Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 12, 1908, Zweiter Theil, Image 16

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    Vieh-ird.
b Hans Ludw. Rolegger.
St ist heute modern, die Lebens
Wchte von Menschen zu schreiben;
OF- beginnt dabei nach einein bei
Uhrtein von der Natur selbst em
ggkiednen Rdezepthth de; Geburt und
iann as e n a baspeln, bis
der Tod kommt.
Der kommt immer zum Schluß;
eilen von selbst, zuweilen vorn
utor bei den Haaren berbeigezogen.
Ich kenne genau die Prozedur eines
siplchen Menschenlebenrornanes, denn
Es der Schublade meines Schreib
tifches liegt auch so ein gestribelteg
ug
Wenn man einem weil-einigen nor
mal oder pathologifch veranlagten
Wesen einen, zwei —- drei, ja vier
engbedruckte Bande schenkt und den
oft sehr sragwiirdigen Helden vom
ersten Seufzer begleitet, dann ist es
wohl auch gerechtfertigt, einein Hunde
eine kurze Slizze zu widmen. Zurnal
- nde oft nicht unbedeutender an
röfzr. Kraft, Charakter und Intel
li n sind als dieses oder jenes Ge
- f Pf aus der Menschenwelt.
Nach dieser Einleitung mass ich
meinen Helden vorzustellen: arnen
besitt er keinen. Er war und ist fiir
rni einfach »der Hund«, und ich
bese, daß, da für das Thierreich
noch nicht ganz fo strenge polizeiliche
sprschriften bestehen wie für Ange
Artge des Menschenreiches, die Na
senlosigteit leine satalen Folgen nach
sich zieht.
Der bund war ein Findung
Eines Morgens nämlich sub-r an
seinem Landbaufe ein eleganter Wa
gen vorbei, in dein ein sehr vornehni
Insel-endet here laß und eine Zei
tung las, neben ihm aus dein Si lag
ein kleiner, ganz junger lob pech
schwarqu Reufundländer und blin
lte ein paar Mal zu seinem leben
n Genossen, der jedoch keine Notiz
den ibin nahm« bis der tleinr
Schwarze mit der Tat-e seinem Be
gleiter Eber die Hand fuhr und dabei
das Unglück hatte, diese zu zertraiien
Ein ganz nebensächlicher Zufall
cheinbar, aber er sollte siir das Hun
babn verbangnißooll werden-—sein
Getr, vielleicht erschrocken durch die
Ehliche Berührung und zornig über
« Schramine, verstand die Lieb
losung falsch und packte den armen
kleinen Sünder beim Fell, lchwentte
las Thierchen in der Lqu unt-schleu
derte es brutal auf die Stragr.
Und der Wagen fuhr weiter.
Da lag nun das blindcksen im
Staub, der sein schwarzes, glänzen
des Fell puderte, und aus decn Maule
rann ihm das Blut. — Bewegungs
loi lag es da. —- Jch eilte bin und
dachte,«der Hund mußte sich todtgefal
sen haben und trug ibn rorsichtig in
mein Zimmer. Da schlug das zier
liche, niedliche Ungeheuer, dessen Liebe
sein herr so falsch verstanden hatte.
die dunklen Augen auf und lectte
seine hanc-, daß über sie ein Strom
seines rothen Lebensblutes floß. —
4Bat-stät war unsere Freundschaft be
t.
B Thierchen erholte sich bald.
und schon nach einigen Tagen spa
· te es vergnügt in meinem Garten
um.
