Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 11, 1908, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
StaatSs Anzetger und J set-old
« Jahrgang 29. Graus Island-, Nebr» 11. September I908. (3weiter Theiu Nummer 3.
Weins-etwas
Von Christi-te Russland
Das ist mein Feiertag.
Wiss um Ins rauscht und webt,
Wo Vögel mt mit reden
Und jedes Blättchen lett!
Das ist mein Feierta ,
Wo’d in den Lüsten gi,
Wo jedes Windesfächen
Mit wie ein Lied etttingL
Das ist knein Feiertag,
W« um mich tobt und schwirrt,
Wo jedes Atixnkholen
Mit zum Gebete wird.
—
,,Ftäalein.«
. M Iw-»" AGRE
H
Skizze von Hedwig Stephan.
Licsbeth Wollte-be hatte sich mit
der Tshatfache abgefunsdem eine alte
Jungfer zustanden aut- zmr weit
früher, als dies gewöhnlich der Fall
zu fein pflegt. Denn rnit achtund
zwanzia Jahren hofft doch noch
manche Maid auf Brauttrsanz und
Schleier und dentt nicht entfernt
daran, etwa den Inhalt ihres
«Hamftertaftens« an jüngere Jahr
ganae zu vererben.
Liesbeth Wollrabe indeß hatte nsan
es gerade nicht an derWlege aefungen,
aber doch im Backfifchalter so ziemlich
klar gemacht, daß ihre äußeren Reize
sowohl wie ihr Vermögen fiir einen
Eheaatten kaum ausreichend fein
würden. und daß sie unbedingt etwas
Ordentliches lernen mußte, um sich
später selbstständig durchs Leben zu
schlauer-.
Die »besseren" Frauenderufe baten
damals noch nicht fooiel Auswahl wie
heute ·- eiaentlich kamen nur die
Dandelsfchule oder das Seminar in
Betracht. Lieebeth wählte das letzte,
weil sie viel Verständnis und Zwei
guna fiir Kinder und auch eine nicht
zu erschütternde Sanftmuth und Ge
duld beiafz —- Eiaenfchaften, die siir
eine Lehrerin zwar lehr mitnfchene
werth. aber doch nicht besonders ge
eignet waren, ihr die Lernjahre tm
Seminar zu erleichtern.
Immerhin beftand sie das Emmen
leidlich aut und hatte auch das Gkiich
in der Prioatvorbereitunqsfchule von
Fräulein Diethoff gleich eine An
siellung zu bekommen
Und in den acht Jahren, die sie jetzt
dort war, hatte es noch teinen Taa
gegeben. an dem sie mit ihrem Beru
unzufrieden aewefen wäre.
Sie hatte niemand fonit, den sie
lieben lonnte, und fo oertheilte sie
denn den ganzen Schatz von Güte und
Wärme, den sie im Herzen trua, an
die Buben und Mödelchen. die sie von
Fibel und Einmaleins bis zum Bezi
malbruch und haupt- und Nebenfatz
brachte.
Fiir all die kleinen Leiden, die doch
ein Kindergemiith bedriiaem hatte sie
Interesse und ein Wort des Trosies.
Wer feinen Schieferftift verloren hat
te, oder das Rechenheft vergessen-,
oder gar das Frühftiich tam ver
trauenevoll zu Fräulein Wolltabe —
die wußte immer guten Rath, half
luchen und trocknete Thriinen und
war überhaupt die »Allerbesie'. Und
feit Lieåbeth wußte. daß man sie fo
nannte, da hätte sie mit keiner Prin
zelsin tauichen mögen. Auch Frau
lein Metle die Schuloorsieherin,
fast in Liesbeth Wollrabe eine unent
behrliche Stütze der Anstalt. Was
hätte man beispielsweise ohne sie wohl
mit Woliaang stöle anfangen lal
len!
Befanter Wolfgang war eine-umne,
eben frisch vom Lande gekommen Hat
te noch so gut wie aar teinen Unter
richt gehalt, und die Tante, die ihn
anmeldete, äußerte lebhaste Bedenten
bezüglich der Schulvisziplin
Fräulein Dieihoss meinte zwar mit
iiberlegenern Lächeln: »Es würde
schon werden«, aber es wurde durch
aus nicht.
