Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 10, 1908, Zweiter Theil, Image 14

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    Der Puppenspieler.
Nimmt-Roman von Karl Nosuer.
(5. FortsehungJ s
»Ja. aber —- inein Gott —- wenn
schon solche Bestimmungen getroffen
sind —- nsean muß doch irgend einen l
verniinftigen Grund dafür haben?«
»Den Grund --— den rann ich Ih
nen schon sagen. Denken Sie doch
nur an die Folgen, wenn jeder fest
genommene Verbrecher so obne —·«
»Der Herniann ist kein Verbre
cheri — —- Und dann — es lönnte
ja doch irgend jemand —s Sie oder
sonst ein Beamter —- dabei sein, wenn
ich mit ihm spreche!?«
»,,Liebes Fräulein, es ist ausge
schiossen.«
»Jetzt saß sie ein paar Augenblicke
still mit einem desperaten Ausdruck in
dem noch ganz heiß erregten Gesicht.
kber sie gab den Kampf für ihren
Verlobten nicht auf —- an ibren Au
gen und an ihrer Stirne konnte ich
sehen, wie ihre Gedanken arbeiteten
und suchten — sie glaubte an ihn und
trat rnit einem neuen Anlauf fiir ihn
ein.
«Seine Mutter bat mir gesagt, daß
Sie alles thun wollen, um die Wahr
heit zu erfahren — glauben Sie, daß
Sie den wirklich Schuldigen bald ba
ben werden? Geradezu eine Sünd« ist
es, daß Sie den hermann festhalten
— grad' so gut könnten Sie mich ver
haften!«
»Steinan hoffmanm er ist festge
nommen worden, als er die Steine
verlaufen wollte.«
»Und wenn’s zehnmal so wäre —
destoegen tönnt’ ich doch drauf
schwören, daß er unschuldig ist!«
»Ich konnte nur die Achseln
zucken, und bei allern Mitleid, das
ich mit dem energischen und präch
tigen Mädchen hatte, kam eine leise
Ungeduld iiber mich. »Mein liebes
Fräulein, wir bewegen uns da im
Kreise und kommen damit nicht
weiter —- ichshabe in der Angelegen
heit Ihr-es Verlobten heute noch viel
zu thun —«
»Sie stand auf und blihte mich
aus ihren lebhaften blauen Augen
an; eine nur mühsam unterdrückte
Erregnng tvar in ihr —- Sorge um
ihren Bräutigam und zugleich der
tapfere Wille, sich nicht abweisen zu
lassen, ohne irgend etwas fiir ihn
gethan zu haben. »Das heißt. ich
soll geheni« fragte sie. »Nun ja —
aber eine Bitte hab’ ich doch noch
Vorher- — —«
Fluch ich hatte anich erhoben.
«Benn ich- Jhre Bitte erfüllen kann,
soll es rnir eine Freude sein.'«
»Mir kommt das schrecklich vor,
das ich. während der hermann hier
festgehalten wird und während Sie
sich unt die Arftlärung des Falles
bemiihen, zu hause sihen muß und
nichts thun können soll, unt ihm zu
niihens Ich will Sie bitten, Herr
Plank, daß Sie mich Ihnen helfen
laIen —- ——— ich will auch etwas fiir
ihn thun —- sicherlich gibt es Gänge
oder Wege, die ich Jhnen abnehmen
lann — ich will — —«
»Aber Fräulein Hoffmann —s-—!
Jch glaube, Sie stellen sich diese
Dinge einfacher vor, als sie sind!«
Jch mußte trotz ihrer Erregung lä
cheln bei der Vorstellung, das junge
Mädchen als hilf-kraft im polizeili
chen Ausforfchungsdienst zu ver
wenden.