Und damit beaannen die Klagen
der Nachbarn — die tleine schwarze
seitie mit dem treuherziaen Blick
wuchs zusehen-TM und zugleich nahm
ihr Thatendrang beunruhiaend zu.
hinnen drei Monaten bezahlte ich vier
Dosen, drei Röcke, acht Paar Striimi
pfe, einen Rosenstock und fünf Hüh
ner, an denen der Hund sich vergriffen
haben soll, aber ich vermuthe, daßie-s
der, der mit seinem Eigenthum oder
sit der Bewaobung fremden Gutes
Un litck gehabt hatte, meinen Hund
dasktr verantwortlich machte, oem
san sogar unterschob er hätte —- da
mit ungefähr ein halbes Jahr alt —
etir Lastsuhrwerl zertrümmert Auf
seine bescheidenen Einwendungen,
Ue- sei doch nicht recht wahrscheinlich
Isd der Kutscher habe sicb vielleicht
Ietäuschi. remonftrirte eine Dame
tut dein Bolte sehr entschieden-. »So
a Viel-, das sein Herrl fast todtgebis
sen bat, tann a an großen Leiter
eoagen umschrneiszen.« —- Da die An
gelegenheit anfing, weitere Kreise zu
und die Polizei anzulocken. be
endete ich die bit beute noch nicht auf-·
lärte Streitsrage durch den An
s eines neuen Gefährtes· Trotzdem
M die ungünstige Stimmung e
- den bund im Dorfe — RaEts
seine Augen leuchten und der
IOen Feuer sprühen; im Nachbar
Orte schrieb man ilun die Schuld siir
ein«-r- Klaaenseuche verendetes Rind
Iccy su.
Deshalb nahm ich meinen lieben
hierbeinigen Freund in einer stillen
Stunde vor, erklärte ihm, baß ich ihn
zwar nicht für alles das schuldig
hielte, das feine Feinde gegen ihn
nutfannem aber er könne doch bei
einiger Ehrlichkeit nicht leugnen, baß
feine Begehtlichleit nach Sopbaquas
sten, neiscksfiißern Teppichfranfemnach
fremder Leute Kleidungsstüclen und
nach dem Felle rauflustiger Straßen
tiiter das Maß des Erlaubten über
sciegn und eine gewisse Selbstbewu
W jedem. der aus« soziales Leben
angewiesen sei, unbedingt zu empfeh
Iut d wundthen wäre.
Este leise, eindrucksvolle Rede
W den ges-jin en Erfolg gehabt
denn n Mut schwarzes
Use-sitz Mög-I ·e Eil-setzen nnd
« " « - en n M
« III- in der säsfltu seit
is sinkst-sen sit-er des hund,
« , J
and als ich neulich einen Denn-oder
zu besassen bekam, den der «Säwari
ze« — angeziindei haben same dachte
ich beschämt an ein War-i meines
Seht-Kameraden Georg· das besagte:
»Wenn Zigeuner itn Orte sind, stiehlt
die ganze Bevvlkernngk
Der Schaf-er lofieie frinfzig Kro
nen.
Als ich zkrhlie fah mich der Hund
verständnißloß an.
Aber dann kam die Katastrophe.
Ein ruppiger Schnljunge, der sich
nicht des besten Leurnundes erfreute,
fand eines Abends Vergnügen daran.
meinen schwarzen langhaarigen Ge
nossen mitSteinwiirfen zu tratiiren
nnd eheich noch Gelegenheit und Zeit
fand, zu interveniren. war dem an
seiner lieinigen Verfolgung ganz un
schuldigen Hund die Geduld schon
ausgegangen Und in widerrechilicher
Selbstvertheidigung lein Thier Hat
nach allgemeiner Ansicht kein Recht,
dazuli riß er dem Anareifet mit den
scharfen Zähnen ein Stück Haut aus
der Wade.
Der betroffene Jüngling schrie wie
am Spieß obschon seine Wunde eben
so verdient wie unfchuldia war, nnd
ich ließ mich in meinem durch den Ge
danken an die kommenden Plackereien
etwachenden Zorn zu einer vorschnel
len ungerechien handlung hinreisen
und schlug das atrne Thier.
Das sah mich unendlich traurig an
Find ging schweigend und langsam
or . . . .
Und tam eine ganze Woche nicht
wieder.
Jch hatte Angst um ihn und Sorge
und machte mir schwere Selbstsat
wiirse wegen meiner Reinheit dem ar
nien Hund gegenüber, der nichts ge
than hatte, als seine ewigen. under-·
äußerlichen hunderechte Zu schönen.
