Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 16, 1908, Zweiter Theil, Image 14

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    Das Burgfräulein.
Its-un von Friedrich Friedrich.
(2. FortlenungJ
»M« dann werde ich etwas früher
aufstehen und mich später schlafen le
gen,« tH Konrad heiter, da ihn dies
nicht einen Augenblick zurückgeschreckt
hatte. »Der Aufseher-. an den ich
mich dort gewendet, hat nicht nach
meinem Alter gefragt, ich werde nach
der Arbeit. die ich ausführe, bezahlt,
und ich werde zeigen, daß ich arbeiten
cann. Morgen früh beginne ich.'«
Wohl leuchtete in Barbarcks Herzen
ein Strahl der hoffnung auf, zugleich
machte sich aber auch die Sorge ukn
den noch fo jungen Bruder geltend.
«Uebtrfchiisest Du Deine Kräfte
nichts« bemerkte fie.
»Sei-thue Sorge!« rief Konrad
heiß-n zieh Mächte-die Arbeit nicht,
da ich durch fee mehr verdiene. Du
kanns nun mehr für Deine Pflege
M Du Iirft früher wieder genefen
und sdasn — dann ist ja Alles gut!«
Es traten der Kranken doch die
Ihrs-ten in die Augen. als sie diesel-»
Qen auf das freudige und doch fefti
entfchloffene Gesicht des Bruders rich
Me. Er war ihre einzige Stüne und
s — was würde ohne feine treue
iebe aus ihr und ihren Kindern ge
wrden.sein!!.— «
Zweites Kapitel.
,Wochen waren vergangen und der
Frühling war gekommen, ein war
mer. sonnigen duftender Frühling;
selbst das ärmliche häuschen am
Ende des Dorfes sah freundlicher
aus; der Abhang, an dem es lag.
hatte sich mit frische-n Grün überzo
gen, unter dein Dache bauten Sper
dtsge ihr Nest und schwatten so lustig,
als ob dort die schönste Wohnung itn
san-en Lande sei. Barbarcks Kinder
pflückten auf dem Rasen des Abhan
ges die weißen Gänsebliirnchen und
Ordura selbst war s- genesen, toenn
lbke Bannen auch noch bleich ausla
Ien und ihre vollen Kräfte noch nicht
Duell-gelehrt waren.
Ei war Sonntag Morgen und laut
klang das Geläute der Glocken über
das Dorf durch den stillen Morgen
daher, Die Kinder an der band und
von Konrad begleitet, verliess Barba
ta das bang und sittg langsam die
Hochedene hinauf. um die Stätte zu
sehe-, wo ihr Bruder seit Wochen ar
beitete, von wo neues Leben in die
ärmliche Hütte geflossen war. So
oft hatte er ihr von den großartigen
Unternehmungen des Fremden er
zählt, so oft see gebeten, da Alles nn
suschauen, daß sie endlich seinen Bit
ten stack-gegeben
»Mit einem Gefühle freudigen Stol
seifchritt Konrad neben-her; er schien
Its r in den wenigen Wochen ge
oor zu sein, so hob ihn das Ge
siiltl,« durch seine Arbeit die Gesund
.it der Schwester zurückgerufen und
e Noth aus dem kleinen Hause ge
bannt zu haben· Der Mühen. die es
gekostet gedachte e"r nicht mehr, denn
auch ftir ihn war der Frühling ge
tot-ernen.
Ums dieselbe Zeit führte vor dem
Gegenstus des( Gutes ein Reitlntcht
Its-ei vReitttferde langsam auf und ab;
eines derselben trug einen Damen
attel. Ein freier, großer Rasenplah
«bnte sich sanft aufsteigend vor dem
use aus nnd grenzte unten an den
ettämigen Wirthschaktöbof des Gu
iexx eine breite Skintreppe führte zu
sein hause anf;
EvVon einem Herrn begleitet, trat
Eva von Hansiein in die Thür, ihre
rohe schlanke Gestalt wurde durch
Ins dunkelblaue, oben eng anliegende
itkleid noch gehoben, und das kleine
« reif mit dem blauen Schleier ver-l
sieh ihr noch einen übermüthigerens
Lehren Ausdruck. .
Neben ihr erschien die Gestalt ih
res Begleiiees des Lieutnants At
tbzer von Schmet, fast klein und
Mich. hatte die Unisortn abge
t und trug einen seichten Jagdroch
in se!bsi diesem Rocke sah man ei
cn, saß das Muß zu ihm sehr genau
M des Lieutenanti Taille genom
m war, und diese Taille hatte schon
sst Speis Spottlux wachgekusen.
denn Artbur war ihr Vetter und
säbiie außerdem zu ihren Verehrern,
sn denen es ihr. ais reichen und
feibstsiiindigen Beiiherin des Gutes
nicht fehlte.
