Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 04, 1908, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-» Anzetger und J cerold.
s » thkamm .eS epte ebm 9 rThe eli l) Ruiimter 2.
vie rieb-.
———-..
Jn einem Nest von Rosen versteckt,
Mit Hoffnungszweigen zugedeckt,
So liegt und schliift meine Liebe.
Und wenn ssie einer werten will
Dann duckt sie sich uäd schweigt sein
I -
Meine kluge, kluge Liebe.
Denn der mich liebt, ist meilensern,
Doch treibt ibn einst ein guter Stern
Zur alten deirnatb wieder,
Dann steigt empor mit Klang unsd
Pracht
Die Liebe heimlich über Nacht
Und bringt ihm Lachen und Lieder.
Die Probezeit.
humoreöte von Franz Piihrins
ger.
Die Spidalnh im ganzen Gebiete
isirstliches Revier, lag von der Abend
sonne vergoldet. Auf halber Höhe,
wo zwei Thalwegse sich vereinigen, be
sindet sich eine alte, verlo ene Holz
tnechtibiiitr. Von der J tigieit der
seimrzeiiigen Bewohner gibt eine mit
Erdbeerblritben übersiiie Waldbliißr
Zeugnis, welche sich unterhalb des al
ten holzbouej ausdehnt und einenl
herrlichen Ausblick aus die staliielsenl
der gegenüberliegenden Berge ge
währt.
Während der Vordergrund derzeit
nur von humnreln und Schmetter
lingen Möltert erschien, drang von
dem schmalen Pfade, der sich rück
wärts durch üppiges ausgeschosseneö
Haselgebüfch windet, fröhliches La
chen und Plaudern» ·
k —
Es waren dauert, der Sohn or
Sonnenwirths, der, nachdem er eben
dje Iorstschule absolvirt hatte, ärger
lich darüber, das ihm im hiesigen Re
viere bereite ein Konturrent zuvorge
tommen, bei seinen Eltern daheim
aus Anstellung wartete —- und Gre
the, die Tochter Dei alten Forsters
Hbrmamn
»Gut-bit Du, das niemand dahin
ter tommt, Bettlta ragte mit einiger
Insst die Schöne.
.Sei nur unbesorgt«, lachte der
Bursche, »es tann nicht fehl geben
Der Spott ist dem tecten·Menschen
zu gönnen nno hoffentlich ist er- auch
dann ——— weit-Dich betrifft —- gründ
lich gebeilt.«
Während dieser tröstlichen Versiche
rang hatte er das derbe Schloß der
dicken Thüre genau untersucht und
den an der Jnnenseite steckenben rostf
gen Schlüssel zu sich genommen.
»Und die Zeit?« sragte Grethe wei
ter.
»Am besten schon zur Nachmittags
tirchenzeit«, bestimmte der Angeredete.
»Es toinmt an Werttagen taum eine
Seele vorbei, geschweige erst an einem
Festtage. Die Fenster sind nichts we
niaer als groß und die Thiire tann
ichon auch ein paar Stunden Arbeit
aushalten«
Grethe stimmte bei und die beiden
traten dann seelenvergniigt den Heim
weg an.
»Besonders lustig mag die Sinnng
nicht werden!« meinte hubert noch
im Gehen.
Der Ptatz war taum srei geworden,
so tmn die Fuchsfiihrte entlang ein
junger Weidenann In suntelneuer
Le-dentracht, mit der blanten Flinte
am Rüaem machte er fiir’j erste lei
nen iiblen Eindruck-, bei näherem Din
sehen aber sprachen die rothen, steifen
Haarbiischel nicht sehr zu feinen Gun
sten. Bei wenigen Sympathien hatte
er eine bitterböse Feindin —- her
manns Grethe, die ihn wegen einer
unabläisisen und widerlichen bes
werbungen nicht ausstehen onnte.
Nun war er drüben, wo bie Spur des
staut-wildes im langen Ried ver
schwand. »Viel-er zu spät getomneen!«
brummte er geärgert, nicht ahnend,
dass er auch auf eine zweite Fährte
etwas zu spiit gerathen war.
