Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 18, 1908, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats- Anzetger und II cerold.
Jahrgang G dJs lai ,ehN .eS etep ebm r1906. (3weiter Theil ) Nummer 4.
Ein schwerer Sieg.
Ich rang· Und mit mir rang das
Glück. «
Und mit mir rang die Seligkeit
Und jede Waffe brach zu Siiick,
Und jeder Sieg war Vers-kleid.
Und als es endlich doch, das purpur
warme
Am Boden lag, das wundgestoß’ne
Glück
Da rang ich fehnfuchistll die Arme
Nach seinem gold'nen Schein zurück.
Ich Thor, mir hielt den Blick ja schon
umfan n
Die graue Frau miztwe iem Ange
Da bin ich Wend heimgegangen
Und die mich fiihrie —- tvar die
Pflicht
---— -
Die Stimme des Ohr-.
Novelette von Eber har d
Kraus
« Der Chef blickte Meta Lindner, das
einzige seiner Telephoniriiuleim das
sich noch niemals einen ernsteren Ta
,del zugezogen hatte, mit gerunzelter
Stirn an. —
Mit den Finaerlnöcheln auf einen
vor ilrm ausgebreiteien Brief llopfend.
bemerkte er:
»Der TuchiabritantReibmann wird
doch nicht ohne Grund anfragem wel
che Das-ne am Montag um 10 Uhr 25
mit ilnn aelgrochen bat. Gewiß sind
Sie unfreun lich und ungeduldig ge
wesen, Fräulein Lindner.«
Enthält der Brief denn eine Be
schwerde über mich?« fragte die An:
geredete mit überlegenem Lächeln auf
den feingeformten Lippen.
»Das nicht, aber ——«
»Nun, dann darf man ja das Wei
. tere ruhig abwarten. Alle meine Kol
leginnen werden bezeugen, daß ich
eine himmlische Geduld habe, daß ich
stets bemüht bin, so gleichmäßig und
freundlich wie nur irgend möglich zu
spre en. herr Reibmann allerdings
mach ei nur schwer genag; er ift der
nervöleiie von allen an unler Amt
Anqeichlossenen. Dabei dai er eine
Stimme, die einem ordentlich das
Trommeler zerstigt, Mart und Beine
zerschneidet.«
»Es wird wohl so schlimm nicht
sein. Nun wir wollen mal sehen, was
nachkommt.«
Dabei nickte der Gewaltige, zum
Zeichen, daß er die Unterredung als
beendet ansah.
Was nachtum, war —- ein Privat
brief des herrn Reibmann an Fräu
lein Lindner, der fotgenden Wortlaut
hattet
»Seht geehrtes Fräulein! Am 14.
currentis war ich wieder etwas schwer
zufrieden zu stellen, befand mich nicht
in bester Stimmung, denn ich hatte
lurz vorher eine unerwiinschte Nach
richt erhalten. Gewöhnlich regt man
sich noch mehr aus, wenn man in sol
chem Zustande an das Telephon eilt.
Ich habe mich dort beruhigt, und das
habe ich einzig und allein Ihnen zu
verdanken, mein werthgeschätztesffriius
lein. Ihre Stimme, oehr freundlicher
Ton waren Oel auf ie Wogen mei
nes Aergers. Jhr Organ klingt wie
die reine Musik, und da würde ich
mir gern einen Besitztitel darauf ver
schaffen —- selbstverstiindlich einen
durchaus ernfthasten und legitimen
und unter der Voraussetzung dasz
Sie nicht prinzipiell abgeneigt sind.
