Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 25, 1908, Zweiter Theil, Image 12

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    EW —
sti- Unaa Petri Auwkisikte
- Ueiesesnng aus dem Schwe
beschen.
Mist Einer Ekersseldl hob die
I brauen und betrachtete mit be
, Mienen seine junge Fran,
H. eisriq und erbitt, das trause
wherauösordernd um das hübsche
geleist, in sein Arbeits-immer
txt tain und aus dgs Lederiosa
M.
»Was ist geschehen. mein liebes
Anat Jst die Köchin ausqerückt oder
Bat der Jung-e Streichhölzer vers
Hin-L oder hast Du nur Zucker Jn:
Qatt Salz in die Suppe aethans Da
rüber brauchst Du nicht so verzweifelt
zu sein, Liebling - wir können ja
irn Restaurant essen, wie damals, nlg
Du das Kalbsteat in den Väilleisner
sahen ließest.«
.Weißt Du, Eingr, es ist wirilich
recht garstig von Dir. so zu scheuen,
wenn Du siehst, wie aufgeregt ich bin.
Denn Du wüßteft, wie unqlüctlich ich
sich sit-ble!«
»Ob, oh, mein Kleines, streich’ Dir
nur erit mal die Haare aus dem Ge
W- damit Du wie die Frau eines
anständigenArztes aussiebst und nicht
spie ein unbandigses Mädel, und
dann erzähle mir. was es gibt'·
»Ja, ich war bei Papa, und — oh,
es ist einfach empörend --- kannst Du
Dir denken, welchen Nennen er siir
unseren Kleinen wünscht. ja, ver
langtk Frau Annie heitere einen
durchbohrean Blick auf ihren Herrn
its-d Gemahl, der bequem zurückge
lelfnt in seinem bekaglichen Arbeits
stnhl saß und die Jlluftrationen ei
ner medizinischen Zeitschrift betrach
»Nein, meine hitziae tleine Frau,
das kann ich absolut nicht wissen.«
»Nun« Ewpawsmi—non——dae!«
saote sie in tragischenz Ton. jede
Silbe hervor-hebend
»So.« erwiderte ihr Mann mit
unerschiitterlicher Ruh-e. »Sie mal
her, Annir. eire vorzüglich Darstel
lung eines entzündeten Magens.«
»Aber Einar, hast Du nichts ande
res zu sagen? -—— Wie entsetzlich, rnit
einein so a athischen Mensch-en verhei
rathet zu ein!«' rief die junge Frau
verzweifelt aus. »Ich hin sicher-, wenn
Unser einziges Kind an einer schweren
Epidemie unter den entsetzlichsten
Qualen sterben würde» so würde es
die Gemüthsruhe seines unnatürli
chenpaterz nicht stören. Von seiner
sähe herab würde er hedauernd mit
den Schultern zucken und dann dem
«Ialle« in irgend ein-er Zeitschrift ei
nen interessanten wissenschaftlichen
Iriitel widmen. Epaminondask Fin
dest Da wirklich. Einar Egerseldt,
daß ein solcher Name unseres tleinen
M würdig ist —— unseres süßen
gocdlockigen Liebchng
»Deineswegs. Im GegentheiL Er
ist dessen so unwiirdia wie möglich.
Du weißt wohl, liebe Antrie, das-,
Spanrinondas der Name des großen
Freiheitstiimpsers der Thebaner
war? Und welche Großthaten hat
Inst-r junger Herr Sohn vollbracht?
Ich weiß nicht, daß er etwas anderes
idnt als essen und schlafen während
des ganzen Tages und weinen wäh
rend der Nacht. Obwohl feine thö
kithie kleine Mama es augenscheinlich
schon als eine ausreichende Großthat
von ihrn ansieht, das; er eriitrrt.«
Die junge Frau erhob sich und
stellte sich in herausscrdernder Hal
tung vor ihren Mann.
»sSV, Du wünscht also, das-; »an l
minondns heißt?« fragte sie mit uns
lyeimlicher Ruhe. »Das koijrde mich
natürlich um mein ganzes Lebens
glück bringen, aber wenn Du ei
wünschst, wird er selbstverständlich so
heißen —- Epominondxs! Denke
wie schön dIS tlingt!« schloß sie mit
einem kurzen hysterischen Auslachen
und sank in den nächsten Stuhl.