In den ersten Tagen liti Wolfgang
regelmäßig aus dem Unterricht sort,
und als man schliesslich die Schul
zimmerthür abschlo , saß er mit ge
ballren Fäusten uns sestgeschlossenen
Lippen da. Und weder Bitte noch
Drohung vermochten eine Silbe aus
ihm herauöxupressem
Die Schulvorsteherin, die die
»Neuen« in den ersten n immer
unter persönlicher Leitung tie, war
außer sich.
Dieser kleine Bilde machte nuch die
anderen Kindern eebellisch —- derRus
der Schule stand aus dem Spiel — —
sie berietls mit den Lehrerin-en was
mit dem Tro ps zu thun sei, und
versprach si wenig Erfolg davon,
ihn Liesbeth Wollrabe, die darum ge
beten hatte. asus ein paar Tage allein
zu til-erlassen.
Aber« das Unerwartete ges-hab —
Sie-bete sand einen Wen in das ver
steckte und Whriøste Anders-ers
— mit unermüdlicher Geduld und
Nachsichi und mit sehr, sehr viel
Liebe.
Sie erreichte es sogar, daß Wels
gan sich bei den anderen Lehrerinnen
eben alls leidlich gesittet benahm,
wenn auch Fräulein Methoss behaup
tete, »e: wiire ein ganz abnormer
Charakter.«
So lonnte er es absolut nicht ver
tragen, «Wölsrl,vn« genannt zu wer
den, ein Diminutiv, das die Vorstehe
rin gern anwendte —- — Wenn sie
phantisievolle Histiitchen mit sehr lehr
reicher Pointe xum besten gab, schnitt
et Gesichter oder meinte: «Ach, das ist
sa Kohl!« und einmal, als sie ihn
zwingen wollte. zu verrathen, wer ihm
vorgesa t hatte, erwiderte er empört:
»Aber Fräulein, ich bin doch ’n an
ständiger Menschl«
Natürlich war ihm Fräulein Diet
hoff daher nicht besonders grün, und
er wäre, da seine Leistungen keines
wegs als glänzend gelten konnten,
wol-l taum versetzt worden, wenn
nicht Liesbeth Wollrabe sich in ver
Konserenz ganz energisch siir ihr ver
wandt und dasiir gutgesagt hätte, daß
er in der 2b mitkommen würde.
Szeitdem ihm die Vorsteher-in bei
Vertheilung der Censuren dies nebst
einer ernsten Vermahnung mitgetheilt
hatte, war sein Lerneiser geradeku
rührend. Und aus die Zärtlichlet,
das unumschräntte Vertrauen« das
der schöne, scheue Junge Liesbeth ent
gegenbrachte, war sie viel stolzer, als
sie den Kolleginnem die sie manchmal
damit neckten. eingestand.
So gingen die Tage siir Liesbeth
in ruhigem, freundlichem Gleichmaß
hin. und sie dachte an leine Verände
I IUUA.
. Wieder tam Ostern, das die unter
Ite Klasse mit einer Schaar schüchter
ner »i-Männchen« füllte; es Vamen
warme Frühlingstage, die erfte sitze
oatanz und dann die großen Feriem
Die-mal wollte sich Lieöheth »et
was anthun«, denn der ungewöhn
lich heiße Juni hatte sie ein wenig
neatt gemacht. Von einer Kollegin
erfuhr sie dir Adresse einer besonders
billigen Pension im Oberharz und
miethete sich dort auf fünf Wochen
e n.
Außer ihr wohnten bei der ver
rniethenden Paftorswittwe noch ein
halb Dutzend Lehrerinnen und ein
leicht lehrrleidender Regiftrator aus
dem Kriegzminifterium Die Lehre
rinnen waren durchweg blanftriim
pfia, vertrocknet und unliebenswüri
dia, und Liesheth mit ihren hellen
braunen Augen und ihrer ruhigen
hätterteit stach wohlthuend von ihnen
a .
