Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 12, 1908, Zweiter Theil, Image 9

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    » » Jahrg
Nebraska
Staats-Anzeiger und TiferoldF
ummer 42.
Zufriedenheit
Zufriedenheit ist gleich dem Wohl
gefiihle
Des Wandrers in des jungen Mor
gens Kühle,
Wenn in der blauen Luft die Lerche
schwebt,
Jndeß ihr Strahlenangesicht die
Sonne,
Die Freundin allgemeiner Lebens
wonne,
lleber der Berge rof’ge Gipfel hebt
Q, wahr Dir in der Brust so zau
bckischee
So wonneathmend morgendliche
Frische,
Die, wie der Thau die Blum’, er
quickt das Herz;
Dem Blicke des zufrtetfnen Sinns
alleine
Zeigt sich die Welt in immer jungem
Scheine.
Und nie geht seine Sonne nieder
wärtsl
ushek sschimäeiude nach-k.
Stizze von Anna Mothe.
Ueber schimmernde Dächer
Weist des Mondes Hand,
Spannt Brücken aus silbernen Perlen
Weithin über schlafendes Land.
Ueber schimmernde Dächer·
Lächelt das Morgenroth,
Und ernst, mit gesenkter Sichel,
Schreitet durchs Frühlicht —- der
Tod
Ganz im Norden von Berlin, wo
die Bergs und fthterftraße sich treu
3en, lieat inmitten eines nroßen Häu
sergeviertes eine freundliche Dase.
Das ist der Sopbientirchhof.
Da singen znr Frühlingszeit die
Nachtigallen, und der Flieder duftet.
Lile Miller die kleine Näherin,
öffnet dann die Fenster ihrer Nacht
tarnmet weit nnd wenn der Abend
kommt, wenn Alles so still und feier
lich ist und nur von fern her das
Brausen und Getriebe der großen
Stadt herauitlingt, dann siht Lise
und —- träumt. Das Abendlicht glei
tet dann mit silbernein Licht über das
große weite Häuten-neu und da un
ten auf dem Kirchhof tropit es gar
wie eine silberneFluth von Baum und
Strauch.
Am Tage hat Liie keine Zeit zu
nutzlosen Träumereien, aber am
Abend, dann athmet sie wohlia den
Dust der Linden, mit denen sich scheu
ver Dust der Rosen des Kirchhofs
mischt. Zuweilen kommt auch Lises
blasser Nachbar mit seiner Geige zu
ihr aus ein Stündlein herüber.
Dann gleiten süße Töne durch die
Sommernacht und iiber die blinken
den Dächer im Mondenlicht.
Gerhard Schneider ist Schallehrer.
Arn liebsten hätte er das Konservatos
rium besucht. um dann hinaus iehen
zu können als Jünger der Kunst, die
ihm bisher Lebensinhalt gewesen
Aber das durste nicht sein. Daheim
im Dorf saßen seine arme Mutter
und vier hungrige Geschwister. Die
dossten aus ihn; da hieß es, diehiindr
rühren.
Lise Miller war eine Waise. Vater
und Mutter schliefen lange aus dem
alten Sophienkirchhos, und Lise war
ganz allein·
Lise nähte siir Gelt-. Erst war sie
in die Fabrit gegangen. Aber der
Ton. der dort herrschte, war ein so
anderer. als sie ihn von Vater und
Mutter kannte, daß Lise leicht zusam
menschauerte, wenn sie nur daran
dachte.
Lise Miller ging dann in die
Häuser der Reichen. Sie nähte siir
die vornehmen Damen schöne Kleider
aus dnstigen Stoffen, nnd da Lise
ihre Sache verstand, waren die Da
men sreundlich und giitig n ihr.
Da blühte bei der kräftigen Kost,
die Lise nun hatte, das Mädchen ans
wie ein Maienriislein Die Wangen
rundeten sich und die Augen strahlten,
und das glänzendeBlondbaar ringelte
sich in weichen Liiachen um die weiße
Stirn. .
