Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 18, 1908, Zweiter Theil, Image 13

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    Das Telephon.
Stizze oon S. Barintay.
l.
Mit vergnügtem Gesicht fah herr
Mllmann aus dem Fenster. Die
blaubekittelten Arbeiter kletterten lei
terauf, leiterab, rollten den Draht,
spannten ibn, brachten die Jsolir
gloetensam Jede gelungene Hand
reichung und That erfüllte den Zu
schauer mit stillem Entzücken.
Jn einer Stunde sollte es ihm schon
zur Verfügung stehen, das Telephon,
nach dem er sich bereits seit Monaten
ordentlich gesebnt hatte! Was siir eine
Erleichterung ftir ihn! Wie viel Ge
schäftliches konnte er nun von daheim
aus erledigen, so manchen Gang spa
ren und so manche Stunde dafür in
seiner Familie zubringen —- oder auch
wegbleiben, weil er sich doch leicht ge
nug entschuldigen konnte. Und das
zuwidere Briefe- und Kartenschreiben
an Freunde und Bekannte hörte so
ziemlich auf, denn die meisten besaßen
Apparate. Eine Zusammenbestellung
zu einem Augfluge. Ab- und Zusagen,
Aufmunterungem ließen sich trefflich
durch Telephon befördern, und sogar
Gratulationen waren turz und bündig
und doch herzlich ganz prächtig auf
diesem Wege abzumachen.
O, es sollte herrlich werden!
Einmi, seine Frau, hatte es dann
bequem bis zum Wohlbehagen."Alleö,’
vom Metzgersleisch bis zum Tündel-»
schürzchem konnte sie sich in’s Haus be- H
stellen, zu ihm selbst in’s Geschäft re-«
den und ihn nach Bedürfniß um Rath!
sragen oder er sie nach dem täglichen
Speisezettel, wenn es ihm einsiel, sich
darum zu kümmern oder ihn nach sei-;
nem Geschmack zu torrigiren.
Zahllos waren die Vortheile! Nur.
der Kostenpuntt hatte ihn so lange vors
der Anschaffung zurückgeschrectt. Aber
was sparte er doch auch damit! Trom,
Porto und die Schuhsohlen schonte er.
Das gab ein Stimmchen, das in Abzug
zu bringen war! Und schließlich, für
die Bequemlichkeit thut man auch mal
ein übriges.
Wenn ers so bedachte, so war das
Telephon eine gewisse Nothwendigteit,
ein Faktor des modernen Lebens. —
Voll Stolz und Freude trat er zum
ersten Male an den Apparat. Reben
ihm stand seine Frau mit strahlenden
Mienen und Julius, sein vierjähriges
Sühnchem mit neugierigen Tellerau
In. Nur das Bahn im Schaut-ma
gen war theilnahmlos.
Piillmann telephonirte an einige
Freunde und war entzückt, als er sich
ilmit ihnen so schön verständigen konnte.
Dann unter-wies er Emmi imGebrauch
und ließ Julius mit einem Onlel
sprechen, der in einer anderen Stadt
lebte. Sie lachten herzlich über den
Jungen, der wie besessen vom Tele
phon wegzappelte und suchend in’s
Nebenzimmer lief, denn: »der Onkel,
der ist da hinter der Mauer und hat
mir was mitgebracht«, ries das Kind.
»Es ist eine wunderbare Einrich
tung!« sagte Oerr Pöllmann befrie
digt, als er sich zu Bett legte. »Wir
werden sicher viel Ruhen davon ha
heut«
Und seine Frau nickte in der gleichen
Ueberzeugung und träumte schon da
von, das theure Dienstmädchen über
slüsstg zu finden.
ll.
Am nächsten Morgen war das Te
lephon bei Pöllmann's Hausgespräch
Alle Frauen leiteten ihre Morgen
plauderei mit Emmi mit der bewun
dernden Dehnung ein: »Sie haben ja
seht das Telephon in der Wohnung!