Daß Ihr Ruf tadellos ist, weiß ich
mit Sicherheit, habe auch niemal
daran zu zweifeln gewagt. Haben
Sie, bitte« die große Lieben-würdig
leit, mir ietzt zunächst Ihre Photo
graphie zu übermitteln. Wenn Ihre
Erscheinung auch nur einigermaßen
dem Bilde entspricht, das ich mir
nach den Eindrüclen meines Gehörs
von Ihnen gemacht habe, dann wird
es mir das höchste Gliick sein, Ihre
persönliche Bekanntschaft machen zu
dürfen und —- salls sich hierbei gegen
seitige Neigung einstellt —- mit Ihnen
einen Bund filr das Leben zu schlie
ßen. Sehen Sie Ihrer Güte die
Krone auf, werden Sie das Oel mei
ner erregten Stunden und sdie Musik
gäisääthauset dMiäanolltogrgnite
ung un »e- g "Jten
Nüttäußerung gewärtig
Ihr sehr ergebener
Ernst Adam steibmann.«
Mein bekam einen Todesschrech
Diese rauhe, zänlische Stimme, dieses
unruhige, dauernd erregte Tempera
ment hielten um ihre nd ant din
tek die en Gespensterm e i rein Mei
ster gleichsam als unaednl ge Frei
werber vorauseilten, sah iie no
Lockendes und Gestoinnendes nahen.
Sie kannte nur die Unhöflichteit und
Nervositiit des Mannes, nicht ihn sel
ber. Und da sie noch jung und liber
dieb sehr hübsch war, so lockte die
Aussicht auf eine gute Partie sie gehe
wenig; sie rechnete noch nrmer au ei
nen Freier, der gleichzeitig schiin und
liebenswürdig war und sein Auskom
men hatte.
Sollte sie abschlögiq oder gar nicht
antworten? Sie gehörte zu lange dem
Geschäftsleben an, um nicht zunächst
aus eine diplomatische Erledigun· der
ihr so peinlichen Angelegenheit be cht
zu sein. Da tani ihr ein rettender
Einfall. Sie hatte in ihre-m Albmn
eine größere Anzahl von Photogra
phien Ihrer Freundinnen und Kolle
ginnen Sie brauchte nur einsach die
am wenigsten reizvolle Herausgquan
und sie dem unwilltornmenen steiet
mit der Bitte um baldige Rii be zu
übersenden. Dann vergingen hin ge
wiß sosort alle Heirathsgedankem und
sie hatte sich mit Schick iund Glück aus
der Klein-me gezogen.
Ihr in böslichem aber unbestimm
ten Wendunaen schaltener Antwort
bries mit der sbeigesiigten Photogra
phie einer Freundin, bei der sich Ko
rinthaunen smit einer Kartoffelnase
und einem Fisch-stund zu einem etwas
vgrblüssenden Salat vereinten, ging
a .
· Am iibeeniichsten Tage eröffnete
ihr Ernte Adam Reibmann zu ihrer
nicht geringen Ueberraschung:
»Seht verehrtes Fräulein! Durch
Ihr gütiqu Schreiben vom gestrigen
mit inliegender Photograp ’e haben
Sie mich außerordentlich er reut. Der
Vorstellung, die ich mir von Ihnen ge
macht habe, entspricht sie allerdings
nicht ganz —- ohne daß ich mir damit
irgend ein Urtheil herausnehmen
möchte —, aber ich glaube, dasz die
nähere Bekanntschaft mit Ihnen mir
auch iiber diefes Manto in der An
bahnuna einer tompletten Fühlung zu
Ihrer werthen Persöntichleit hinweg
helfen wird. Ich werde mich außeror
dentlich freuen, wenn ich Sie nächsten
Sonntag präzise 5 Uhr Nachmittags
in der Pappritzschen Kondiiorei be
grüßen kann. Jch werde im linken
Mpfloche meines Gehrockes ein
Gattdenia when und bitte Stie, als
Erlennungszeichen bloß meinen Brief«
der schon durch sein erbsengriines
Papier ausfallen muß, in der hand
zu halten. Mit üglicher Mach
tung und stets zu . ren Die be
reit Ihr zu aufrichtigstem Danl ber
bundener n. s. w.«
Wunderbar —- höchst wunderbar!