Dem Reaisirator fiel dies ebenfalls
auf, und die Sanftmuth, mit der »die
Neue« die tleinen Bosheiten ihrer
Mitoensionärinnen hinnahm, war
ihm aufs äußerfte sympathisch.
Dazu kam dann das tägliche »Auf
einanderqerniebenfein«, die gemein
samen Spiziergiinae, vielleicht auch
die rosige Frische, die Luft und Sonne
auf Liesbeths Wangen zauberten —
turz, eines fchnsiilen Abends fragte
der Reaiftrator, ob fie seine Frau
werden wolle.
Liesheth war fo erschrocken, daß sie
gar nicht antworten konnte, und der
Bewerber, der glaubte, sie wäre vom
Gliiet überwölttgt, nahm sie einfach
in den Arm und lüßte sie.
Nun hatte Liesheth nicht mehr den
Muth, nein zu sagen, denn sie war
der etwas oeralteten Ansicht, daß auf
einen Kuß unweiserlich eine Ver
lobuna folgen müsse.
So tam sie denn als Braut aus den
Ferien zuriict, zum arenzenlofen und
faft beteidiaenden Erstaunen oon
Fräulein Methva
»Nein, solch Glück!" sagte oie
Zchulvorsteherin
»Solch Glück!« sagten die Bekann
ten und Kolleginnew lind »solch
Glück!« hätte es eigentlich in Lies
beths Herzen wiederholten müssen
Denn ein Glück war es entschieden
sür sie, das unterlag gar keinem
Zweifel
Nun tonnte der witzige Onkel Her«
mann sie doch nicht mehr mit der
stehenden Redensart begrüßen: »Na,
Liese —- «auch immer no Fräulein?«,
nun brauchte sie des orgens nicht
mehr um Punkt halbsieben aufstehen
und in Sturm und Regen oder bei
prallem Sonnenhrand nach derSchuie
traben. Dafür tonnte sie dein Ne i
stratoe seine Lei richte kochen — ie
er ihr schon sor ältig ausnotirt hatte
—- durste.ihni « s Unterzeug stopfen
und ihn pflegen, wenn er trank wurde.
Das war doch entschieden eine weit
segensreiche Thötigleit. als dummen
kleinen Kindern das Abc beizubrin
gen. Wenigstens meinte ed Tante
Dttiiie, die-seit 18 Jahren Wittwe
war und es daher genau wissen mu -
te, und Liesbetsh aab sich die redlich e
Mitte, das auch einzusehen
Aber es wurde ihr ganz schrecklich
schwer.
Sie durfte itaum an den Abschied
von der Schule denken, dann schosien
ihr schon die Thränen in die Augen.
Wenn nun so ein sahrigeö, junges
Ding« srisch aus dem Seminar, an
ihre Stelle trat, die mit den Kindern
nicht recht umzugehen verstand —- ja,«
das ging doch einfach gar nicht!
Was sollte denn da mit der schlich
tetnen Mieze aus Zb werden, die so
nahe am Wasser gebaut hatte. daß
man sie nicht mal schtes ansehen
durfte, nnd mit Werner, dem Vergeß
.lichen, dem sie jeden Tag einen Grif
sel bergen mußte? Und Wolfgang
Köppel ersi, ihr Liebling und Schmer
zenslind —- es war ja absolut nn
möglich, daß er ohne ihren Beistand
die Asbgangsprüsung bestand! —-· —
Sie zog stets ihren Ring ab, wen-n
sie die Schule betrat, denn sie hatte
eine ängstliche Scheu vor »den vielen
klaren, neugierigens Angen- « — nnd
außerdem, wozu brauchten die Kin
der ietzt schon zu wissen, daß sie fort
ainai ·
Eis mußte aber doch etwas Von dem
bedeutsamenEreigniß in der Schule
durchgesiclert sein, sdenn die Kinder
licherten und tuschelten, wenn Lies
beth in die Klasse trat. Wolfgang
Köppel sah sie manchmal von
Seite an und sein mürrisches, einsil·
bigcs Wesen war direkt auffallend
Eines Tages in der Schirm-net
stunde traf Liesbieth ihren Verlobten
im Stadtgarten. Sie setzten sich auf
eine einsame Barth nnd der Registras
tor, der sich heute besonders frisch
fühlte, helam eine seiner Zärtlich.eiti
anwandlungen, die Lisbeth stets nur
mit äußerstem Widerstreben iiber sich
ergehen ließ. Und als sie nun gar
noch hinter sich irn Gebüsch Rascheln
und Flüstern ziu hören glaubte, da
riß sie sich heftig los und lief dem
verblüfften und schwer getränlten
Liebhaber einfach davon·
Am nächsten Morgen wurde in der
2a Klassenarbeit geschrieben, und
Liesbeth bemerkte mit Befremden, wie
unaufmerlsam Wolfgangököppel war
Jhre mißbilligenden Blicke schien er
gar nicht zu beachten. und für ihren
Tadel hatte er nur ein troßiges Ach
selzuclen.
