Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 03, 1908, Zweiter Theil, Image 10

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    DaS Hundertfrankenftück
Issss I» 4 Orts
(18. FortsesungJ
»Nun wohl, keiner der drei in al
len anderen Punkten zuständigen
Wehe will es genommendabem und
U ist es vor drei Tagen in der
sechstka einei großen Berliner
senthaufes angehalten worden.
Such dem hierhergelangten Bericht
erschien in der Wechselstube ein jun
ges Mädchen mit dem sonderbar scheu
Isd erregt vargebrachten Ersuchen,
Es das Goldstück gegen deutsche
nze umzuwechieln Noch ehe der
betreffende Kassenbeatnte das Hun
dettirantenitück einer näherenPrüfung .
unterzogen hatte, betrat rein zufälligH
Schutt-rann der irgend eint
Schriftstiick abzugeben hatte, dieWechq
eistube, und bei seinem Anblick cui-s
nte sich das Mädchen eiXig unteks
snriictlassung der Münze. Leider hat!
mit nicht rechtzeitig daran gedacht. fiel
Kutsche-. und als man sich aufs
Straße nach ihr umfah, war sie
bereits verschwunden Sie wird als
eine ungefähr achtzehniährige roth
haarige Person mit hübschen aber
sen zahlreichenSontrnersprvssen über
siten Gesicht geschildert, nnd der
Kussier hatte aus ihrem Benehmen
den Eindruck gewonnen, daß sie wohl
sticht im vollen Besitz normaler Jn
telliigenz sei. Ihre Flucht und die
seichaifenheit der Münze legten die
semtthuna nahe. daß das Gold
W seftohlen sei« und es wanderte
daher zur Polizei. wo eine Verglei
chung tntt dem von uns erlassenen
Laufzettel die Jdentität mit dem
m Ihnen vermißten Stück ergab.
Man schickte es hierher, und ich Fbe
W Mch dene- Eintressen die rei
Tini-reicher befragt, ob ihnen eine
Person von der äußeren Erscheinung
des uns beschrieben-en Mädchens be
sstent sei. Keiner von ihnen hat das
zugeben wollen, und ich bin geneigt,
glauben. daß sie die Wahrheit
frechen. Auch Jhr Neffe, den ich
Du diesem Zweck noch einmal koni
Ien ließ. will sich aus seinem Ber
Mer Betsnntentreise keines jungen
iidchens erinnern, das jener Be
schreibung entspräche —- Nun richte
ich an Sie, Herr Konsuh die Frage,
ob unter Jhren früheren Dienst
boten oder unter den Leuten. die aus
anderem Anlaß Zutritt in Jlir Haus;
hatten, etwa ein junges Frauen
«Intner mit rothem hour und auf
.altensd vielen Sommersprossen ge
speien ist«
Brüning schüttelte den Kopf. »So
tneit meine Erinnerung reicht —
nein!«
»Dann miifsen wir uns also wohl
oder übel mit der Tbatfache abiinsden,
daß sich die Zahl der Rättsiel die
uns dieser merkwürdige Kriminab
fall aufaibt um ein weiteres vermehrt
hat. —Auch bezüalich der aeheirnniß
vollen Kiste sind wir zu teinem greif
baten Ergebnis aelornmen Wir ha
ben ermittelt, daß sie von einem Ber
liner Spediteur aufgegeben worden
ist, und es ist festgestellt, daß der
Ubsender ein dem Personal des Soe
diteurs unbekannter junger Mann
wesen ist. Wenn wir es nicht ohne
«n wüßten, daß mit dieser Kisten
sendung oerbrecherische Absiktten ver
folgt wurden, so würden uns die
Umstände, unter denen die Aufgabe
erfolgte, dessen belehren müssen. Der
erwähnte junge Mann erschien näm
lich im Kontor de Speditenrs mit
dem Ersuchen, ihm sofort ein paar
Leute mitzuaeben, die eine nach aug
Iarts zu spedirende Kiste abholen
sollten, und er erlegte bereitwillig den
forderten Betrag Die Kiste befand
eh nach Angabe der mit ihrer Ab
holung betrauten Arbeiter auf dem
Speicher eines hauies in der Müller
ftraße, einer jener von zahllosen Par
teien bewohnten Berliner Miets
lasernen deren Bestand an ?1ftermie
thern und Schlafhurschen mit jedem
Tage wechselt. Alle Bemühungen,
den Eigenthümer oder Absender der
Kiste unter den Bewohnern des Hau
fes zu ermitteln, sind ergehnißlos ge- i
blieben. Niemand will wissen wie
sie dahin gekommen ist, und niemand!