Aber diese Gelegenheit, die sich ihr
bot, herrn Reibmann von Angesicht
zu Angesicht zu erschauen, war schon
deshalb besonders verlockend, weil sie
gar nichts dabei ristirtr. Gefiel er
ihr, so qab sie sich zu erkennen; fand
er ihren Beifall nicht, so lonnte sie,
da ihre Züge ihm ia fremd waren,
den erbsengriinen Brief ruhig in der
Tasche behalten. Dann hatte sie den
Bewerber eben einfach «versetzt«, wie
ihre Kolleginnem die mehr Uebung in
solchen Begegnungen hatten, sich aus
zudrücken pflegten.
Schon um dreiviertel auf fiinf saß
sie in der Pappritz’sctzen Konditorei
vor einer Schotolade. Mit dem
Schlage fiinf öffnete sich die Glas
thiir, und herein trat ein Herr in mitt
leren Jahren mit alodenem Kneifer
und dunklem, spitzgeschorenem Bart
eine Gardenia im Knopfloch So ru
hig und heiter, als habe er niemals
etwas mit Geschäft, Telegrqph und
Telephon zu thun gehabt, sondern ein
Millionenvermögen in mündelsicheren
Papier-en in den seuerfesten Gewölben
der Reichöbanl liegen. Hatte das al
les ihre »ölige« Stimme bewirlt, wie
Meta, still in sich hineinlirchernd
dachte? Oder war Herr Reibmann
nur in den Büroftunden zappelig,
außerhalb des Koitors aber ein lie
bendwiirdiger und, wie es schien, so
gar etwas phlegmatifcher Weltmann?
Das menschentundige Telephonsräus
lekn wurde ganz irre an ihren eigenen
Erfahrungen und bekehrte sich sofort
—- ohne zu wissen ——- zu jener altja
difchen Philosophie, ldie alle Sinnes
wahrnehmungen für den fehillernden
Masafchleier des Jrrthums und der
Verderbniß erklärt.
Jm nächsten Augenblick schimmerte
das erbsengriine Papier in ihrer
hand. Und als der Anlömmling sie
noch immer nicht bemerkte, sondern
seine Blicke suchend umherirren ließ,
erhob sie sich.
»Wie lommen Sie zu diesem Brief,
mein Fräulein?« fragte Reibnwnn
befremdet.
S«br einfach, ich bin die Adres
satin!«
«iNcht möglich! Betst —- er zog
die Photographie aus der Tasche ——
hier habe ich ia aIhr Bildt«
Mem ums ein-u flüchtigen Blick
darauf und lachte mit vollendeter
Schauspiellunst hell auf:
»Ach, da habe ich mich in der Eile
vergriffen. Das ist« sa eine meiner
Freundinnen!«
Reibrnann fchüttelte den Kon und
zog eine Miene als glaube er, eine
recht ,unsichere Kontoriftin« —-«— ein
segrifL der itm am nächsten lag
aber hier teine Rolle spielte, Ida er ja
kein Engagement fiir fein Kontor be
Wtsigte —- vor sich zu sehen. Doch
Ier forschte nicht weiter, sondern äu
ßerte hocherfreut: »So war meine
erste Borstellunq voanhnen doch rich
tig, mein liebes Fräulein. Die
Stimme meines Ohres hat mich nicht
betrogen!«
Meta wollte schon antworten:
»Und mir hätte die Stimme meines
Ohres niemals verrathen. was siir
ein netter Herr Sie sind.««
Aber da sie jetzt teinenDkund mehr
hatte, der »An«bahnung einer tomplet
ten Fühlung zu ihrer werthen Pet
sönlichteit'« Schwierigkeiten entgegen
zusetzem so schwieg sie wohlweislich
und begrüßte die Thatsach daß es
auf dieser Welt Leute gibt, die ihre-m
Gehör mehr trauen, als ihrem Ge
sicht, mit aufrichtiger Befriedigung.
hätte Ernst Adam Reibmansns Ohr
nicht gesprochen, wer weiß, wie lange
sie dann noch aus jenes Wort "tte
warten müssen, das jedes weibtche
Ohr am liebsten hört.