Gerhard Schneider sah es voll Ent
zücken. Was war alle Miihsal bess
Lebens, wenn ei ihm gelang« dieses»
Edaweiß zu Wie-ur- unz heim-(
lich sparte nnd darbie er, um eins
paar Groschen zu eeiibrigen, die das.
Stammkapital werden sollten zums
künstigen Nesiban. s
Ganz heimlich schrieb er an einem!
dicken Buch. Wenn er einen Verleger
sand, was er natiirlich hoffte, dann!
Hirt-e er bald ein wohlhabenderManH
e n.
Lises Schönheit aber hatte nicht
nur ihn, sondern auch Andere ent
sit-i
Der Mann ver vornehmen Dante
in deren Genie Lise jede Woche einige
Tage nahte. hatte sie zufällig gesehen
nnd sie hegehrenswerth gesunden. Lise
war ihm zuerst immer geschickt ans
aewichen, eines Tages aber hatte ee
sit its Vorübergehen umarmt. ohne
daß es Lise hindern konnte. Die Gat
tin des Frechen war hinzugekommen,
und ohne Lise auch nur anzuhören,
hatte sie die sonst so giitige Frau mit
Schimpf und Schande aus dem Hause
gewiesen. »
» Da war eine grenzenlose Bitterleit’
über Lise Miller gekommen. Was
nuhtees, daß sie ehrlich war? Wurde?
sie nicht wie eine Verbrecherin wich-T
Beet-F Niemand fragte nach der Wahr
t .
Da nuhte es nicht viel, wenn der?
Schullehrer des Abends lam und die
Geige tlingen ließ. Die Sehnsucht
nach Glück, der ungebändigte Drang
nach des Lebens Fülle wurde nur noch
stärler in dem jungen, einsamen Ge
schöpf.
Wenn sie mit Gerhard und ihrer
Wirthin nach den Pichelsbergen oder
nach Schildhorn suhr, um draußen
Kasse zu tochen, was sriiher ihre
höchste Lust gewesen, und wozu Ger
hard schon-immer wochenlang im
Voraus sparte, dann blickte sie sehn-·
süchtigen Auges aus die schimmernden
Wagen mit gepu ten Menschen und
den glänzenden eitern, die an ihnen
vorüber agen
»Wi en Sie ’was, Gerhard,'«
pflegte sie dann zuweilen zu sagen:
»Ich möchte auch ’mal Evas Anderes
als iiber die alten Dächer gucken.
Jch möchte das Glück sehen.«
Gerhard sah sie dann wohl mit sei
nen dunklen Augen vorwurssvoll an,
und sein blasses Gesicht zuckte schmerz
hast zusammen.
»Sie sind oerwegen, Lise,« pslegte
er dann ernst und pedantisch zu sagen.
»Ich tenne tein größeres Glück, als
bei Jhnen zu sitzen und über dieDiicher
zu schauen. So hoch, so weit erhaben
iiber all· das tleinliche Getriebe der»
Menschen« so allein mit Ihnen, wenn
alle Dächer schimmern. Ach, Lise, es
ist ja doch so schön da oben in unserer
lustigen höhe, wo die Gemeinheit der
Menschen nicht herandringt, wo wir
srei und gliialich sind, srei wie der
Vogel in der Lust.«
Lise hatte wohl dazu geliichelt. »Sie
sollten unter die Dichter gehen, Ger
hard," sagte sie dann leise.
Und später ging Lise in’s Geschäft.
Jn der Friedrichsstrasze, in einemPutz
geschäft, hatte sie eine Stelle als Ver
tiiuserin gesunden. Dreißig Mart An- i
fangsgehaltl Zum Leben zu wenig
und zum Verhungern zu viel.
Aber Lise fand es herrlich in dem
bunten Getriebe. Schon allein alle
Tage die Friedrichftraße hinunterzuge
hen, wo das Leben der Großsiadt
wogte. Das war eine Lust, das erst
hiesz Leben! Immer seltener klang die
Geige über die Dächer, immer selte
ner ging es zur lustigen Fahrt in den
Grunewald und immer seltener kam
Lise des Abends pünrtiid heim.