Meine Nachbarn erklärten, auszu
athmen, obschon ich sah, daß ihre Le
benunterhaltung durch den Wegfall
der sriiber von mir gezahlten Schmer
zens- und Schadenersasgelder bedeu
tend zum schlechteren gewendet wurde.
Eines Aends besuchte mich der
hund. ———Nur einen Besuch stattete er
als-— Lange blickten wir uns in’s:
Auge; ich verstand, was er sagen-«
wollte- »Freund«, sagte er in seiner
Sprache, »wir haben einander lieb.:
sehr lieb sogar, aber ich weiß, daß
meine Anwesenheit dir nur Schwie
rigkeiten und Miihsal bereitet, dass
die ganze Menschenwelt sich zwischen
dich und mich drängt, daß man uns
nicht versteht und mich oerleumdet
Gewiß bin ich tein Engel. ich weiß
das genau, aber ich bin nicht so
schlecht, wie mich die Leute machen.
Und du wirst dich, mein Menschen
freund. doch endlich von deinen Ge
nossen umstimmen lassen-. und wirst
auibören. mich zu lieben-. ." clii
sentte beschämt meinen Blick und ah
ein, daß er recht hatte. «Deshalb«,«
suhr mein schwarzer Genosse sort,.
»deshalb wollen wir Abschied nehmen
um unsere Liebe zu bewahren. Leb'»
wohl. mein Guten ich danke dir stir
alles, was du mir gethan; ich werde;
dich nie vergessen« leb« wohl! Werde
aliicklich... ich. werde dich von Zeit
zu Zeit aussuchen ...«
Dann ging er, langsam den Kopf
zur Erd geneigt, und eine Thriine
rann iider sein treue-L behaartes Ge
sicht. —- Und ich weinte wie ein
Hund.
Thatsächlich tam meinGenosse schon
ehemals sede Woche einmal zu mir.
legte seine Prante still und sinnend
aus meinen Arm und leckte meine
Hand.
Wenn die Dämmerung einbrach,
ging er wieder.
Aus dem Dorse hörte ich teine
Anklage-i mehr: nur verarmte es»
sichtlich.
Die Jäger jammerten über die Ab
nahme der hasen im Walde; ich ver
schwi« ovrsichtigerweise, daß mein
Freun dort hauste.
Als das schwarze Zottelthier eine
schönen Tages ein kleines Rauschen
eniidel, das sich beim Brombeersuchen
im Dickicht verlaufen hatte und tn den
tiefen Moortiimdel siel. muthtg aus
dem Moraste zog und heimsiihrte,
waren alle Leute des Lobei iiber ihn
voll. und ich fragte den braven Retter,’
ob er nicht zu mir heimkehren wolle
I . . . niemand werde mehr iwiichen ihmJ
und mir stehen... Er schüttelte das
; Haupt «Lieber Freund, du tennst die
s
s
zwischen sichs — si« sind andern-»
ar.« s
Ich fürcht-. Hund nnd keine sama-s
; ten Menschenkenner. .
I f
Ueber Nacht war der herbst itber
das Land hereinaebtochen; die matte
Sonne verband sich mit ihm, färbte
die grünen Blätter purpurroth und
vörrte die Nadeln der Zichten und
Tannen aus, und als sie . r Wert ge
than, sauste der kühle West über die
Wiesen und Felder und Wälder und
raffte von den Sträuchern und Bäu
men, was er erhaschen tonnte.
Da war es, daß der Gemeindedie
ner des Ortes von einem kranken
Wachtelbund meldete, der im Unter
lande sein Wesen trieb und wüthend
Menschen and Thiere anfnlle. -
Das war rnir zur Einleitung ver
kündet. Wenige Tage nachher sah man
Strohwische vor den Thoren und an
allen Wahlen aussteeten, was ins
Dentsche übersest bedeutet, daß der
Schinderhannei alle hunde, die ohne
setstorb nmherliesen, zusammensu
ge nnd erpflege.