»Einfacher? --— Gar nicht! Bitte,
lachen Sie nicht —- ich spreche im
vollen Ernst-. —- Jch will helfen und
nicht unnüd zusehen, wo es sich um
mein Glück und um das Glück
meines Verlobten handelt. ——- ———
Und Fälle, in denen eine Hilfe wie
die meinige — ich meine die Hilfe
eines Menschen der mit der Polizei »
nichts-zu thun hat. der aber fiir den ;
Gefangenen durchs Feuer ginge —’
r Sie von Werth fein könnte, sind
och sehr wohl denkbar —- —«
. »Gewiß —- gewisz — aber, mein
liebes Fräulein -——«
»Bitte versprechen Sie mir, an
mich zu denken, wenn solch ein Fall
eintreten sollte — mehr will ich für
den Riesens-litt gar nicht!«
»Es-wac, was mich ergriff und
ge ngvon dem junqen Mäd
n aus Itdie sich so tapfer fürschren
secutigam ini Zeug legte .und mit
einem halben Lächeln streckte ich ihr
die M entgegen
»Gut-— das verspreche i:ch wenn
ich ta Mdieseni Falle zur Aufklä
est-jeder auch sonst aus Ihrer Hilfe
WT sitt den derbe-steten sieben
Its-, dann fase- Sie es wissen,
Um Dis ich an Sie denken. «
s Cis M M- issi· Mut-lich- Hm
h die seinige. und mit einem lame
tadschastlichesus hu Kauf-s var der unert
M ILU
M DM MU« fact- sie
siedet- jeder Stunde aus Ihre
We
hindieUiirhinterchr
M sei-Mc Ist-n
k
Kopf und mußte wieder lächeln. Das
war ja ein richtiger Drausgänger,
dieses Mädel! Und der Ungarn
der Bursch — wenn der wirtlich un
schuldig war und das—Mädel da ein-—
mal bekam —- drr konnte sich gratu
liren! Die ersehte dann an Ener
gie ganz reichlich, was ihm daran
sehltet — s— Dann aber, während
ich mir wiederum den Ueberroel aus
dem Schranke holte und mich zum
Gehen fertig machte, war es mir,
als hätte ich ihr diese legte Zusage
doch nicht geben sollen. —- — Aber
schließlich, was lag varan22 Ich»
würde ja doch wohl taum in die
Lage kommen, mein Wort einläsen
zu müssen. —- —
«Gleich darauf sagte ich dem Die
ner Diessenbach, daß ich am Abends
ngch einmal herkommen würde —E
das sollte er, falls der Polizeiratlt
Franz nach mir fragte. dem über
mitteln —- dann machte ich mich aus
den Weg zu dem Sprachlehrer Sid
nev Janus-. bei dem der Hermann
Angerer seine englischen Stunden ge
nommen hatte.« — —
Richard Plant hielt ein in seiner
Erzählung strich sich mit der Linken
über die Stirne und blies den Rauch
seiner Cigarre in die Lust. Und erst
nach einer Weile nahm er den Faden
seiner Erzählung wieder aus.
»Ich weiß nicht, ob Sie sich an die
habsburgergasse erinnern —- so, wie
sie damals aussah, in der Zeit, in
der diese merkwürdige Geschichte mit
dem «Puppenspieler« sich abgewickelt
hat. Es ist dort viel gebaut worden
in den legten Jahren —- neue häu
ser sind eines neben dein anderen in
kurzer Zeit an Stelle der alten getre
ten, andere wieder hat man renoviert
—- die ganze Gasse hat ein völlig
neues Gesicht bekommen. Damals aber
trug sie noch ganz den Stempel WAlt
wien« an sich. Nur gegen den »Sta
ben« zu standen ein paar prächtige
Paläste — aber was sich dahinter dann
aneinanderreihte, das waren Bauten.
die meist schon mehr als ein Jahrhun
dert an sich hatten vorüberziehen sehen.