Vetter", hatte sie ihm bereits
mehr ais einmal icherzend zugeru
its will sein-n Deiner Vorzüge
stiegen allem Deine Taille i tin-i
übertreffiichz ich wiirde Dich rum
beneiden, wenn Neid in meinem Cin
rittter läge.«
Irthnr hatte in feinem Wesen et
was Heiles und hervordtiinqendeT er
konnte, wenn er den Kneiier in das
sage gelte-mai its-»die Frauen szgi
, neun-gen e pgqr e r
MS und drohend blicken et schien
als ob er feiner zierlicksen Gestalt
Ost-Ich etwas aufs-elfen wollte. Lei
Mädeiterie dies immer an seinem
III ndet sure nnd an dem klei
— sei-WILL isekne tät alleir
M si V II II Un be -
setz-I feisnein W einen
Ustts Wsibiseu und hart-ric
— wsk In III Zither Eiter all M,
. sah jedoch so jugendlich aus als ob er
in demselben Jahre mit ihr consirmirt
worden wäre. Eva verkehrte mit ihm
toie mit einem Bruder, see ließ sich
seine Aufmerksamkeit gefallen und
sah ibn als ihren treuen Begleiter
und Mimeraden an. Dies ärgerte
ihn am meisten, denn er glaubte seine
Cousine zu lieben und war um so
eisriger bemüht, ihre Hand und ihr
Vermögen zu erringen. weil er längst
die Erfahrung gemacht hatte, daß
seine Lieutenants-Gage nicht aus
reichte, selbst nur um die Zinsen sei
ner Schulden zu bezahlen.
Sobald er indessen von seiner
Liebe sprach, rief Eva lachend: »Lie
ber Vetter, Du kennst meinen Ent
schluß, überhaupt nicht zu heirathen,
»denn ich bin in der aliitllichen Lage
s daß ich nicht nöthig dabe, mich in die
? Abbängigteit eines Mannes zu bege
2 ben. Wenn dies aber auch nicht der
Fall wäre. so wiirdesi Du mir doch
zu gutmiitdia und zu klein sein. und
ich glaube nicht« daß Du noch wachsen
Mist Du bist überhaupt zum heira
then noch zu jung!"
Artbur zog dann erzürnt die
Brauen zusammen, wandte sich un
willig ab, hörte aber troydem nicht
aus, Eva’s aetreuester Ritter zu ein.
denn er» hatte sich fest in den Ko ge
leit, der Mensch könne Alles errei
chen, was er mit Bebarrlichleit er
strebe. Der Besis der Pleßburg toar
sein höchstes Ideal und im Geheimen
hatte er schon Pläne der Verände
rungen gemacht. die er einst als Be
fiier vornehmen wollte. Namentlich
wünschte er dann die alte Burg zum
Theil wieder auszubauen, um von
dem Söller derselben stolz in das
Tbal hinab zu schauen.
Sobald der Neitknecht feine herrini
erblickt hatte, führte er die Pferde vor
die Thüre. «Weshalb haft Du nicht
den Rappen fiir mich gefaitelt?«
fra te Eva tin-willig
r Reitknecht schwieg verlegen.
.Jch habe ihm ausgetragen, es
nicht zu thun«, entgegnete Arthurx
adas Thier ist noch zu wild und zu
jung. du« haft erft gestern gesehen, wie
leicht ei scheut, und ich bin ernstlich
beforgi. daß Dir ein Unsall mit ihm
zustoßen wird.«
Unr Eva? Mund guckte ein fafi
spöttisches Lächeln. .Lieber Vetter,
ich bin fiir Deine Beforgniß dankbar«
, bemerkte sie, »Da vergißt jedoch, das
ich fast ebenfo lange wie Du reite.