Gerhard sah es voll schmerzlicher
Wuth. Umsonst grollte und warnte er.
Lise lachte ihn gliickselig an.
»Das Leben ist ja so schön,« jauchzte
sie, »und ich bin noch so jung; im Mai
werde ich achtzehn Jahre.«
Und der Mai kam, und der Flieder
auf dem Sophientirchhof blühte. Lin
den und Rosen hatten schon dicke
Knospen, da kam Gerhard ’r«nal wie
der mit der Geige des Abends in Lises
Kämmerlein
Lise hatte ihn darum gebeten. Von
selber wäre er nicht gekommen. Er
grollte mit dem blonden, lehensdurfti
gen Kinde, das er so gern vor jedem
Rauhreif behütet hätte, und das, wie
er wohl sah, unbarmherzig das Leben
zerpflücktr. «
Der Mond lag auf den Dachfirsten.
Die Fenster von Lises Kammer stan
den weit osfen. Unten der Friedhof
in schlafender Stille, fernher ein
Brausen von Welt und Leben.
Lise war bleich. Das sah Gerhard,
troßdem kein Licht brannte.
Sie saß in dem alten Korhstuhh in
dem ihr Vater so oft gesessen, als sie
noch ein kleines Kind war.
Das blonde Haupt zurückgelehnt,
lächelt sie dem Freunde dankbar zu,
als er zum Fenster trat und die Geige
hob. «
Und bei den leisen, wehmüthigen,
abgerissenen Klängen, die er dem Jn
strument entlvckte, da begann sie, wie
früher so ost, zu erzählen. ,
Aber heute war es ein anderes Lied
als damals, als sie von Vater und
Mutter, von den Tagen der Kindheit
und von ihren kleinen Leiden und
Freuden sprach· Heute verkündete sie
gar seltsame Mär.
Wie schön er war und wie glänzend
und vornehm, der blonde Mann, der
sie Abends immer vom Geschäft abge
holt, und wie er sie geliebt und ihr
versprochen hatte, sie zu seinem Weibe
zu machen. "
Jm Geschäft selbst, als er eine Klei
nigteit ’Inal kaufte, hatte sie ihn ken
nen gelernt. Und welches große Glück
J
durch diese Liebe über sie gekommen
war, das erzählte Lise in leisen, abge
brochenen Lauten. Gerhards Geige:
klagte. Liese hörte es taum.
Das Auge des Schulmeisters hing
in grenzenloser Verzweiflung an dem
süßen, seinen, jent ganz schmalen Ge
sichs
»Und nun," schloß sie, »ist Alles
aus! Verrathen, verlassen, vergessen!
Er ist gegangen. Eine Andere nimmt
meine Stelle ein. Jch bin fertig-«
Schrill brach das Geigenspiel ab.—
»Sie werden vergessen, Lise, und
überwinden.«
» Gerhard Schneider sagte es tonlos.
»Ich werde Ihnen helfen, Lise, Jhr
treuester Freundl«
»Ich habe schon überwunden,« lis
chelte sie ihm geisterhaft zu. ,,Und
nun, lieber Freund, spielen Sie noch
einmal —- ein letztes Mal!«
»Ich kann nicht,« wollte er antwor
ten, aber ein Blick in das todtenblafse
Antlip zwang ihm den Bogen in die
Hand.
Er spielte, wie er noch nie gespielt.
Schmerz Und Verzweiflung rangen
mit dunklen Schicksalsmächten, aber
immer sanfter, stiller wurde die Weise.
Jn reinster Harmonie flutheten die
Töne hinaus über die stillen Dächer,
hernieder zu dem Friedhof, wo Vater
und Mutter von Liese schliefen.
Jn dieser stillen Mondnacht, hoch
oben über den Dächern, da wurde ein
Künstler, der später durch sein Gei
genspiel eine Welt in Entzücken ver
setzte, geboren.
Ein armes Menschenkind aber, das
ihn nicht ertragen konnte, den Kampf
des Lebens, das schloß in dem alten
Korbstuhl des Vaters die strahlenden
Blauaugen fiir immer.