-5—.- ...-..-«--.
i
(
heimkehr.
Erzählung von DIE-lenken- von Mark-riet
-.-..0-.
Ueber den in dämmerige Schleier
sich hüllenden Hügel lam ein milder
Wandersmann herab.
Tiefe Stille lag über die Runde ge
breitet —- nur manchmal, wenn der
leiseNachtwind sich ein wenig verstärkt
hatte. hörte man das Rauschen und
Murmeln des fernen Waldbacheö, der
von den Bergen lasladenartig zu
Thale sprang.
Es war ern Mann in den letzten
Vier igerjaheen, hoch von Gestalt;
das Zahle, eingefallene Gesicht zeigte etc-(
was Verfteinertes, als ginge ihm die
fshigleit ab, zu lachen und fröhlich zu
ein.
Durch die vollen, vordem tiefschwar
zen Haupthaare zogen sich bereits feine
Silberstreifen.
u
»Vetliirnmert — überfliissig auf der
Welt —-« das stand aus diesem milden
Antlitz geschrieben.
Durch die Zwei e der Büsche und
Bäume ging ein fanstez sliisterndes
Rasch-tm ais wandte der schützan
Geist der Natur umher und streife mit
lieblosender Hand das schimmernde
Grün, und an den Spitzen der Gräser
tauchte zuweilen ein zartes, sarbiges
Leuchten auf, wie im Reslex der Ster
ne, die vor dem steigenden Mondlichte
zu erblassen drohten.
Mit niiiden Gliedern, gedrückten
Herzens erreichte der Wanderer eine
alte Holz-band Ndie, wurrnstichig und
verfallen. vor einem großen Gebüsch
stand, das Tausende von Goldregens
Dolden in voller Blüthenpracht
schmückte.
Da war sie noch, die alte liebe Holz
banl, die die Spiele feiner gliiellichsten
Kinderjahre gesehen, nnd einst den er
sten und einzigen Sonnenstrahl des
Glücks in seinem öden Dasein mit ihm
erlebte.
Er ließ sich nieder aus diese Holz
beni.
Verlor-en blickten seine Augen hin
ans in die Ferne, iibet den grauschim
mrrnden Sammet der Wiesen, das
ilimmernde Wasser des nahen Wei
hers, nach dem Städtchen, das vor ihm
lag
Traumverloren blickte er nach die
sem lleinen Gartenstädtchen mit den
niederen, unmodernen, rosen- und
weinlanbunisponnenen Hsuierm dem
uralten Kirchlein und dem Rathhaus
mit seinen verrosteten Zinlen und
) Dachtrauien.
Seine Heimatl) —— ---- —
Und während er unwillkürlich mit
den Augen den Pfad verfolgte den er
noch zu gehen hatte, unt nach WalteriJi
hausen zu gelangen, stiegen ihm Bil
der der Jugend auf, die er im Truhel
der Grosiftadi, in der Trettniilple des
einigen Einerlei der Zahlenarbeit fast
schon vergessen.
Die bleiche, dunkeläugige Mutter
sah ihn an, Färtlich und wehmütbig
),ugleich. Sie legte im Sterben die
Hände auf iein lockiges Haupt und flü
sterte mit erblassenden Lippen
»Nun muß ich von dir gehen, mein
Johannes. mein einziger Liebling!
Bleibe gut und brav — Gott mache
dich gliieilichi«
Ja —- var Giiiat Das Giiickt
Es quoll heiß und schmerzlich in
dem Einsamen auf —- --— das Glück —
wo war es geblieben?
Gleich damals, als der einfache wei
ße Sarg, der die Mutter umschlossen.
kaum noch unter der schwarzen Erd
icholle verschwunden, da hatte dir
Freudloiigleit fiir ihn begonnen.
Der schwache, geistig nicht hervorra
gende Vater war einer Verwandten,
einer iniriganien Witwe ins Netz ges
ganaen und hatte wieder geheirathet·
Das war ein Fehler.