Es war ein mächtiger Frühlings
Sonntagsmorgen Scheltend hum
pelte der alte, noch immer leäftig
scheinende Fsester vor das waldum
trämle haus. Gerade heute, da
Durchlaucht angemeldet war, mußte
ihn das Zipperlein. diese höllische
Quittung über teuchtfroh verlebte
Stunden, wieder u ewö lich quä
len. Weil er aus die em nnde den
anstrengenden Dienst im großen
Bergreviere oft nicht mehr hinreichend
versehen konnte, hatte ihm der ein
sichtige Fürst eine cilfitratt beikes
stellt, die in Person des emähn en
Forfwkaltilanten eben eine Probezeit
abdlente. Braue Müller, la hie der
verheißungivolle Weit-man , : allte
heute dein Iagdheern vorge ellt wer
den und ihn —- da die Rehbiicke schon
verstirbt hatten, gleichsam um seine
Eignuna zu beweisen, a auf den
Anstand Miit-ten OIJm orsthaufe
war schon zeitig alles blank fepuht
und gescheitert. Grethe waltee an
Stelle der schon vor langen Jahren
verstorbenen Mutter ais Hausfrau
und zwar in muftergiitiger Weise.
Am frühen Vorsinittage saß fee in ih
rem ileinen Dachftiibchen und fchrieb
ein duftendes rosafarbiges Brieflein.
Die Adresse aber war die des roth
häuptiaen Jaadpraitiianten
O ewiae Weiberfallchhkiil --—— —
Mittag war vorüber. Am Berge
oben laig Quberi im schwellenden
Grase und pfiff sich ein lustiges Lie
del. Als unten im Dorfe die Glorie
das Zeichen zur Nachmitia jandacht
gab. stellte er seinen mutlalifchen
Zeitvertreib, der ihn verrathen konn
ie, ein. Dafiir ahmie er nun zeitwei
lia und nicht ohne Geschick den Ruf
des Kuckucis nach und leitete dadurch
Grethel, die iurz daran erschien, auf
feine Spur. Langfain schritten sie
darauf den Was-d herab und je näher
fie der wohlbekannten holzinechtss
hütte kamen, desto vorsichtiger wurden
sie· Etwa fünfzig Schritte vor der
selben blieb Grethel zurück, während
Hist-ert, der durch das Gebüsch vor
ziigliche Deckung fand, sich dicht an
das Blockhaus heranpiirschte.
Nichts rührte und regte sich.
Plötzlich öffnete sich leise die Thür
der hätte. Nach allen Seiten f «hend,
trat der rathe Müller iiber die wel
le. Die Flinte hatte er in der Hütte
zurückgelassen Gleich nach Grethes
Fortgang hatte er sich vom Forsthom
se entfernt Durchlauchi war erst fiir
fünf Uhr Abends angemeldet und da
wollte er, wie er angab, vorher noch
einen Edelmarder ausspiiren
Müller zog das zarte Brieflein,
das ihn zum Stelkdichein lud, und
überfloa es nochmals triumphirenden
Blickes.
«Lange wird es wohl nimmer
dauern,'« sagte er zu sich selbst, als
unten alle Glocken der Dorfiirche ein
festen.
Gehorsam zog er sich in die Oiitte
uriiet, um der Weifung gemäß im
. nnekn zu warten.
Schon vermeinte er leichte Tritte
zu hören, —- da wurde außen der
mächtige holzriegel vorgeschoben und
gleich darauf treifchte der Schlüssel
ins os.
Der Eingefchlossene, der die
Schändlichkeit des Anschlageö nicht
ahnte, meldete sich sofort und ver
langte, daß geöffnet werde. Natür
lich lehrte sich der Uebelthäter nicht
daran, sondern tebrte längs der sen
slerlosen Seite der Hütte ohne alles
Aufsehen in den Wald zurück.