will etwas iiher den jungen Mann
angeben können der sich dem Studi
tenr all ein Kaufmann Wilhelm
Zchulhe bezeichnet hatte, und der für
uns einstweilen spurlos verschwunden
ist. Die Bestienheit der Kiste selbst
währt auch keinen Anhalt für die
mittlnng ihres leisten Eigenthü
sreri. Sie ist ziemlich alt, und ei
scheint, das sie ehedem einem socie
mnten Zauberkiinstler zur Borsiih
rung des bekannten Experimente ge
dient hat wie sich jemand auf riith
thafte Ieise aui einer verschlossenen
m MMsehniirten Kiste befreien
XCVSM vorgefundenen Blutspur-n
auf dein Yettlifsen
" Irrtchtscherniler rnit ziem
Ihrr Sicherheit als von Menschen
sit herrshrenh bezeichnet worden,
Ist fiir M vornherein nichi
MADE-TM ist, und ei fehlt
M Mit Vetter als diese-Int
." - dik« in der Kiste
»Da-von bin ich über ugt —- und
ich würde ei nicht is e ig gehabt ha
ben, Sie zu bemühen, wenn es sich
nur um das hundertfranlenstück ge
handelt hiiite. Auch ich habe Ihnen
noch etwas anderes mitzutheilen, et
was, dessen Erörterung mir einiger
maßen peinlich ist, denn es betrifft
eine Dame, die Ihnen, wie ich ver
muthe, sehr nahe fiel-U
Es war seltsam. mit wie greifbaret
Deutlichkeit in diesem Augenblick vor
Btuiinings Geiste das Bild Marga
rethei auftauchte. so wie er sie heute
in ihrer Zertnirschung und Ber
ziveiflung vor sich gesehen. und wie
oernehmlich in seinem herzen ihre
Worte widertlangem »Es steht etwas
zwischen uns, das Du mir niemals
. verzeihen kannst!« «
’ Wie eine ,furchtbare, zermalmende
; Last legte sich ihm das Voraeiiihlvon
jetwas Entfehlichem auf Stirn und
» Brust und seine Stimme llang selt
- fam gepreßt, als er nach einein kurzen
J Schweigen erwiderte: »Ich weiß nicht,
T wer damit gemeint fein lann »und
ich bitte um eine nähere Erliiirung."l
26.
«Jn Ihrem hause befindet sich seit
ungefähr anderthalb Jahren eine
Dame, die von ihnen als eine unver
ebelichte Margaretbe hundld und als
Erzieberin Jbrei Hin-des bei der Ps
lizei angemeldet wurde. Ich darf doch
wobl voraussehen Herr Konsul, daß
diese Meldung Jbrerseitz in dem
guten Glauben an ibre Richtigkeit er
,olgt ist«
»Das ist selbstverständlich Sie war
»auch thatsächlich richtig, denn sie ge
schab aus Grund der Angaben, die
» mir von der jungen Dame selbst über
ibre Persönlichkeit gemacht worden
: waren.«
H »Dann sind Sie eben von dem an
sgeblichen Fräulein Hunold getäuscht
s worden, hetr Konsul!«
s »Das ist unmöglich! Eine derartige
; Anschuldigung tann nur aus Jrrthutn
soder auf Verleumdung beruhen.«
»Von Berleumdung ist schon des
vhalb teine Rede, weil es sich hier aus
schließlich um amtliche Austiinste
handelt. Und aus diesem Grunde
scheint auch ein Jrrtbaun nahezu aus
geschlossen. Ich hatte Ursache, mich
siir die Vergangenheit und siir die
persönlichen Verhältnisse der Dame
nu interessiren. und ich babe deshalb
durch die Polizei über beides Erinn
digungen einziehen lassen. Da sich das
angebliche Fräulein Hunold während
der letzten Jahre. die dem Eintritt in
Jbr Haus vorausgingem zuweist in
England aufgehalten hatte» waren
die Nachforschungen ziemlich um
ständlich und zeitraubend, so oafzich
erst seit in den Besiy des Materials
gelan t bin. Danach hatte die Dame
tein echt, sich hier unter ihrem Mäd
chennarnen melden zu lassen, denn sie
ist in Wahrheit eine Frau Sehmour.