Viel Zeit, denselben zu büßen, blieb
Herrn Kurt Diethofen nicht, denn zwei
Jälyrchen darauf ruhte auch er drau
ßen unter dem grünen Rasen.
Daeaus tatn Johannes —- damals
se s Jahre alt — zu einem Onkel
an s Ders, der eine Landschnle hielt.
Die Stiefmutter wollte sich »tnit stem
den Kindern« nicht das Leben verbit
tue-n
Ohne Liebe lennen zu lernen, der
Barmherzigkeit und der Gleichgültig
teit Fremder preisgegeben, war seines
Kindheit vergangen.
Mit fünfzehn Jahren lam Johan-(
nes Diethosen als Le ling zu einem(
Buchbinder und dann n einemtitechts
anwalt als Scheeiblrast.
DieNoth und die graue Sorge hoc-s
ten beständig an seinem Lager; aber;
noch war er Zung, noch pulsirte war- ;
meö Leben in hm
Fehlte ihm auch date Talent, beson
ders eöhtich nnd ausgelassen mit Al
tersqenosien zu toben und zu lachen —
ein Fiinlchen Liebe zum Dasein. ein
Athem von» Sehnsucht, das Leben zu
genießen. Fu lieben und geliebt zu
werden', steckte dennoch in ihm
»Das Glück«, das die geliebte Mut
ter sitt ihn ersieht hatte mit dem letz
ten Atheinzuae —- wo war es?
,,O. Glück. wo bist du?« schrie es in
ian aut.
Und es kam ein Sonnenstrahl.
Es gelanf ihm, eine Stelle als
Buchhalter n einer großen Versiche
rungsgesellschnft zu erhalten« die
halbwegs anständig bezahlt wurde.
Nun iubelte er beinahe aus« An
einen eigenen kleinen Tauf-stand dachte
et. Das Weibchen zu cm Restchen —
so dachte et —- würde sich schon sin
den. O, et wußte schon eine, die ihm
als Knabe schon ausgefallen. Das war
Hildegard Liebenreich. die Tochter der
Wittwe eines Magistratssetretäes in
seinem foeimatsstädtclsm Hilde, mit
den blonden, fliegenden Zöpsen, den
wibenWangen und lachenden Augen.
Grülschen im Kinn —- ja, die, die war
die Rechte fiir ihn!
Einige Wochen später nahm Johan
nes Dietbo en Urlaub im Amt und
eilte aus liigeln der Sehnsucht nach
Walteksbansen.
Das mathstädtchen stand auf
demselben leck wie sonst; ein wenig
nat-«- .- Man möchte sagen: die
«Kultnr« sein Aussehen beleckt.
Neue Gebäude am Marltplat3, ein
paar Schmuclpliitze vor den Schulen
waren entstanden —- doeh wohin auch
fein fuchendes Auge glitt —- die Men
schen waren ihm fremd in Waltershau
sen geworden.
Zur Maienzeit, und eine Woche nach
Pfingsten war es gewesen. Die Alazie
stand in vollerBliithe und der Jasmin
sandte beraufchende Diifte in die
Manniqu
Da hatte er wiederholt Hilde Lie
benreich aufgelauert, nachdem er ihrer
Mutter und Schwester einen Besuch
gemacht; er wollte die alte Kinder
freundschaft zum Anluiipfungspunlte
nehmen und Hildes Herz für sich ge-:
minnen.
Aber das Talent, bei den Frauen
und jungen Mädchen den Schwerenö:
ter und Sijßholzraspler zu spielen,
ging ihm vollständig ab.
HildeLiebenreich schäterte u. spielte
mit ihm, wie in den Jkinderzeitem und
erweckte Hoffnungen in ihm, und als
er eines Nachmittags —— genau bei di-e
ter Holzhauf. auf der er saß —- ihr
seine tiefe Neigung gestand, da lachte
sie ihm insGesicht, und flog davon, wie
ein schillernder, bunter Schmetterling.