»Der Schimmel iit alt geworden und
langweilt mich durch feine ruhige,
» gleichmäßige Sangs-eh ein Pferd,
)welches nie zeigt, daß es auch einen
Willen hat, reizt mich nicht, denn ge
rade in dem Bekämpfen des fremden
Willens liegt die angenehme Aufre
gun .«
ASer ärgerte sich jedes Mal,
wenn Eva ihn «lieber Vetter« nannte,
es klang fiir ihn wie leichter Spott,
er bekämpfte jedoch seinen Unwillern
»Ich kenne Deine Gewandtheit«,
erwiderte er; »wenn der Rappe in
defsen seinen Willen durchsehen will,
fo reicht Deine Kraft nicht aus, um
denselben Fu bändigen.«
«Etwa weil ich dem schwachen Ge
schlechte an, re!« rief Eva: ,Jbr
macht uns eie Schwäche immer zum
Vorwurfe und doch sucht Ihr uns
stets zurückzuhalten wo wir in die
Lage kommen könnten. die Kraft un
seres Willens und Armes zu bewäh
ren.«
Sie würde dennoch vielleicht den"
Vorstellungen ihres Vetters nachgese
ben haben, da der Rappe in der That
am Tage zuvor sehr bedenkliche Un
arten gezeigt hatte, wäre in diesem
Augenblick nicht ihre Tante Mina in
der Tbiir erschienen mit dem Rufe:
»Cha! ich beichwöee Dich, das wilde
Thier nicht mehr zu reiten! —- Ich
zitteee, wenn ich Dich auf demselben
sihen sehe, und Du weißt, wie sehr
meine Nerven dadurch leiden!«
Unwillia blickte Eva sich um; sie
liebte ihre Taute, weil sie an derselben
weit mehr gute Eigenschaften zn ent
decken glaubte, als dieselbe se besessen
hatte: es qu aber auch Augenblicke,
in denen ihr die Launen und Nerven
des « alten-«Ftiigleins -nnertri·tglizh
wurden. Liebe Laute, Du sollst ias
das Pferd nicht teilen!« gab sie ziem
lich kurz ur Antwort, und befahl
dem Rest neckst den Rappen sofort
siir sie zu satteln.
»Herr Lieulenant, Sie selbst haben
mir erzählt, wie wild das Pferd ge-«
stern gewesen ist« fuhr Mina fort, in
fie sieh an Evens Begleiter
wandte
Sie nannte Arthur stets »Herr
Lientenanl«, weil sie befürchtete, der
selbe kiinne durch die verirauliche Ve
nennunq «Arlbur« sich verleiten las
sen, ihr seine LT«««e zu gestehen, und
sie konnte dieselbe nicht erwiedern, da
sie bebaut-rein alle ihr früher gis-achten
ärgeåge ans Grundsatz abgelehnt zu
Arthur guckte nur leise mit der
Schulter; ei laa darin das Geständ
nis, daß er gegen Ew'- Willen auch
nians vermöge.
Der Ueiilnechr führte bereits den
seyen ver - .
«DI ticii alo wirklich »das Thier
reitenk ftssk n·a noch einmal.
.Sewiß«. erwiederte Eva und ftieg
die Treppensiufen hinab.
Einen Augenblick lang schien Fräu
lein von Henneberg zu schwanken, ob
sie nervös werden oder sich mit belei
digtetn Stolze zurückziehen sollte; fee
wählte ’das Letztere, nachdem ihre
Augen noch einen durchaus nicht
freundlichen Blick auf ihre Nichte ge
worfen hatten.
M war an das wirklich schön-e
Thier, welches unruhig, ungeduldig
mit dein Hufe scharrte und den Kopf
wie trotzig in die Höhe warf, heran
getreten und ftreichelte es. Arthur
sprang hinzu, um ihr beim Aufstelng
dehiilflich gu sein: ehe ihr jedoch di i
gelang, hatte sie den Fuß bereite in
den von dem Reittnechte gehaltenen»
Steigdiigel gesest und sich leicht ins
den Sattel geschwungen. Fest hatte’
ihre band die Zügel erfaßt und eint
leichter Schlag mit der Reitgerte
strafte das Thier filr seine Unruhe.
Das feurige Pferd empfand den
Schlag jedoch anders, denn ej häumte
sich hoch auf und drohte sich zu über
schlagen. Arthur und der Reitinechsi
sprangen hinzu, urn die Zügel zu er
a en.
«Zurüct!« rief Eva und riß ge
waltsam das Pferd herum; fie wollte
teine Hiiife, sondern das unruhige
Thier allein händigen, und es gelang
» ihr; über das schöne Gesicht guckte ein
J freudiges Lächeln. Nun totaan
JBetterl« rief lie Arthur zu undl
sprengte in kurz-ern Galopp iiber den
Hof hin
Arthur war bald an ihrer Seite
und schnell ritten sie auf der Thal
straße hin bis Eva plshlich ihr Pferd
auf einen seitwärts zur Hochebene
hinauffiihrenden und wenig betrete
nen Weg lentte.
»Ur-hin willst Du?« fragte Ar
thur, da er diesen Weg noch nie rnii
« ihr geritten war.
»Den Beten Renno hesuchen«, gab
die Gefragte zur Antwort, und
wandte den Kon zur Seite, unr sich
iiber das Erstaunen ihres Vetters zu
anriisiren. . « ·
Arthur machte in der That ein ei
gentdiimliches Gesicht« denn er wußte
nicht, od- er diefe Worte fiir Scherz
oder Ernst halten folltex der über
miitliigen Laune seiner Cousine konn
te er eine folche Absicht wohl zu
trauen.