die Wittwe des als Sträsling in
einem Londoner Gefängniß verstorbe
nen Kaufmanns Malt Cecil Seh
nirsur. eines wegen Wechselfiilschung
und Betruges zu fiinfsiibrigem Zucht
haus verurtheilten Hochstaplers.«
Der Untersuchungsriehter schien sich
der niederschmetternden Wirtung. die
seine Eröffnunaen auf Brüning her
vorbringen rnußten, in der That sehr
wohl bewußt zu sein« denn er blickte
dabei beharrlich in seine Alten und
vermied, zu dem regungslos dasitzem
den Konsul hinüberzusehen. Jetzt
aber hielt er inne, als erwarte er eine
Frage, und nach Verlauf einer lan
gen Pause tarn sie denn auch in der
t
ha .
»Die Möglichkeit einer Personen
sverixechslung ift ganz ausgeschlos
en «
»Die uns von den englischen Be
hörden ertheilte Auskunft bezieht sieh
aus die ehemalige Musitftudirende
; Margarethe Vunold, die an Cliffords
HJnn eine gemeinsame Wohnung mit
sihrer Tante, der Wittwe Therese
LBaurnerL inne hatte.«
Wieder eine kurze Stille, dann eine
merkwürdig hart und scharf llingende
Antwort: »Fräulein Hunold —
die Dame hat rnir selbst gelegentlich
mitgetheilt, daß e in London-eine
Zeitlang an Clis ords Jan gewohnt
habe —- eine Varietesiingerin sagen
Sie?«
»Ist dem hierher gelangten Bericht
ist sogar der Name des Theaters an
gegeben, in welchem sie auf reten ist.
Pie es scheint, hat Inan eh deshalb
o ein ehend um sie getttimnerh weil
man ee an den Schwindeleien ihres
Aste-ging uolzerssåch mer«-on Ftneä
nii n ner uns-n iei
in dem Bericht nicht die Was
»Was wollen Sie ans dieser Aus
kunft solgers?« - s
«Ehe Ich Ihnen darauf antworte,
Herr, Konsuh bin ich xn Mai Ve
dauern genöthigt, eine Frage an Sie
zu richten, die ich als eine scheinbar
unzaete Einmischung in Ihre Privat
oerhöltnisse gern ern-eben hätte.
wenn He nett nicht un er sen seht m
lMden Umsiinden zu- unabweis
l Pflicht gemacht Wede- —Ste
W, oder ie hatte- dle W
,
Mannes betheiligt glaubte· Es muß;
sieh aber wohl nichts selastenbes ge
gen sie ergeben haben, denn vor-einer
Fdiete Frau Sees-sah die st- hur
gxäakkin Davon- -hielten,- zu hat«-,
ti
.Js—
»Und Sie hatten darüber auch Ic
tiirlich bereits mit ihr gesprochenk
»Jch hatte mich rnit ihr verliebt
wenn auch eine Bekanntgabe des sek
1iibnisses aus Schickiichieitsgriisnden
bisher nnterblieb.«
»Jrgendroelche Aufklärung« über
ibre anscheinend recht bewegte Er
gangenheit hatte Ihnen die Dante
nicht zu theil werden lassenk
»Nein.«
,.Es krsar also offenbar ihre Ab
sicht. diese Veraangenheit nnd vor
allem die Thatiache ihrer früheren
Verheirathnng dauernd vor Ihnen ge
heim zu halten?«
»So muß ich ietzt joobl anneh
men.«
..Sie hätte doch auch wohl fürchten
müssen, baß Sie von Jhrem Eber-er
spkechen zurücktreten würden, sobald
Sie durch sie selbst oder von anderer
Seite über jene Dinge unterrichtet
wurden?"