J dachte an mein gutes, Ovar
HÆ M F; Mit-s
Miit It H
Its-I M fiet 10 Iahainårfes
, -
vor, meinen lieben Freund. wenn er
mich das nächste Mal aufsuchrn mite
d0. bei mir zu behalten und bestellte
einen weichen Maullorb, um ihn vor
Verfolgung zu fchiisen
Das ging nun freilich anders, als
ich dachte. Der nd trottete eines
Abends in mein immer, doch statt
seine Pranle au meinen Arm, zu
legen. faßte er mich vorsichtig am
Aerrnel nnd fährte mich mit sich.
Wie ein Berbrecher schlich ich im
Dunkel an feiner Seite iiber die Fil
der dem Walde u. Mein Begleiter
ohne Korb um ie feuchte Schnauze
mußte mir Wichtiges zu zeigen haben.
»So oft ein fchwarzer Schatten aus
s der Nacht auftauchtr. fuhr ich zufam
Irnen—roenn ej der Schinderhannes»
wäre mit der Schlinge und dem Kniits
tel. Aber immer täuschte ich michs
s kein menschliches Wesen begegnete
uns.
Und tief im Walde erfuhr ich das
Geheimnis meines treuen Hundes.
Unter einem Felsen aus weichem
Moos hatte er feine Wohnung aufge
schlagen —- und ein schwarzes E, -
gespans gewählt, das mit ihm sein
lustiges Zimmer theilte. Die Gattin
lag nun da, wohl zugedeckt und
schaute mich erwartungsvoll an, und
bald wußte ich. warum mein Freund
mich gerufen: sein Weibchen war ge
stürzt und dabei ein Bein entzweige
angen. Vorsichtig nahm ich mein
ascheniuch. tithlte den Bruch mit
- Wasser der nächsten Quelle und sorg
’fam richtete ich einen Rothoerbanb
her. Dann sagte ich »Er-te Nacht",
neunschte baldige Besserung und ber
sprach am nächften Tag nachzufeben
—- Bis sum Waldranb begleitete
» mich mein hund; ich erzählte ihm von
I der neuen Vorschrift Weil seine
Frau trant war, konnte ich ihm frei
lich nicht zumuthen, über die tritifche
Zeit zu mir zu ziehen. doch versprach
ich, fiir ibn und feine Gefährtin einen
leichten Beisrlorb ru besorgen, der sie
nicht allzusehr hinderte.
Als Antwort theilte er mir in der
stummen hundesprache mit, sei-Weibs
chen erwarte Kindersegem und fiir die
wilden Füchse, die im Walde streif
ten, brauchten sie beide die scharfen
Zähne ohne Zwang zur Abwehr; so
einigten wir uns, daß das Ehepaar
nach Genesung des Beinbruchej ge
meinsam fein Zelt bei mir ausfchlagen
l
(
solle. »
Dem Spätherbst folgte der sruhe
Winter. ·
Ewig grau und schwer schaben die
Walten einander iiber dasjdalx die
kahlen Bäume ragten mürrisch em
por.
Jeden Morgen schlich der schielende
Schinderhanneo durchs Dars; in der
Linien verbarg er listig eine Draht
schlinge, in der Rechten schwang er
den eisenbeschlagenen KniitteL Und
wenn der Bodennarbige ein hündchen
ohne Korb erblickte, lockte er das arg
lose Thier süß und falsch an sich.»
und dann war es aeschehen
Mich überrieselte es kalt. dachte ich
an meinen Freund. wenn man ihn
sände... «
Alle Abende trottete der Langham
rige zu mir, nnd vereint suchten ioir
seine Gattin aus: der Bruch wollte
nicht heilen und langsam nur wuchs
der gesprengte Knochen zusammen.
