstlichen Manivukatio
nen der Dollarksnsige zu charakterisi
ren. Und noch hat die Geschichte nicht
ihr letztes Wort gesprochen, noch hat
überhaupt die Fackel der historischen
Forschung nicht hineingeleuchtet in die
Werkstätten dieser großen Vermögen!
o groß aber auch der Vermögens
tz der einzelnen Betriebsform oder
des einzelnen Menschen ist« alle diese
Summen stellen doch nur einen Theil
des Nationalvermögens dar. Des
halb hat auch die Gesammthrit einen
gewissen Anspruch daran. Präsident
Roosevelt machte sich diesen Satz zu
eigen, indem er die großen Vermögen
bei der Verwirklichung eine-I neuen
Steuerplanes bevorzugte. Auch sonst
isi wohl den meisten derGeldfiiriten die
Mehrheit dieses Satzes zum Bewußt
sein gekommen Sie streuten Tau
sende um Tausende für gemeinnützige
und wohltätiae Zwecke, für die große
und wohlthätige Zwecke, für die große
bauten Arbeiterhäuser, dienten der
Kunst, dem Kunstgetverbe und der
Förderung der Kultur. Die Roth
sclnlds vermochten Millionen zum
Besten der nothleidensden Menschheit;
tin-pp, der ja auch etwa 45 ktiillionen
besitzen solt, schus eine ganze Reihe vor
bildlicher sozialer Einrichtungen siic
seine Arbeiterschaft und Beamten. Und
die amerikanischen Dollartiinige wett
eifern beinahe, sich durch wissenschaft
liche und wohlthätigeStistungen volks
thümlich zu machen. Die Millionen
spcnden Carnegiejz Nobels und ande
rer siir hervorragende wissenschaftliche
Leistungen sind ja allenkhakisen be
trunk.
Eine solche Art der Verwendung
sitt den großen Vermögen einen un
schiitzbaren intierewKulturwerth. Denn
siiiange noch nicht das Jdealbild einer
sozialen Kultur, nach tsselitsein es
keine Armen mehr gibt, erreicht ist,
wird der ileberfluß stets einen frucht
lueen Boden finden. Darin äußert
fut- die soziale Moral der Reichen.
M. Richter.
—-—-.- .—.-— .-.
Mir Geniettretch zweier Schneider-.
Zwei listige Schneider mußten vor
dem Strafrichter einen kleinen Genie
streich in recht empfindlicher Weise
büßen. Vor der 6. Straikammer des
Landgerichts in Berlin waren die
Schneider Andreas Hauffa und Sta
nislaus Zmudinsli wegen einein
schastlichen Betrug-es, bezw. chtverer
. Urkundensälichung eingeklagt. Hanffa
betreibt in dem Hause Kirchstrafze 5
in Moabit eine Schneiderwerkstatt.
Bis zum Dezember v. J. hatte er im
mer piinitlich die Mietbe bezahlt. Erst
als im Dezember das Geschäft schlecht
ging, blieb er sie schuldig. Um aber zu
verhindern, daß sich der Haustvsirth san
sein-en Möbeln schadlos halte, tam
Hauffa auf einen schlauen Ausweg. Er
ging zu feinem Landsmann Zmud
zingti und weihte ihn in feinen Plan
ein. Am nächsten Tage erschien Zwieb
zinsili bei dem Hauswirth und stellte
sich als Schneidermeister Miuzek vor.
»Er erklärte, er wolle den Laden des
Hauffa, der, wie er aehört habe, sich in
Zahlungsschitvierigteiten befinde, auf
mehrere Jahre miethen. Jn Begleitung
des angeblichen Muzet befand sich noch
ein Mann, der sich- alS Tuchlieferant
deiz M. vorstellte und diesem das beste
Zeuaniß anb. Der Hauswirth war
natürlich höchst erfreut, ein-en so guten
Mietlkser zu belonnnen, und ließ Wein
und Zioanat auffabren, den« sich Muzel
und sein anaeblicher Tuchlieferant gut
schmecken ließen. Schließlich tam ein
Mietbgvertraa liustansde, naeb welchem
der Muzek-Zinudzinsiti die Räume bis
zum April 1913 miethete. Nun-mehr
stellte es sich heraus, daß M. schon die
Wohnung zum 1. Februar beziehen
wollte. Fiir den Hauswirtb war nun
guter Rath tbeuer, da Hauffa bis zum
l. April Kontralt hatte. Aus Anre
guna des Muzet begab sich der Wirth
zu Haufia und zahlte diesem eine Ab
schlagsssumme, damit Hauffa schon am
1. Februar die Wohnung verlassen
sollte. Auf diese raffinirte Weise blieb
H. nicht nur im Besitze sein-er Möbel,
sondern erhielt auch noch Geld dazu.
Zmudzinsli. der den Mietbtontratt
mit dem Namen ,,Muzel«, der in der
Uebersetzung ,,-Sch·wein« bedeutet, un
terschrieben hatte, zoa natürlich nsie in
die Wohnung ein, so daß der Haus
wirtli der doppelt Geprellte war.
s
Jtu Kanicnier Taaeblatt ist unter
Sitzung der 2. Straftamtner deg
Königl. Landgerichts zu lesen: ,,Viels
sach heiter, aber veränderlich; zeitweise
leichte Regnfälle; mäßige nordijstliche
Winde; Temperatur nicht erheblich ge
ändert.« Die Sitzung der Straftam
mer scheint im Freien stattgefunden zu
haben. Jm Uebrigen hat offenbar
nicht viel zur Verhandlung vorgele
gen.
st- Iit II
Es hat zum Zaren sich ernannt
Bulgariens Herrscher ohne Müh’;
Und wird er selbst auch anerkannt.
Er bleibt doch stets ein . . . Zarvenu.
III V- Il
que französifche Zeitung, die be
hauptet, Amerika sei spärlich mit
Dichtern gesegnet, sollte einmal in un
serenSensationsblättern Umfcbau hac
ten. Das würde sie von ibrem Irrtum
sehr schnell kurieren.