Da waren alterigiaue häusee mit rie
sigen doppelslügeligen Thoren und
winteltgen bösen, in denen alte
Brunnen standen, und zwischen aus
gestapeltrn Kisten, handlarren und
dergleichen die Kinder spielten. häu
ser. aus deren steinernen Treppen
jeder Schritt seltsam hallte, in deren
gewälbten Gängen mit den unter
dicken Mauern und Pseileen oft so
seltsame Geräusche austreischten —
die vielleicht von einer längst über
mauerten Eisenthiir kamen, die in
der Zuglust eines Kamins in ihren
Angeln schrie und tnarrte oder
von dem Winde, der sich im Schorn
stein sing, und da dann einen Aus-«
weg suchend durch die Essen heulte
— — toer mag das wissen. Jch
selbst bade mit meinen Eltern als
Kind in einem solchen Hause. in dem
die Wände Nachts zu stöhnen schie
nen, gewohnt --—— ——. Nun ja ——
solcher Art waren also diese alten
Bauten, die sich damals noch in der
habsburgergasse eng und düster an
einanderreihten, und in deren einein»
der Sprachlebrer Sidney Jones seini
Quartier aufgeschlagen hatte. Num-i
mer siebzehn ioar ei --— ich entsinnes
mich dessen noch ganz genau s— aus
alles besinne ich mich« noch, was
irgend mit dem Falle zusammen
hängt, liar und scharf, als zählte
meine Erinnerung an diese Dinge
erst seit Tagen. Durch ein breites
hausthon an dem noch ein Sphinx
tops mit einem Ring im Munde als
Thürllopser angebracht war, ging es
in eine düstere Einsahrt, deren
Wände iiber und über mit zahlreichen
Firmentaseln, Seschiistischildern und
Namenstiiselchen bedeckt waren. Eines
unter ihnen, das reinlicher und jünger
schien als die meisten anderen, trug
auch den Namen des Mannes. den ich
aussuchen wollte:
Sidney Jene-, Unterricht in der
englischen Sprache, 2. Ausgang 3
Treppen L
stand da zu lesen. Eine hand mit
lautgestreckten Zeigefinger wies am
Schlusse dieser Ausschrist in der Nich
tung nach dein dumpfen hose. über
den man geben mußte, um zu dem
zweiten Aufgange zu gelangen.
«Langsam stieg ich die drei Trep
pen empor —- auch sie trugen mit
dem schwimme-, ehemals weißge
Irtchenen Treppenbausex den Wan
den, deren Kam-muri hier und da
abgebrögett var. den Charakter des
hausei —- alt und durch die
hegelsntelauge Benüpung arg mit
genommen war das amt, und nie
mand gab sich Miit-, argen diesen
sit-en hersall einzuschreiten hier
disk out W des Tini-tm
I zu send-as M arise
etsas noch W. so M es die
III-, die aus der Ireppeund is den
Gängen herrschte, und die-. is ange
nehmem Gegensah stand zu dem
brandendsen Lärm der Straße, von
;de! ich tCNL
l »Auf mein Lauten an der Thän
xdie den Namen des Sprachlehreri
«trug, blieb es zunächst vssig still.
spann hörte ich, wie in der Wohnung
eine Thiir geöffnet wurde, wie
Schritte näher kamen, und ich hatte
das Gefühl, als wiirde ich ein paar
sAugenblicke lang durch das Suckldch
Ischarf gemuitert —- alö Binde da
fhinter der Thiir jemand. der mit sich
ltiimpft um den Entschluß, ob er mir
Hiffnen solle. Aber das waren nur
Setunden, und gleich darauf wurde
Jdie Thiir aufgemacht, und ich stand
Deinem hochgewachfenen Mann von
etwa fünfundvierzig Jahren gegen-«
über, der sich start vorgebeugt hielt,
und den ich mit seiner schön ent
wickelten hohen Stirn und den unter
halbgeichlossenen Lidern hervor
bliaenden tiihlen Augen unter an
deren Verhältnissen weit eher fiir
einen Gelehrten als fiir einen Sprach
lehrer genommen hätte. ’ Auch die
aussallende Blösse seines ausdruclsss
vollen, glattrasirten Gestchti und
die abgescheuerten Stellen an den
Aermeln feines braunen Sammtia
tettj schienen mir auf einen Studiu
gelehrten. der reichlich viel Zeit am
Schreibtische verbrachte, hinzuwei
sen.
«habe ich die Ehre, Herrn Sid
ney Jenes —- —?'
Er trat ein paar Schritte zurück
und lud mich, während er sich iricht
derbeugte, mit einer Gebärde seiner
Band ein. näherzutreten
»Mein Name iit Jones.« ,
.Plani — Richard Plant.«
»Und Sie wünschen mich zu spre
Mi«
«Ja, wenn Sie ein paar Minu
ten fiir mich übrig haben?«
.Ein prüfender Blick ging über
mich, dann nickte herr Jones.