»Ja, ein bißchen lang ist eS ja,«
bemerkt-c der Herr Dottor in erwä
geudeni Ton« ,,doch im übriqen ist es
eine besondere Ehre, einen so be
rühmten Namen zu trauen Den des
geroßen thebanischen Freiheit-hel
n. . .
»Hör· aus mit Deinem thebinis
fsckxn Freiheitshelden.—Eine (5k)re!««
wiederholte sie mit zerschmetternden
Verachtung. »Nicht ein Jota tiikns
mere ich mich um die Ehre! Einen
kurzen, nsetten Namen will ich für
unseren Jungen hoben und nicht ei
nen. der geradezu standalög ist.
Papa redete auch eine Menge von
Ehre Und Ruhm und mehr solchem
Unsinn. Er begann, mir die ganze
Lebensgeschichte dieses abscheulichen
Mannes zu schildern, während ich in
meiner Unschuld glaubte, er habe nur
einen seiner getrost-etlichen hiltokischen
Wsinnhnsälle und geduldiq war
tete, daß er vorüberginge, leis er mich
Ins unerwartet darüber- ans-klärte
daß unser Sohn mit dem Namen die
ses ge en Mannes beglückt werden
solle. lle guten Geister —- daß ich
sichs ans der Steäe in Ohnmacht
fiel! Mein Protest —- Du kannst;
glaube-, daß er energilch war —s
W ihn unt noch eisetgeV Er
Wckelte mit iiderwältigender Be
iedssneteit den sen Umsa der
I , die dieser inne eins ließe.
tät-Moses wiegst-Fu eigne-hät
ten- gt n amen tu ee u
«3jik-- ein ebenso abenteuerliches Oel-en
sähe-. den gleichen Gefahren est-seen
M- Oeldentbsten volle-insp
. steile-h versuchte er, seine
. « zu erwecken, indem er
- « e, dass er vielleicht auch
werden könnte sein Leben
- ten-d zu unsern. Au
ich ist dieses Stäck dankte nnd int
Uebrigen ganz unberührt blieb von
all den leuchtenden Zutunftsbildern, »
die er vor mir entrollte, erklärte er »
daß er den Fuß nicht mehr über un
tere Schwelle seien würde, wenn wir
diesen seinen einzigen Wunsch nicht
eriiikiten Oh, ist das nicht traurig,
Einmis« Frau Annie schloß ihre
tange Rede mit einem tiefen Seufzer
nnd betrachtete verzweifelt ihren
Mann.
»Aber warum will er ihn gerade
nach Eparninondas nennen?« fragte
dieser, »Wenn! nicht ebensogun nach
Themistotles oder Aristoteles oder
dein größten Rämer Cäsars«
»Dort-m mein unwissend-er tleiner
Junge, weit Epominondao sein aus
ertorener Lieblingeheld ist« ertliirte
die junge Frau. » Dusietyst also, daß
»der Großvater den Kleinen mehr ei
nes ehrcnreichen Namens würdig er
achtet, als der Vater. Wie sag est
Du doch? Er hat noch nichts voll
bracht, um ihn zu verdienen? Mein
lieber Freund, ich habe noch nicht ge
hört. daß ern Kind von drei Wochen
etwas Bedentensdes vollbringt. lind
ich bin sicher. daß dieser ausgezeich
nete Evaminondas in diesem Alter
nicht hoib io verständig war. Ich
bin neugierig. wann er zu sprechen
anfangen wird, Einan Kannst Du
Dir denken, daß oas Jüngste von
Lindftarns gestern »Mcki« gesagt trat
— ganz deutlich
«So. Sehr interessant. Wenn ich
nur wiisztr. was dao bedeutet«, meinte
der Doktor.
«Kristine natürlich, Du beschränk
ter Jan-ge- So heißt ihr Kindermiidg
chen. llnd er ist erst seche Wochen
alt· Bist Du nicht erstaunt-Z«
Ungeheuer erstaunt', versicherte
er. »Das hätte ich nicht errattien.
und wenn Du mir selbst ein Jahr
Bedenkzeit gegeben hättest."
«Ach, ich meine, erstaunt darüber,
daß er so sriih schon spricht.«
««friih? Ja so. Ich habe aller
dings gehört, daß tleine Kinder sich
einer besonderen geheimnißoallen
Sprache bedienen, die tein Uneinge
weihter versteht, doch ich habe das bis
seht nicht selbst erprobt. Jch nehme
an. daß Du zu den «Eingeweihten«
gehörsi. Wird unser Junge auch sol
che Ungeheuerlichkeiten sagen-P Der
Dottor betrachtete seine Frau mit ei
nem Ausdruck tomiichrn Entsehens in
dem schönen männlichen Gesicht.