Noch einige Worte wechselten Hu
bert und Gretbe im Flüstertone, dann
eilte das nufzbraune Mägdlein schnell
iiiszig in der Richtung gegen das
Forstbauo davon. um den Empfang
des Fürst-en nicht zu versäumen.
Der grosse Streich war gelungen.
Der Eingeterterte beschäftigte sich,
wetternd und fluchend sinit vergebli
men Anzbruchsoersuchem
Hubert ließ sich nicht ferne von der
·iitte gemächlich nieder, um eine
entnelle programmwidrige Befrei
ung des Gefangenen rechtzeitig zu
verhindern.
II I Its
Im Forfthause schimpfte auch einer.
Hörmann war wlitbend Der Fürst
mußte jeden Augenblick eintreffen,
und Müller war noch immer nicht zu
rück. Gretbe tras mit tindlicher Nai
oität und unbefangen, als gin e sie
die Sache gar nichts an, die etzten
Vorbereitungen zum Empfange.
Da rollte auch schon der Wagen
vor.
So schnell es seine widerspenstigen
Beine erlaubten, eilte hörmann inn
aui und bewillkommte den Jagd
herrit.
««Also gar nicht zu hausei« wie
derholte Seine Durchlaucht, erftaunt
über den Bericht des For-stets »Da
werden dann Sie, lieber hörmanm
schon die Güte haben, mich zu füh
ren.«
Mit einem wehmutmgen Bittre aus
seine schmerzenden Extremitöten er
gab sich der Alte in sein Geschick und
langsam schritt er daraus an der
Seite des Fürsten durch den Wald
dahin. Ein ziemliches Stück vor der
heute ,nvangstveise bevölkerten Hoh
bütte lenkten die zwei dem unteren
Rande der Waldblö e zu« in deren
unterster Ecke letter « it ein Kapital
bock wechselte. Die Jäger nahmen ei
nen geeigneten Standpunltein und
warteten.
Müller hatte inzwischen in der
Hütte oben, die vom Sitze der beiden
Nimrode ganz gut sichtbar war, nach
Kriisten gewisser Nach und nach
hatte sich seiner eine nicht beneidens
werthe Stimmung bemächtigt Der
ffiirst mußte schon längst eingetroffen
ein.
In einem Ansalle ivon gelindeer
zweislung lud er seine Flinte und
sterite den Laus zu einem Fensterchen
bin-tut —- ——
Lauter harrten unten der Fürst
und der alte Fiirstet.
Da inackie ei in den Zweigen und
ein kräftiger Bock trat hocherhobenen
bannte-S in's Freie hinaus.
»Ein seudales Stück!« sliisterte der
Fürst.
Eben wollte er das Gewehr erheben
— da trachten nicht weit entfernt
zwei rasch auseinandersolgendeSchitss
se —- und der Bock war mit einem
Sage verschwunden. Voll grimmiger
Wuth blickten die Geprellten in dser
Richtung des Schalles und sahen noch
bei der unglückseligen Hätte oben ein
blaues Rauchwöltchen verschweben
Ohne Weg und Steg stiegen sie die
balde hinan.
Athenrlos langten sie oben an. Der
Förster schob den Riegel zurück und
dreth den im Schloß steckenden
Schlüssel herum.
Mit einer sJamrnersmiene erschien
Müller unter der Thüre.
«Jn des Teufels Nament« schrie
ihn Hörrnann nn, »Mensch, was fan
gen Sie an? Erst kommen Sie ar
nicht beim und dann verlnallen ie
Seiner Durchlaucht noch den schön
sten Bocll«
Der unselige Probetandidat, der
nun auch im Gesichte vuntelroth war,
wußte nicht gleich, was er erwidern
sollte
Die Blamage mit dem Stelldichein
konnte er nicht eingestehen. Er war
überdies überzeugt, daß Grethel die
ses schändliche -U rnebrnen nicht al
lein in’s Wert tzt hatte. Sein
Verdacht lentte isi richtigerweise auf
den jungen Sonnenwirth, dessen Ge
siihle für die hübsche Gretbel ihm ter
neswegs ganz unbekannt waren. So
beschloß 4 er, doch Joenigstenö ihrem
Galan eins zu verzenern
Jn abgerissenen Sii en gab er ver
Meinung Auedruch da ihm der jun
ge Sonnenwirtb diefen verhängnis
vollen Streich gespielt habe, als er zu
fällig in die Hütte trat.