«Renno?« wiederholte er. .Du
kennst ihn ja nicht«
»Lieb« Vetter-, gerade deshalb
wünsche ich ihn kennen zu lernen«.
verfeßte Eva. «Findeft Du dies fo
sonderbar? Ihr habt mir ja von ihm
fo viele und fo wunderbare Geschich
trn erzählt: er tommt als Fremder
vor noch nicht einem balde Jcthre hier
an, —- kauft eine aroße Strecke Wald
mit einem kleinen, iafi ganz zerfalle
«nen Juni-schlosse, welches er durch
fremde Arbeiter wieder herstellen
läßt« und bezieht dasselbe, nachdem et
es mit den feinsten Möbeln ausge
. ichmiicit dat. Er läßt den Wald zum
jTheil ausrodem läßt Straßen anle
gen, in den Bera liißt er einenSschccht
Tarabem usn Eifenerz zu gewinnen,
und das Alles thut er fo geheimnißg
Ivoll. Er geht zu keinem Menfchen,
Niemand befucht ihn, Niemand er
fährt, wer er ift und woher er kommt.
Das Alles hat mich neugierig ge
macht, ihn kennen sit lernen und zu
sehen, ob die Veränderungen, welche
er dort oben vornehmen läßt« wirtlich
fo aroßartig find.«
»Und Du willft ihn nun in feinem
haufe vefnchen?« fragte Atti-un
Eva lachte iiber diefe Frage. »Jet
ter, Die haft deute wieder Deinen un
glücklichen Tag. an welchem Du An
dere schwer begreifst«. sprach sie;
»wenn ich mich auch iiber viele lästige
Formen dinwegfeße, lo aelit dies doch
nicht fo weit, einen fremden herrn in
feinem houfe aufzufuchen Ich will
durch den Wald reiten, um die Um
aestaltnn en. welche er vort vornehmen
läßt. zu eben, and wenn ich ihm dann
zufällt begegne, wird ed mir an e
nedrn ein, auch feine Perlönlich eit
kennen In lernen. denn das Bild. wel
ches Du mir von ihm entworfen haft,
ift fedr verdeutlich, und ich lande.
auch etwas ungünstig aufgefaß. Eine
lange, hager-e Gestalt, weiter ging]
« Deine Schilderung nicht« 4 » « »
» Dein Lieutenant schien bei dieser
Eröffnunq ein Stein vom herzen zu
) fallen, denn ihn batte bereits der Ge
danke gepeinigt, welche Rolle er spie
len werde, wenn Eva direkt aus das
hau- det Fremden zuspkengr.
»Ich bade ihn selbst nur aus der
Ferne gesehen«, entgegnete er. »Gut,
ich begleite Dich, wir wollen den
Wald durchstreifen, vielleicht gelingt
g uns auch, den Einsiedler zu se
n.«
uWeißt Du denn, ob er wirklich so
einsam lebt, wie Du erzählst", wars
Eva ein«
«Jch weiß ei zuverlässig. Ein
Mann. der bei ihm arbeitet, bat es
ncir mitgetheilt«, versicherte Artiynn
In dein Jagd-schlosse, welches er bat
wieder herstellen lassen, lebt er allein
init einein alten Diener, den er mitge
bracht bat, die übrig-e Dienerschast
wohnt in einein Nebengebäude.
Eva schwieg-, sie mußte ohne in
ihrem nnwkngen Pferde die ges
Aufmerksamkeit ibid-nen. Der «
führte steil bergan und still ritten sie
nebeneinander; Artbur blickte sie spr
schend an. Waren ihre Gedanken nochj
uns den Freunden gerichtets Ein Ge-;
stiksl der Eifersucht ersa te ihn; er
versuchte ein anderes Oe frisch anzu
lnsllvseen seine Venleiterin schien je
doch nicht daraus zu hören
«Dn bist Iesiern mit dem Grasen,
von weichem der Frei-de den satt
aetaust bat, iusanimenaekonmew
lennt er ihn nicht näher?« fragte Eva
endlich.