Einmal schien es mir aus dem We .
als streise eine Gestalt an uns vorbe,
klein, :uppig, wie der böse Schul
junge, der damals auf den Hund die
Steine geworfen hatte und den dieser
an der Wade, gerissen. Bevor ich ge
nau zusehen konnte, war der Schatten
zwischen den Bäumen verschwunden
Arn nächsten Abend wartete ich ver
geblich aus den schwarzen, vierbeinis
gen Freund· Und der Nachbar er
szäliltr. Schinderhannes iei mit dein
Jungen, dem das Zottelttiier einmal
«in die Beine gefahren, geaen den
Wald gestaast Voll von bösen Ad
nungen eilte ich aus dem türzesten
Wen am Bach vorbei, iider Steine und
Felsen zum heim des bunt-et
Mit zerschmettern-n Schädel, eine
Drabtstlilinge um den hol-, den Leib
ausgerissen lag die schwarze Gattin
aus dem « fürsorglich geschichteten
Moosteppitd die treuen gebrochenen
Augen starrten in Todesangst auf
acht süße, niedliche Kinderchen —er
tvitrgt wie sie » . und das Blut der
todten Mutter nette ihr seidenweichei
FelL . .
Hier war nicht mein zu helfen, und
atdemlos rannte ich durch den Wald.
meinen Freund zu retten ——— ich wußte,
die Mörder waren aus seiner Spur.
Von der kahlen Lichtuna aus sah
ich den Kampf aus dein Stoppelfeld
Der ruppise Junge. der Judas,
lies schreiend zum Dars, und das
schwarze Zotteltdier hing dem Schin
derdannes arn halt, seine Krallen
rissen dem Blatternarbigen die Haut
in Feiert. und die U en des Hundes
glühten. Jn der han des Mörders
seiner Frau blitzte ein Messer -—
Stich aus Stich senkte sich in die
Beusi meines Freunden
Als ich dei ihnen war, bei dem
blutenden Menschen und dem sterben
den Thier, hatte der Kampf schon se
endet.
Jammernd dintte der Mörder fort
Ich leste den Kopf meines armen
Freundes in meinen Schock sag te
ihm liebe Worte und itreichelte ieini
zerrnartertes Fell»
. und· ernst sahen mich die im
Tode ckernden Au en an und er«
; ziitlteu mir die sur tdare Geschichte i
i Ins demUes Vers-u mir hatte er den.
lauten Gesichter seines Weibes
n act er keuchend zu ei-«
nn- use Ies, ver wes Heu m
MMM- ist-e
Weins etwlte t... Erst Ins des
the selten set-W ein. Ue
bin sein alles genommen
. Das Ende hatte tch mit Insel-en
! müssen. .
? Und wieder, wie damals, da ihn
»eine beim-le Faust in den Straßen
;stnnb geschleudert hatte, kndte der
» Kopf meines blindes an meinetVrust,
seine zersesdtje Ptante strich über mei
Enen Arn-, ’e blatende Zunge schmei
chelte meiner Hand.
Longsatn und langsamer ging der
Atheny stockte der Puls. Wir spra
chxx tein Wort und verstanden unt
i: . . .
Zum letzten Male lohte die kühle
Sonne aus, und zum ledtennial leuch
tete ein Funlen itn gebt-scheuen Auge
meines schwarzen Freundes.
Die Nacht brach on.
So ist mein bund gestorben.
psychologie de- Kinde-.
Eine humoreste von Julius
Knops
Kanzleirath Mengeri lehnte sich be
haglich in den bequemen Großvater
stuhl, zündete sich ein Pseischen an
und passie, dasj der Rauch in dicken
Schwaden durchs Zimmer zog. Die
Abendasung war aber auch weitest
lich gewesen. Sein Bruder Karl hatte
aus Münster einen echten wesisiiliichen
Schinten gesandt, und so lonnte man
sich’i leisten, die dünn geschmierten
Butterbrode einmal tüchtig mitSchin
len gu belegen. Ach, das hatte ge
schmeckt, wie schon lange nicht in die
sen theuren Zeiten! Der Kanzleirath
hatte tüchtig bineingehauen, ungeachtet:
der entsetzten, vorwurssdollen Blicke
seiner treuen Gesdonstin "
Jst laß sie arn Tisch, auf dem die·
alte troleumlampe ein unsicheresj
Licht are-strahlte und strictte altem
Brauche gemäß« ein Paar neue wol
lene Strümpfe an Den Familien- ;
bedars an diesem schösbaren Beklei- !
dun tmaterial deckte rau Ida selbst
da sie von sabritmii ig beraestellten.
im Laden tüuslichen Strümpfen nicht
viel hielt.