Gott, wie bequem!«
Und Emmi fühlte sich glücklich und
lücheltr. »Es steht Jhnen zur Verfü
gung, selbstverständlich! Jederzeitt
Kommen Sie nur zu uns!« Das
sagte sie zu allen den Nachbarn von
nebenan, von oben und unten, natür
lich in verschiedenen Graden der Lie
benswürdigteit.
Als sie an sechster Stelle mitten in
der Schilderung aller Vortheile des
Apparates war, gelltc die Meldeglockr.
Sie sprang gemsenfchnell in die Woh
nung. Jhr Mann sagte ihr zum
zweiten Male ,,Guien Morgen« vom
Geschäst aus.
»Nein, wie reizend!« Lachend lam
sie wieder. »Wie reizend!« echoten die
Frauen.
Die nächsten Male sand sie es aber
schon weniger nett. Einmal erwachte
das Bahn aus seinem Vadeschlas von
dem Geschelle und schrie wie ein Ferlel
unter dem Messer, das andere Mal —
ein Freund ihres Mannes sprach —
brannte ihr der Braten an, weil das
Mädchen eben abwesend war.
Sie telephonirte das voll Unmuth
ihrem Gatten. Pöllmann war ein
Feinschmecken Er brummte per Draht,
und nach einer halben Stunde ilingelte
er lchon wieder an und sagte sich siir
Mittag ah, weil ein dringendes Ge
schäft ihn abhalte, den weiten Weg zu
machen; er werde rasch im nächsten
s Resiaurant speisen.
Das war ein Kniff, und Emrni
durchschaute ihn. Sie konnte allein
mit Julius am Tisch sitzen. und der
Opurmet ließ sichs irgendwo wohl
—sein. Verdrießlich ließ sie sich nieder,
rnit dem qnarrenden Kinde aus dem
, Schopfe, das nicht mehr sum Schleusen
’«ls
—
zu bringen gewesen war, stacherte an
dem verdorbenem Fleische herum und
war zum ersten Male zornig aus das
Telephon.
Doch selbst das schlechte Essen
tonnte sie nicht in Ruhe genießen. Die
haudbesitzerin begehrte mit einiger
Dringlichkeit Einlaß. An der Gas
leitung war etwas gebrochen, und
weiss nun so bequem war, bat sie,
das Telephon benuhen zu dürsen.
Jn der nächsten Zeit kamen sie alle,
die im Hause wohnten, sie kamen vom
Nachbarhause und schließlich aus der
ganzen Umgebung! Erst in Rothsäl
len. wenn jemand trant wurde, oder
auch um Angehörigen eine wichtige
Nachricht zu übermitteln, bald aber
für zahllose andere Sachen. Bier,
Theateriarten, Toiletten zur Auswahl,
Lebensmittel, lunterbunt wurde alles
durcheinander bestellt durch das Völl
mann«sche Sprachrohr-. Frau Emmi
kannte in kurzem alle Lebensgewohn
heiten der Nachbarn, ihre Lieferanten.
lihre Vergnügungen, ihre Vettern und
Busen. Die Schwelle wurde taum
imehr leer, und das Hauswesen ging
Haus den gewohnten Fugen, denn es
gab doch bei jeder Inanspruchnahme
»ein kleineres, ost auch ein großes Ge
spräch.
Dazwischen wurden sie selbst wegen
alles möglichen und unmöglichen ange
rusen, und so bei ihrer Arbeit und in
ihrem Behagen gestört. Keine Stunde
verging, ohne daß es schrillte.
lit.
Nach vier Wochen war das Telephon
Bein Ehepaar eine Last, doch keines
Brach es aus. Erst als sich die Bitt
stellerinnen mehrten, die just lamen,
wenn sie bei Tisch saßen —- das Tele
phon befand sich im Speisezimmer —
brach der Zorn bei Pöllmann los.
»Es wird mir zu dumm! Jch will mir
nicht tagtäglich in die Schüsseln gucken
lassen! Jch will in Ruhe essen! Laß
mir leine dieser Gänse mehr hereint«
»Aber haus, wie heftig! Sie ent
schuldigen sich ja so artig!«
»Ich pfeif’ auf die Suada und will
ungestöet bleiben!« antwortete er wil
thend.
