Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 15, 1908, Sweiter Theil., Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Uebraska
Jahrgang LU.
Staats-Anzeiger und Ziffer-Eli
Gras-v Jota-M Music-ea- i903s -(.Zwei«ter Theith
NIMMHV 38 .» H W
Heimath.
Mich treibt’s nach manchem. man
chem Jahr
Zu schauen die Stadt, die mich gebar.
Durch schmale Gäßchen ziehe ich —
sUnd Altvertrautes wundert mich:
Der Spielplatz hier«-und dort der
Baum —
Wir sehen uns an, ais mass ein
Traum;
Des morsche Kirchlein, das noch
steht —
Wie alles mir so nahe geht!...
Und wo am meisten ich vielleicht
Gelacht —— ward mir das Auge feucht.
Das Kind.
Ountorcste von :M Mai
..Und nun noch eine Frage, —- ha
ben S ....?«
Herr Christian Kirmenich stockte
mit einem Blick aus die mahlte-riet
vitte, aber in entschieden höheren Le
bensjahren stehende ältere Dame, die
er nun schon nach allen Richtungen
hin einem scharsen Examen in Bezug
aus die von ihm soeben besichtigte mö
blirte Wohnung unterworfen hatte;
er ermannte sich indeß und fuhr in
strengem Frageton son:
»haben Sie Kinderl»
Die wohttonservirte ältere Dame
sah ihn etwas erstaunt an. Aber da
im allgemeinen ältere Damen, die
Zimmer an gesetzte solide herren ver
miethen wunderbare Fragen gewöhnt
sind, entgegnete sie mit würdevoller
Gelassenheit:
,.’Llllerdings, Herr Riemensch. Einen l
Sahn, der Jngenieur in Brasilien ist,
eine Tochter, die Lehrerin Ist. . . .«
·.t)err Christian stirinench machte
eine sandbetoeaung »Natürlich meine
ich nicht erwachsene Kinder, am we
Uigsten solche in Brasilien oder sonst
wo. Jch meinte kleine Kinder,« sagte
er mit einer Miene, die seine Meinung
itber diese Art zukünftiger Menschen
deutlich oerrieth. »Kinder, die des
Nachts und auch am Tage. wenn man
gerade zu Hause ist, schreien, als ob
sie am Spiesie steckten; Kinder, die
Männern mit Sirupbiindchen aus
neue, bellgraue Beinkleider tappen,
oder Eia machen. Kinder. die. . . .'«
»Aber Herr Kirmenich!« Die wür
dige ältere Dame erröthete. »Ersteng
bin ich seit fünfzehn Jahren Wittwe
und zweitens. . . ·«
Jndesz herr Kirmenich war kroch
nicht beruhigt.
»Mir sind schon die erstaunlichsten
Dinge in dieser Beziehung passirt,«
saate er mißtrauisch »Meine vorige
Wirthin war sonst eine ganz vernünf
tige Frau, aber eines schönen Tages
nahm sie ein Kind in Pflege, dessen
sieben Geschwister denKeuchhusten hat
ten und das mit einer Trompete. eis
nem Brummkreisel und einer Knarre
einzog.«
»Und was geschah?«
«Gliiellicherweise betam es auch den
Keuchhusten!« antwortete Herr Kir
menich mit grimmiaster Befriedigung
»O, Herr Kirmenich . . It
»Ja," bestätigte Herr Kirmenich
»Ich bin kein mordgieriger Mensch,
verehrte Dame, und das Kind wurde
auch bald wieder gesund, was ich ihm
von herzen aönnte: aber damals habe
ich Schreckliches erduldet, und dar
um. . . .«
Nachdem Herr Christian Kirmenich
die seierliche Versicheruna entaegenge
nommen. daß seine Wirthin durchaus
nicht daran denke, fremde Babhs in
Pflege zu nehmen« geruhte er. die
Wohnung zu miethen.
Er hatte nichts zu bereuen. Nachdem
seine Wirthin erkundet, welche beson
deren Wiinsche ihr neuerMiether hegte
—- es waren ziemlich viele —·, be
mühte sie sich wahrhast rührend, ihm
das Dasein eines »m«o"blirten Herrn«
möglichst angenehm zu gestalten, und
Friede und Behagen herrschten in
Herrn Kirmenichs Gemächern.
Ein halbes Jahr etwa dauerte die
ser idyllische Zustand. Dann merkte
Herr Christian Kirmentch plötzlich,
daß etwas in der Lust lag, was sei
nen Frieden bedrohte. Seine Paulus
seln standen aus der linken Seite des
Bettes, statt aus der rechten; seine
Handtiicher hingen nicht in der richti
gen Neihensolar. Ansrage bei der
Wirthin brachte tetne Klarheit.