Undachtige Ruhe-ein Engel ging
durchs Zimmer. Nur das leise Pas
ien des Tabatrauchers und das ge
schwütige Klappern der Stricknadeln.
Endlich hub Frau Jda an. »Ernst',
sagte sie, ihr Lieblingötbema anschliei
dend, »nun wird’s aber hohe Zeit;
daß unsere Paula endlich unter die
Haube kommt. Alle ihre Schulsreun
dinnen heirathen. nur sie bleibt sitzen.
Sieh einmal herl« Sie reichte ifm
einen eleganten Karton »Die en
Wiich da bat die Abenden-it gebracht.«
Der Kanzleirath las. Die Ver
iodung ihrer einzigen Tochter Küthel
mit dem Fabrilbesiner und Leutnanti
der Reserve» « Er hielt im Leienl
inne. Jst doch tein Wunder, daß
sich die Mitbe verlobt hat« bei der
Maise Geld, die sie mittriegt. Kunst
siiiett Unsere Vanla freilich —« er
seuszte—«tnadv die Aussteuer tön
nen wir ihr geben.«
Frau Jta nickte, sorgenvoll bestä
tigend. »Das-um mußt Du Dich end
lich mal ernstlich bemühen, dasz sie
einen Mann betommt.«
Der Kanzleiratb lächelte ironisch.
»Ah-her nehmen und nicht stehlen?« «
»Das iit Deine Sache!" trumpites
die erregte Frau und Mutter ank·
«Paula musz einen Mann belommen.
Paula musz betratan
Na, ich tann sie doch nicht heira
then,'· wars Mengers ein
Frau Ida iah ibn zürnend an.
»Du bist brutal. Mengers. Wie kann;
man eine io ernste Sache ins Länder-:
liche ziehen. Wenn Du llug würst,J
sa rvie andere Männer, dann hättest
Du schon längst einen jüngeren Kol
legen in unser Haus gezogen. AherI
Du« —- mit unendlicher Verachtung
musterte sie ihn—«mit Deinem Ge
hirnschmalz lann man nicht einmal
die Stullen schmieren-. Du bitt so iteis
wie ein Gelatinepudbing, geradezu
absioßend bist Du gegen die jungen
Leute. Wenn sich Einer in unlerheim
verirrte, saßesi Du da wie ein Oel
gshe und laseft die Zeitung, anltatt
Dich mit ihm zu unterhalten und den
glücklichen Iamilienoatet zu marti
ren. Liebenstoürdigteit lostet nichts «
und Grobheit macht sich ost tbeuer besj
zahlt. Du hasi eben die jungen Leute
abgeschreckt
Geduidiq batte bek Kanzleikatb den
Wortschwall iibet sich ergeben lassen«
dann schüttelte et gut-nöthig den et
gtsuten Kopf und beschwichtigte:
»Liebe Ida, in Deinem Seele-statio
tintd finde ich mich nicht zurecht. Ich
bis inik bewußt, der beste Gotte and
Vater zu sein —abet deshalb vor den
jungen Herrn zu dienetn -—-- nicht zu
machen! Was neben mich items-Wien
ichen an! Wenn ich Abends nnd-Hause
komme, dann will ich meine Ruhe
haben, nicht aber mit gleichgiktigen
Zeitgenossen schmissen-«
»Ach. Du bifi ein Ete!!« trutnpfte
Frau Jda auf
Gleichniiitbig pbiipsophiete der
Ists-: «So ist's; — wenn man die
Wahrheit geist. ttie t man den Fie
delbogen an den Kopf-if
’,,Uber Meyer-, auf diese Weise
wird nniete Panie- nie zu einem
Manne lata-neu und sisen bleiben
eipig und zwei Tag-. Ja, wenn wir
noch Geld hätten. dann winden die
iFreier io’n Etet von Schwieg-tut«
zinit in den Mut nehmen«-a t.io!«
In höchste-n Unwillen erhob sie sich.