Das Mädchen wurde angewiesen,»
niemanden in Zutunft einzulassen,
wenn sie speisten. Daraufhin gab es
schiefe Gesichter und lnappe Grüße, die
Frau Emmi peinigten. Sie regte an,
die Wohnungseinrichtung zu ändern.
»Es würde sich viel ruhiger schlafen
hier, als nebenan. Und dann« wegen
des Telephons . . .«
»Natürlich, deswegen!
Dich schon gehen! Jch hab’ mein Te
lephon sitr mich einrichten lassen, nicht
fiir die Nachbarschaft!«
Seine Frau beruhigte ihn, obwohl
sie ihm im Stillen recht gab. »Wir
können doch nicht unliebenswiirdig
sein« ietzt auf einmal! Es ist wegen
des Hausfriedensl Jch mag nicht woh
nen, wo man mit steilen Nasen an mir
vorbeigeht!«
Sie zogen also um, und der Tanz
ging weiter.
Dann mußte Emmis Gotte wegen
einer Fußverletzung eine Woche lang
das Bett hüten. Am ersten Tage lie
ßen sich Telephonbesuche abwenden;
am zweiten bat man Frau Pöllmann,
in den Apparat zu sprechen. »Sagen
Sie, es ist eine Unverschämtheit, mir
die bezahlten Sachen so lange nicht zu
bringen!«
»Sagen Sie, es sei eine Gemeinheit«
rnir solch verdorbene Eier zu senden!
Jch gehe zum Jnfpettor damit!«
»Sage-i Sie, wenn er mir nicht
schleunigst seinen Arbeiter sendet, soll
ihn der Teufel holen!«
»Der Teufel hole Dich selbstl«
Pöllmann knirschte nnd zitterte vor
Muth. »Jn mein Telephon werden
teine Ungezogenheiten hineingespro
chen!«
Seine Frau hielt ihm den Mund
zu »Sei unbesorgt! Es geschieht
nichts-»
Am dritten Tage drängten sich
Dreiste bis zu ihm und wickelten eine
Portion Liebenswiirdigteit um den
Zwect ihres Kommens. Er mußte still
halten und die endlosen Reden und
Nathichliige mit glatter Miene anhö
ren. Doch zwischen ihm und Einmi
setzte es einen Verdruß wegen des Zim
merwechsels.
IV.
Jch höt’"
Er war taurn genesen, da wurden
sie eines Morgens um sechs Uhr aus
dem Schlafe geschreckt. Jm tnappsten
Nealige huschte Eintni ängstlich an die
Thür. Frau Stern vom dritten Stock
stand draußen. »Ich bitt’ tausendmal
um Entschuldigung Frau Pölltnann,
wir wollen zur Bahn. Sie wissen-; ja,
dasz wir heut’ aufs Land gehen! Wir
hoffte-n, die Tram nehmen zu könne-n,l
und nun gieß« stromweise, wir wür
den naß bis auf die Haut, bis wir
hinkamen. Möchten Sie nicht die
Freundlichkeit haben und um einen
Wagen telephontrenL Seien"s nicht
bös, daß ich so früh störe, aber der
Zug wartet halt nicht! haben’s die
Güte!«
Entrni hatte die-Güte und kroch
dann sröstelnd wieder ins Bett.
Nach einer Viertelstunde rasselte
eine Droschke vor und hielt eine Vier
telstunde wartend vor dem Hause.
hieran rührte sich der Kutscher.
»Es ist von Jemandem telephonirt
fremden nrn einen Wagen!« forschte er.
»Das ist bei Pöllmanns im ersten
Stock!«
Frau Pöllrnann öffnete, ein zweites
Mal aus dem Bett gesprengt. »Ich
bin darum ersucht worden von Frau
Stern, zwei Treppen höher!«
Eine Magd steigt eben abwärts.
»Den Sternschen ist der Wagen zu
lang ausgebliebent Sie sind grad vor
hin weg«, giebt sie Auskunft.
Ein lebhafter Disput entstand.