»Sie hätte Grund gehabt, es zu
fürchten«
»Dort-us ergibt sich ohne weiteres,
daß sie dar allergrößte Interesse da
ran hatte, sich des unverbriichlichen
Stillschweigenö aller Personen zu
versicheru, bie ihre Vergangenheit
sannten. Solcher Personen aber gab
es hier in Deutschland vielleicht nur
eine einzige — nämiich ihre Tat-te
ThereieBaurnert, und ihre Verschwie
genheit ionnte nicht besser gesichert
werden als dadurch, daß sie —«
Brüning stand auf und trat an"
den Tisch des Untersuchunasrichieri·
EVEN Sie damit andeuten wollen«
; .——«
Er kennte nicht weiter-wessen
Wenn er sich auch bis zu die em Zu
genblick mit schier übernatürlicher
Kraft beherrscht hatte, in dem Me
inent, da er das Fürchterliche aus
sprechen sollte, versagte ihm die
Stimme.
»Möchten Sie nicht Plan behalten.
Herr KonsuH th kann Ihnen die
Erörterung der - Zglichkeitem die sich
hier vor uns austhnn. nicht ersparen,
aber ich würde Ihnen dankbar sein,
wenn es in möglichster Ruhe.aeschehen
könnte. So scheint es mir auch im
Interesse der Dame selbst drin end
geboten. Der hetlagenswerthe iß
griss, den wir in dieser so seltsam
verworrenen Angele enheit mit der
Verhastung Jhres essen gethan ha
ben, mahnt phnedies zur äußersten
Vorsicht. Eine nochmalige Ueber
eilung muß unter allen Umständen
dermieden werden, und ehen um da
pvr bewahrt zu bleiben, habe ich diese
Aussprache mit Ihnen gesucht.«
Brüning nahm nach einem schweren
Athemsuge seinen Plan wieder ein.
»Seit-en ich im Stande hin. Ihnen
zu dienen." sagte er tonlvs, «ader
Sie diirsen keine großen Erwartun
gen hegen. Ich hin augenblicklich viel
leicht nicht in der Bersassung, deren
es iiir taltblütige Ahwägungen be
dürfte.« » L
Der Untersuchunasrichter ging üben
diese Liinwendung hinweg, als ob er
sie nicht gehört hätte. »Den lleberein
stimmung mit der Kriminalpolizei
nnd der Staatsanwaltfchaft,« fuhr
er fort, »din ich lchon seit geraurner
Zeit der Ansicht, daß wir es bei den
Vorgängen in Ihrem hause mit zwei
oerhrecherischen handlungen zu thun
haben, zwischen denen keinerlei innere
Verbindung besteht. und die nur rein
zufällig zeitlich zusammenfielen Drei
ganz gewöhnliche Spinhuben haben
sich auf Grund ihrer Kenntniß der
örtlichen Verhältnisse zusammenge
than, um Jhre Sammlung zu steh
len. Sie haben, nachdem sie erwischt
wurden, ein Geständnis abgelegt,das
lowohl auö äußeren wie aus inneren
Gründen in allen Einzelheiten glaub
haft erscheint. Es liegt in der That
tein einziger greifbarer Anhalt mehr
für die Annahme por, daß die e
Männer auch die Mörder der Frau
Baumert gewesen seien. Der gewalt
fame Tod der Frau steht ohne Zwei
fel außer jedem Zusammenhang rnit
dem EindruchsdiehstahL Wir lauhen
seiner Aufklärung " näher ge ommen
zu sein, als wir von den Beziehungen
Jhres Neffen Ollendorf zu der Er
zieherin hunold Kenntniß erhielten,
und als wir in dem Morde die Ver
zweiflungsthat eines verichmäbten
Liebhabers zu sehen meinten. dersich
infol e des ihrn unbetannten Zimmer
taus i eben nur in der Person sei
nes Opferi geirrt habe. Auch diese
Annahme aber hat sich als hinfällig
erwiesen, und die anfänglich scheinbar
; so schwer helastendens Verdachtsmp
mente gegen den jungen Mann haben
sich nach und nach beinahe alle in
nichts aufgelöst. Statt dessen hat eine
andere Vermuthung, der wir anfangs
lauen irgendwelche Bedeutung beige
messen, immer festere Gestalt ange
nommen. Sie wissen, welche Ver
,Inuthung ich meine. Ei handelt sich
um die Angaben, die hre haust-äl
terin, Frau Horen , ii r eine un -
wähnltche nächtliche Promenade I
räulein hunold gemacht hatte. Sie
chtenen bedeutungslos bis zu dein
unendlich wo die Einhrecher i re
Erzählt-n sonder geheimntßvo en
Nachtto- lerin vorbrachte-, und wo
räulein hunold in Abrede stellte,
ese Bergen gewesen ·zu sein. Auch
da aber onnte von einem wirklichen
Verdacht gegen die Nichte der Ermor
dete taiun die Rede sein. Zu einem
o n verdichteten sich unsere unse
innnten Vermutung-n erst, als Ue
Tien Lorenz damit heran-laue das
ld nach der Ankunft der rau«
saumert den Schluß einer sehr er
regten Auseinandersejunsg zwifchen
Tante und Nichte belauscht habe.