»Ja, gewiß«, beträstigte sie mit
strahlenden Mienen. »Weißt Du,
Lieber, das ist ungewöhnlich deutlich
gesprochen. Bergstedts Bahn sagt
«Wawa«, wenn es Papagei meint,
uns «Bobo«, wenn es Psessertuchen
wi ."
»Gott bewahrr«, ries der Dottor
schaut-nnd «Dao steht ja niedriger
als ein Thier.« ,
»Da siehst Du’s«, nieste Frau In
nie tniumnhirend »Aber nun sind
wir ja ganz von unserem Gegenstand
abgetommen! Sage nun ernstlich,
Einar oh Du wirklich beabsichtigt
unseren tleinen Liedlinq —- so zu nen
nen.«
»Nun, ebensogern so wie anderes«,l
erwiderte er mit aufreizender Gleich
gültigtei:, indem er mit einem Fu
einige Sei-ten seiner Zeitschrift aus
schnitt, in der er noch immer Mitter
te. »Ah, eine vorzügliche Darstellung
des Blutunilaui3! Und ein Artikel
über Semin. Sehr interessant...«
«Nein, nun halte ich es wirtlich
nicht länger aust« brach Frau Annie
los, sprang in heftig hervorbrechen
dem Zorn aus und entriß ihm die
Zeitschrift .Wie kannst Du so ver
stockt sein, von einer alten Zeitschrift
Aufhebens zu machen. während wir
eine so wichtige Frage behandeln? Jst
es nicht traurig, dass mein ei ner
Mann nicht auf meiner Seite ht?;
Und auch nicht aus Papaj, sondern
so erbärmlich neutral ist! Selbsts
Tante Clementine shmpathisirte mit
MIN
«Der alte Drache!« sagte der Tot
tvr unehrerbietia. »Das-. glaube ich
gern. Nun hat sie ja eine Woche lang
einen Anlaß, mit ihrem armen Beu
der zu zanken-"
»Aber Einm! Du setzt mich wirt
lich in Erstaunen nsit Deinem uner
hörten Ton«, ertlärte seine Frau in
edlem Zorn. -,,Drache! Tante Cle
mentine ist eine vortreffliche Frau,
sage ich Dir.«
»Ja. ja, liebes Kind, das ist ja
möglich, doch ich hatte stet- eine heil
iose Furcht vor allen vortrefflichen
Frauen«
»So, Eingr«, sie ging zu ihm, feste
sich aus sein Knie und legte schmei
chelnd die Arme um seinen Hals, »sei
nun mein lieber Mann und sage, dass
es ein abscheulicher Name ist. Denke
doch nur, wenn der Kleine zur Schule
kommt! Es schneidet mir ins herz,
wenn ich mir vorstelle, wie er der
Spielhall fiir die unbarmherzan
Sväße seiner Kameraden ver n
wird. Wenn wir unseren Buben nach
einer Wien Persönlichteii benen
nen, müßte es wenigstens nach einem
nationalen Helden sein und sieht nach
einein ausländischen Abenteurer.«
»Ein-minnan ein aucländischer
A«benteurer«, lachte ihr Mann. »Das
müßte Dein Vater lxören!«
»Und —- ivie wäre es Die selbst,
wenn Du so bießest?« fuhr Frau An
nie überredend fort. »Bei-suche mal,
Dich hineinzudenten.«
. »Ja, es ist ja, wie gesagt, ein me
nig lang«. aab er zu. «
End des Leben ist so turz«, siigte
se hinzu- »Man hat ia qar nicht
MS iilirim um einen so langen a
m auszusprechen Und das alles
sMu ich hätte Dies bestimmt
minnen even- Du einen is
entieslichen Ranken ge bt stief.
l Und denle. wenn Unser isbiing leise
Frau beläniel" Eine sichtlich Insst
malte sich in dein lieben hellen Gesicht
und verdüsterte einen Augenblis den
Glanz der strahlend-en blauen Anker-.
»Ja, das wäre ja entfedlichk sagte
der Doktor lachend. Mut um einein
so unerbörten Unglück vorzubeugen
müssen rvir tvobl ein Mittel ausfindin
zu machen iuchrn..."
«Doch wie-s« fragte sie unruhig.