Und das Mondlicht gleißte und Ro
sen und Linden erblühten·in dieser
Zaubernacht zwischen den alten Häu
sern und trugen ihren Duft zu dem
blonden Mägdlein empor.
Ueber schlummernde Dächer
Lächelt das Morgenroth,
Und ernst, mit gesenkter Sichel,
Schreitet durchs Frühlicht—der Tod
s
Vie Hausaufgabe.
«Geora!«
»Was gibt es denn, meine Liebe?«
fragte Vater Mertel.
,,Möchtest du nicht versuchen,« sagte
die eintretende Gattin, ,,ob du Otios
Aufgabe zu stande bringst? Jch hab
es schon mehrere Male probirt, doch
es will mir nicht gelingen.'«
Der Hausberr legte die Zeitung aus
der Hand und schaffte auf dem Tische
Platz. Ein besonderes Vergnügen
schien ihm die Sache nicht zu machen.
Seine rau brachte ein an unfauberen
Finger puren reiches Lehrbuch der
rithmetit, ferner ein Heft, in dem die
meisten Blätter-das zeichnerische Ta
lent des Jungen betundeten, und einen
schlecht gespitzten Bleistist zum Vor
schein. Der tleine Otto folgte seiner
Mutter mit einem unerschiitterlichen
Vertrauen in"die bewahrte Findigkeit
seinesVaters, die räthselhaftesten Din
ge rasch aufzulösen.
Das Familienhaupt las zunächst die
Ausgabe laut vor: »Wenn ein Löwe
eine Kuh-in vier Stunden, ein Bär die
gleiche Kuh in sechs Stunden ausfres: -
sen kann, ein Wolf zu derselben Mahl- «
seit acht, eine Hyäne aber elf Stunden;
braucht, wieviel Zeit beniithigt die Hn J
äne zur Berspeisung des übrigbleiben-— !
den Theiles der Kuh, wenn an dieser »
vorher der Löwe zwei Stunden, derj
Bär eine Stunde und dreißig Minuten ;
und der Wolf zwei Stunden gefressens
haben« s
»Nun, gar so schwer ist diese Rech-l
nung nicht! Das werden wir gleich
babenl« meinte der Vater. »Aber es»
ist immerhin eine merkwürdige Aus-:
gabe. Ein Löwe kann eine Kuh doch
nichtin vier Stunden ausfressen! Eine?
Titub bietet dem Löwen Nahrung sur
eine ganze Woche. Wie kann man nur«
einen solchen Unsinn den Kindern mit-«
stets einer Ausgabe lehren! Und dann.
i-—ob jemals ein anderes Thier sich an»
iden Löwen herantrauen wird, wenn er
beim Speisen ist. Seht ihr denn nicht,
was das fiir eine tomische Ausgabe
ist?
! »Es scheint wohl so," pslichtete die
Gattin bei, «doch es ist ja nur ein Bei
spiel!"
»Natürlich ist’s nur ein Rechenexems
pel," sagte der Hausherr, indem er den
Bleistist pitzte und den Graphitstaub
von den z ingetn blies. »Doch warum
gibt man den Kindern nicht Ausgaben,
die einen Sinn haben? Als ich in die
Schule gin . da hatten wir auszuruh
nen, wievte Ziegel eine Mauer von ve
stiinmter Größe enthält, was eine Ton
ne Tabat kostet, wenn der Preis eines
Psandei so und so viel beträgt, und
andere praktische Dinge. Wir hatten
aber nie Aufgaben iiber eine ganzeMe
nagerie tuhfleischfressender Thiere.«
»Ich habe zuerst die Größe der Kuh
festzustellen versucht,« sagte die Mut
ter, ,,um einen Begriff zu kriegen, wie
viel der Löwe in zwei Stunden fressen
könne; aber ich sehe schon, die Mathe
matit ist nicht meine starte Seite.«
Die Größe der Kuh hat in diesem
Falle gar nichts zu bedeuten," entgeg
nete der Gatte im Bewußtsein seiner
höheren Weisheit. »Daösist eine gege
bene Größe."