yeinser Iäeinandersehung die nach
.ihrer Meinung ganz den Charakter
keines heftigen Streites gehabt.«
»Dauert höre ich zum ersten Male.
Ich glaube auch nicht, daß Fräulein
Hunold von dieser Aussage der Lo
»renz Kenntniß erhalten hat«
»Ich habe absichtlich vermieden,sie
ihr msuhaltem e ich mich iiber ihre
Vergangenheit un iiber ihre Bezieh
ungen zu der Ermordeten hinlänglich
insormirt hatte. —- Sie halten J e
Hauhiilterin doch fiir eine glaubw’ r
dige Person, Herr Konful?«
»Ich kann mich nicht erinnern, sie
auf einer Lüge ertappt zu haben, aber
ich muß bemerken, daß sie dem Fräu
lein hunold von Anfang an nicht
wohlgesinnt war und bei jeder Gele
genheit ihre gehiissigen Empfindungen
offen an den Tag gelegt hat«
»Vielleicht weil sie von allem An
beginn den Eindruck hatte. das; mit
der jungen Dame nicht alles in der
gehörigen Ordnung sei. Frauen haben
in solchen Dingen oft einen lehr siche
ren Jnstintt und da sich überdies ihre
erste Aussage als richtig erwiesen hat,
müssen wir doch auch wodl dieser
zweiten Bekundung Glauben schenken,
zumal innere Gründe sehr einleuch
tender Art für ihre Wahrhafti keit
sprechen. Es scheint, daß Frau u
mert ihrer Nichte gedroht hat. die ge
plante Heirath zu hintertreiben. in
dem sie Ihnen von der Beraangenheit
Mittheilun machte, und da sie zu
gleich an utete, daß sie schon an
einem der nächsten Tage wieder abzu
reifen gedenke. würde damit das bis
her vergebens gesuchte Motiv gefun
den fein, da die um ihre ;-3utunft·Be
sorgte zu einem Verbrechen gegen die
einzige Mitwilferin ihres Geheimnis
fes getrieben haben könnte. Sie hatte
teine Zeit zu verlieren, wenn sie die
unglückliche Frau für immer zum
Schweigen brinaen wollte, und sie
wählte darum schon die erite Nacht
ihre Aufenthalts fiir die Ausführung
der That.«
Halten Sie ein —— ich bitte Sie,
halten Sie einl« rief der Konsol.
»Ich fühle mich nicht mehr imStande,
zhnen zu folgen. Was Sie da sagen,
it ja unmöglich — undentbarl Wenn
auch hundertmal alles Wahrheit wäre,
was Ihnen aus England berichtet
worden ist, eine Mörderin » nein.
her Gott —- eine Mörder-in kann sie
darum doch nicht sein!«
»Noch ist sie selbstverständlich nicht"
überführt, Herr Konsol, noch miissen
wir mit der Mönlichteit rechnen, uns
abermals aus einer falschen Föhrte
zu befinden. Aber der Verdacht, der
bis zum Eintreffen jenes englischen
Berichtej gewissermaßen in der Lust
schwebte, bat durch dieseAuftlärunaen
doch eine viel sesiere Gestalt angenom
men --— darüber dürfen wir uns nicht
täuschen. Ich verhehle Ihnen nicht,
das ich sofort zur Verhaftung der
jungen Dame schreiten würde, wenn
da nicht noch einiges wäre, was durch
eine Annahme ihrer Thäterschaft nicht
ohne weiteres aufgeklärt wird. Da
ist oor allem biefe räthselhaste Kiste.