»Lieb« lieber Einm. wie machen
wiss-? Wir lönnen unmöglich Papa
von uns stoßen Er ist allerdings ein
Quälgeift. Wir tönnen aber auch
unseren einzigen Sahn nicht seiner
geichichtlichen Paifion opfern!« »
Der Doktor streicheln feiner Frau
das traute Haar mit seiner weißen.
woblgeformten Hand, nnd ans ieineni
Augen blitzte lnabenksnite Schallt-its
»Wir könnten ibn ja überlisten, wie!
wir es als Verlobte thaten«. schiua erl
vor. »Weißt Diss- noch. Kleine-HW ’
»O ia,« und ein Leuchten ging über!
ihr Gesicht bei der Erinnerung an die
entflobenen glücklichen Tage. »Das
war genau wie irn Romanwrin wit
tbender Papa unb zwei junge Lieben-"
de — nur daß wir nicht stoben unb
uns nicht heimlich trauen ließen in
irgend einer romantischen kleinen
Ioritirche Er wollte nichts von Dir
wissen, weil Du Frankreichs Staats
ordnuna iin feel-zehnten Jahrhundertj
mißbilligtefi. Od. das war lierrlich!«"
Frau Annie lachte herzlich, und ihr
Mann nnnmre ern.
«Obwoh! wir es damals teinee
wegs so iusria sanden«, snbr sie sort.
.Da erschien uns das alles iehr trau
rig! Aber Du warst gwßsttigk DU
hintergingst ihn einfach » unseren
lieben. unvernünftigen, ieichtgiiiuM
gen Prosessors Wenn ich daran den
ke. wie Du ihm noch einiger Zeit anz
srech einredetest, daß Du nun nen
großen Jerthum eingesehen habest und
ein ebenso großer Vewunderer jener
Staatsordnung geworden wärest, wie
ehemals der here Professor selbst Er
merkte ahsolut nicht, daß wir beide
mit Mühe dae Lachen unterdrückten.«
»Und nun wollen wir ee ebenso
machen«, sagte der Doktor. »Wie soll
unser Junge nach Deinem Wunsch
heißen, Anniek
«Sten«, ertlärte sie in destimmiem
Ton, »das ist ein so netter Kame.«
«Nun, er bat ia auch nur verlangt.
daß unser Kind Epaminondas heißen,
nicht daß er So genannt werden soll,
odioth er das sicherlich meint. Jch
werde die Sache mit einer so iideri
wältigenden Logit darstellen. daß er
ganz tonsuo werden soll· Wir seyen
so unseren Willen durch und halten
doch den Frieden aufrecht. Denn je
des Kind detomnit ia zwei Namen,
nichts hindert uns asso, ihn bei dein
anderen zu nennen. Was sagst Du
zu Sten Cparninondas?«
»Das ist entzückend!« ries sie straip
lend aus und tnifs ihn vor Freude in
den Arm. »Du dist ein richtiger
Schoß, auch wenn Du versuchst, aars
stig zu sein. Du bosi rnir einen Stein
vom Herzen genommen.'
»Das war eine Schmeicheiei mit
Beschränkung«, bemerkte der Dottor.
«Dock, hör' mal, Kleine, nun muß ich
auch meinen Lohn dosiir betomnien,
daß ich den Stein da weg-genommen
habe. Ein Arzt bekommt sein Hono
rar. wie Du weißt· und Operationen
sind besonders theuer . . .'«
»Loß mich, Dsu Spißbuke«, rief
Frau Annies doch troß dieser schlim
men Bezeichnung wehrte sie sieh nur
matt, alZ er sie an sieh zoa und ihren
rothen, protestiiiseernen Mund küßte·
i
Its satte-seit
Von einem seltsamen Original be--I
richten die belgischen Blätter. Jn
Tierlemont wohnte in einem großen
Haufe eine alte Frau, die Tochter ei
nes ehemaligen Bürgermeisters von
Tierlemont. Als vor 25 Jahren ihre
Mutter starb, ließ die damals bereit-H
45sjährige, aber noch unverheirathete
Dame sämmtliche Thüren ihres hau
»ess zunageln und lebte seit dieser Zeit
; in einer kleinen Küche des großen Ge
;bäudes. Jhre einzige Gesellschaft bil
ideten drei Hunde. Kein Mensch sah
ssie jemals seither auf der Straße. Die
stümmerliche Nahrung brachten ihr die
Lieferanten, indem sie ihre Waaren
durch ein Flurfenfter abgaben. Die
Frau zahlte immer pünktlich. Gestern
nahm man plöylich einen Brand im
hause des weiblichen Sonderlings
wahr und die Feuern-ehe wollte in das
haus dringen, um den Brand zu lis
schen. Die Greif-n weigerte sich jedoch,
das hauöthor zu öffnen und schrie un
unterbrochen aus die Straße, daß gar
nichts los fei. Jeht brach sich die
Feuerwehr mit Gewalt Bahn und
schlug das Oauithor ein. Die ersten
Personen, die über die Treppe hinauf
eilten, prallten zunächst vor der ent
setlichen Lust zurück. Dann aber wag
ten sich doch einige Beherzte hinaus,
und es gelang ihnen, den Brand zu
löschen. Man mußte die Greifen, die
sich heftig sträubte, mit Gewalt aus
dem verpesteten hause herausreiße-i
und quartirte sie dann in einem be
nachbarten hause ein. Jn ihrer alten
Wohnung sah es fürchterlich aus.