Damals war es ihm, als sei in sei
nein Jnnern etwas gesprungen, etwas,
das ihm körperlichen Schmerz verur
sachte und sein Herz wie mit einer
Eisrinde umgeben hatte.
Zwei große braune Rehauaen halten
nach Hildes Davonaktien mitleidig in
die feinen aeblictt, eine weiche, schmale
band seine Rechte aeltreichelt und eine
leite, gedämpfte Altstimme ihm zuge
rannt:
»Johannes! Mußt ihr nicht böse
fein! Sie ist ein tolle-; Kind, trotz ib
ttk achtzehn Jahre, die Hilde! Mußt
ihr nicht ziirnent Noch hat sie den
Ernst des Lebens nicht erfaßt —- viel
leicht, wenn du später —- —"
Und Rehauaen, schmale Hand und
Altitimme hatten Linda Liebenrcich,
Hildens Schwester-, gehört, die zwei
Jahre älter war, als das Jdeal seiner
Träume.
Das SchamgefühL lachend abgewie
ien zu fein von der Ausertorenem die
Erbitterung und Enttäuschung, ließen
ihn Lindas Trostesworte, ihr tiefes
Mitqefiihl aar nicht beachten.
Als er am zweiten Taae des Festes
die heimath verließ. folqten ihm die
braunen Reliaugern von Tränenfchlei
ern verdunkelt, so lange sie ihn nur
noch sehen konnten·
Johannes Diethofen sab das nicht.
n seinem hoben Pulte ins Kontor
stand er dann jahrein, jahraus —- fein
Herz schrumpfte allmählich ein und
mußte die Gestalt einer jener zehn Zit
tern annehmen, mit denen er tagein,
Wagens zu thun ·hatte.
Hilde Lieben-reich war einJahc nach
der Abweisung, die sie Johannes er
theilt, die Gattin des sehr begüterten
Brauerei-Direktors Worthmann ge
worden; aber in der schönen, appetit
lichen Frucht hatte der Wurm gesteckt,
Der ihr die Lebensader durchnagte.
Ein Baby kam und nahm der jun
gen Mutter Frische und Jugendreiz,
und nach dem zweiten, einem munteren
Knaben, siechte Hilde in wenigen Wo
chen dahin.
Bald zählte das prächtige Erbbe
gräbniß der »Wo«hmann« eine stille
Ochliiferin mehr.
Johannes Diethofen erhielt davon
Kunde.
Noch mehr als sonst vergrub er sich
in seine Biicher und Zahlen — und die
zehn Stunden täglicher Arbeit in sei
nem dunklen Kontor machten schließ
lich einen vertnöcherten Junggesellen
aus ihm.
Nun aber war, nach Jahren der
Einsamkeit, ein Tag gekommen, an
dem das diirre Menschenreis, vom
Frühlinassonmnschein geküßt, plöks
lich ein wenig zu treiben und zu gru
nen benann.
Ein Frühlingstag, an dem ihn die
ungewohnte, freie Zeit auf Ptomena
den und unter Menschen tkieh.
Sein stumpfer Gleichmuth fiel wie
eine Hülle von ihm ah. Sangen die
Vöglein nicht gleichsam für sich allein?
Die Kinder spielten, und keins sah ihn
mit seinen hellen Guckaugen an?
Ja —- wollten die ihn umringenden
Leute nicht sehen, daß ein einsames
Menschenkind unter ihnen wandelte
nnd litt?
Und nochmals schwoll ihm das Herz
nach etwas Unbekanntem, nie Gesche
hen. Mit silberne-n Stabe klopfte ein
Etwas an sein verödetes Herz, und mit
fchmeicbelndem Klange schlug eine leise
Melodie an sein Ohr —- ein Früh
lingslied.
Und vor drei Tagen war er den
oben Steinriesen der Hauptstadt ent
flohen
Wie vor langer Zeit, als sein Haar
noch tiefduntel, seine Augen noch glän
zend waren. trieb es ihn in die Hei
math.