legte den angetaan Strumpf auf
den Tisch und anrichtet dutckfi
Zimm, uns das innere Gleichgewicht
Dieser « est-W
passiv-Im cum-«
JOJHC » ·
o
; Wittwe: »Heute tönntevsch eigestlich die Trtauektleidet schon ablegen
EX.abet.mejnen Atthut habe ich zu fehk geliebt... ich gebe noch acht
age zu." ·
Yehaglich onsste der Kanzleirath
weiter. .
»Aber, liebe Jda,« begiitigie er sie
endlich, »Sieh Dich zufrieden. Glaube
mir, es wird schon noch einer tonl
rnen. der sich in unsere Paula ver
liebt.«
.«Verliebt!« klan es höhnisch zu
rück. »Da kannst Zu lange warten.
Es verliebt sich niemand.«
«,.habe ich mich nicht in Dich ver
liebt, liebe Ida? Du hattest doch auch
leinen Mammon.«
Frau Kanzleirath ronr nicht zu
überzeugen, sie blieb skeptisch. «Ja,
das war damals. Heuizutage bei den
hohen Fleifchpreisen, verliebt sich tei
i.er mehr, da sind die jungen Herren
vorsichtiger geworden. Sowie es sich
um die Ehe handelt, wird der idealste
Jüngling zum nüchternsten Rechen
nieister. Also, Mengerö, bleibe rriir
weg rnit der Liebe, damit lockst Du
teinen bund vom Ofen. Nein,«
trunipste sie wie r auf. «ivir müssen
uns aanz energich um einen Mann
siir Paula bemühen. Und sei es durch
heirathsverniiitluna.«
»Amt« Den anzieikath schüt
telte es. .Wo bleibt da die Poesie des
Lebens? Uebrigens, liebe Jda,«
fragte er ablenlend, «wo ist denn ei
gentlich das »rorpus delicti," ich nieine
unsere Paula?«
«3urn Vortrag: heute ist der lestr.
»Sie hört doch beim Doktor Schwarz
einen Vortragszyilus über die Psycho
otgie des Kinde-.
«Bliidsinn!« knurrte der Roth, «wo
sie selbst noch gar teine Kinder hat
und —«
»Sie interessirt sich eben dasitr,«
innterbrach ihn Frau Ido, die sich
wieder on den Tisch setzte und satt
suhr, ihren Strumps zu stricken.
»Eine ganze Menge junger Mädchen
hört über die Psychologie des Kindes
beim Doktor Schwaer
Nachdentlich sah der alte Kanzleti
roth vor sich din. »Ist er denn solch
hübscher Mensch, dieser Doktor
Schnequ
»Unsere« Pol-la meint, er sei ein
reizender, interessantee junger
Mann."
Mengerö nickte verstöndniszinnig.
»Als-) dartun so viele hörerinnem die
sich site die Psyche des Kindes erwär
men.«
Entriiftet blickte die Frau Rath von
ihrem Strumpf auf. »Du willft da
mit doch nicht etwa sagen, daß unfere
Paula —«
Wieder drohte ein ehelicher Sturm
durch das gemiithliche Zimmer zu fe
gen, da hörte man die Thüre fchlie
ßen.
»Aha, unfere Paula!« fchmunzelte
der Alte, und ein Lächeln des Stol
Jzes ,flog iiber fein verwittertes Ge
’fieht. »Na, Alte. decke nur gleich fiir
Idai Mädel; das Kind wird mächti
Igen hunger haben, nachdem fie ihren
;Wiffensdurft gelöfeht hat«
I Mißbilligend erhob sich Frau Kanz
leirath. Meutrer-, Dir ift nichts
heilig, Du hift ein underbefferlirher
Spötter- Du befiht eben zu wenig
iGemiith, um Dich fiir die Pfhchalos
fgie des Kindes, des Heiligften auf der
jWelL zu erwärmen."