Hunderte von Ratten hatten in den
Salont und Wohnzimmern ihr Lager
aufgeschlagen, und alle Möbel, Bilder
und sonstigen Gegenstände waren von
den Ratten zerfressen.
das Leben let
mache-M Alb den drticktgegr däsür Is
ast recht.
aa AM
LRovellette von Jassv Toren-id.
E Vor der Endstation am Port hält
»ein ossenet Pferdebohntpaaen, sehon
. besettx Kutscher und Konduitevr
wechseln ein paar schläfrige Worte.
Die kakMcht Mille eines sgiiihens
den August-Nachmittags liegt blei
schwer über Stadt und Land. Kein
Hauch rührt sich. kein wehendes Lüst
chen bringt Erquickung. Da kommt
ein Wanderer des Weges, den Kno
tenstock in der Hand, Haut-bedeckt der
ärmliche Rock. das hagere Gesicht ver
brannt und schweißgebadet Er itiist
die Hand schwer auf M Piattiorrm
einander- Jkann man hier in die
Stadt fahren-V
»Ja, wohin denn sonstt'« erwiderte
mürrisch der Kutschen
.Vis in die Schweidnitzer Vor
sie-NR
«Nn Ia, da müssen Sie aber am
Ringe umieigen.«
»Ach, sind Sie so aut und sagen
;ni:’j, --— ich weiß teinen Bescheid«
—-si aussiöhnend, erschöpft bis Zum
Aeußersten sinkt der Mann aus vie
erfte leere Bant nieder-.
Die wortsauie Apathie des Kut
schere weicht einer schwachen Regung
der Theilnahme.
»Sie sind« wohl fremd biet?« er
tundigre er nas.
»Ich ionirne von Namslau.«
»Von Ramslati7« Nun kvird der
Mann vollends wach. ichiittelt die
Zügel feines ichlafmiiyig daitedenden
Braunem »Mit-, Aller. vloss! «
Doch nich zu Füße? -—— War'sch nich
ru heiß sum Laufen?«
Mit einer unbeschreiblichen Gebärde
Weite der andere die Achseln.
Schweig-nd W jede Antwort scheint
ihm so überflüssig· Nach einer Weile,
während der Wagen die schmale
schattiqe Straße entlang rollt, sagt
er: »Ich war aus Arteitssuche.«
»Und ha’n Sie nilcht gefunden?«
»Nischt!« — das Gespräch ver
stammt. In dumpfer Resignation
starrt der müde Wanderer vor sich
din. Man malte ihm an, wie gern
er sprechen, nach dem langen. einsa
men Marsch einem theilnehmenden
Menschen fein bedrängtee her-i aus
fchiitten möchte. Ader niemand fragt
ihn, teiner hat Zeit und Interesse für
ihn. Jn der tiefen Stille ringsum
drr haben die Zunächstsitzenden jedes
Wort verstanden. Ein weißhaariger
alter Herr aus der zweiten Bant gibt
dem Konduiteur einen Wink und
zahlt stillschweigend den Pserdebaksni
nirtel sitt den Nnmslnuer
»Du lieber Gott!" seufzte ein be
hübiges Mutterchen neben dem allen
Herrn « »der tann einem rein leid
thun, der arrne Sol-luden hat gewiß
einen erbärmlichen hunger«, und
lrarnt in ihrem umfangreichen Pom
padour. Ein Strickzeug kommt zu
tage, die Brille, ein Gnmrniball --
zulest ein eingewickeltes Päachen
Kuchen oder Butterbrot, das die En
leltinder, mit denen sie aus dem Bart
ztiriicklornnrt, übrig gelassen haben.