»Ist-r ein einziges Mal ist der Graf
mit ihm zufrininrenaeionrmem da der
Kan durch schriftliche Unterhandlun
gen abgeschlossen worden ist: er weiß
nur« daß er Renno heißt. daß er von
Amerika herübergelornnren ist nnd
fedr reich fein muß, denn er hat die
ganze bedeutende Kaufsuninre fofort
in Anweisungen der englischen Bant
bezahlt.«
»Es-Sprach der Graf sich nicht iiber
den persönlichen Eindruck, welchen er
auf idn gemacht hatte, ausst« forschte
an weiter. s
»Er ichilderte ihn als echten Anre
ritaner. lalt und einiildig, als einen
Mann, der nur fiir das Geschäft
i Sinn hat«. aab Arthur zur Antwort;
I »wenn er andere wäre, würde er sich
nicht so frrenq abschließen«
.Wir wollen jetzt schneller reiten«,
sprach Eva: »wir haben die Hoch
fbene erreicht und der Wea wird Jes
er.«
Sie ließ idreen Pferde die Zügel
schießen und das junge Ihiek minnt
so rafch dahin, daß Urthsi ihr taunr
zu folgen vermochte. El fchien sie
dies zu arniisiren, denn ihr Auge
leuchtete, hatte sie doch odnehin am
schnellen· tollen Reiten ihre Freude.
Vor ihr lag die weit sich hinsioectende
hochebene, iiber welche ein frischer
Wind hinfahr: hier lonnte sie ihrem
Pferde den Willen, die Jugendiraft
zu erproben, lassen, schlug doch ihr
eigenes Herz schneller und lauter, als
sie dahinsprengtr. Leicht sasz fee im
Sattel, dg blaue Schleier ihres Hu
tes flatterter ini Winde, fie war eine
stolze. schöne Erscheint-na, wie sie
iiber die dochebene dabinsagtr. A sp «
Arthur mußte seinem Pserde sesteri
die Sporen geben, nm ihr zu folgen.
obschon auch er ein gewandter Reiter
war. »Halte Dein Pferd kürzer-P ries
er, denn der schnelle Lauf des sausen
Thieres ersiillte ihn mit Besorgn s;«
schon einmal war es mit dem Reit
tnechte durchgegangen, und et wußte,
wie leicht dies wiederkehren konnte.
.Weshnld?' ries Eva lachend zu
riickz «sind wir nicht auch übermüthi
get gewesen, ais wir noch jun-g wa
ren! Jch erinnere mich. weiche Freu
de es mir als Kind gewährte, wenn
ich mich einmal ungehindert auslau
sen konnte. —- Sieb. dort liegt bereits
Nenn's Besikungz er Bot durch den
Wald einen Dntchblick hauen lassen.
denn ich sehe das aite Jagdschlosz
schimmern; dies verräth, daß er doch
mehr ist. als nur ein Geschäfts
wann.«
Jn iuezer Zeit hatten sie den Wald
erreicht. Unter den hohen Tannen
herrschte heimliche Stille und Dämme
runa. aus dem mit Tannennndeln be
deckten Wege vernahm man hum den
ahufichiaa der Pferde.
Eier ist es schön!'« rief Eva, deren
Brust durch die Walde-Einst noch hö
fher net-oben wurde.
Ein Raubveaeh der hinter eiksem
Felsen versteckt gesessen hatte, iloa
erschreckt ans nnd strich vor Evas
Pferde hin. so daß sein Schwingen
dasselbe fast berührten; scheu sprang
das Pferd zur Seite nnd bäumte.
Eva lelhlt war überrascht, und muß
te ihre ganze Gewandtheit zusammen
nehmen, urn sich irn Sattel Ja halten.
Auch dieses Mal gelana ei ihr, das
Pserd zu händigem unwillig iiber die
Unart, versetzte fee ihm, uin es zu
strafen. einige derbe Diebe mit der
Reitaertr. Das ohnehin var Auste
gung bereits zitternde Thier versuchte
zum zweiten Male auszuhiiumem
dann schoß es wie ein Pfeil dahin.
«halte die Zügel sestl ——« es geht
durcht« —- ries Arthur erschreckt: er
ritt aus dekn schmalen Wege hinter
ihr und war nicht im Stande, ihr
zu stille zu eilen.
Eva ahnte die Gefahr, in der sie
sich Mand, noch nicht; erst als das
Pferd dein Zügel nicht mehr inr Ge
ringiten qehorchte, wurde sie gewahr,
daß ei durchgegangen war. Jhr sonst!
to muthiaes herz guckte doch erschreckt»
zusammen, Zell-we Wort, daß ihre
Kraft nicht ausreiche, um den Willen
des Pserdes en händiaen, hallte fest
ihr im Ohre wieder; nicht einen An
nhltck lana verlor sie jedoch die
kassunth seit hielt sie sich im Sattel
an. Da wandte lich »der Weg Möhlich
sur Seite und hag; in einen engen und
liefen hohler-es ein. Vor lich in gerin
ger Entfernungeterhlickte sie eine Frau
rnit zwei Iei- n und einen jungen
surschenz das Mut wich and i en
Wangen, denn hier war an ein us
weichen nicht mehr zu deutet-.