»Dein werde ich aber das Herums
lungern im Walde noch vertreiben«,
wallte der Angefiibrte auf. »Wind
diebe gibt es ohnehin nicht zu wenig
und Gutes traue ich dem Menschen
wirklich nicht zu.«
Der Fürft würdigte den Unglück
tichen teiner Antwort und ließ ihm
durch den Järfter bedeuten, er mig
rubig seines Weges ziehen.
Auf gebahntemWoge schritten hier
auf Seine Durchlaucht und Hörmann
voll fchweigenbem Aerger weiter.
Des Förfters Ingrimm schwoll
aber doch um ein Geringes, als sie
iurz darauf Grethel und Hubert be
gegneten, die sich wieder zufällig gei
troffen hat-en wollten.
Hubert verstand es, die Sache so
einzurichten, daß iikn Grethels Vater
wohl oder übel dem Fürften vorftel
len mußte.
In woblgefetzter Rede bedauerte des
Schlautapf das Jagdpech des Gebie
ters und erbot ssich ohne alle Umfchweis
fe, Seine Durchlaucht trotz der schon
etwas vorgerückten Zeit gleich noclr
mais auf einen anderen Bock zu fut)
ren, den er in begreiflichem Interesse
fiir die Jagd bei feinen Spaziergän
gen auszutundfchaften Gelegenheit
hatte.
Durch den taum erlebten Mißer
folg aufgeftachelt, nahm der Jagdbe
sitzer das freundliche Anerbieten an.
Der fchon genug gequälte Förfter
wurde angewiesen, den Abendimbiß
bereiten zu lassen; dann trennte man
fich mit kräftigem »Weidmannsl)eil!«
Gretbel, die den Vater begleitete-,
bekam ausnahmsweife eine Moralpre
digt zu hören, die den Heimweg zwar
verkürzte, aber nicht angenehmer ge
staltete.
Die Hälfte überhörte sie obnedies5,
da sie mit ganz anderen Gedanken
beschäftigt war
Wenn sie am Ende doch Jagdglnck
hätten!... Wer weth Es stand
wirklich nicht lange an, da traf der
Fürst in fröhlichster Stimmung im
Jagdbause ein«
Hinter ian Bertl mit einem kapita
ler »Sechserbocke« am Rücken. Gretbel
ward seuerrotb vor Stolz, unb der
alte Hörmann selbst machte aus seiner
Befriedigung kein bebl.
Was der Fürst, der ziemlich »die
lig geworden war, am Rückwege mit
dem gefälligen Jäger alles gesprochen
ist nicht bekannt geworden. Aber Hu
bert wurde huldvoll eingeladen, am
einfachen Jmsbisse mit theilzunehmen
Nach dem Mahle ergriff Seine
Durchlaucht ein Glas und feinem Be
gleiter zutrinlend, ertliirte er, daß er
beschlossen habe, den jungen Sonn
wirtb an Stelle Müllers zu setzen.
»Diesmal aber soll es anders sein«,
fubr er fort; »ich bin mit der heutigen
Probe schon zufrieden und sehe von
einem Provisorium gerne ab. Die
Probezeii. meine ich«, schloß er la
chend, .,soll unser junger Weidgeselle
vielleicht bei Jungfer Grethel ab
dienen . . . . !«
». . .-Durchlauchtt« unterbrach Hör
mann.
Aber Durchlaucht ließ sich nicht irre
machen. »
»....und hoffentlich besteht er sie
besser, als sein unglückseliger Vorgän
ger selbe in meinem Dienste bestanden
at.« «
Hubert pries sein Glück, das aus
dem schlechten Streiche erwachsen
mar.