«hier, auter Freunds sie reicht das
Wörtchen über die Bank — »lafsen
sich's schmecken! Viel ils-« gerade
nicht« ich hab' balt nicht mehr reif
mir.' s
Die braune sehnige band areistT
hastig zu. Der Mann dantt und.
nickt-einen Moment ist’6, al- wenn
er gleich hineinbeißen möcht-. Aber
er besinnt sich, ein Gefühl von-Scham
das drückend-e Bewußtsein hier bor
aller Augen, vor den neugierigen,
mitleidigen, seinen rasenden Hunger
stillen zu sollen, hält ihn ab, ein Zu
etrn geht über sein Gesicht, er läßt das
Rachen in die Tasche gleiten und sitzt
still, in sich zusammengesunten wie
zuvor. Reben ihm auf der Banl hoelt
ein kleiner schmieriger Schlosserftitt;
der mochte irgendwo draußen in der
Villenlolonie etwas abgeliefert und
ein lleineit Trinkgeld dafür einge
heimsi haben, er grinst iider das gan
Ye rothiksangige, geschmärzte Antlitz,
eine weißen Zähne lachen, seine treu
herzigen blauen Augen blintern vor
Vergnügen und liebäugeln verstohlen
mit dein Metel, den er in seinen klei
nen schwarzen Fäusten herumdreht.
Ein daarnral hat er nachdenklich auf
seinen schweigsamen Nachbar geknickt
— fett hält der Waaen am Depol
auf der Thiergartenstraße, die Pfer
de werden umgespannt, und alles
schaut interessirt zu
»Groß:nuttel, fa-hr’n wir nun mit
zwei Pferden?« fragt eins der Kin
»Nu, met HeezeL das eine wird
ausgespannt und aelzt in den Stall.
Das is müde und muß lich sent erst
a btssel annahm siehste«, eetläkt die
Matt-me.
Ein unbeschreiblich trauriges Lö
cheln fliegt über das hagere Antliy
des Mannes auf der ersten Bank·
»Das hat's gut, das Pferd-, spricht
e! vor sich hin. »Das wird jett aus
gespannt und geht in den Stall, lkteat
sein Wasser und Futter. -Unleteing
wir-d nich ausgespannt s— nie, und
wenn's auch sechs, acht Meilen sind-«
Der tleine Sei-lasset hat die Ohren
aespit und staut tlyn an wie ein
Wun k, halb scheu, ball- mitleidig.
Die etlchiittetnde Tragil dieser Worte
tilhet eine Saite in feinem jungen
Versen, die leite nachfchwtngtx die
troftlpsen Augen des Mannes tlyun
ihm förmlich welk
«Izvn Ramtlau?« fragt et stau
Zeug uSind das lech3, acht Met
n
Ach, noch mehr —- weiß
ichs-e Mk- m Ins-m is du
Eite, nimmt feinen but ab und sitt-et
mir dem Sacktuch äjer das fM er
arauende haar. Und wieder wirft
l still auf der erffen sank Tadlsnrilde
ifi der Wanderer fp mild· daß er
kaum einen Blick für die Straßen hat,
die er durchsiihrt. Und hungrig und
oerdnrstet dazu i» und wie die Füße
ihm brennen — lauen heben und rilh
ren kann er fie!
Fafi wider ihren Willen beschäftigt
der »Namslauer« immer nach die Ge
danken der Mithin-enden Der alle
Herr auf der zweiten Bank greift in
die Tasche. Soll er dem armen Kerl
nicht noch was in die Hand drücken?
Aber wozu eigentlich? Mag er sich
doch an die Vereine wenden. Zu was
zahlt man denn jahraus, jahrein feine
Beiträge. Auch das Geoßmiilierchen
fühlt ein menschliches Rühren -— als
wenn ein heimlicher Finger leife an
ihr altes Herz klopfte. Er jammerte
fie, der arme Mensch. der die Pferde
ums Ausruhen beneidet. Thal er
mich bitten, kriegte er gleich noch ein’
Nickel --— was bittei er nicht? denll fie
rI
k—
und wartet.
Der kleine Schlossersiist selber
ein armer Schlatter, den das Leben
just nicht sanst anpackt. hat seinen
Nachbar unverwandt betrachtet. Un
entschlossen dreht er den Nickel zwi
schen den Fingern. Er durstet auch,
und er leckt sich die rothen Lippen.