; Sie ging ans Biiffet, urn Laffen
Hund Teller herauszuftellem und her
»ein trat, frifeh und rofig anzufehery
Frnit freudehlihenden Augen, das
Paatobjeth die unverehelichte Paula
Dinger-. Hinter ihr eefehien ein
junger Mann auf der Bildfliiche, der
verlegen an feinem fteifen Filzhut
drehte. s
«Miiiterrhen,« rief Paula, «deite
nur gleich fiir einen lieben Saft mit,
r Dotter Schwarz möchte auch mal
tel Karls weftfilifchen Schinten
probireir.« -
Ueber des hangleiraths Antlih zog
ein VetterIe n; lhnr fehwante et
wa. seien eine Gewohnheit zeigte
er fis- gegru den fremden Mam- sehe
liebenswürdig und nöthigte ibn flugs
auf einen Stuhl.
Also Sie sind der Doktor. bei derer
unsere Paula den Unsinn über die
Psychologie des Kindes gehört batF
fragte er höflich.
Der Doktor erröthete sanft. »Al
lerdings, ich —- ich lese darüber. Aber
daß ee Unsinn ist —« opponirte er
schüchtern.
«Natiirlich," warf der Alte ein, »in
sosern, ali unsere Paula nicht bei
ratlpen will, also das Kind und seine
Psychologie —- ——"
»Aber Väterchen," fragte ihn Paula
resolut, .wober weißt Du denn, das
ich alte Jungfer zu bleiben gedentei«
Ermuthigend lirtte sie den Doktor an,
der sich ein Herz faßte, sich röusperte
und anhab: »Herr Kanzleiratbs —
Frau Kanzleiratb,« wandte er sich an
Frau Jda, die gerade den schönen
Schinten schnitt, «bei dem wesifölis
schen Schinlen muß ich an den west
fälischen Frieden denken, der Deutsch
land die Ruhe wiedergaln Schinlen,
paedon, schenken auch Sie mir den
Frieden dei herzens und —- also lurs
und bündig: here Ranzleiraib, Fra
lKanzleiratb, ich habe die Ehre, Sie
urn die hand Jbres Fräulein Toch
tero zu bitten. Paula und ich —
wir Beide sind nämlich einig. Die
zPsbchologie des Kleinen bat die her
IZen der Großen zusammengefübrt.«
P Statt aller Antwort fragte Men
wer-: Nonnen Sie denn eine kjrnu
;ernäbren?«
; Frau Ida wurde blaß ob der Tatk
itosigteit ihres Alten, der die schön-,
ironiantische Stimmung so ruchlos
Herstörtr. Doch der Doktor schien
durchaus nicht verstimmt zu fein, denn
set gab eine erschöpfende und befrie
digende Auskunft
Z Der Kanzleiratb lächette vergnügt.
L»Na. dann nehmen Sie die Paulus
Inotabene, wenn meine Frau nichts
Idagegen bot, denn sie wollte aus dein
TMädei partput eine alte Jungfer
Imachern Aber noch eine Frage, eine
kganz nebensächliche Gedenten Sie
auch später noch, alt Pauia’i Mann.
über die Psychologie des Kindes zu
lesen?«
Der Doktor bejabte eifrig. »Aber
gen-ist«
»Na, herr Doktor,' belehrte ibn
fder Kanzleiratb wettet-eise, »dann Ins
fchen Sie sich nur darauf gefaßt, das
jdie Anzahl Jbrer hsrerinnen start
Hufanimenschrurnpfen wird-«
Zwequ Habt
il Ek: »Welche von diesen besden
YPwthhpwgkqphien wirst du bestel
len?« -
Sie: »Natürlich diejenige. woran
alle meine Freundinnen mich-am we
nigsten hübsch fanden!'
- Dis Guts-.
Dame: Sie wissen also kein Mit
tel gen Sommerspeossenp
est: «Nein.«
Dame: »D, ich möchte aus des
Haut fah-ent«
AM- ·DII wäre allerdings its
eiw W helfen such-«