,,Jn der Thati« sagte sie und bewun
derte die Ruhe und Geläufigkeit feiner
Sprache. »Aber du wirst doch zugeben,
daf; nicht alle Kühe von der gleichen
Größe sind. Und ein Löwe mag eine
kleine Kuh in vier Stunden verspeisen,
doch er wird dies nicht zuwege bringen,
wenn er eine doppelt so große vor sich
bat. Das ist es hauptsächlich, was
;inir Kopfzerbrechen macht.«
,,Liebes Kind, die Größe der Kuh
prielt in dieser Aufgabe gar keine
»Rclle,« wiederholte der Vater energisch
Hund warf dabei einige Ziffern aus das
sPapier hin. »Es ist doch genau gesagt,
sdasi ein Löwe die Kuh in vier Stunden
ksressen könne; das steht fest, und der
Umfang der Beute macht hier keinen
Unterschied, ebensowenig als ihre Far
be. Begreisst du denn das nicht«-»
I »Ja —- und vielleicht war dies der
sGrund, warum ich die Ausgabe nicht
ilösrn tonnte," meinte sie nachdenklich
I »Wenn du eine lleine Minute it
;hast,« seßte der Gatte seine Be eh
srung fort, »will ich dir die
FSache erklären. Also, da ist eine "
.Kuh'· — er legte dabei den Bleistist
;an den Tisch- während Otto mit Jn
Yteresse zuhorchte und erwartete, der
Ernst seines Vaters werde den Blei
»s:ift wirklich in eine Kuh verwandeln
- —- ,,und hier ist ein Löwe.« Ein Pa
piermesser sollte den König der Thiere
Hdarstellen. »Nun, wenn der Löwe die
’ Kuh in vier Stunden auszehren kann«
I s— er zeigte bei diesen Worten auf das
Papiermesser und aus den Bleistift —
«,.wird er in zwei Stunden einen be
stimmten Theil dieser Beute verschlin
s gen. Das verstehst du doch? Nun
; siehst du auch ein, daß die Größe der
JKuh ganz gleichgültig ist — nicht
; wahr?«
»Ich glaube, jetzt fange ich an, die
.Sache zu verstehen,« antwortete die
Frau.
»So, nun gehen wir an die Arbeit!«
sagte er, von den Schwierigkeiten des
Problems sichtlich erwärmt. »Zuerst
wollen wir sechzig anschreiben und mit
vier multipliciren.«
»Warum willst du sechzig viermal
nehmen«-« fragte sie. »Davon steht
doch gar nichts in der Aufgabe!«
»Wir müssen doch die ganze Ge
schichte aus Minuten reduciren, um
die Grundlage der Rechnung zu erhal
ten!"
»Wie bringst du aber denn einesiuh l
auf Minuten?« rief Otto verwundert
aus, da er in dem Plane des Vaters
einen Fehler entdeckt zu haben glaubte.
»Otto,« tadelte der Vater strenge,
»du würdest besser thun, ruhig zu sein
nnd achtzugeben! Oder du wirst zu
Bett gehen und dann morgen mögli
cherweise eine Strafe für das Nicht
tönnen deiner Aufgabe kriegen! —
Nun,« setzte er ruhiger fort, »wenn wir
die vier Stunden in Minuten verwan
deln, erhalten wir 240, die wir als
Basis unserer Rechnung niederschrei
ten. Da der Löwe die Kuh in 240
Minuten vertilgen kann, wird er in
zwei Stunden oder 120 Minuten ge
nau die Hälfte davon fressen, was
wir gleichfalls niederschreiben müssen.
Und jetzt kommen wir zu dem Bären-"
»Aber unser Lehrer hat es im Kopfe
ausgerechnet,« bemerkte Otto heftig,
»und er hat teine Minuten genom
men!"
»Das ist ganz nebensächlich, wie’s
dein Lehrer gerechnet hatt« erwiderte
der Vater majeftätisch. »Die richtige
Art der Lösung dieses Exempels ist,
der Sache auf den Grund zu gehen,
und das ist nur mit Minuten möglich.