Aber der Mann. der kommt zu Fuss
oon Namilain .sechj, acht Meilen und
wohl noch mehr« —- aus der Suche
nach Arbeit und hat keine Arbeit ge
sunden. Ein unmenschlich schwacher
Entschluß ringt sich in der jungen
Seele empor, und zugleich die Erinne
rung an ein längst vergesseneo Mut
tertoort: »Es gibt noch Aerntere als
wir sind, die haben kein Brot. die ha
ben kein Dach « und denen sollen
wir helsen.« Er ist am Ziel und steht
aus. «Hier.« sagt er mit vor Auske
aung heiserer Stimme, »hier haben
Sie —- aus ein Glas Bier!« — und
ehe der andere sich besinnen oder dan
ken kann, springt er leichtsiiszig vom
Wagen und trabt wie ein tleiner held
dir Straße entlang, ohne sich umzu
sehen.
Der Namolauer hält den Groschen
in der Hand, seine Augen schimmern
seucht. »Guter tleiner Kerl!" mur
melt er vor sich hin, und dann wie
verschmachtend: »Aus ein Glas Bier!«
Er richtet den gebeugten Körper vor.
zum erstenmal kommt wieder etwas
wie Energie« wie Lebensmuth iiber
seine todtmüde Seele. Er steckt das
Geldstüa in die Westentaschr. »Der
soll mir Glück bringen!«
.Weit draußen in der Schwib
nitzer Vorstadt begehrt er auszusteis
gen. Er besinnt sich genau, hier in
dieser Straf-e hat vor Jahren sein
Schwager gewohnt, der ihm schon
manchmal in schlimmen Zeiten aus
der Patsche geholsem Zu dem will er
— der gibt ihm wohl auch heute Essen,
Trinlen und ein Nachtquartier « ehe
er weiter wandert und sich Arbeit
sucht. Er geht von haus zu haus.
Alles tommt ihtn srentd vor, so ver
ändert. Er schüttelt den Kaps, strengt
iein Otediichtnisz auss äußerste an. hier
muß es doch sein s- oder hier? Nun
sragt er die Frau, die den kleinen
Topstram an der Ecke hat. «Nee,««
sagt sie achselzuctend, »den tenn ich
nich." Und dann aus einmal, sich be
sinnend: »Na, warten Sie mal, der
i Nitschte, der Schuster? Ja, ja, der bat
T mal hier gewohnt, vor drei. vier Jah
sren. Aber der is vorm Jahre schon
.zu seiner Tochter auss Land gezogen.
! Wissen Sie das nicht« ·
Wantend geht er werter.
Der Schtvagerk -— Das war feine
; letzte Hoffnung!
! Was nun? Er sieht sich um. Das
list die große Stadt, die Tausende
nährt und kleidet, Tausenden ein Ob
dach gewahrt« Fiir ihn tein Bläschen,
wo er fein rniides Haupt dinlegen
wird« teine Hand, die fich ihm freund
lich entgegenstreckt, die ihm den Labe
trunt fiir feine verfchmachteten Lip
pen bietet, die ihm ein Bad fiir feine
wund gelaufenen Füße, feine milden.
fchmerzenden Glieder bereitet. llnd er
tann nun wieder weiter wandern mit
den dleifchweren Füßen, die er tamn
noch fchleppt. Wohin? Das weifz er
felber nicht
Und die Verzweiflung packt ihn - -
und der hunger fällt ihn an, gierig,
wüthend wie ein Raubthier. Den Bil
fen Brot und Kuchen hat er längft
verfchlungen, was ift das fiir einen
ausgehungerten Magen! Mit dum
pfem Dirn. taurn wissend, was er thut,
tritt er in einen Bäckerladen und zählt
feine Pfennige auf den Ladentisch.
»Brot!« fagt er beifer, und die Bä
ckerjfrau ftreicht die Bettelpfennige ein
und fchiebt ihm gleichmiithig das Ver
langte hin.
Jn einem Thorweg bleibt er ftehen
und ißt, taut hoch auf mit den noch
fcharfen Zähnen und schlingt Biffenl
um Bissen hinunter. Und sieht fich
um, greift an feinen heißen Kopf, der
gar nicht mehr denken tann. Ja, was
wallte er doch noch? Trinken —- ach
jal er feufst auf, der Rickel fällt ihm
ein, das Ulmpfen des kleinen Schlaf
ferju en, das ihm Glück bringen foll.