Als sie ihn Mittags zur Rede fiel-E
len und, wie immer, ein Stück Weges
mit ihm zusammen gehen wollte. war
er schon fortgelaufen.
Wolfgangs Arbeit war so schlecht,
daß eine zweite, ebensolche die Vet
seßung in Frage stellen mußte, und
am folaendenVormittaa in der Pause
nahm Liesbeth ihn mit sich ins Kon
ferenzzimmer. -.
Er folgte widerwillig nnd stand,
ohne zu antworten, mit gesenkten-.
Kopf vor ihr.
Sie redete ihm gut zu, faßte
schließlich seine Hand und hob ihm
sanft den Kon empor·
»Wolfgang, sag’, was ist mit dir?
Hast du mich denn lein bischen mehr
lieb?«
Da stieg ihm eine dunkle Röthe bis
unter die diclen braunen Locken.
,,Nee, Fräulein —— nee! Weil sie
ja doch weggehen wollen —- und
und ·- überhaupt —- wenn Sie sich
von einem küssen lassen!'« stieß er her
ang, in einem seltsamen Gemisch von
Trauer und Verachtung.
Dann riß er sich los, warf sich lana
auf die Erde, schluchzte, daß alles in
ihm zuckte und zitterte, und stammeltz
dazwischen immer nur: »Fräulein!
Ach, Fräulein!«
Und Liesbetb wußte nichts Ame
res zu thun, als bei ihm niederzi
lnien und mitzuweinen
Aber wie sie nun beide fo trauenka
nebeneinanderfaßen, da raffte sicb
Liesbeth zu einem großen befreien-den
Entschluß auf. Geleimt hatte er ja
schon lange, aber Wolfgangs Tbeä
nen hatten ihn zum Reiien gebracht.
Und mit einem Male kam ess
ibr ganz lächerlich und verkehrt bro
daß sie, Liesbeth Wollrabe, noch hatte
»junge Frau« werden wollen — von
dem Platz defertiren, auf den fie doch
rion Rechts wegen hingebörte und an
den sie mit allen Herzensfafern feit
gewachsen war. Der Regiftrator
würde ganz gewiß eine andere Frau
finden —- ach, zehn für eine! —- aber
ob die Diethoff’fck’te Schule wieder
ein »allerbeftes Fräulein« bekommen
würde, das war doch mindestens
z weifelhaftl
Jbr war jetzt fo leicht und fröb
lich zumuthe, wie feit Wochen nicht
mehr.
Sie bob Wolfgang-z Kon in die
Höhe und strich ihm zärtlich über dass
Haar.
»Sei ruhig, mein Junge -- mein
lieber, guter Junge —- ich geh’ ja
nicht fort, nein, nein, ganz gewiß
nicht — und lüffen laß ich mich auch
nicht mehr, da lannft du dich feft da
tan verlassent«
»Und fett lomm’, die Thränen ab
wefchen und die Augen ein bischen
kühlen -—— eswird ja gleich läuten!«
I’ Die Auflösung von Liesbeth Woa
rabei Verlobung wirkte in verschie
better Weile. Der Regiltrator bekam
eine Gallenloliit, Fräulein Diethoff
wußte zum erstenmal in ihrem Leben
nicht« was He lauen sollte, und die
Kolleginnen lächelten.