die man Jhnen ins haus geschickt,
und da sind weiter die Blutspuren
aus dem Bettlissen der Ermordeten
wie an der Wand des Voriellers. Wir
haben bis seht fiir das eine so wenig
eine Ertliirung wie fiir das andere,
und es scheint bei oberfliichlicher Be
trachtung unmöglich« die Kiste und die
Blutspuren in eine Beziehung zu der
Person der Frau Senmour zu brin
gen. Alle Anzeichen sprechen viel
mehr fiir die Betheilinun einer wei
teren Person« einer Person die wir
einstweilen noch nicht tennen und hin
sichtlich deren wir nicht einmal eine
haltbare Vermutbuna haben. Dqu ein
Mensch in der Kiste gewesen ist, mufi
als festgestellt angesehen werden,
ebenso sicher aber ist, daß weder einer
der Einbrecher, noch rniann Ollens
dors oder gar Frau hmour selbst
kieser Kistenreisende gewesen sein
ann.«
Mit einein Interesse. das sich zuii
lett bis zu athemlofer Spannung ar
fteigert hatte, war Briining dieien
Ausführungen gefolgt. Nun aber ver
mochte er nicht län er an fich zu bal
ten und fiel dem prechenden unge
ftiirn in die Rede. »Natürlich — na
türlichk — Daß ich auch nicht früher
daran dachte!—-Es ist doch sonnen
tlar, dafz nur dieser Kiftenrnenfch der
Mörder war, und ich verstehe nicht,
wie man neben ihm überhaupt noch
eine andere Person verdächtigen
lann·«
Es war, als iei mit einem Male
wieder Leben und Bewegung in seine
eben noch gan gebrochene Gestalt ge
kommen. Ofenbar empfand er den
laß, der ihm je t so einleuchtend
un fa selbstverstän lich schien, wie
eine Befreiung aus furchtbarer Qual.
Der llnterfuchungirichter aber
sagte in einem Ton, aus dem es deut
lich wie leises Bedauern herausllang:
«Pardon, Herr Konfull Auch wenn
der Kifterneifende der Mörder gewe
sen sein könnte, wäre damit wirtlich
schon der Beweis erbracht, daß Frau
HSehrnonr keinen Antheil hat an dein
ewalifarnen Tode ihrer Tantei Muß
; ch nicht vielmehr die Bermuthung
»auf,driingen, da jener Unbetannte
) im Einverständni mit ihr oder direkt
in ihrem Auftrag gehandelt hati Die
abenteuerliche Idee mit der Kiste kann
doch nur von jemand ausgegangen
ein, der sowohl die örtlichen Ver-;
··ltni e wie die Gewohnheiten der
us wohner genau kannte. Das ge
t lichte Telegramrn, das der Frau
Lorenz die bevorstehende Ankunft der
Kiste anzeigte, ist dasiir an und siir
sich schon ein untrcsglicher Bereich
Hund auch die Angaben der Zeu in
’iiber hie von ihnen gemachten e
ohachtungen lassen sich mit der An
nahme eines solchen Komvlotti seht
wohl in Einklang bringen. rau
Loreng hat gehört, daß die Ergrehes
rin gegen ihre Gewohnheit noch um
Mitternacht im Hause umherging
Vielleicht geschah ei zu dem Zweck,
die Vorbereitungen siir eine That zu
tressen, deren Ausführung zwischen
ihr und ihrem Heliershelser bereits
bis in alle Einzetheiten verabredet
war,
Der Konsul wollte ihn abermals
hestig unterbrechen, aber eine bittende
Bewegung des Untersuchungsrichters
veranlaßte ihn zu schweigen.