Schon fast ein Geschimpfe. Frau Em
mi ist entrüstet, und der Kutscher ist
kein Gentleman. Er will Geld und
fordert es von ihr. Sie weigert sich
selbstverständlich Die herbeigeeilten
Hausbewohner reden für und wider, je
nachdem sie zu der einen oder anderen
Partei stehen.
Herr Pöllmann schaut endlich mit
zornrothem Gesicht durch den Thür
spalt und beendet nach kurzem Streit
die Szene, indem er tnit einem Fluche
die Ansprüche des Kutschers befrie
digt.
Jn der Wohnung setzt sich zwischen
den Gatten der Wortwechsel fort, und
es ist unbestimmt, wer besser weg
tommt dabei, die Familie Stern oder
das Telephon.
»Meine Nerven schüttelt’s! Der
Aerger wiirgt mich! Zieh' Dich an,
Emmi, und den Buben dazu, wir ma
chen eine Partie!«
»Aber, das Wetter Hans!«
»Macht nichts! Wenn ich daheim
bleib’, blas ich, sobald mir wieder
eins an den vermaledeiten Ratschtaften
wil« Also fort!«
Spät Abends und todtmiide kom
men sie nach Hause. Sie sind in Wald
und Feld herumgewandert und haben
den miiden Knaben auf dem Rückweg
ivechselweise tragen müssen.
Wie Säcke fallen Herr Pöllmann
. und das Kind in’s Bett; Frau Emmi
I macht noch einige Handgriffe und ver
sorgt das Baby. Gerade als sie das
Flurlicht abdrehen will, klopft es leise
s an die Thüre. »Frau Pöllmanni Frau
sPitllmanm ich bitte!«
s Zögernd öffnet sie und sieht die
Jhausbesiherin vor sich. »Wie dank ich
Hdem himmel, daß Sie noch auf sind!
lSeien's doch so lieb und lassen’s mich
an’s Telephon! Denken’s nur, mein
Mann ist seit dem Frühschoppen nicht
heim’tommen! Angst hab’ ich ja ge
rade seine; ich weiß schon, wo er sitzt,
bei feinem Schwager, dem Weinwirthl
Aber Zeit wär’s wohl, wenn er jetzt
heimginge, und vielleicht, am Ende,
man weiß doch nicht! Jch werd’ ein
mal hinreden. Er soll machen, daß er
nach haus geht!«
»Mein Mann liegt bereits im Bett!
Aber ich werd’s besorgen!« ertoidert
Frau Pällmann mit innerlicher Ver
drossenheit.
Dann noch ein Dankesschwall, ein
unberftändliches Gutenachtsagen, bei
welcher Gelegenheit noch erlundet wird,
nfo und wie der Tag verbracht worden
it.
Frau Emmi hat gähnend laum die
Thiir geschlossen, da hört sie ein Kra
chen und Schmettern im Schlafzim
mer. Bestiirzt eilt sie hinein. Da
steht ihr Mann im Hemd vor dem
Apparat und schlägt mit Faust und
Hammer darauf ein, ohne Unterlaß,
bis die Zerstörung vollkommen ist,
und alles am Boden liegt.
»Lieber will ich Briefe schreiben bis
zur Gelentlahmheit«, schreit er, ohne
einen Blick auf seine entsetzte Frau zu
werfen, »mir die Sohlen täglich von
den Stiefeln rennen und müde werden
zum Umfallen und hungern und dur
ften und im ganzen Leben mit leinem
Freund mehr zusammentreffen, nur
lein Telephon mehr in der Wohnung!
Keins mehr! Jn aller Ewigkeit leins
mehr!«
Und dann legt er sich hin mit dem
Gefühl eines Siegerg und schläft ein
mit der töstlichenVorahnung, daß nun
wieder Frieden und Ruhe einziehen
werde in seine Penaten.