Er nistet an feine Tals-, ob er ,ihn
noch hat —- und plöslich fchießt wie
ein greller Hlis ein Gedanke durch
fein Dirn. Ja. trinken will er — den
letters Labetrunk fiie den Zehnpfennig
des guten Ileinen sittli, der ihn fo
miiteibig angeschaut —- unb bannt —
Er findet wohl den Wes suriick durch
die breiten, ceirmenbem bunsterfiillien
Straßen —- zuriiet bit zum Flusse,
iibee den er vorhin gest-been Den
werden ihn seine mtiben Füße doch
wohl noch tragen, den lesten Weg?
Wasser! — Das wäscht den Straßen
staub ab, das tühlt die glühende Hice
siir immer —— —
Er steht am Büsset einer kleinen
sauberen Borstabtschente und trinti in
langen. gierigen Zügen. Die Lethe
rin, die just nichts zu thun bat, sieht
ihm zu und tacht. »anen schweife
aber mat," sagt sie freundlich —- »ja
’e is ein siissiges Bier, das Roms
lauer.«
«Namslauer?« wiederholte ber
Mann aedantenlot »Namslau da
komme ich beut« schon ber."
»F is nich weit mit der Bahne. Der
Wirth is auch von dort. Zwei gute
Stunden.
»Ein-We u Fuß«, sagt er last-titsch
«3u Fusek itaunt das Mädchen
»Deine schontw
»R· —-— zu Fuße-" . .
« rissen Sie aber mtibe sem!«'
Gutmütbia schiebt sie ihm einen
Stuhl bin. .llnd zu was sind Sie
denn hierher aeiommeni«
»Um Arbeit zu suchen.« Er sagt
es sast mechanisch. wie er’s hundert
mal aesaat bat seit Tagen — seit
Wochen.
Arbeit -- da gieth viel! Was
denn zum Beispiel?«
»Jede!« spricht er dumpf und ru
din. Was nüst es ——-- fest is» ja
doch zu spät. weiter kann er nicht
mein-. Er legt seinen Nielel bin.
wischt sich bie Lippen und steht aus
Nun kommt das Leytr.
«derrgatt!« sagt das Michen aus
einmal. »Nein, warten Sie darbi«
Sie läßt die Gläser stehen« bte sie eben
ins Biissett räumen will und läuft
ins Nebenzimmen »Herr Schplz, iom
inen Sie doch mal herein! Da ie
einer, der Arbeit sucht, vielleicht tön
nen wir den aebraucheni«
Bebiibia tommt der Wirth näher.
Arbeit sucht IRS-« fragt er laan
sam und löszt den veiiseniwn Blick
über den bescheiden Dastebenden glei
ten. »Ja, was habt Jbr denn ge
lernt?«
»Hier s— aber in lehter Zeit hats
ich eigentlich alles versucht. —— Blase
tein Gliid batt’ ich.·«
.Hm«, macht der Wirth --- sein
Geschäft hat ibn ein wenig zum Men
schenienner ausgebildet und sein ilr
ebeil ist schnell sertig. Bescheiden, ein
lich. eine gute Haut! taxirt er bei sich.
Und laut sagt er: »Mir is beut der
haushiilter wegelausen —- war ein
versasseuer Ker « und wenn Jbr
wollt. Weint Jbr den Posten kriegen.
Aus Probe.«
Der Namstauer stützt si mit zit
ternber band aus das Biis et.
uWenn Sieg mit mir versuchen
wollen —- aewisz will ich...« stam
melte er verwirrt.
»Na. da sent Euch nur« Mann -
ich sei-I ja, Ihr seid bundemiiar.
Zeigt mir mal Eure Papiere vor.
Sa, gut » alles in Ordnuna.« Der
Gedanke, die neue Ausbilse wahr
scheinlich billig zu beicmmen, macht
den an sich gutmüthigen Manns or
deutlich iovial. ««ltauline, noch ein
Glas Namilauer siir den neuenhaus
bölteri ——-- Und hier« den Groschen
bebt Euch nur aus« vielleicht brinat
der Euch noch Gliici2"
»Er hat's- ichau gebracht«, sacit ber
Fremdling leise und wischt sich mit
der band über die nassen Augen
Gen-se sum-Isi
«
Sommetfriichlen »Wer ist denn
der Herr dort im Touristenanzug --
kennen Sie ihn nichts«
Bauen »O ia — freili· kenn ich
ihn —- döö is —- a Fremdek!«
Magst
A ,
I »Oui«-wes heck, wiss-a Sie nicht,
wo das andere Ende vom Besen din
getommen ift7«