»Mit dem Wild rn zwar«, bemerk
te launig der sro Färst, ,,bat es
feine Richtigkeit, nur gebt es mich
nichts an, weil es in Eurem Reviere
geschehen ist, mein lieber Hörmann!«z
Einen Augenblick weidete er sich an.
der allgemeinen Verlegenheit, dann»
ries er dem Hausherrn zu: »Dumm?
wird es das beste sein, Ihr stellt ibn
auch bald an — als Schwiegersohn
nämlich.«
Jn Grethesls Wangen schoß eine
Glutbrötbe.
»Deswegen«, schloß der sürstliche
Heiratbsvermittler, ,,braucht »Ihr nicht
zu errötben, schönes Kind! Es ist
tein Fehler unter-laufen —- denn ich
habe noch nie gehört, daß im Mai
Schon-seit wäre.'«
Mütter.
Stizze von Lo. E r h a r d.
Die winteröden Tage, die verstürcnte
Vorsriihlingjzeit waren vorüber-, licht
blau ruhte der Himmel über den breit
tnorrigen, sastgriinen Kastdnien.
Ein raunendes Flüstern strich durch
das sonnendurchsponnene junge Blät
terdach, mischte sich mit dem schwirren
den Zwitschern der Vögel
Jch saß aus einer ableiten Mome
nadenbank.
Einsamkeit . . .! :
Wo derMensch dassSpießerthum sei
ner Gesinnung von sich streift, wo die
belebende Sonnensreude die Gedanken
in sorgloser Fahrt hinübergeleitet in
das Land der Regenbogentraume, wo .
der Erfolg immer so nahe liegt, wo der s
selbstgewählte Weg immer zu dem er- ;
strebten iele führen muß. i
Auf em heimlich durchsichtigen ;
Grün rasteten meine Augen, hielten!
Eintehr in sich selbst. E
Da —- ein schlürfender Tritt! »
Da war sie wieder: die Alte mit den
unzähligen Poetennarhen und den Koh
lenaugen in dem bronzenen Runzelge
sicht
Krayend fuhr sie mit dem Rechen
umher, murrte über einige Streifchen
Papier, die der Frühlinaewind umher
gewirbelt, die sich zum Schutz unter die
Bank verkrochen hatten. :
s Jm Herbst hatte ich die alte Garten- »
s frau einmal freundlich angesprochen, s
— mürrisch war ihre Antwort erlluns s
- gen: »Was Sie’s schon interessirt,»
wiss mir geht! Wie ich leb« und ob ich ?
überhaupt leb’. Kein Mensch braucht-Z :
: zu wissen!« i
Ueber diese Worte dachte ich nach.
Als sie jetzt nochmals meine Banl
umschlürste, sah ich, daß der Arm, der
den Rechen hielt. ihr zitterte, ein Zacken
lief um den Mund, mit den unzähli
gen. scharfen Strichen, das schien wies
oerhaltenes Weinen. I
Betroffen schaute ich sie an: ,,Geht es J
Ihnen schlecht? Vielleicht könnte ichi
etwas fiir Sie thun?« Ich fragte aus
au richtiger, impulsiver Theilnahme.
hre itohlenaugen verloren sich im
zitternden Laub der Baumkronen
»Nein. Wer weiß, ob ich’s noch er
lebe, wie unser Herrgott den Kastanien
I die Lichter aufsteckt.«
»Wer wird im Frühling schwarze
Gedanken pslegen,« sprach ich ihr zu.
. »Ich had’ teinen Frühling! Jch hab’
: niemanden, für den ich leben brauche!«
i Sie wars den Korb hoch, legte den
»Rechen über die Schulter und wandte
! sich zum Gehen.
i Sie interesssirte mich. Ich fühlte
TMitleid siir die verbissene, alte Frau.
i die im Lebenswinler wohl noch den
Kampf eines schweren Daseins mit sich
schleppte.