Ein köstlich-O Stückchen
passirte in Augsburg Abends in einer
Wirthschaft. Ein Zimmeraeselle be
stellte eine Maß Bier.« Als er einige
Züge gemacht hatte, schwamm ihm
ein langgestreckter dunkler Gegen
stand entgegen. Bei näherer Unter
suchung stellte es sich heraus, daß es
zwei Würsie waren. Als der Zim
mergeselle die Gastgeberin über den
eigenartigen Fund interpellirte, ent
schuldigte sich diese mit den Worten:
»Ja, Herr, ich weifx leider keinen Plan
mehr, um die Würste vor den Augen
der Dienstboten zu verbergen, drum
hab ich sie in die Maßkriige gethan.«
Ju m Eisenach-.
A.: »Ja, wie schaust denn du aus,
ganz zerkratzt und verbeult im Gesicht,
hast du denn gerauft?«
L B.: »Nein, ich habe meiner Frau
erzählt, mich haben heut Nacht im
sTraum zwei hübsche Mädchen geküßt
) und da hat sie mich denn dran so zu
- gerichtet.«
So tritt-B gemacht.
»Junge, ich begreife bloß nicht« wie
du deine Strümpfe so schnell zerreißt,
das ist ja schauderhaitt«
»Ach, Mutter, das geht ganz fix:
Erst bohrt man mit dem Finger, dann
fährt man mit de ganzen hand dorch;
fertig is de Laube!«
die Augen der Schlange
Eine merkwürdige Geschichte von
R o b e r t B i r.
1.
«Es ist ehne Thatsache, so von
vilen Gelehrten und ehrbaren
Männern beglaubigt wird, daß
die Schlangenaugen eyne Magne
tische Kraft besitzen, daß selbe alle
Menschen, fo in ihren Bann hin
und elendlich untergehn lan.«
Harker Brayton, der sich’s in
Schlafrock und Pantoffeln auf dem
Sofa bequem gemacht hatte, mußte
lächeln, als er diese Zeilen in den al
ten ,,Wundern in der Wissenschaft«
las. »Das einzige Wunder«, dachte
er, »ift, daß die Gelehrten zu früheren
Zeiten Sachen geglaubt haben, die
heutzutage der Dümmfte als Unsinn
erllärt«. Andere Gedanken folgten —
Brahton war ein nachdenkender
Mann, — und ganz zufällig ließ er
das Buch sinken, ohne die Richtung
seines Blickes zu ändern. Da bemerkte
er etwas in der dunklen Ecke des Zim
mers, zwei kleine Lichtpunkte, schein
bar ein paar Centimeter vn einander
entfernt. Vielleicht war es der Wi
derschein des Gaslichtes an metalli
fchen Nägeln —- er lümmerte sich we
nig darum und las weiter. Einen
Augenblick später mußte er, durch ein
Gefühl getrieben, das er nicht analy
siren konnte, sein Buch wieder sinken
lassen, um das vorher Gesehene wie
der zu surhen. Die Lichtpunkte waren
noch da. Sie schienen heller wie zuvor
und leuchteten mit einem grünlichen
Flimmer, den er zuerst nicht bemerkt
hatte. Er entdeckte auch, daß sie sich
ein wenig genähert hatten. Doch wa
ren sie noch zu viel im Schatten, um
seine Aufmerksamkeit zu fesseln, und
er las weiter. Von einem Satz in
feiner Lektüre getrieben, ließ er plötz
lich das Buch auf den Boden fallen
und starrte in die dunkle Ecke, wo die
zwei Lichtpunkte jetzt mit noch stärke
rern Feuer glänzten. Da sah er, bei
nahe unmittelbar unter dem Fußende
des Bettes, eine große, zusammenge
ringelte Schlange — die Lichtpunkte
waren ihre Augen.
Aus dem Mittelpunlte der Spirale
schob sich ihm der entsetzliche Fion ent
gegen. Die Umrisse des breiten, bru
talen Nachens-, die blöde Stirn halfen
die Richtung des feindseligen Blickes
zu deuten. Die Augen waren nicht
länger nur glänzende Punkte; sie
schauten in die feinen mit Bedeutung
und boshafter Absicht.
2.