,halt! —- hnltt ——« rief ihr eine
laute Stimme entgegen. Sie riß an
dem Zügel, daß der Riemen sich tief
in die weiche band eindriiclte, —- die
Kraft ihres Armes reichte nicht auc;
— es flimmerte vor ihren Angen; —
? vor sich lal) sie nnr eine Frau und
« zwei tleine Kinder: sie hätte laut auf
lchreien und nm Hülfe rufen mögen;
ihre Lippen Heringten den Dienst.
Es war Konrad-, der mii seiner
Schwester nnd deren Kindern in dem
hohlwege dahinschritt; er war vor-!
ausgegangen alt er den schnellenl
hullchlsg des Pferde- vernnbrnx er’
wollte zurückeilem uns letne Schwester
zu lchühen nnd zu retten, er war et,
der Eva das »Stil« polit« ent gen
riei; —- er lam zu spät. Ee lass wie
Barbaren die ihre Kinder ängstlich
seitwärts an den Felsen gedrängt
hatte, von dem wilden Pferde nieder
wptgen wurde; eine flilchtige Se
nnv nna buntelte es vor seinen Un
m, dn warf et lieb mit dein Schmetze
der Bergwelflun dem wildenleiere
en n; er eefåte den Züneh einige
itte lnn wurde er t arise
lchlekih dann berlchltitt M dahin-v
i
und neues feine schöne Reitetin zu
Boden.
Konrad kümmern sich unt das
Burgfräulein nickt; er selbst war mit
sur Erde gerisien worden. allein
chnell raffte er sich wieder auf und
eilte zu feiner Schwester-. welche be
sinnungilos dalag. von deren Stirn
Blut rann. Er warf sich neben ihr
nieder, hob ihren Kopf empor und tief
laut ihren Namen. Die Ohnmächtige
gab tein Lebenszeichen von sich, die
Kinder weinten laut, als sie das von
Blut überftrömte Gesicht der Mutter
ekle-lichem L
Arthur lam herangesprengt, er"
hatte das Unglück gesehen. ohne hel
sen zu können; er sprang vom Pferde
und eilte zu Eva. die bewußtlos da
lag. Ratblos stand er da; Eva rührte
sich aus sein Rasen nicht; er eilte zu
Konrad um ihn zur Hälse zu holen,
er tiittelte ihn an der Schulter. als
er aus seinen Nus nicht hörte.
Erbittert, mit dem Schmerze der
IBerzwetsluna in der Brust, sprang
Konrad aus; sollte er Derjenigen hel
"sen, bie tbn hatte priigeln lassen —
durch welche seine Schwester umge
ritten worden wart Und wenn er
durch eine Bewegung der Land sie
hiitte retten können. ihr od wäre
ihm eine Genugthuung gewesen! »Zu
rück« ries er heftig, und sein Auge
leuchtete so unheimlich und wild, daß
Artbur in der That zurückwickn
Arthnr eilte wieder zu Eva; was
sollte er thun? —,.Vsllia rathlos
stand er da und angstvoll blickte sein
Auge umher, um Hiilse zu suchen.
Ein Mann erschien oben an dem
Rande des Hohlweges, eine große,
stattliche Gestalt, es war Renne. Ein
einziger Blick zeigte ihm. was gesche
hen war und schnell kletterte er den
Abhang hinab und eilte zu der schö
nen Reiteritr. Arthur erkannte ihn
und theilte ihm das Vorgesallene mit
stockender Stimme mit. Nenno schien
taum aus ibn zu hören: er beugte sich
zu Eva nieder und bob deren Kot-s
empor-: sie rührte sich nicht. Wie sie
mit bxeichen Wangen und geschlosse
nen Lippen dalag. war sie wunderbar
schön: ihre Rechte hielt noch lrampss
hast die Reitgerte umschlossen.
»Wer ist schnelle Diilse nöthiFP
sprach der Einsiedler; er sprang. one
Arthur’i Antwort abzuwarten, einige
Schritte am Rande bee Hohlweges
empor und vsiii dreimal laut aus ei
ner lleinen Pseisr. Kaum girei Minu
ten später erschienen oben mehrere
MZUMH hastig winlte der Amerilag
ner see herbei, sie gehörten zu seinen
Arbeitern.
»Bei-rat die Dame hierin mein
Hausk« befahl er: »bebt sie mit der
aröszten Sorgfalt empor und tragt
sie dann rechts hinaus. dort ist es
moglich und bie Entsetnunsa ist am
tiirzestenf
Als Konrad die Stimmen der
Männer hörte, sprang er aus und eilte
tu ihnen. »Hättet inein- Schwester
— iie stirbt.« ries er mit der Angst
der Verzweiflung
tFortsehung solgU
Ide- seit-.