«Gerne.«
.Er össnete eine Thiir des Jor
raumez, in den wir getreten waren,
und ließ mich vorangehen in ein
kleines Zimmer —- anscheinend sein
Arbeitszimmer. —- in dem er his
her gesessen haben mochte. Ausfal
lend und seltsam, wie der Mann
selbst mit seinen glattrasirten, schon
ein wenig verwitterten Zügen, die
etwas seltsam Anziehendes und toch
etwas Befremdliches hatten zugleich,
war auch dieser in seiner ganz-II
Ausstattung bis zur Aermlichtei: bo
scheidene Raum der so recht geschos
sen schien, um tonzenttirter, unge
störter Arbeit zu dienen.
»Das schmuetlose Fenster, durch
das die Stube ihr, jegt schon in der
vorgerückten Nachmittagsstunde start
dämmeriges Licht erhielt, hatte die
kahle Mauer eines Nebenhauses als
Gegenüber und war zudem bis niscc
Augenhiihe mit milden Milchglst
scheiden undurchsichtig gemacht. Bot
diesem Fenster stand ein schmalen
länglicher Tisch so ausgestellt, das er
gleich einer Barte quer in das Zim
mer schnitt, und zu beiden Seiten
dieses Tischez waren Siggelegenhev
ten angeordnet. hier ein breiiars
miger, hölzerner Arbeitsstuhl — ein
altmodisches unbequemei Mbceh
von dem, wie aus der Stellung des
Stuhls noch zu sehen war, der
Sprachlehrer soeben sich erhoben ha
ben mochte — und gerade gegen
über, jenseits des Tischec, als einzige-J
Pruntstiick des Raums, ein etwas
niedriger, bequem gepolsterter Fau
teuil —- vielleicht der Plag, den Std
neh Jonet jeweilig seinen Schülern
anwiei, wenn er mit ihnen seine
Sprachstudien trieb.
»und das hier riet geardsnet
wurde, nicht nur in den Stunden,
in denen diese Schäler da ihr-in
Lehrer gegenüber saßen, sonder-i
auch dann, wenn dieser sich allein in
seinem Zimmer besand las tonnre
man schon aus den erilcn Blick er
tennen. Der Tisch war hollgeriiunv
mit Büchern und Stein«-kein ein
paar deutsche und englische Journale
lagen dazwischen umher, und auch
an der Wand hinter dem Fnuteuil
ward ein Bücherdord angebracht,
das eine stattliche Zahl, wie es mir
schien. wissenschaftlicher Ade-'s trug.
Sonst waren die Wände kahl — sein
Bild, tein Farbensleck, tei- weiterer
Schmuck zerstreute den, der sich hier
in ein Studium versenken wollte.
»Den Jenes wies mir den Fau
teuil und lud mich, während er sich
selbst wiederum niederließ gleich
salii zum Sihen ein.
«Seine langen, magerexi hände T
griffen ein paar mit ZahlenreihenI
und, wie mir in dein Dämmerlichie»
schien, mit mathematischen Formeln:
bedeckte Blätter zusammen —— er
schien auf meine 5tlnrede zu warten.
Und da ich, sei es in Betrachtung
dieses seltsam kahlen Baumes. sei es
in Gedanken iiber das, was ich ihm
saqen wollte, noch immer schwieg, he
gann er selb zu reden
»Sie kommen bgewiß wegen des
Unterrichtt —- hert Planti«
»Nicht doch so am —- —«
»Er schien meinen Einwurs liber
W ev bebe-- dem- et ishr fort
seine Annahme weiter auszuführen
und zu entwicheln Seine Stimme
klang dabei weich und angenehm —
etwas sehr Milde-I beinahe Strei
chelndes inne in ihr Und er sprach
ein nahezu dialettsreirl Deutsch. nur
hier nnd da schien mir ein leiser An
klang den Deutsch-Engländer oder
Ameritaner zu verrathen
»Nun ja — also ich nehme an,
Sie haben auch eines meiner Inse
rate in den Blättern gelesen und
möchten sich meinem Unterricht an
vertrauen. Das freut mich, und ich
glaube Ihnen sagen zu können, daß
Sie diesen Entschluß nicht bereuen
werden. Was nun zunächst — ehe
wir von meiner Methode sprechen
wollen — die Fragen allgemeiner
Art betrifft --— —«
»Ich unterbrach ihn und mußte
lächeln, während ich sprach:
«Pardon. here Jvnes -—— hier
liegt ein tleines Mißverständnis
vor ——«
»Ein Mißverständniß?« Seine Au
gen hoben sich fiir einen Augenblick
von den weißen Blättern, aus denen
sie bisher geruht hatten, und blickten
fragend zu ruir herüber.