Gott sei Dank ist das Erscheinen
von Schlangen im Schlafzimmer eines
modernen Hauses nicht gewöhnlich ge
nug. um eine Erklärung unnöthig zu
machen. Das Haus des bekannten
Natursorschers Dr. Druting, in dem
Brahton gegenwärtigials Gast weilte,
war eine Kombination von Laborato
rium, Menagerie und Museum. So
hausten in einem großen Zimmer des
Obergeschosses verschiedene Schlan
gen, die wegen ihrer Gefährlichkeit der
Freiheit beraubt werden mußten.
8
Brayton wollte im ersten Augen
blick des Schreckens und Etels dem
Diener schellen. Aber als er schon die
Glockenschnur berührte, fiel ihm ein,
man würde ihn für feig halten, was
er gewiß nicht war. Die Lage war
lächerlich und elelhaft und erregte ihn
mehr wegen ihrer Außerordentlichleit,
als ihrer Gefahr« Das Neptil war
von einer ihm unbekannten Gattung.
War es gefährlich? Giiiich — Es
war ihm ein unerträglich-er -Gedante,
eine Luft athmen zu müssen, die von
der Ausdünfung des Thieres ver
pestet wurde.
Brayton erhob sich und suchte be
hutsam die Thüre zu erreichen, ohne
das Neptil zu stören. Er wußte, daß
er ohne Hindernisse den Ausgang ge
winnen konnte, wenn er rückwärts
gig. —- Unterdessen brannten die
Auge der Schlange noch boshafter,
unbarmherziger als zuvor.
-. «
Bkayton ekyoo fernen recoren Zyuiz
vom Boden, um zuriirkzutreten Jnc
selben Moment fiihlte er einen starken
Widerwillen nagt-am »Man hält
mich fiir tapfer; ist denn Tapferkeit
nichts als Stolz? Jetzt fürchte ich
mich natürlich, da T- niemand sieht.«
Er hielt sich mit der rechten Hand an
der Lehne eines Stuhles fefi. Sein
Fuß schwebte noch immer in der
Luft. ,,Blöosinn!« sagte er laut, »ein
so großer Feialing bin ich denn doch
noch nicht, daßß mir vor meiner eige
nen Furcht bannt.« Er hob fein-en:
Fuß ein wenig höher, indem er das
Knie trümmte. Dann stieß er ihn
hart auf den Boden — setzte ihn aber
dabei ein wenig vor den andern! Ein
Versuch mit dem linkenFufz hatte die
selben Fsolqen —- wieder ein Schritt
vorwästs. Er lonnve nicht begreifen,
wie es geschah. Die Hand hielt
liampfhaft den Stuhl fest, der Arm
ivar steif nach rückwärts gedreht.
Mian sah, daß sich Brayion sträubie,
die Lehne fahren zu lassen.
Die Schlange hatte sich noch immer
nicht gerührt; aber die Augen waren
jetzt elektrische Funken, brennende,
bogende Nadeln.
ranton war aschfahl geworden.
Wieder machte er einen Schritt vor
wärts nnd abermals einen, eine
Strecke den Stuhl nachschleppend, der
kschneßtich nach-nd zu Boden fiel.
Stöhnend starrte er die Augen an, die
jetzt zwei blendende Sonnen waren,
so blendend, daß er die Schlange
selbst nicht mehr sehen konnte. Aus
den Sonnen slossen brennen-de Ringe
von leuchtender, lebhafter Farbe, die
immer größer wurden, bis ssie wie
Seifenblasen in Nichts verschwanden.
Sie schienen sein Gesicht zu berühren
und dann wieder endlose Weiten ent
fernt zu sein. Er hörte, wie irgendwo
eine große Trommel ununterbrochen
geschlagen wurde, manchmal vernahm
er, nur flüchtig dazwischen angedeu
tet, eine süße Musik, wie die Töne
einer Aeolsharfe. Er kannte den Ge
sang mit dem Memnons Bild die
emporsteigende Sonne begrüßt, und
er wähnte, jetzt im Schilf des Nils zu
stehen und dem unsterblichen Choral
zu lauschen, der das Schweigen der
Jahrhunderte durchzitteri.