Frau Keppler wurde unruhig, ver
sicherte, daß sie dem bedienenden Mäd
chen schars auspassen werde, und s ien
dann doch alles vergessen zu ha n;
denn ein paar Tage daraus fand Herr
Kirmentch seine Handschuhe wieder
nicht am gewohnten Plas. .
Alterirt setzte er sich in seinen be
quemen Sessel. Nun sing auch in die
ser Wohnung, die beinahe das Ideal
eine-r Junggesellenbude war, das altes
Lied von neuem an. Erst ght allest
eine Zeitlang nach Wunsch. nn wied;
der Betrieb nachliissig, und der armels
Miether leidet je nach seiner Veranla
gnug. Herr Christian Kirmenich war
aber ned--"'·" ordnunasliebend er
wollte ein paar Dutend Augen-ohn
heiten, die sich nach und nach bei ihm
eingenistet, respektirt sehen, konnte in
Verzweiflung gerathen, wenn dies
oder jenes anders lag, stand, hing, als
er’s gewöhnt war.
Was nun? Wieder ausziehen? Jhm
graute davor. Aber was blieb ihm
anders übrig? Heiraihen? Das war
das einzige. Ein kalter Schauer über
lief ihn bei dem Gedanken. Nicht daß
er Weiberseind gewesen wäre. Bekom
men tonnte er immer noch die Aller
nettestent denn einem woblsituirten,
wohlionservirten ansehnlichen Vier
ziger tonnte es nicht fehlen. Aber
mit einer Frau fing schließlich dieselbe
Geschichte wieder an, wie mit derZim
merwirthin. Nur daß er da nicht aus
zieben kannte, sondern aushalten
mußte.
Er saß und sann betrüblich und
ver-ärgert vor sich hin. Aus diesem
Sinnen weckte ihn ein Ton. der ihn
die Ohren svitzen lieb. Er ilana frei-—
lieb gediimvst. wie erstickt, aber doch so
bekannt, so unangenehm bekannt.... ;
Herr Christian Kirrnenich sprang;
aus. schlich zuseinerZimmerihiir,leate
das Ohr an den Spalt und horchte. ;
Da wurde seine Miene nnbeilvollf
arimmia: denn das was er hörte, war
entschieden — Kinderaeschreii
Sosart wollte er biniiberaeben,
seineWirtbin Zur Rede stellen: aber
dann besann er sich. Schließlich konnte
er ihr nicht verbieten. vorübergehend
Kinderbesuch bei sich zu haben, denn
solcher würde es hoffentlich sein. Er
saß wie eine Spinne im Netz, lauernd
und wartend, daß dieser Besuch sich
entfernen werde, aber er hörte nichts.
Es war ietzt auch alles wieder still.
Jn der Nacht aber hatte er einen
Traum vom Weltuntergang, daraus
er schweißgebadet erwachte, und da
hörte er das Schreien wieder. Ganz
deutlich in der Stille der Nacht, schrill
und durchdringend! Und am Morgen
fand er seine handtiicher wieder in
vertebrter Reihenfolge aufgehängt.
Als er sich anaeileidei, ging er zu
Frau Kevpler hinüber. Sie ers rat
heftig, als er eintrat, und Herr C ri
ftian Kirmenich fand, daß sie aussehe
wie das böse Gewissen.
»Sie werden wissen, weshalb ich
komme, Frau Keppler,'« begann er
steif.
Frau Kepvler versuchte erstaunt
auszusehn, aber ohne viel Erfolg;
denn in diesem Augenblick hörte man
hinter dek halb geöffneten Thür eine
Kinderstimme —- diesmal war’s frei
lich ein Lachen und Krählem aber
Frau Kepvler wurde doch duntelroth.
»Sie wissen, was ich bei meinem
Einzug als Bedingung gestellt habe.«
»Ach, Herr Kirmenich ja, —- —
aber es ging wirklich nicht anders, —
tas Kind. . . .«
»Es-am vermuthlich auch sieben Ge
schwister mit Keuchhusten!« sagte Herr
Kirmenich mit grimmigem Humor.
»Das ist mir egal, aber. . . .«
Es blieb unentschieden, was dieses
Aber bedeuten sollte: denn in diesem
Augenblick wurde die Thiir geöffnet
und ein weiblicheö Wesen erschien aus
der Schwelle, das sehr tamvslustig
aussah, was ihm außerordentlich gut
stand. Das Kind hatte die nicht mehr
ganz junge, aber sehr hübsche Dame
aus dem Arm, ein reizendes Kind mit
rothgeschlasenen Böckchen und einein
schwarzen Haarschöpscheu
Derr Kirmenich stand aus und
machte eine Verbeugung. Aus seinem
Gesicht wechselte Zorn und Wohlgesch
leu ab. Die hübsche Dame aber be
achtete beides nicht.