«Jch spreche seblst leidlich gut Eng- ·
lifch und bin leider nicht gelommen,»
um Sie um Ihren gewiß ganz vor
trefflichen Unterricht zu bitten.«
»Nichts — —« Eine Enttiiuschung
schien in feiner Frage zu liegen —
deutlich llang eine leise Erregung aus
dem einen Wort, und ich dachte, wäh- »
rend ich weitersprach: Armee Kerl —
geivis geht es ihm nicht sehr glän
zend und er hat sich schon iiher den
»neuen Schüler« gefreut!
»Nein —ei ist eine rein persön
liche Angelegenheit die mich zuä
Jhnen führt: ich möchte eine Aus
tunft über einen Jhrer Schüler von
Jhnen erbittrnk l
.Eine Auctunfti' i
»Den Sidneh Jenes schien sehr!
erstaunt, und wieder trafen mich da
bei siir eine Sekunde seine seagenden
Augen. Und seltsam — ich sühlte
jegt etwas wie eine leise Unruhe,
ein pages Unbehagen unter dem
Blick dieser ganz aufsallend glashar
ten, grünen Augen mit den winzi
gen, kaum sieeknadeltohsgroßen Pu
billen — ——. Jch hätte es nicht zu
sagen gewußt, was es war, ob das
Befremdliche der Farbe oder der
starre Glanz — —««
«Es handelt sich um den Bahn
beamten hermann Angerer, der seit
einiger Zeit Unterreicht in der engli-·
schen Sprache bei Ihnen genommen
hat —- —«
«Angerer —- ——?« herr Sidneh
Jones niekte zustimmen-, und bei
einer leichten Bewegung. die er ganz
unwillkiirlich dabei mit seinem lin
ken Arme machte, geschah es, das eins
von den Büchern, die da vor ihm
aus dem Tische lagen, zu Boden fiel.
Rasch biiekte er sich, den Band auszu
hehen —- aber das gelang nicht gleich
—- das Blut stieg ihm zu Kopf, wie
er sich niederbeugte. Dann hatte er
das Buch und legte es wieder zu den
anderen Händen. «Pardon«. sagte
er, «ich war ungeschickt. Angeker ——
Ernil Angerer —- nicht wahrs«
»Nein. hermann.«
»Ach ja! hermanm Sie haben
ganz recht: hermann Angeker —
Gott, man kommt sich persönlich jal
nur so wenig nahe —— da kann einem i
der Vorname schon einmal entfallen»
Gewiß —- der junge Mann nimmt
Unterricht bei mir —- und ich dars
wohl sagen, daß er in der doch erst
kurzen Zeit schon recht schöne Fort
schritte gemacht hat —- was ja na-?
tiirlich zum besten Theile seinem?
Fleiß und seinem entschiedenens
Sprachtalent zuzuschreiben ist.« »
»So? — Nun, mich interessirt
eigentlich etwas anderes mehr. ,
Wollen Sie mir sagen, here Jones,
wann der here Ungerer zum legten.