»Natürlich von seiner Seite! Denn
daß sie . . . lieb-er Gott, das wäre ja
der pure Wahnsinn sgewesen!« Wolf
gang Röpvel aber verprügelte der
Reihe nach sämmtliche Jungen aus
feiner Klasse.
»Ihr Lügenmäuler, niederträchti
gen! Bloß metlotklen habt ihr mich
wollen! Ueberhaupt -—- so’n Unsinn!
Oeirathenl Wo wird se denn! Dann
tönnt’ se doch nicht mehr »unter
Fräulein« sein!'«
1814.
Novelle von FrJ«N) v. Oppelns
; Bronilowölh
! »Es freut mich außerordentlich,
) mein lieber Junge, dich mal wieder zu
lieben! Nett daß du deinen alten
Ontel auf der Durchfahrt ein paar
Stündchen widmestt Wie war s denn
»in Paris, was? Ich bin seit dem
Einzug von 71 nicht mehr dagewesen.«
i »Ja, Jhr tamt als Sieger, Onkel,
ich mit dem Hut in der Hand. Ich
hatte Geschäfte dort und bin dann
rasch heimgesahren. Nur ein Ding
besuche ich jedesmal wieder: das Grab
Napoleons. Das sind gewaltige Ein
drücke, so ost man sie auch erneuert.
Der Jnvalidendom nsit seinem gewal
tigen Aufwärtsstreben und der maje
stätischen Kuppel—das ist in derThat
eine würdige Ruhestätte siir diesen Gi
ganten! Und dann im Jnnern die
liihle Weihe, das seierliche blaue Licht;
die großartigen Verhältnisse, ohne jede
Kleinheit u.3iererei! Und in derMit
te, unter der doppelten, thnrmhohen
Knppelwölbung die mächtige, runde
Vertiefung, in die man mit Ehrfurcht
herabschaut, und drunten, zwischen
Vittorien und eroberten Fahnen, der
gewaltige. schlichte Porphyrsarlophag,
ein Riesenbloet Urgestein, laum be
hiiuen und kaum bek,aubar, wie der,
dessen Asche er trägt. Ein Herden
tempel inmitten unserer Gegenwart!"
»Ja, es ist merkwürdig,« entgegnete
der alte Herr, nachdem er auf seinem
gewohnten Lehnstuhl Platz genommen
hatte, »sehr merkwürdig, wie rasch
Napoleon zum Sagentaiser geworden
ist. Jhr seht ihn nur noch in dem
Nimbus des Uebermknscheu — und
mein seliger Vater hat noch gegen ihn
getämpst, nnd da in dem Pult hab’ ich
noch den alten Ring meiner Großmut
ter mit der Inschrift: Gold gab ich
fiir Eisen.
Sie hätte sich selbst ihre Haare ab
geschnitten und zum Opfer gebracht.
wenn die einer hätte brauchen können,
solchen anrimm hatte sie auf die
Nackers, die Franzosen» Und mit
Recht« Sie hatten wie die Vaschas
gehaust ans unserem Gute, mit der
Vlnmafzuna von Plebejern, Vor deren
Ansturm die ältesten Throne zusam
mentrachten Sie haben das Vieh
fortgetrielem das Silber gestohlen.
Jch will Dir erzählen, wie mein seliger
Vater, nolsel wie stets, es ihnen vergol
ten hat.
Er hatte alg blutjnnger Kornett die
Schlacht von PrenszisrbsEhlau mitge
macht; als die Freiheitslriege ausbra
chen, war er tvohlbestallter Leutnant.
Er hat bei Leipzig mitgetiimpst, ist
mit den! alten Vliicher übern Rhein ge
gangen und in Paris eingezogen. So
hat er damals ausaesehen.« Dabei
wies der General mit seiner zitternden
Rechten ans ein Pastellbildchen an der
Wand. das seinen Vater als schmucken
Ousaren mit himmelblaner, aoldbe
tresxter Attila und schwarzem Bande
lier darstellte, iiber die linte Schulter
einen gleichsarbigen Dolnean mit
grauem Lammsell geworfen, der auf
der Brust durch eine schwere Gold
anaste zusammengehalten war. Jn
der Hand trua er die unsöriniae Pelz
miitze jenerZeit mit dem langen blauen
Kolpal und den dicken Verschniirnw
gen, auf der Brust das Eiserne Kreuz
zweiter Klasse.