Nach einer Meldung aus Stock
holm erhielten die Eltern Sven He
hing am :51. August Abends von dem
Vrivarsetretär des Vicelönigg von
Indien ein Telegramm aus Sinsla
daß sich Sven Hedin nach anfirengen
der erfolgreicher Reife bei 1uter
Gesundheit befinde. Die An
tunft« in Simla werde anfangs
September erfolgen. Damit ist die
Sorge dehohen, die durch das lange
Stillschweigen des liihnen Forschers
die wissenschaftliche Welt und feine
Freunde nnd Angehörigen um sein
Schicksal erfüllte. Zugleich erhalten
aber auch dadurch die bisher vorliegen
den Mittheilnngen von Sven Beding
band erhöhten Werth. An die Erfor
schung des heiligen Sees Marias-iro
toar schloß ein mehrwöchentlicher Auf
enthalt, dann aber, nachdem noch eine
Reihe von Lamatliistern ausgesucht
war, bricht Sden hedin auf zur Er
forschung der Quellen des Indus.
Nach langwierigen umständlichen Ver
handlungen mit den Behörden von
Bariha tritt er nur mit fünf Mann
und sechs Pferden die Reise an. Es ist
ein abenteuerlicher und hindernißreis
cher Ritt. er siihrt mitten durch ein
völlig nnerfarfrhtes Land; aber auch
diesmal überwindet die Zähtgteit des
Reifenden alle Schwieriateitem und
endlich kommt auch der Abend, an dem
die Reisenden am Singisladab, am
»Warst-, aus dem der Indus hervor
lommt«. von den Pferden steigen.
Den Tibeianern gilt der Ort als hei
lig, hohe Steinmonurnente sind aufge
thiirmi und auf einer selsigen Platt
form erhebt sich ein tunstvoll ausge
mem- Oiittekrpixv. . » j
’ »Man tann sich vorstellen, mit wel
chen dankbaren und frohen Gefühlen
ich hier stand und die Quellen des
Jndus vor mir lab, wie tie bier aus
dem Berge bervorsprangen Ich stand
da und blickte auf den bescheidenen
kleinen Bach, wie er da hernieder
raulchte in die Täler. und ich darbie an
die mannigfachen Veränderungen die
er erfahren muß. ehe in einem immer
währenden Crezeendo lein Gelang
ausllingt in die raulchende Music des
Ozeans, zwilchen den Klivven vonl
Karaebi. wo die großen Schiffe lieaen(
rfnd ibre Waaren aus- und einladen.
Ich stand da und bewunderte Alexan
der von Maredonlem der, als er von
22 Jahrhunderten den Indus liber
sebritt, eine ferne Vorstellung batte
von der Quelle dieles Flusses, and ich
genas das Mktleim der erste Eu
Iropiier zu sein« der seinen Ins an die
lQuelle des Indus setzte
, Von hier aus ftvird die Reise in
snordöstlicher Richtung bis etwa zum
32. Breitengrad durch völlig unbe
lanntes Gebiet sortgeseit Dann
wendet sich die lleine sarawane nach
Westsiidwest und erreicht schließlich arn
26. September Gartot, wo Sven he
din wieder zu dem zurilckgelassenen
Haupttrupp seiner Expedition stößt.
Sven Hedin selbst spricht davon, daß
das Schicksal ihn bei diesern Zug durch
Tibet besonders begünstigt habe; ob
gleich diese Reise nicht zwei Jahre
währte, sind ihre geographischen Re
sultate doch reichhaltiger und wichti
ger. als die während feiner vorigen
Reise l1899----1902) gewonnenen, und
sie übertreffen auch das Ergebnis al-:
ler früheren Expeditionen durch Fidei
Alg einen der größten Eindrücke von
dieser wechselt-allen Fahrt durch das
Land der Lamas schildert der Forscher
einen Marsch um den heiligen Kailas.
den heiligen Berg. den die Tiheianer
auch den Rang Rinipoche nennen. Nach
dern Glauben der hindus lebt hier auf
dem Gipfel des Berges Siwa in. sei- .
nein Paradiese und nur hin und wie
der steigen die Götter zu den Ufern
des Manasarotvar - Sees hernieder.
urn in der Gestalt weißer Schwiine
iiber die silbernenfflutden dahinzualei
ten. Durch alle Thäler, iiher alle
Passe der Nachbarschaft ziehen all
jährlich Tausende von ehrfiirchtigen
schweigsamen Pilgerin in tiefes, welt
abaewandtee Sinnen versunken. zu
dieser heiligen Stätte. Männer,
Frauen mit ihren Kindern, das Grei
senalter neben der Jugend. der büßen
tse Verbrecher neben dem meditirenden
Geistlichen, fo ziehen sie daher und su
chen hier einen Abglanz der Unsterb
lichteit, ehe fte in das Thal des Todes
eingehen.