Nun fah er sie vor sich. feineHeiinath
— saß auf der Mutter Lieblingsplätz
chen, der alten Holzbank, regungslos
zurückgelehnt, mit Blicken, die sahen
nnd auch nicht sahen — —
Da schlug ein süßer Ton an fein
Ohr.
Jcn Dickicht des Goldregenbusches
saß eine Nachtigall. Dieser Ton
brachte Leben in den Träumer. Von
seinem Herzen fiel es wie eine Eis
rinde — wortloses Schluchzen erschüt
terte seinen Körper, dann rannen bei-i
he, kristallene Tropfen ununterbrochen
ihm iiber Gewand und Hände
»Aber — aber! — Sie verderbenj
iich doch richtig noch die Augen, Fräu
leinchenl Gleich wird es finster sein!
Was-? Noch nicht fertig sind Sie? —J
Ach, das lassen Sie nur bis zum Mon
tag liegen! So etwas will der liebe.
Gott gar nicht, und besonders am lie
ten heiligen Sonntag! Nein —- Sie
gehen morgen mit uns-. Wir machen
eine Waldpartie. ich und die Kinder
—- mein Mann kommt nach! Jch hole
Sie ab, Fräuleinchen —- nnd nun —
gute Nacht!«
»Gute Nacht, Frau Heimerdins
gen —«
Eine weiche, müde Frauenstimme —- i
ein fliichtiges Lächeln.
Am Fenster des mit Weinlaub über
mucherten Häuschen-T nahe dem Pari,
saß ein halbverbliihtes Mädchen. Das»
Rasse Gesicht trug leider die Spurens
iiberanstrengender Thätigkeit, aber in
den Augen lag eine Welt von Herzens- -
giite, (,utraulichleit, doch auch Resig
nation. s
Es war Linda —- Linda Lieben- !
reich. l
Kurz nach der Mutter Heimgang,i
mit dem die ohnehin so bescheidene
Pension aufhörte, begann Linda sich
eine kleine Existenz zu gründen. E
Eine Schulsreundin, in der Residenz
verheirathet, verschaffte Lan Arbeit in
einem vornehmen Wäschegeschiift; dazu
nahm sie einige Schülerinnen ins
Haus. Unter ihren geschickten zarten
Fingern entstanden die entzückendsten
Spihenjupons und Morgentleider.
Mit den Jahren kam die Uebung —
auch ein besserer Verdienst — aber
auch mehr und mehr der Hang zur
Einsamkeit. Geheiraihet hatte Linda
Liebenreich nicht« obgleich sich verschie
dene Freier eingestellt hatten.
»Du liebe schöne Gottesnatur!«
sagte sie leise und legte das Haupt an
den aeöffneten FenstersliigeL ,,Wann
wirst du, großer Gott, deine Feuerzum
gen herniedersenden in die wachsende
Tunleihe it die die Menschen umgibt?
Erleuchte auch mich — gib mir den
heißersehnten rieden — —«
Als sende e Himmel der Einsa
men ein Zeichen, so begann m dem Au
genblick die St. Marienglocke den
Abendsegen zu läuten.
Durch die Wipsel des Paris ging
ein leises Rauschen, und würziger
Blumendust kam aus desRachbars
;Vorgarten herüber.
» »Guien Abend!« sagte plötzlich eine
zaghafte Männersiimme.
Linda Liebenreich sprang empor —
der Herzensschlag drohte ihr zu ver
sagen —- unier Tausenden hätte sie
diese Stimme wieder erianni.
»Johannes!! Du —- -—«
Bald aber strömie das warme Herz
lslut zurück.