»Das Vildchen ist in Paris- während
der Otlnpation gemalt,·' fuhr der alte
Herr fort, als sein Nesfe es sich besehen
nnd wieder Platz genommen hatte.
»Er war lsei einer Madame Leron ein
anariiert. Ihm wurde ein Stäbchen
im Erdgeschosz des Hotels lHotel heißt
in Frankreich jedes vornehme Privat
haus) angewiesen, neben der Portier
loar. Als er den Namen ans dem
Quartierzettel las, sagte er sich: »Le
roy! So hieß ja der liiderliche und
anmaßliche Artillerieosfizier, der vo
riges Jahr bei meiner Frau einqsuars
iiert war und sich so valchamäßig aus
fübrte!« Da er geläufig Französisch
sprach, vergewisserte er sich bald, daß
diese Madame Leroh wirklich die Mut
ter des kaiserlicben Bombenwerfers
war —- und sein Plan stand alsbald
lett
Er ließ die Dame des Hauses durch
einen Lataien barsch fragen, was ihr
einsiele, ihm, dem Baron von N...,
solch ein Loch anzuweisen. Sie sollte
ihm umgebend ihre Salonö zur Ver
fügung stellen, sonst würde er sie sich
selbst ausschließen. Er schimpste im
ganzen Hause herum, bedrohte die Die
ner, die nicht sofort pariren, ließ in
allen Zimmern mächtige Kaminseuer
anziinden, bestellte ein elegantes De
jeuner, ließ Seit und alte Rothweine
ans dem Keller herausholen, kurz, er
lebte wie Gott in Frankreich und setzte
das ganze Haus in Schrecken. Mit
den Möbeln ging er nicht glimpflicher
um. Wenn er mit seinen hohen Rei
terstieseln von der Straße kam, die der
zeit im schönsten Schmutz des April
wetters lag, warf er sich aus die kost
baten Cmpiremöbel mit ihren hellsei
denen Bezügen und qualmte die Pfeife.
Dann bestellte er ein topiöses Diner,
zwei Stunden vor Beginn der Haupt
mahlzeit, sur sich und sür andere Offi
ziere, die er eingeladen hätte. Er ver
langte, daß alles Silber des Hauses
ausgesetzt würde, und behielt sich vor,
die werthvollstewStiicke als Souivenir
mitzunehmen Er schickte zu Madame
eLroy hinauf, mit einem kategorisch-en
Villett im Stile Napoleons, daß er sich
tehr wundern müßte, daß Madame ih
ren Quartiergast noch nicht begrüßt
hätte, und daß er ihre Anwesenheit bei
der Tafel in passender Toilette erwar
te, widrigensalls er sie durch setneLeute
holen lassen würde.
Es geschah, wie er befohlen. Er
lud ein paar Kameraden zu Gast, und
die Dame des Hauses, die sich erschreckt
in die Domestitenstube in der Man
sarde gesliichtet hatte, erschien blaß
und verweint, starr wie eine Leiche.
Mein Vater wies ihr den Stuhl neben
sich an, dann setzte man sich zu Tisch.
Die jungen Ossiziere waren laut und
ausgelassen, tranlen Seit in Strömen,
schmissen die Gläser nach dem Ansto-»
ßen an die Wand und benahmen sich
wie imFeldlager Mein Vater machte
der Dame deplacirte Komplimente,
wie gut sie noch aussähe, schlug mit der
Faust aus den Tisch, renommirte von
Blücher und Scharnhorst, York und
Gneisenau, lachte über Monsieur Bo
naparte, der vor ihnen ins Mauseloch
gekrochen wäre, stieß aus den König
von Preußen an, schimpfte auf die
Sansculotten, die sein Vaterland jah
relang ausgesogen und bedrückt hätten.