»Ich hörte heute erst vonTante, daß
wir Jhneu sehr ungelegen kommen,«
beaann sie. ,.Tante hätte noch nichts
gesagt, aber ich mertte ihr an, daß sie
sich bedrückt fühlte. Da drang ich in
sie, bis sie gestand. Nun reisen wir
natürlich sosort ab. Morgen früh.
Nicht Jhretwegen,« sie sah HerrnChri
stian stirinenich durchbohrend und ent
rüstet an, »nur weil Tante ihren Mie
iber nicht verlieren soll. Aber das
möchte ich Jhnen doch zu bedenken ge
beu, ——— was wäre denn mai aus
J h n e n geworden, wenn jedermann
die Kinder so gehaszt hätte, wie Sie es
thun?«
Herr Christian Kirmenich hatte das
saiale Gefühl. abgetanzelt zu werden.
,,Gniidige Frau,« begann er un
sicher, »ich. . .
»Bitte, Fräulein!« unterbrach sie
ihn mit gleicher Energie. »der Kleine
gehört meiner Schwester.«
Irgendwie sühlte sich Herr Firme
nichi erleichtert, das; die energische
Dame Fräulein und nicht Mutter des
Babhö war. obgleich er sich im Stillen
»iiber diese Erleichterung wunderte.
»Wenn ich geahnt hätte. . . .«
» »Ach. entschuldigen Sie sich nicht,«
sagte iie obenhin, »eö kommt ia auch
nicht daraus an. Aber wer Kinder
haßt, ist tein guter Mensch-«
! Damit kehrte sie sich um und ent
: schwand hinter der Thür, die sich mit
J einem hörbaren Ruck ins Schloß
: drückte.
J Herr Christian Kirrnenich stand im
höchsten Grade verdutzt da. Aber er
saßte sich und begann ein mildes Ge
spräch mit Frau Keppler, die sich nicht
wenig iiber ihren Miether wunderte
Er hegte den lebhaften Wunsch, der
energischen Dame zu beweisen, daß er
doch ein guter Mensch sei. Arn ande
ren Tage reiste sie mit dem Babh noch
nicht ah, am nächstfolgenden brachte
Herr Christian Kirmenich eine Diite
Biötuit für das Bahn und eine
Schachtel Schotolade siir die Dame
mit heim.
Bierzehn Tage darauf wurden die
Freunde Herrn Christian Kirmenichs
und die zärtlichen Verwandten, die ihn
schon unter die Erbontel der Familie
kgeziihlt hatten, höchlich durch seine
Verlobungsanzeige überrascht Der
Name der Dame war ihnen gänzlich
unbekannt, und sie wären noch über
raschter gewesen, wenn sie Herrn Kir
menichs Verlobunasgeschichte erfahren
hätten, denn eigentlich war das Kind
die Ursache gewesen.
Ob die energische Dame ihm die
Hauöschnhe aus die rechte Seite des
Bettes stellen würde und die Oandtti
cher an den richtigen Haken hängen,
darüber dachte er weiter nicht nach. Es
ging ihm eben, wie es allen verliebten
Leuten geht, —- er hatte das Denken
ausgegeben.
-—
Ver Wortwechsel.
Aus dem Eheleben. Von H. Hart.
»Nein, Luisel Das sollst Du nicht
thun!«
»Ich wills aber! «
»Du rerweiaerst mir der«v Gehor
sam?«
»Gewiß!«
»Nimm Dich in acht, saae ich Dir!«
·»«DMka DU, ich fürchte mich vor
Dir?«
»Ur-erträgliches Weibl«
»Lächerlichek EMann!«
»Gut denn. Lassen wir unsJ tren
nen!«
»Ganz recht. Weh mir, daß meine
Eltern mich an einer Mann wie Dich
aegebenl«
»Wel) mir, daß ich so dumm war,
mir keine Andere auzusuchen!« .