Und wie in den Tagen der Kind
heit, legte sie ihre Hand aus den Arm
des Jugendgespielen und plauderte
heiter mit ihm, als seien sie nicht mehr
als ein Jahrzehnt einander niemals
begegnet
Der Zauber der Weiblichieii übte
auf den vereinsamten, alternden
Mann, zum erstenmal seit Jahren,
eine magische Kraft aus —- wie ein
holder Traum erschien ihm alles -- so
wohl, so heimisch wurde ihm — so
glüeiselig -— —
Kam nun doch noch das Glücks
. Und diese beiden verblühten, verlas
senen Menschenkinder merkten es nicht,
daß mit schwarzen Schatten der Spät
»abend hereinbrach.
i Mit silbernen Fäden spann sich das
JMondlicht durch alle Aeste des großen
.Virnbaunies, der vor dem Häuschen
zstand, nnd bildete ein zitterndes Mo
saik von Licht und Schatten. Dies
Licht verschönte Lindas Züge unge
mein.
,,-—— und morgen ist Sonntag, Jo
hannes! Da bist du mein Gast! Des
Morgen zur Kirche — Nachmittags
in den Wald Unter fröhliche Menschen
—— kommst du?!«
Er sah sie nur an. Sein Herz flog
ihr zu.
Wie doch die silbernen Fäden des
Mondlichts ihre braunen Rehaugen
vertlärten. «
— W
Die Kulturqesqtchte der Gemüt-.
. Der Hochsommer ist die Haupt
’ und«.dochsaison der Gemüse manm -
sachster Att, die infol e ihres sme
niedrigen Preises in «esen Tagen
auch aus der einfachen und bescheide
. nen Tafel nicht schlen. Die wenigsten
der Gemüseesser sdiirsten aber über
die Nationalität des Gemiisess orien
tiri sein.
Am Belanntesten ist es wohl, daß
die Kattossel aus Chile stammt uwd
gegen das Jahr 1550 svon den Spa
nietn nach Europa gebracht wurde.
Die Runkelriibe ist in Persien zu
Hause, und sdie Zichorie in Indien.
Die Tomate kommt aus Peru, die
Gurte ist in Indien beheimathet, Und
der Kürbis in S«iidamerila. Der Spi
nat hat aus dem nördlichen Asien die
Reise zu uns qemacht, während die
Petersilie am Mittelländischens Meere
ihre Heimath hat. Die Antischocle
stammt von Eltern, die theils in Ma
rokko, theils aus den Canarischen Jn
sen und in Madeira wohnen. Die
Eellerie wohnt in der qanszen ge
mäßigten Zone. Die Zwiebel ist in
Sibirien zu Hause.
Von einer Reihe von Gemiisearten
lennt die Wissenschaft bis auf den
heutigen Tag noch nicht die Heimath
So weiß man zum Beispiel keins be
stimmtes Heimathlanid fiir das Ra
kdieschen und die Mohrriiben anzuge
sen.
Mißvetftandene Erlaubniß.
Papa (der eben ins Zimmer tritt,
als sein Sohn mit beiden Füßen auf
dem Piano herumspringt): »Fri ,
wirst Du gleich herunter, was fä t
Dir denn ein?«
Fritzchem «Ja, Mama hat mir er
laubt, auf dem Piano zu spielen.«
Betrachtung einer Ehefram
»Merkwürdig, je mehr ein Mann
vor Wuth kocht, desto roher wird er.«
Resolut.
»Ich kann dir nur rathen, liebe
Freundin, verzichte aufs Heirathen;
von hundert Männern taugen neun
undneunzig nichts.«
»Nun ja, dann heirathe ich eben
den hundertsten.'«'
Ein braver Ehe-nann.
,,’fritzchen, wer hat denn bei Euch
den Hausfchlüsssel?«
,,Mama·«
»Und den Kassenfchliissel?«
»Auch Mania.«
»Was hat denn Papa?«
»Den Uhrschliissel.«
Er kennt sich aus«
»Sage-n Sie ’mal, wie kommt denn
unser Wirth zu dem zerkratzten Ge
.sicht?« —
»Ich glaub’, dem ist wieder amal a’
Haf’ in’s G’sicht gesprungen!«