Schlieszlch, als das Diner ein Ende
hatte und die Tischgenossen nach den
Friichten in den schweren, silbernen
Tafelaussäszen griffen, fragte er seine
Tischdame: »Sie haben auch solch ei
nen Sabreur zum Sohne, Madame?«
Madame Leroy hatte den ganzen
Abend stumm und steis neben ihm ge
sessen, keinen Bissen ungerührt, keinen
Tropfen Seit genivvt. selbst nicht, als
mein Vater sie zwang, aus das Wohl
seines Königs anzustoßen. Bei diesem
letzten Streich aber brach sie in Thra
nen aus. Sie schluchztr.
»Qh, daß doch mein Sohn hier
wäre, um mich vor Jhnen in Schutz zu
nehmen!«
Mein Vater schlug an sein Glas,
stand aus und sagte:
,,Madame, Ihre Thränen, Ihr
Schrei nach eIhrem Sehne, alles, was
Sie an diesem einen Tage hier erlebt
haben, bat meine Mutter von Jhrem
Herrn Sohn, dem Artillerieleutnant
Lcroy, Wochen und Wochen mit stum
mem Gram, mit verhaltenem Jn
grimm erdulden müssen. Was Jhr
Herr Sohn sich gegen die Dame de-:
Hauses, die Diener, die Mägde-, die
todtenGeaenttiinde erlaubt hat, davon
lsnmte Ihnen unsre heutige Ausfüh
rung nur ein schwaches Bild geben; sie
war nur das Theatersviel dieser trau
riaen Wahrheit. Madame, wir wollen
nichts Gleiches mit Gleichem vergelten.
Wir sind gekommen, um Jhnen zu zei
gen, daß der Sieger sich auch anders
benelnnen kann! Euch Kameraden,
lsrtte ich, das Glas zu erheben und zu
trinken aus das Wohl unserer verehr
ten Wirthin, MaMdame Leroh!«
Die Herren erhoben ihre Gläser
leerteu sie aus einen Zug, setzten sie ge
sittet wieder aus den Tisch und verab
schiedeten sich von der Dame des Haus
« ses.
»Madame," sagte mein Vater, »eH
bleibt uns nur noch unsere höfliche
Entschuldigung für dies schlechte Be
nehmen. Wir verlassen Jhre Salonsx
ich nehme wieder mein Zimmer im
Erdgeschosz ein, das Sie mir anzuwei
sen die Güte hatten, und ich werde mei
nen Leuten besehlen. daß sie Jhren An
ordnungen gehorchen wie den meinen.
Fürs erste aber werden sie behilflich
sein, die gestijrte Ordnung wieder her:
3.sistellen Versiigen Sie über sie wie
iiher mich!«
Madame Leroy reichte ihm beschämt
die Hand. Mein Vater ging, trotzdem
sie ihn zurückhalten wollte. Er bezog
sein dürftiaes Stäbchen im Erdgeschoß
neben der Lnae des Coneierge und legte
sich sur Ruhe «
h
Am nächstenMorgen überreichte ihm
ein Lalai ein Billett seiner Herrin, wo
rin sie ihn bat, ein Appattement von
drei Piecen im ersten Stock beziehen zu
wollen und mit ihr das Diner einzu
nehmen. Mein seliger Vater, ein rit
terlicher Mann, war nach acht Tagen
sast der Freund der Frau.
Als die Verbündeten Paris verlie
ßen, weinte sie heißeThränen u. woll
te ihm zur Erinnerung einen kostbaren
Ring schenken. Er wies ihn zuriick
und erbat sich das lleine Pastellbild
von ihr, das dort an der Wand hängt.
Sie hat ihm öfter noch geschrieben. ·
ihm und meiner seligen Mutter, der
diese Brieie eine späte Genugtuung
waren. Aber von ihrem Sohne hat
sie niemals ein Wörtchen erwähnt.«
»Der alte General schwieg· Die Er
zählung hatte ihn etwas angestrengt.
Er strich sich den schlohweißenSchnurr
bart, der in seinem gesund gerötheten
Antlitz wie frischer Schnee leuchtete,
und blickte mit seinen weitsichtigen Au
gen, die nur das nächste nicht mehr er
kannten, nacb den Bildern an der
Wand. als wollte er sie ins Leben zu
riickrusen. Dann schloß er mit einem
Seufzer:
»So nahe steht sie uns noch, diese
große Zeit, »und für Euch ist sie schon
eine Sage» Wir werden auch bald
von Gott abgebrochen, wie eine alte,
morsche Brücke, die das Jetzt noch mit
ihr Verbindet« ·
Da schüttelte der Neste den Kopf.