Langsam schritt ich hinter ihr drein,
» harmlos einige Worte hinsprechend — -
als ich zufällig eine seltene lnospende
iBLüthe betrachtet-.
i Vor uns lag die Längsstrecke des
Reittvegeo.
f Au einmal glitt die Alte in hasti-«
sgern prung hinter einen der mächti
gen Eichenstiimme. s
Verwundert sah ich ihr Beginnen.
; Aus edlem Roß nahte eine vornehme
! Mannessigur. Eine Staubwolke stieg
»empor, die Hufe des Thieres slogenx
Jes blähte die Nüstern s— bald hörte
sich nur noch ein fernes, schnaubendes
Wen en.
i I t schlolternden Gliedern kroch die
IAlte aus ihrer Deckung hervor, gierig
rannte sie mir zu: ,,Gelt? Solch einer,
der ist's Ansehen werth?«
Jch nicktr.
Ihre Augen glühten. heiß rann
ihrAthem über meine Hand. Da läu
teten die Mittagsglocken —- sie hob den
Korb mit rasender hast. Jch wußie
es fest: in ihrem Kon war wohl nicht
alles in Ordnung.
.,Aus Wiedersehen, Mütterchen!«
nickte ich ihr zu und verlangsamte mei
nen Schritt.
f ,,. . . Mütterchen . . .?« Wie weher
JKlageschrei drang’s in die Frühlings
H sonne hinein.
? Mit einem seltsamen Zittern, einer
scheuen Zärtlichkeit faßte sie meine
Hand: «?Vaben Se auch liebe Kinder
zusaushs ielleicht ein Sohn . . .?«
Jch lächelte, schwer: »Nein . . . Jch
stehe allein. . . Mich erwartet niemand
zu Haus als mein Schreibtisch meine
Bücher . . . und die Erinnerung an lie
be, längstveraangene Tagc.«
Entsetzt stiert sie aus meinen Mund.
»Liebe . . . längstvergangene Taae?«
Es war wie ein Seufzer aus todt
wundem Herzen.
Jch stellte teine Frage, sprach kein
tröstendes Wort.
Jch fühlte: durch dies Leben ist ein
Riß gegangen. An diesem morschen
Stamm thut kein Sonnenstrahl ein
Frühlingöwunder mehr.
Ein unartitulirter Laut entrang
sich ihrer Khele, dumpf murmelten die »
Lippen: »Ich —- bab einst —- einenBu- ?
ben ehabt —- mit an paar Augen im
Kop ——— so schwarz und so lieb —
wenn die Stadtleut’ in unsre Berge
'tommen sind —- — »Solch an einzig,
schönes Kind —« haben sie gesagt.
Jch bab ein’ braven Mann gehabt und
wir haben gearbeitet, aber die Schul- .
den wichen nicht von unserm HäuseLH
Wir waren eben arme Leut’ — aber :
wir hatten den Buben, den einzigen
Buben. —- Und als der Dithels zur
Schule ist gekommen, hat der Herr
Kantok gesagt: »Von allen der Größte,
von allen der G’scheitste —- und solch
ein lieber, bescheidener Jung —-—«
Vergangen sind die Jahr’ —- eines
um das ander, und als der Diethels
zur Beichte ist gegangen, da hat der
Herr Kaplan gesagt: »Das ist an
Bursch — srei und grad-, wie die jun
gen Eichbäume in unserm Forst -——«.
Aber dasselbige Jahr kam die große
Krankheit in unsre Berg’ und heim
ging dem Diethelf sein Vater,
und ich —? Jch lag der
Monde lang lag im wilden Fieber —
und nachher. Da sagten unter sich die
Großbauerm Jetzt kommt LottkeDiet
helfe Hof unter den hammer. Aber
mein Bursch hat ihn gehalten, der hat
geschafft, als hätt« er der Hände sechs
—- und im übervollen Mund hab ich’s
ausgerusem Da sebt’s doch —- seht’s’
daß ich nicht bankerott zu machen
brauch! Jch hab ja meinen Diethelf.