Male bei Ihnen gewesen ist?« —- »
.herr Sidney Jones zögerte-" (
«Entschuldigen Sie. wenn ich da;
erst eine Oegensrage stelle«, sagte er
dann, »Sie sind gewiss ein Ver-?
wart-Tier des deren Ungerer?«
- ein.«
»Ob« sind vielleicht von ihm zu
Jhrer Frage autoriiirt?«
»Auch nicht.«
»Den —«. Es schien herrn Jenes
peinlich, weiter zu sprechen, aber er
überwand bas. »Ich bitte, mich nicht
mißzuveriteben, herr Plaut. —— —
Aber ich möchte dann doch bitten, mir
bie Beantwortung Jbrer Frage zu
erlassen.« —- «
»Ich richtete mich aui in bem be
quemen Fauteuil —«— vie Sache be
gann fiir mich interessant zu werben
« ben Sie bestimmte Gründe
fiir ieie Zurückhaltung herr Jenes
—- und darf ich vielleicht wenigstens
wissen, was iiir Gründe es sind, vie
Sie dabei leiteni«
«Meine Gründe — ja —- es ist
nichts weiter, ais eine Distretiom
bie ich meinen Schülern wohl schul
big bin —- —«
« nieste. Jch vermag Jbr Fein
efiibl getvih zu würdigen, herr
ones —- aber ich tann Ihnen zu
Jbrer Beruhigung sagen, baß meine
Frage, tvenn auch nicht mit ber Au
tarisativn bei herrn Un rer, to
doch in feinem Interesse ge llt war.
Js- tehe til-on daß ich deutscher
werben amt: Nun —- br schiller
ist in eine sehr unan ene rne Angele
genheit verwickelt, e zur Zeit in
den Banden der Polizei liegt. Jch
bin mit den Feststellungen betraut
es liegt uns oiel daran, genau zu
wissen, wo und wie herr Ungerec
seine Zeit in den legten Tagen ver
bracht hat. Jch bitte Sie also. meine
Frage als eine amtiche Ansrage aus
zusassen.«
»Mein Ge eniiber hatte mit ge
suanntem Interesse zugehsrt, und es
war, se weiter ich sprach, eine um so
deutlicher ertennbare Verstimmung
über ihn gekommen
«Eine Angelegenheit .die in den
händen der Polizei liegt -— —?'·
wiederholte er dann. »wie ist das
nur möglich —- ach, das ist mir aber
peinlich —- —.« Herr Jones driielte
die Band an die Stirn —— die ganze
Sache war ihm augenscheinlich höchst
unangenehm. »Ja —-— natürlich muß
ich Ihnen dann genaue Auskunft ge
zben — nun — ich weiß ja nicht, seit
zwann diese Angelegenheit spielt —
aber, wenn Sie mich als Amtsperson
tragen —- nun gut: Jch habe Herrn
sAngerer arn oergangenen Dienstag
zum letzten Male bei mir gesehen —
und gestern, Freitag Abend —- habe
»ich ihn vergebens zu der derabredeteu
Stunde hier erwartet. —- —— Nun er
tlärt sich das also s-— da war Ubert
Angeker wohl gestern schon —- —-«
»Er zögerte und sah mich hastig
mit stagendem Ausgruck aus diesen
hellen, griinen Augen an. Und wie
der hatte ich das seltsame Gesiihl
von Unbehagen.
»Sie meinen. er wäre gestern
schon derhastet gewesen und hätte
daher nicht tommen können? Nein
— herr Angeker ist erst heute Vor
mittag sestgenommen worden. —
Nach den Angaben seiner Umgebung
hat er geäußert, daß er gestern
Abend wie sonst zu Jhnen ginge —
er ist dann auch in der That während
der Zeit, die er sonst bei Jhnen zu
verbringen pflegte. vom hause abwe
send gewesen — —«
»Herr Jones hatte sich aus seinem
Sessel erhoben und schritt nervös in
dem kleinen Raume aus und ab.
Gortsesung solgt.)
sent-reichen ne this-.
Als ich vor einigen Tagen nach
etwa sechstoöchiger Abwesenheit im
Innern wieder in Petina eintras,
fand ich dort teine gerinae Aufregung
wr. Zu den hier stets schwebenden
Assiiren waren zwei neue hinzuge
tornmen. Die eine ist die keuerepi
deinie in Peting, die andere ie Aus
deckung eines ausgedehnten und seit
Jahren betriebenen Spionendienstes
auswärtiger Mächte.