»Mir noch einen Augenbliell —- Ich
betone noch einmal. daß ich« mich u
nächst im wesentlichen aus dem e
biet der Vermuthunaen bewege.Aber
wo es sich um die Führung von Indi
zienbeweisen handelt, giebt es eben
keinen anderen Weg, der Wahrheit
näher zu kommen. Fräulein Hunotd
oder Frau Senmour behauptet, aus
dem Korridor des unteren Stock
werte geblieben zu sein, und sie wird
höchstwahrscheinlich bestreiten, in den
Keller gestiegen zu sein. Aber sie be
streitet auch, sich in den oberen Stock
binaushegeben zu haben, und dochist
sie bei der Gegenüberstellung von
einem der drei Einbrecher mit voller
Bestimmtheit und von den beiden
anderen mit ziemlicher Sicherheit als
die weibliche Person wiedererlannt
worden. die an der Thilr des von
Frau Baumkrt bewohnten Zimmers
gehorcht hat. Sogar von dem leisen
Knistern ihrer Gewänder -haben uns
die Diebe berichtet, die doch unmöglich
wissen konnten« daß die Dame ge
wöhnt war, seidene Unterriicke zu tra
gen. Nun frage ich Sie, warum Frau
Sehmour ihr Erscheinen im oberen
Stockwerk ableugnen sollte, wenn sie
nicht siirchtete, sich damit zu belassen.
Dies Bestreiten eines durch Zeugen
aussagen erwiesenen und an und fiir
sich scheinbar harmlosen Vorganges
wäre volllommen unverständlich,
wenn man nicht annehmen will, daß
sie eben nur hinausgegangen war,
um sich ·durch das Horchen an der
Tbiir zu überzeugen, daß ihre Tante
schlase, und daß man das Zimmer
ebne die Gefahr einer sosortigen Ent
deckung betreten lönne.«—
Der Koniul durchmaß ein paarmalH
in beitigster Erregung das Zimmer.
Dann blieb er wieder vor dem Tische
des Untersuchungsrichterl stehen.
»Aus das alles lann ich Jhnen ieyt
nicht antworten. Ei ist unmöglich,
denn ich vermag taurn noch meine Ge
danken zusammenzuhalten Aber ich
weiß. dasz Ihre Folgerungen irrig
sind, ich weiß es ganz bestimmt, und
ich werde es Ihnen beweisen, wenn
Sie mir nur Zeit genu lassen, in
Ruhe darüber nachzuden en. Bis da
hin werden Sie nichts argen Fräulein
—- aegen die Dame unternehmen?'·
»Eine solche Zusaae lann ich««Jhnen
nicht machen. Herr Aonsul.«
»Auch dann nicht, wenn ich mich
Ihnen dasiir verbürge, dasz Fräulein
Hunolb mein haus nicht verlassen
wird, olange auch nur der Schatten
eines erdachts aus ihr ruht?«
«Könnten Sie eine solche Bürg
schaft wirklich übernehmen? Sie wä
ren doch gar nicht in der Lage, die
Dame mit Gewalt zurückzuhalten
salls sie etwa ihr heil in der Flucht
suchen wollte.«
«Jch wiederhole, daß-das nicht ge
schehen wird. Es ist selbstverständ
lich, daß ich. keine Gewaltmaßregeln
anwenden werde, aber Sie dürsen mir
immerhin glauben, daß ich die Dame
hinlän lich kennen gelernt habe, um
zu wi en. inwieweit ich mich siir sie
oerbilrgen dars. Jch biete meine Ehre
zum Monde« daß sie sich den Behar
den nicht entzieht, gleichviel. ob sie
sich schuldlos oder schuldig siihlt.«
«Sie würde ja auch in dem einen
wie in dein anderen Fall durch einen
Iluchtoersuch der selhstverstandlich
von vornherein ganz aussichtslos
wäre, ihre Lage nur erheblich ver
schlechtern. Aber irgenle Bet
szäechnngem die Dame an Jhre
rgschait hin zu ichonen, ann ich
hnen, wie gesagt, nicht machen. Wie
Dinge augenblicklich liegen, wird
der ge en Frau Sevmour vorliegende
Derda noch nicht als hinlänglich
begriin t angesehen, -um ihre Iler
xatung zu rechtfertigen, aber die
chlage tann sich in jedem Augen
blick zu ihren Ungunsten verändern.