Und wieder kam der Sommer, und
wieder eine gute Ernte, aber dann ist
der große Wolkenbruch·iiber die Berge
gekommen —— da wehten dieWinde und
hoben die Brück’, da begann mein
schmuckes Häusel zu schwimmen —
iitser das Dach rann das Wasser und
fraß die Ziegel, und das Gebälk —
stürzte ineinander —- begrub die
Schrank — und das Bett . Mit
Bootcn kamen sie, mit Stangen, fisch
ten nach mir und dem Diethels ...«
Die Frauenstimme brach ab. Ueber
das Bronzegesicht rannen widerspensti
ae Thränen.
Schmetterndes Vogelgezwitscher,
töstlicher Blüthenduft umhob ung —
lichttlar und blau der Himmel -—- dro
ben und drunten lachte der Erden
friihling. Welch herber Kontrast: die
se alte, fassungslos schluchzende Frau.
Gleich verdorrten Ranken umklammer
ten die mumierc1,aft knochigen Finger
den Rechenstiel.
Jch fragte nichts. Jch fühlte das
Geschehniß.
Sanft strich ich die verschrumpften
Hände: ,,Weinen Sie nicht so sehr ——«
bat ich die alte Frau.
Sie hob die Arme hoch, die Kohlen
augen verloren sich in sich selbst und
irsie geistesabwesend erklang die gebro
chene Stimme: »Ueber Nacht ist’s
Wasser gekommen ——, alles hat’s fort
getrieben — alles — ——. Begraben
liegt der Diethelf . .. a Kreuzel zeigt
die Stell’! Und morgen, da jährt
sichs zum zwanzigsten Mal." . Die al
ten Hände tasteten nach dem Rechen,
den sie an einen Baumstamm ange
lehnt hatte. Schwer-en Schrittes
schlürften die Füße über den Kiesweg
,,Leben Sie wohl, Mütterchen —
vielleicht sehen wir uns recht bald wie
der!« ries ich ihr nach ——— sie schien es
kaum zu erfassen.
Zwei Wochen waren seitdem ver
gangen, da sah ich zufällig die alte
Gartenfrau am Boden knieen, dasUn
traut aus den Rabatten jätend, ich
nickte ihr zu, sie schien mich nicht wie
derzuerlennen. Ich sann — ich wollte
ihr etwasLiebes thun, einen Freuden
strahl in ihr einsames Leben tragen.
Jch kaufte am Wege ein Körbchen
;frühreifer, duftiger Erdbeeren für sie,
Idoch als ich es ihr überreichen wollte,
schüttelte sie energisch den Kopf und
sagte: »Mir braucht niemand was zu
schenken!« Jch verdien’s täglichBrot!«
Ein Gärtnerbursche, der nebenbei
stand, machte eine deutlich bezeichnende
Bewegung nach ihremKopf Er täusch
te sich wohl.
E Hinter dieser bronzenen Stirn
j wohnten keine überspannten Gedanken.
s Vor unsern Augen stand ein verbit
tertes Menschenleben, dessen Dasein
jeglichen Inhalt verloren, das den Tag
herbeisehnte, wo das belebende S -
nenlicht nicht mehr durch die geschlo -
fenen Lider dringen würde.
Ich fühlte etwas Undesinirbores
durch meine Adern laufen.
War es leiser Verdruß iiber die un
» verdiente, scharfe AbweisungJ Unwills
kürliches Grauen vor des Schicksals «
. harter Willkür? Unnennbares Mit
. leid, das vom Mensch zum Menschen
i rinnt? .
) Auf dem schattigen Pfad schritt ich
;gedankenversonnen dahin, neben blu
migørn Rasen; liber mir blaue Lust,
Sonnenlicht. Da stand ich vor dem
Spielplatz mit seinem jubelndem jun
gen Leben. Kleine, fleißige Finger
baten Torten aus Sand —- Kinder
hände trieben Reisen —- bunte Bölle
wirbelten zur Höhe —- tlingendes La
chen erscholl aus fröhlichen Kehlen.