Im Begriff, in dass Zimmer ihrer
Tochter einzutreten, hatte Frau Mül
ler bereits ihre Hand aus die Klinke
der Thiir gelegt, als der heftiaei
Wortwechsel sie zurückhielt s
Jst es möglich, dachte sie bei ficht
Karl und Luise zanten sich miteinan
der !Undsie sind doch erst seit sechgi
Monaten verheirathet. Welcher Ver
drußl
Soll sie hineingehen nnd den Bei
den, sie überr.aschend, das Häleiche
ihres Thuns vor Augen führen und
sie Zu versöhnen trachten ? »
ein, besser war es, die Beiden sichs
zu überlassen. Selbst die Eltern sollen s
sich nicht in Streitigkeiten der Ehe s
leute mengen Hatte sich irgend et l
was Böses ereignet, so mußten die!
Beiden selbst zur Erkenntnisz lommeni
und einander verzeihen. Das mußte
leichter sein, wenn die StreitenderH
nicht wußten, daß sie Jemand besp
lauscht hatte. ;
Heute Abend sollen die Kinder bei?
ihren-Eltern speisen, und da iviirdeesz
sich erweisen, ob der Zank noch fort-»
dauerte. an diesem Falle war dann
immer noch Zeit, einzugreifen und die
Sache ins Reine zu bringen.
Aus den Zehen sich zurückschlei
chend, befahl Frau Müller der alten,
treuen Dienstmagd an, nichts von ih
rein Besuche gegen die Herrschaft zu
erwähnen.
Als die jungen Leute Abends la
men, schienen sie vergnügt und fröh
lich wie immer. Sie betragen sich ge
aeneinander, als ob nie eine Wolle
den Ehehimmel getrübt.
Frau Müller war glücklich. Ende
gut, Alles qui!...
Am Tage darauf lonnte die Mutter
sich der Gedanken an das gestern Vor
acfallene nicht entschlagen Es unter
lag keinem Zweifel, daß die jungen
Eheleute wieder in bestem Einver
fländniß sich befanden. Trotzdem wäre
ihr viel werth aewesen, zu wissen, wie
sich der Verkehr untereinander zu
Hause gestalten Es ließ ihr keine
Ruhe. Sie mußte es erfahren.
» sum tht, als sie die Beiden zu
Haus wußte, ging sie hin. Zum
Fiensimiidchem das ihr öffnete, sagte
te:
»Melde mich nicht. Jch will meine
Kinder iibekraschen.«
Und sie lief leise zu der Zimmer
thür, wo sie gestern gelauschi. Laute
Stimmen klanan durch die geschlos
sene Thür. Horchend blieb Frau
Müller stehen.
»Nimm dich in acht, sage ich Dik!«
»Dentst Du, ich fürchte mich vor
Dir?«
,,Unertr-·:i«aliches Weibl«
,,Lächerlicher Mtann!«
»Gut denn! Lassen wir uns tren
nen!«
Entsetzt hörte es die arme Mutter.
Thränen stürzten ihr in die Augen.
War es möglich? Karl und Luise, die
gestern Abend so vergnügt schienen,
zanlten sich heute auf die gleicheWeise
wie gestern. Unbegreiflich!
Sie fühlte sich versucht, die Strei
tenden durch ihr Hereintommen zu
unterbrechen und ihnen das heuchleri
fchc Benehmen im elterlichcn Hause
vorzuhalten. Doch sie bezwang sich
und ging zurück. Es war also doch so.
Nach kaum sechsmonatlichek Ehe war
es so weit gekommen. Und doch war·
es eine Heirath »aus Liebe gewesen.
Wie hell und freudig und glücklich
hatte «Luisen’s »Ja« am Altar gestan
gen. Mit welcher Freude hatte Karl
sein Weibchen umhalst.
Ebenso wie am Taae vorher legte
sie der Dienstmagd Schweigen auf,
doch ehe sie an der Hausthiir war,
konnte sie der Versuchung, ihrem über
vollen Herzen «Luft zu machen, nicht
widerstehen. Sie mußte sprechen:
»Die jungen Leute führen gerade
ein sehr heftiges Gespräch. Jch will
nicht stören.«
»Ach, Frau ·Müller!« lautete die
»Antwort, ,,sie lassen sich in ihrem
? Ranken durch Niemanden mehr stören.
s Sie können einander nicht mehr ans
Y stehen. Eg ist ein llnglücl!«
J »Hast Du das auch schon bemerkt,
i« Marie?"
s «Ol) iches gemerkt habe? Jchhätte
sja taub sein müssen, um es nicht zu
: merken. Abends und Morgens gehst
alles in Ruhe, dann sind sie Beide
»sröhlich und verliebt, wie zwei Tur
’ teltäubchen; aber nach Tisch fängt der
.Speltalel an mit Schelten und
Schreien nnd —- Schlagen."