TieLehrer sind zwar sehr gescheit, doch
alles wissen sie auch nicht. — Nun,
wir sind also beim Bären stehen geblie
ben, welcher die Kuh in sechs Stunden
ausfressen kann; daraus erhalten wir
360 Minuten. Nachdem der Löwe die
eine Hälfte der Kuh verschlungen,
Hbieibt die andere dem Bären übrig.
Der Bär frißt eine Stunde und drei
ssig Minuten, das macht zusammen 90
Minuten. Um die ihm bleibende
hälfte aufzuzehrem würde er 180 Mi
nuten brauchen; wir schreiben daher
""X»·, an. Und nun zu dem Wolf!«
! JWas bedeuten diese Do-,.,»?« fragte
sdie Mutter. »Ich verstehe nicht, wie
sdie uns helfen sollen!« !
» »halte dich nicht bei Einzelheiten;
auf,« meinte der Gatte, »sondern war
I te bis um Schlußresultat. « Watte —- !
zwo sin wir denn stehen gebliebenti
Richtig, wir waren eben daran, die’
Leistung des Woler festzustellen. Gut.
Der Wolf kann also die Kuh in acht
Stunden verspeisen, das sind 480 Mi
nuten. Er beginnt den Schmaus, so
bald der Bär damit aufgehört hat
und«frißt zwei Stunden oder 120 Mi
nuten. Daher schreiben wir WXM
und gehen zur Hyäne über.«
»Jetzt mußt du aber doch schon wis
sen, wieviel der hyiine von der Kuh
bleibt —- nicht wahrs« fragte die von
den Brüchen verwirrte Gattin.
»Du hast immer eine zu große Eile,
ausgenommen den Fall, wenn du dich
sür einen Spaziergang antleidest!« be
merkte der Gatte sartastisch
,,Diesen Vorwurf könnte man mir
nur bezüglich meiner Berheirathung
machen!« entgegnete die Frau schlag
fertig.
Der Vater, über dessen Stirne ein
Schatten flog, lentte ein, er wollte das
Gepläntel vor dem Jungen nicht fort
setzen und fuhr in der Ausarbeitung
der Aufgabe fort: »Wo waren wir
denn zuletzt? Richtig, bei der Hhänr.
Nun, sie ist imstande, die Kuh in elf
Stunden zu fressen: das sind 660 Mi
nuten. Sie frißt thatsächlich —«
»Aber für die Hyäne ist doch gar
teine Freßzeit angegeben!« wars die
Frau ein. »Die Frage lautet viel
mehr: Wieviel Zeit braucht die Hyiine
zur Vertilgung des Theiles, den die
anderen Bestjen übrig gelassen haben?
Jch wußte im voraus, daß deine Brü
che keinen Zweck haben tönnen.«
»Unser Lehrer hat überhaupt nicht
mit Minuten gerechnet,« sprang Otto
seiner Mutter bei. »Er sagte, es sei
bloß eine Kopfrechnung Probir es
einmal mit dem Kopfe!" H
»Wie ich eine Sache einmal ange-;
fangen habe,« sagte der Vater mit»
einiger Wärme, »so will ich sie auch zu
Ende führen. Und falls dies euch nicht
paßt, dann könnt ihr es ja selber ma
chen! Mir bereiten derlei Aufgabens
wahrlich kein Vergnügen. Zudem»
habe ich eine anstrengende Tagesarbeit »
hinter mir und bin sehr müde. Dessen
ungeachtet will ich euch gerne den Ge
fallen thun, aber ihr dürft mir nicht
immer dazwischen reden. Jch brauche
eure Rathschläge nicht. —- Nun müssen
wir zu· dem Bären zurück.« Er ber
folgte hieraus die Ziffern, kam aber
dabei nicht so weit, als er wollte. »Jch
habe doch alles aufgeschrieben und
tann es nun nicht finden. —- Otto, hast
du nicht den Zettel weggenommen, !
auf dem ich die Leistungen des Bären.