Einem slachsköpfigen, barsiißigen
Kleinen —- seine blauen Emailleaugen
hatten mir’s angethan——bot ich meine
rothschimmernden Früchte. Mit dem
Körbchen sprang er davon: »Mutter!
Sieh, was ich triegt habt« Hurtig,
fröhlich rief er’s.
Eine Frau kam auf mich zu, mit
einem Gesicht derber, arbeitsfreudiger
Züge, die Finger bewegten ungeheuer
schnell die Nadeln eines Strickzeuges
— jetzt fuhren sie glättend über die
. saubere Leinenschiirze: »Hat der
f Sehlingel auch Dantschön gesagt?«
Sie beugte sich zu dem Jungen, die
TKinderarine umschlangen schmeichelnd
; den Hals der Frau.
! Mit einem unbeschreiblichen Blick
s auf das Kind sagte sie zu mir: ,,’s ist
ein lieber Kerl! Er is von Rennen der
Jüngste, aber um einKönigreich möcht’
ich ihn nicht lassen.« Sie reichte mir
dankend die arbeitsharte, aderge
schwollene Hand.
Jch empfand urplötzlich eine stille
Ehrfurcht für diese Frau, für diese
hornharten Finger.
» . . . . Er ist von Nennen der Jüng
ste ...!« zog’s mir durch den Sinn.
Was lag wohl für eine Arbeitslast auf
den Schultern solch einerMutter?-Ach,
in welch’ unermüdlichem Schaffen
mochten ihre Arme täglich sich regen!
Ein Windhauch schüttelte die Blät
terlronen, streute buntfarbige Kasta
nienblüthen zurErde nieder; jauchzend
sing sie der tleineBursche auf, schmück
te damit das Haar derFraux die schüt
telte sie lachend wieder von sich —- das
machte den beiden unbändiaen Spaß.
»Der Spitzbube stiehlt mir manche
Viertelstunde Zeit —- aber —- was
hätt’ man denn vom Dasein ohne die
Kinder?«
Jhr lebensfrohes Gesicht erglänzte
noch heller bei diesen Worten· Ehrer
bietig grüßend verließ ich die glückliche
Mutter. «
Je toller die Stürme des Lebens
rasen, desto kräftiger muß man ans
Ruder greifen.
It- sk ä
ES ist ein großer Irrtum zu glau
ben, daß ein autes Wort herstellt, was
böse Worte zerstört haben.
st· Itt st·
Mancher glaubt die Länge seiner
Ohren dadurch auszugleichen, dasz er
die Nase recht hoch trägt.
Il- Is· II·
Das modernste Netoenleiden heißt
—Oxularia. Man hört es schon dem
Namen an, daß das nichts sür ge
wöhnliche Leute ist.
sit llt d·
Die Kuhaner haben in ihrem
Staatsschatz einen Ueberschuß von 85,
()00,()0(). Die Finanzverwaltung ha
ben sie anscheinend nicht in Washing
ton gelernt.
Ul· st- sit
Ob in der Jugend Frühling glut,
Ob in des Alters Schnee,
Wer nichts mehr will und nichts mehr
tut,
Jst nur ein Mensch a. D.
Il· si
si
Telegramme des Bochumer Anzei
gers enthielten auch eins aus London.
wonach einunterstaatsselretär im Un
terhause erklärt haben soll: »Wir ha
ben ein Ahlommen mit der eussischen
Regierung getroffen, aber es war noch
keine Zeit, sich mit den anderen Mäd
chen zu beraten. Bis dies geschehen
ist, kann Grey nicht sagen, welche
Vorschläge in Konstantinopel gemacht
werden werden« Daran erkennt man
die Erfolge des Frauenstimmrechtz in
England. Die Regierung wagt reine
Entscheidung bevor sie sich nicht mit
den Frauen und den anderen Mäd
chen beraten hatt