·,,Jhr seid mehr als Brücken zum
Ernst gewesen,« sagte er, »und nament
lich Du, lieber Onkel, der drei siegreiche
Kriege mitgeschlagen hat und fünfmal
verwundet wurde. Jhr waret die
Fortseher und Erfüller dessen, was
Eure Eltern begonnen hatten. Und
Eure Zeit ivar nicht minder groß als
die ihre. Wollte Gott, wir hätten
stets solche Brücken!« «
Schalö, die ein Vermögen kostet-.
Den kostbarsten Schal der Welt
besitzt sicherlich die Herzogin von
Northumberland »Dieses Geschenk
"Karls X. repräsentirt einen Werth
von 5(2l),000 Mark und besteht aus
einer besonderen, sehr seltenen Art
eines persischen Katzensells, das so
weich, sein unsd elastisch ist, daß man
die einzelnen Härchen kaum mit dem
bloßen Auae unterscheiden kann. Die
ser kostbare Schmuck hat eine Länge
von 71,-2·»- Metern; zusammenge reßt
läßt er sich gut in einer grögeren
Tasse unterbringen. Auch die Kai
serin von Rußlanb besitzt einen werth
vollen Schal. Von Orenburger
Frauen als Geschenk in monatelan
aer Arbeit hergestellt, besteht er aus
einem ganz seinen Seiden- und Lei
nengespinnst, das 5 Meter lang ist
und doch nur 125 Gramm wiegt.
Die Königin von England darf sich
schließlich rühmen, die größte Aus
wahl von Schals zu besitzen. sie erhält
jedes Jahr als Angebinde des indi
schen Kaiserreichs drei Paar beson
ders ausgewählte Schals aus Kirsch
inir und zwölf aus gelbem Ziegen
fell. Gerade das gelbe Ziegensell,
das einer im Hamalaja lebenden sel
tenen Ziegenart entstammt, soll sich
in der fertigen Arbeit als besonders
weich herausstellen und einen pracht
vollen Eindruck hervorrufen. Da diese
Ziegenart jedoch sehr klein ist und
nur Theile des Felles benutzt wer
den können, ist hierzu das Fell von
dreißig Thieren nöthig. Hierbei sei
erwähnt, daß zur Anfertigung eines
echten xltaschmirschals das Fell von
zehn Thieren gehört, Auch die Ex
laiserin Eugenie besitzt einen Spitzen
schal aus einem Stück, dessen Ur
sprung unbekannt ist, der jedoch in
einem spanischen Kloster hergestellt
sein soll, fünf Meter lang ist und
einen Werth von 200,00(«) Franks ha
ben soll.
Katzen im Kampf gegen die Pest.
Sonderbarse Transporte qehen jetzt
von London nach Ostindien ab. Die
Regierung beabsichtigt, jedem nach
Vorderindien auslaufenden Dampser
eine Anzahl Katzen mit-zugeben bis
die Gesammtzahl dieser Biersiiszler
sich aus :-500,0()() Stück belaust Ein
gehende ärztliche Untersuchungen ha
ben ergeben ,daß die Pest in den Ko
innien mit dem Bestande von Katzen
steht und fällt. Jn Häusern und
Hütten, wo Katzen gehalten werden,
tritt die Seuche nur selten aus, wäh
rend sie da sofort zunimmt, wo keine
Katzen anzutreffen sind. Da die
Nachzucht in Indiens aber nicht dem
Bedarf entspricht, will die englische
Regierung durch Transporie aus der
Heimath nachheslfen. .
----..
Aufsicht«-.
Gast: ,,«Kellner", das Essen, was
Sie uns bis jetzt aebracht haben, war
aket herzlich schlechi!"
sKsellnen »Ja, sehen Sie, aniiidiger
Herr, das muß ich« nun alle Tage
essen!«