Seit Wochen schon loht sast jede
Nacht in der himmlischen Hauptstadt
ein großer Brand gen Himmel, ohne
daß es bis seht der verstärkten Poli
zei gelungen wäre, die Brandstister
zu sassen. »Auch die Chinesen henten
teinen. sie haben ihn denn!« Das
tann zwar hier nur im beschräntten
Maßstabe gesagt werden, denn wenn
es daraus ankommt, ist schon jemand
da, der dran glauben muß, aber in
diesem Falle muß es trog Massenun
hastungen und einer ganzen Reihe
von hinrichtungen noch nicht gelun
gen sein. den Richtigen zu sassen, denn
die Feuersbrünste dauern sort. und die
Brandstister haben ganz ossen ge
;droht, eine Reihe namhaft gemachter
Iössentlicher Gebäude anzuziinden.
iJetzt hat die Petinger Polizei eine
Summe von 1500 Dollars dem
izugestcheri. der ihr einen der
sBrandstister so namhaft macht, daß
ssie ihn sassen tann. Die Industrie
sausstellung eines der Pruntgehiiude
ldes neuen Peling, ist mit allen darin
ausgestellten Erzeugnissen total aus
»gebrannt. Jm alten berühmten La
’toa-Tempel ist eins der Tempelgei
böude vernichtet, große Kaushäiuser
isind in Flammen ausgegangen und
Menschenleben dabei verloren gegan
gen. Andere Brande, bald hier, bald
dort, halten gänz Peting in Athem
und versehen s Voll in Angst und
Schrecken. Sogar die Fremden siihi
len sich beunruhigt, da ei im Gesandt
schastioiertel selbst schon gebrannt
bat; denn auch die Boxergikaiastrophe
1900 seste mit einer Feuersbrunst
ein. Die unglaublichsten Gerüchte, zu
Thatsachen gestempelt, schwirren na
tiirlich herum. Für den, der das
Jennt, nichts Neuei; denn nirgends
vergrößert sich ein Gerücht schneller
und wird mehr entstellt als hier im
sernen Osten.
" Doch —- was sind die Gründe die
ser Beunruhigungi Sie liegen tie
fer, als man vielleicht annimmt. Es
sind drohende Vorzeichen der nahen
den Revolution. Es sind Anzeichen
tiesen Unwillens des Volkes über die
politischen Maßnahmen seiner sühren
den Kreise und des herrscherlsauses.
Der leste äußere Anlaß mag wohl
das Rachaeben Chinas in der Tatsa
MarusAssäre sein, in der China sicher
formell im Unrecht und zur ungeni
gen Gelegenheit einmal energisch aus
getreten war. Vom heißen Süden
naht die Reinesisx das es im Norden,
besonders im Nordwesten des Reiches
noch ganz ruhig ist« davon lonnte ich
mich gelegentlich meiner lesten Reise
überzeugen Der Voltsuntpille macht
sich fest Lust, und wie lange es der
Regierung noch gelingen wird, eine
ausgedehntere Bewegung niederzu
halten, ist gar nicht abzusehen. Chi
nas Voll ist sicher unendlich geduldig,
——-’
und es dauert lange, bis es zur
Selbsthilfe greift. Einen folchen Alt
fehen wir jegt im oerfuchten Bohtott
japanifcher Waaren im Kontom der
uorautfichtlich genau fo im Sande
verlaufen wird, wie seiner Zeit der
aneeritanifcher Waaren.
Auch in China wird nichts fo heiß
gessen, wie es gekocht wird, und he
ondees jeht bietet ej uns fortgefekt
das Bild, daß durchgreifende Reue
rungen mit Pauken und Trompeten
vertitndet und angefangen werden,
alter in kurzer Zeit doch wieder miide
in den alten, gewohnten Schlendrian
zurücksintt Jn China find eben im
mer noch desjenigen Aussichten die
giinftigften. der ruhig warten gelernt
hat.