Der Kriminallommiisiir Leuthold hat
den Austrag erhalten« sich nach Berlin
zu begeben und dort auf ei enekand
nach dem Absender der gehe inni vol
len Kiste, wie nach dem rothhaarigen
Mädchen zu forschen, das die fran
ziisische Goldmünke in der Wechsel
itube zu vertver hen suchte. Er ilt
einer unserer tüchtigsten Beamten
und ich zweiile nicht, daß seine Be
mühungen in der einen oder der an
deren hinsicht von Ersolg sein wer
den. haben wir aber erst einmal den
unbekannten Kistenreisendem io wis
sen wir sicherlich auch, wen wir fiir
den Tod der Frau Bau-nett verant
wortlich zu machen haben.«
Brüning erkannte, daß er auf eine
weitergehende Zulage nicht zu rechnen
habe. und er verlor seine Zeit nicht
mehr. Nach hattiger Verabschiedung
verließ er das Justiigebiiude und fuhr
ohne Aufenthalt nach der Van zurück.
P
l«
Die erste Person, auf die Briining
beim Betreten seines hauies stief,
war die Wirthlchaiterin, die sich in o
unmotivirter Weite neben dem Trep
penausgang zu schaffen machte, daß
ein unbesangenerer Beobachter, als es
Brüning in dieiem Augenblick war,
wohl auf bie Vermuthung gekommen
wäre, sie habe es eilissentlich daraus
angelegt, ihn bei einer heimkehr ab
zufangen.
Der Konsul aber bemerite ihre
Gegenwart laum und ging ohne Gruß
an ihr vorüber dem Rorridor zu. an
dem Margarethes Zimmer lag.
Da erklang hinter seinem Nil-ten
die scharfe Stimme der Frau Lorenz:
»Ich bitte um Entschuldigung Herr
KonsuL aber wenn Sie vielleicht
Fräulein hunold zu sprechen män
schen, die ist nicht mehr da.«
Wie von einem Fauitichlag getrof
fen, fuhr Briining herum. »Nicht
mehr bo? Jit sie ausgegangen?«
»Nicht ausgegangen, sondern ab
gereist, herr Konsull Vor zwei Stun
den schon. Lina hat sie zum Bahn
hof begleiten müssen. Ich dachte, der
Herr Konsul wüßten Bescheid«
Ihre in triumphirender Schaden
freude glihernden Augen vertrethen,
daß sie nn Gegentheil sehr genau vor
ausgesehen hatte, wie überraschend
ihre Neuigkeit ihn treffen würde, und
nichts als boihaste Genugthuung war
aus ihrem Gesicht zu lesen, als sie ge
wahrte« wie er sich in halb unwill
tiirlicher Bewegung mit der Rechten
an die Stirn fuhr, während seine
Linte eine Stühe an dem Treppen
eliinder suchte. Wahrscheinlich hoffte
spe, daß er sich durch einen heftigen
Ausbruch von Zorn oder Verzweif
lung vollends verrathen würde· Jn
dieser hinsicht aber hatte ihre men
schenfreundliche Erwartung sie doch
etiiuscht denn so ganz hatte der
nsul die herrschaft über seine Ner
ven selbst in diesem schweren Augen
blick nicht verloren.
(Iortsesung folgt.)
Ei Mann in New York ertlärt es
siir ein Verbrechen, wenn ein Jüng
ling in der Siraßenbahn einem älte
ren Manne seinen Platz überläßt, weil
er in jenem dadurch das Bewußtsein
des Alters und der Gebrechlichteii er
wecke. Unsere Jugend scheint im allge
meinen der gleichen Ansicht zu sein,
denn sie hütet sich geflissentlich davor
O i I
Yo die Fleischvreise doch schon im
Steigen begriffen sind, werden die
LECOPO Strafgelder wohl auch gleich
mit heneingeherr.
1
Ins Deutschl-It -
Bote: »Da bringe ich die gewünschten Geradehaltek für den Herrn Ge
mahl, et m« sich einen aussucksen!«
Frau: » t mir leid, die sind nun überflüssig geworden; et hat
i einen Orden betont-neus«
-