Sven Dedin sieht ans dem We e
zwei junge Lamas ans Kham i
gehen nicht wie gewöhnliche Pilger,
mit ihrem Leibe selbst scheinen sie die
Strecke zu messen, die sie von dem
Ziele ihrer sehnsüchtigen Inbrunst
trennt. Lang ausgestreckt liegen sie
aus der Erde. über dem Kopf selten sie
die Hände und beten, machen dann ein
Zeichen in die Erde« stehen aus« schrei
ten bis zu diesem Zeichen· werfen sieh
nieder nnd beten wieder. Aus diese
Weise währt die Unitreisung des
Berges gegen zwanzig Tage, und dieie
beiden Lama wollten zweimal die
Reise zurücklegen Der eine wollte
nach Ableiitnng seiner Pilgerpslikht
heinitehrenx der zweite aber, ein jun-·
get Mensch von taum zwanzig Jah
ren, wied den Rest seines Lebens in
einer dunklen Grotte an den Usern des
oberen Tsnngpo verbringen. Denn
bei den Glänbigen aill diese Selbst-i
ansopserung, dieses Leben in Dunkel
heit« Abgeschlossenheit nnd tfinsamteit
als verdienstvollster Weg zur Sena
leit. Jni seierlichen Znae werden diese
freiwilligen Dulder nach der höhle
gesäbel, bis ans eine tleine schmale
Oeffnung wird die Höhle dann ver
schlossen, nnd alltögtich tornmt ein
rathgelteideter Mönch. um durch den
schmalen Spalt dem Einsiedler eine
Schüssel mit Speisen zu reichen. Der
Mann, der da drinnen hast« wird nie
mehr das Sonnenlicht sehen, er ist
fiir die Menschheit gestorben.
-
»Wir standen draußen und ich
sraate einen Lntnapriester, ob er Uns
sprechen hören könne. lsr antwortete:
»O nein, er kann weder hören noch se
ben; er ist Taa und Nacht in tiesste
Meditation versunten.'« Nur daran·
das-. atn nächsten Tage die in denspalt
geschohene Speise verschwunden ist,
weiß man, daß er noch lebt. An dem
Tage aber, wo die Schitsiel unberührt
sein wird, wird man wissen: er ist ar
storten. Diese Selbstaukopseruna
ever ist teinestoeas eine Ausnahme:
erscheinnna; sehr ost sindet man Stör
ten, wo weltadaervandte Einsiedler in
ewioer Nacht und erviaem Schnssiaen
ihr-n heiligen Betrachtungen Mit-hän
aen und den Tod erwarten. In
itinaa z. B. hat ein Lama in dieser
Weise 69 Jahre gelebt. Er mußte
wie alte Lamas in sitzender Stellung
sterben und damit der Todesamps ihm
hierin nichts anhabe, nimmt er schon
dei der Einmaueruna ein lleinss Soli
grstell mit in die Höhle. das ihn in
der Stunde des Todestampses stützen
soll.
Als einen der herrlichsten Genüsse
schildert Sven Vedin die Kirchentnusil
der Tibetaner. Die menschliche
Stimme steht hier im Mittelpunkte;
hell and tlar ertönen die jungen sti
schen Stimmen. aber durch schwere
duntle weiche Draperien sind sie aller
Schärfe, ia man möchte sast sagen, at
.ler Wirklichkeit entlleidet; in weiten
Mienen halten dann die Klänge durch
sdie gewölbten Galerien der grosken
TTempelbauten und einen sich zu ergrei
ssenden Eheraesiingem zu wundersa
)men hyrnnen von Frieden, Liebe und
Sehnsucht Dazwischen aber tönt ge
diirnvst der melancholiiche Klang der
Baswseisen oder das rhytmische Klin
gen von Zirnbeln, bisweilen erheben
ldie siliiten ihre Stimmen zu lauten
hellen schritten Melodien und von den
Wänden des Tempelhoses nnd den
Dächern hallt dröhnend der dumpfe
Schlag der Trommeln wider. «Dann
oder wieder überwindet die Menschen
stimme das choos« in weiten entrei
senden Attordrn steigt der Ehoraesana
aut. «er trägt empor und sort von den
Leiden dnser Erde-· . . .«
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