So fehen wir jetzt die Marinere
! form aus Mangel an Mitteln fo gut
wie erledigt. Was sollte da nicht al
les an Schiffen getauft und gebaut,
an Schulen und Kriegshiifen einge
richtet werden —— und was ift ge
schehen? Gar nichts! Es bleibt al
les beim alten, denn — fo kaltulirt
man resignirt — beim ersten Kon
likt witrde ja doch die kleinste Macht
in der Lage fein, die neuen fchsnen
ISchiffe wie 1893 und 1900 einfach
» wegzunehmen Wo ift da das Selbst
; vertrauen?
i Sehr viel anders ift es mit der
Ideeresreform auch nicht, und wenn
einmal das Wohlwollen der Krititer
fortfiillt. wird man in Europa erft
merken, daß der neue Geift mit der
neuen bunten llniform noch lange
nicht eingezogen ift.
Am typifchften sind die Erfolge des
Opiumrauchoerbotö. hochtönende Ek
lasse, aufs Detaillirtefte ausgestat
tet, sieht man in rascher olge erschei
nen. Der Erfolg? Ni tganz eine
Meile außerhalb Pelings raucht
alles unentwegt weiter, und t ut fo.
als ob es überhaupt teine Erla e gil
be. Auf meiner Reife in Schansi hatte
ich täglich Gelegenheit zu beobachten,
wie entfehlich verbreitet das Laftee
ifi, und wie et ohne die allergeringfte
Scheu öffentlich betrieben wird. Da
filr ist in Peling ein neues Odium
»amt eingerichtet worden. wahrschein
jlich eine neue Sineture fiir einige
; gute Freunde hoher Beamten.
vett anderen »nur-knien
sieht's ebenso oder nicht viel besser
aus.
Kein Wunder, wenn die Beamten
schaft in ihren verantwortun I
vollften Aemtern Leute sisen hat, ie
denVatertandsverrath shstematisch seit
Jahr und Tag betreiben. Ein Zu
Jfall brachte ans Licht, dasz Beamte
I des Auswärtigen Amts und des Zen
"sorats die wichtigsten Staatidepes
schen seit Jahren an fremde Mächte
vertausen, in erster Linie an Nuß
land und Japan· Yuan Schi Kai,
der Präsident des Auswiitigen
Amts, hatte eine wichtige, schon fer
tiggestellte Depesche im lehten Augen
bliet zurückgehalten Am nächsten
Tage —- die Depesche ruhte noch —
detam er schon die Protestnote daraus
vom russischen Gesandten. Nun tarn
der shstematisch betriebene Diehfta
ans Licht. Da waren Leute, die s
Jahren feste, hohe Gehälter fiir ihre
»verhrecherische2hiitigteit bezogen hat
ten, und nun war die Ausre ung
Igroß. Eine Massenoerhaftung ehte
ein, die schwersten Strafen folgten
auf dem Fuße, Falter und Denker
beil betamen Arbeit. und angesehene
IBeamte wanderten nach dein fernen
Turtestan in die Verhannung, von
wo teine Rückkehr möglich ist.
Das war das zweite Moment, das
eine sichtliche Beunruhigung in die
leitende Kreise trug und sie merken
lief-, daß sie nicht einmal im eigenen
hause mehr sicher sind.
Alles in allem: China geht trit
ben Zeiten entgegen, und die Verhält
nisse liegen so verwickelt, daß eine
friedliche Lösung nicht ale wahr
scheinlich erscheint.
--· - —
Jse Departement - Seite.
Danm »Ich hätte gern etwas in
Oel sitt ein Speisezitnmet!«
Verläner »Zum-III verehrte Frau;
soll es eine Landschaft sein oder eine
Büchse Sakdinen?«
Der Polatfotfchet Peaky will den
nördlichften Puntt der Erde aussuchen
nnd finden, wenn ihm M,f)00 zur
Verfügung gestellt werden. Kein Ge
schäftsmann wird ihm glauben, das
ver Rotdpot so viel wert ist.
Auch der PrinTsotgheie, ein th-.
lienet will den okdpol unter so
nufnng eines Luftichiffes finden
Die Lorbeeten, welche Walte- Well
mann nicht errungen, lassen ihm keine
Ruhe.
Charlemagne Ton-et war ein Turm
Eier i deutsch-amerikanian Freund
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