aufgeschrieben habet-« -
»Ich glaube, du hast das gar nicht«
aufgeschrieben, Georg,« bemerkte feine
Frau sanft. (
»Aber ganz gewiß hab ich’s gethan!« j
erklärte der Gatte heftig. »Und ganz
genau noch -— in Brüchen — was der
Bär leistete, nachdem der Löwe fer
tig war.«
»Ich hab den Zettel nicht gesehen,«
versicherte der Junge. »Uebrigens war
ei; gar nicht so gerechnet, wie unser
Lehrer es machte. Der Lehrer —«
»Klara, wenn du deinen weisen
Sprößling zu Bette bringen würdest,
könnten wir wahrscheinlich eher zum
Ziele tommen,« ließ sich die strenge
Stimme des Vaters vernehmen. »Ich
tann bei einem solchen Geschwätz diese
Aufgabe nicht lösen. — Otto, du gehst
augenblicklich zu Bett! Bis morgen
früh werde ich die Rechnung längst fer
tig haben und sie dir noch vor der
Schule erklären. Es ist höchste Zeit
für dich zum Schlafengehen — es ist»
neun Uhr." s
Otto machte sich, von seiner Mut
ter geschoben, auf den Weg. Doch ehes
er die Thüre schloß, meinte er noch ein- :
mal: »Der Lehrer hats ganz andersi
gerechnet.« —
,,Jch würde an deiner Stelle die
Sache gehen lassen,« sagte die Frau bei
ihrem Wiedererscheinen. »Du bist
müde, nnd es muß doch nicht sein.
Nimm lieber deine Zeitung wieder zur
Hand«
»Aber ich bin im Nu damit fertig»
sobald ich nur die Ziffern des Bärenl
gesunden habe. Wir brauchen jetzt nurT
noch auszurechnem wieviel nach dem
Fressen der einzelnen Bestien übrig
bleibt, bis die Hyäne an die Reihe
kommt, und haben dann diesen Rest
durch elf zu dividiren.«
»Aber plage dich doch nicht weiter!«
warf die Gattin ein. »Was liegt denn
an der dummen Ausgabe?«
»Ich muß ans Ende kommen, und
wenn ich die«ganze Nacht daran ar
beiten sollte!« erklärte er entschlossen.
Und er schrieb wieder Ziffern nieder
—- Briiche und Gleichungen, Divisio
nen und Multiplilationen, Additionen
und Subtraitionen. Schließlich nahm
er sogar zur Logarithmentafel seine
Zuflucht.
»Hast du endlich den Rest gefun
den?« fragte die Gattin schüchtern
nach Ablauf einiger Zeit. »Es ist schon
elf Uhr, Georg —- laß uns doch jeyt
schlafen gehen!«
»Du kannst ja gehen, wenn du
willst,« sagte er brummig, »ich gehe
erst, bis diese elende Kuh bis auf das
letzte Schwanzhaar aufgefressen ist.
Jch werde doch schließlich diese vier
elenden Bestien meistern. Das wäre
denn doch zu dumm!«
Die Hausfrau zog sich zurück.
Eine Stunde nach Mitternacht ,
wachte sie aus und sah ihrenMann auf
der Kante seines Bettes schm.
»Nun hast du die Aufgabe gelöst,
Georg?« fragte sie. .