Die Musik schwieg; oder Vielmehr,
sie wurde mit unniertlichemUebergang
zum fernen Rollen eines nahenden
Gewitter. Eine Landschaft, glitzernd
in Sonne und Regen, dehnte sich vor
ihm; er sah einen fchsillernden Regen
bogen, der in weiter Kurve hunderte
von Steinbildern umrahmte. Und in
der Mitte des Halbkreifes hol) eine
ungeheure Schlange den Kopf empor.
Sie trug eine Krone und hatte die
Augen seiner todten Mutter. Plötz
lich zerstob dieses Bild Irgend was
schlug ihm heftig auf Gesicht und
Brust. Er wat zu Boden gefallen,
und das Blut rann ihm von der ge
brochen-en Nase und den zerquetschten
Lippen. Einen Augenblick lag er ge
blendet und betäubt; dann aber er
holte er sich. Durch- den Fall hatte er
die Augen von der Schlange wenden
müssen und dadurch war der Bann
gebrochen. »Er war sich dessen wohl
bewußt. Jetzt wenn er der Schlange
nicht nochmals in’s Auge sah. Aber
i-— wie schrecklich war der Gedanke,
daß das Thier, nach dem er nicht fe
hen durfte, nur« mehr einige Meter
entfernt lag und vielleicht jetzt gerade
daran war, lautlos auf ihn zu schnel
len, seinen Hals zu umstricken.
Er hob seinen Kopf, starrte wieder
in die drohendenAugen und war wie
der gebannt.
Die Schlange hatte sich noch immer
nicht gerührt. —- cie schien jetzt die
Macht über seine Einbildung verloren
zu haben; denn die prachtvollenPhan
tasiegebilde kamen diesmal nicht wie
der. Unter der flachen, hirnlosen
Stirn blitzten die schwarzen Perlen
au en mit einem unaussprechlich bosi
ha ten Ausdruck. Es war, als ob das
Thier, seines Triumphes sicher, es
verschmähen würde, weiterhin locken
de Listen zu üben.
Nun folgte eine schreckliche Szene.
Der Mann lag, nur mehr einen Me
ter von seinem Feind entfernt, flach
aus dem Boden, den Obertörper auf
die Ellenbogen gestützt, den Kopf zu
«riielgeworfen, die Beine der Länge
nach ausgestreckt Das treidemeiße
Gesicht war blutbespritzt; die Augen
weit aufgerissen. Schaum stand auf
den Lippen und fiel in Flocken ab.
Starke Konvulsionen durchzuckten den
Körper, der sast schlangenartige Be
wegungen machte. Brahton bog sich
in den Hüften, indem er die Beine
von der einen Seite zur andern hin
und her wand. Und jede Bewegung
brachte ihn der Schlange etwas nä
her. Er schob seine Hände immer
vorwärts, um sich zurückzustemmew
Doch fortwährend rückte er aus den
Ellbogen weiter nach vorne·
4.
Dr. Drurina und seine Frau saßen
im Bibliotbetzimmer. Der Gelehrte
war bei besonders guter Laune. »Ich
habe von ein-ern Sammler ein pracht:
volles Exemplar der Ophiophagus be
tommen.«
,,Ophiophagus?« sragte ihn seine
Frau.
»Das ist eine Schlange, die andere
Schlangen frißt.«
,,.Hosfentlich. srißt sie alle deine
Schlangen,« sagte sie, zerstreut die
Lampe schiebend-. »Aber wie bekommt
sie denn die anderen Schlangen? Be
zaubert sie sie durch ihren Blick?«
»Das ist wieder echt! Du weißt
doch, daß ich wüthsend werden kann,
wenn man mir mit diesem Volks
aberglnuben vom Schlange-ebner
kommt! —«
Das Gespräch wurde von einem
gräßlichen Schrei unterbrochen, der
M
durch das stille Haus hallte. Wieder
und wieder vernahm mang nett
schrecklicher Deutlichkeit Sie spran
;gen auf, blaß und sprachlos. Kaum
war das Echo des legt-en Schreies er
storben, war der Doktor aus dem
Iåimmer und stürzte mit gewaltigen
spähen die Treppe empor. Jm Skor
«kidor vor Braytons Zimmer traf eu
einige Bedienfteie, die von den oberen
Räumen heruntergeeilt waren. Sie
sprengten die Thür. Brayton lag, den
Rücken nach oben, auf dem Boden.