»Gewiß, mein Kinb,« antwortete er
und zog dabei seinen Rock aus. »So
»bald der unnöthige Lärm aufgehört
shatte und absolute Stille herrschte,
zwar ich mir klar. Wenn einmal ein
zLöwe an einer Kuh frißt, wird er
doch weder einen Bären, einen Wolf
" oder aar eine Hyiine heranlassen! Das
ist eben wieder eines der dummen
Exempel, mit denen man die Kinder
zum besten hält und alle Welt ver
rückt macht!«
»Ja, sie geben ihnen viel zu schwere
Aufgaben —- ich hab es ja immer ge
sagt,« bekräftigte die mitfühlende
Mutter die Worte ihres aufopferu
den Gatten. —
Otto aber bekam am nächsten Mor
gen in der Schule zwei Stunden Ar
rest. Und als er laut aufheulend rief:
»Die Aufgabe ift viel zu schwer, mein
Vater hat die ganze Nacht daran ge
rechnet!« wurde er auch noch von der
ganzen Klasse, der Lehrer an der
Spitze, ausgelacht. «
Das Radelgecd einer gesamten
Inm
Mit der Frage: »Wieviel Nadelgeld
braucht·eine elegante Frau?« hatte sich ’
vor einigen Tagen ein Londoner Rich
ter zu beschäftigen. Die Klage eines
bekannten Putz eschäftes gab den An
laß dazu. Die e Firma vertan te von
einem gewissen Herrn Gustav ayer
die Bezahlung einer Rechnung von 51
Pfund Sterling —- etwa 250 Dollars
k- fiir Hüte, die sie feiner Frau ge
. liefert hatte, einer »Gräfin v. Spen
eck«, wie die Londoner Blätter sagen.
Wobei bemerkt sein mag, daß es sich
augenscheinlich um die frühere Frau
eines Grafen v. Sponeck handelt.
Wie dem auch sei, Mr. Gustav Mayer
wußte augenscheinlich die Ehre, der
Gatte einer Exgräfin zu sein, nicht
nach Gebühr zu würdigen, denn er
weigerte sich energisch, die Hutrech
nung zu bezahlen, indem er erklärte,
er komme für die Verbindlichkeiten
seiner Frau nur in dem Umfange des
ihr ausgesetzten Nadelgeldes auf
Mrs. Mayer erwiderte, dieses Nadel
geld sei lächerlich niedrig und nicht
entfernt ausreicheno für die berechtig
ten Ansprüche einerDame, die einiger
maßen auf gute Kleidung bedacht sei.
Und als der Richter sich nun nach der
Höhe dieses lächerlich niedrigen Na
delgeldeg erkundigte, gab sie es auf
— 8,()00 Dollars an. Man wird dem
Richter nur beipflichten können. wenn
er die Firma mit ihrem Klagew
spruch abwies, Herrn Mauer recht
gab und feiner Gattin im Urtheils
spruche bündig auseinanderfetzte, daß
8,000 Dollars zum mindesten genü
gend für die »dringendsten Toiletten
Bedürfnisse« einer Frau ihres Stan
des seien.
Arius-he Statuts-.
Nach dem ,,—Medical Record" gibt
es gegenwärtig 228,234 diplomirte
Aerzte in der Welt. Von diesen kom
men auf Europa allein 162,334, die
sich folgendermaßen oertheilen: Eng
land 34,5)67; Deutschland 22,518;
Ruleand 21,489; Frankreich 20,848;
Italien 18,345. Die für Deutsch
land angegebene Zahl ist allerdings
nicht richtig. Nach dem medizinischen
Jahrbuch gibt es :51,416 deutsche
Aerzte, von denen 19,()0l) allein auf
Preußen kommen. Jn den grofzen
deutschen Städten kommen zwei bis
drei Aerzte auf 1000 Einwohner, in
Berlin 11,-"; auf 1000. Unter den
deutschen Aerzten find etwa der fünfte
Theil Spezialiften
Geld- und Iürttemnacht.
Ein anieritanischer Millionär, der
sin einem Hotel zu Homburg logikte,
Hgab dem Obertellnek hundert Mart
dafür-, daß er ihn beim Diner in die
Nähe eines dort anwesenden Herzogs
plazirtr. Nächsten Tag sah et den
Herzog am entgegengesetzten Ende der
Tafel Platz nehmen. »Wie?« fragte
»der enttäuschte Millioniik den »Ober«,
i,,habe ich Jhnen nicht hundert Mark
gegeben, damit Sie mir in des Her
zogs nächster Nähe Platz resekviren?«
—- »Getoiß, mein herr«, entschuldigte
der »Obet« sich, »aber der Herzog hat
mir zweihundert Matt dafür gegeben,
daß ich Sie ihm soweit als möglich
vom Leibe halte. Also-«