Todt.« Kopf unsd Arme waren zum
Theil unter dem Bett verborgen. Die
Diener zogen die Leiche hervor und
legten sie cuf den Rücken. Das Gesicht
war mit Blut und Schaum beschmiert.
dsie Augen stand-en aus den Höhlen
hervor -—— ein entsetzlicher Anblick!
»Geftorben infolge eines ·epilepti
schen Anfalls«· murmelte der·Do!ior,
als er niedertniete und die Hand auf
das Herz des Tod-ten legt-e. Jn dieser
Stellung warf er zufällig einen Blick
unter das Beit.
,,Herrgott! Wie kommt das ins
Zimmer?« Er griff unter vie Bett
lade, zog die Schlange hervor und
schleuderte sie in die Mitte des Zim
merg. Dort blieb sie regungslos lie
gen, noch immer zufammengerollt wie
zuvor. Es war eine ausgeftopfte
Schlange; die Augen zwei polirte
Schuhknöpfr.
Bescheiden.
Er: ,,Jn meinem Leben habe ich
nur zwei schöne Frauen gesehen!«
Sie: »So? und wer war die an
dere?«
Parallele.
Tochter (1veinend): »Er hat mit
aber geschworen, mich auf den Händen
zu tragen!«
Vater: »Na, dazu ist der nicht sicher
genug auf den Füßen!«
Moder-ne Dienstboten.
Köchin, eben eingetreten: »Gn·ddige
Frau, wissen Sie auch, daß ich schon
mal vor einigen Jahren bei Ihnen
war? Jch habe es soeben im Band
lll. meiner Zeugnisse gefunden!«
In der Apotheke
»Was bekommst Du, Kleiner?«
»Um zehn Pfennig’ Leberthran,
aber recht wenig, er gehört für mich!«
Gefährtiches Unterfangen.
Herr: ,,Junge, was heulst du denn
und wie kommst Du zu dieser ge
schwollenen Backe?«
Junge: »Meine Schwester hat mir
eine Ohrfeige gegeben und ich hab’ ihr
doch bloß zu ihrem vierzigsten Ge
burtstage gratulirt!«
Schlimmen
,, . . . Du findest also, lieber Ro
bert, daß ich viele gute Eigenschaften
besitze?! Dabei habe ich aber einen
großen Fehler!«
«Welchen?«
»Ich kann nicht kochen!"
»O, das macht nichts — wenn Du’s
nur nicht versuchst!«
Der Paaioffelheld.
Frau: ,,Eine innere Stimme sagt
mir . . .«
« Mann: »Was, um Gottes Willen,
eine innere Stimme hast du auch
noch?«
Eine fleißige Familie.
»Bei mir zu Hause mufj Alles mit
l)elfen.«
,,Wirklich?«
»Ja, der Kleinsie holt Bier, der
Größere Zigarren und der Vleitefte löst
den Jüngsten ab.«
Tal-etc
Arzt (dem Patienten den Puls süh
lend): Hm, ich finde heute den Puls
etwas schwächer als gestern.
Patient: Das kommt vielleicht da
her, weil Sie mir gestern dav Bie
verboten haben, Herr Doktor!
Stoßseufzer.
» . . . Du glaubst gar nicht« liebe
Ella, was Dieser Doktor schüchtern ist:
Spricht der Mensch zehn Sprachen —
und erklärt sich in keiner einzigen!«
Tic perscktc Köchin.
TIE
Hausfrau: »Sinb Sie aber auch wirklich perfelt?«
Köchin: »Welche Frage, gnädige FraUSEl Jch spiele Perseli Klavier
und Tennis, bin perfelte Radlerin, Sängerin, lann malen, dichten . . . .·
Hausfrau: »Na, und lachen?« «
Köchin: »Na, wenn’s sein muß, schließlich auch das noch!« .