» »Gewiß doch. Ich hal)’"5 mit eige
nen Augen gesehen, daß mein Herr
eine Ohrfeige betan1!«
»Was that Karl denn damus
; srng Frau Müller weiter. Er- war ja
Lnoch schlimmer als sie gedacht. Was
mochte denn nuk eigentlich vorgesallen
sein?
,Nicht5!« antwortete die treue
Marie. »Er saate nur: Sapperlot,
das ist ein Bißchen start nnd rieb sich
die Wange.«
»Das ist Alle-IV
»Ja. Aber ich muß zugeben, er hat
viel Geduld.«
Fassunaslog sank die Mutter Lust
sens auf einen Stuhl.
Jhr Kind, ihre sanfte Luise konnte
sich so weit vergessen, den Gatten zu
schlagen. Sie konnte eH nicht begrei
sen.
Bald hatte sie sich so weit gefaßt,
um nach Hause aehen zu können.
Dort erzählte sie ihrem Manne Alles-,
was geschehen.
»O Himmel!« stöhnte der greife
Vater. »Welch hattet Schlag siir
um«-, die wir nicht-»- Anderes verlang
ten, tein höheres Lebensziel hatten,
als unsere Tochter glücklich zu sehen.
Und nun zu wissen, daß sie unglück
lich ist.«
»Es sollte mir doch ein Trost sein,
schluchzte die Mutter, »wenn sie allein
unglücklich wäre, oder wenn ich sagen
könnte: sie ist in schlechte Hände gefal
len, ihr Mann ist ihrer unwerth.
Aber so ist es nicht« Dastlnaliict
scheint mit eher von ihrer, als von
seiner Seite zu kommen.«
»Was. unsere Tochter soll schuld
sein?«
»Wenn sie es ist, die Ohrfeigen
auSLJeilt.«
»qu -—« ——
»Und ich muß sagen,« fuhr die
Mutter fort, mit der Schürze die
Thränen trocknend, »daß Karl noch
sehr viel Geduld zeigte, indem er den
Seht-an nicht zurückanb.«
»Das ist auch wahr.«
»Was können wir thun? Was
»thun?« srug die verzweifelte Mutter
weiter.
»Nichts als abwarten, Ofrau,nicl)ts
als abwarten«
Seit diesen Tagen lebten die beiden
guten alten Leute in fortwährender
Angst vor der ihnen unvermeidlich er
scheinenden Ehescheidung, denn, wie
die treue Marie berichtete, die Strei
’tereien wiederholten sich immer noch
» täglich.
Wer das junge Paar in Gesellschaft
sah, konnte nicht vermuthen, was sich
zu Hause hinter verschlossenen Thüren
ahspielte. Meisterlich wußten sie den
Schein eine-Z glücklichen Ehepaares
beizubehalten
Das Schlimmste war, daß die bei
den Eltern ihren Verdruß, ihre
Unruhe verbergen mußten und ge
zwungen waren, den Kindern ein la
chendes Gesicht zu zeigen. Dazu kam,
daß in wenigen Wochen ihrer Ehe
erster Tag zum 25. Male wieder
tehrte. Das Fest der silbernen Hoch
zeit mußte gefeiert werden. Es ging
nicht anders.
Der-Tag des Festes war gekommen
Während die Gäste dem Jubelpaare
ihre Glückwiinsche darbrachsten, wech
selten Frau Müller und ihr Mann
vielsagende Blicke. Das Herz wurde
ihnen noch schwerer. als sie hörten,
daß Karl und Luise eine Duvszene
aufführen wollten«
Eine Komödie, hinter der sich ein
Drama verbarg.
Die Gäste hatien Platz genommen.
Daz die Sielle eines Borhanges ein
nehmende Tuch ging hoch und die bei
den jungen Eheleute traten auf und
spielten.
Doch was war das?————
»Nein, Luise, das sollst Du
nicht!«
»Ich will aber!« —
»Du verweigerst mir den Gehor
,,Nimm Dich in acht, sage ich Dir!«
Frau Müller lauschte athemlos.
»L, bester Mann!« flüsterte sie,
ihrem Gatten die Hand drückend.
»Was ist, Frauchen?«
»O Himmel! —- soll es —- ich
glaube —- hör!« —
Und-das Gespräch auf der Bühne
ging fort:
irLuifes ich ——«·—«
»Was-N Du bebst die Hand gegen
mich? Da!« Patsch.
»Eine Ohrfeige? Das ist stark.
Sapperlot!« «
Die Zuschauer klatschien stürmisch
Beifall. Und ein lautes-, helles La
chen brach über die Lippen der Frau
Müller. Jhr ging ein Licht auf.
Das ihr in so- schmerzlicher Erinne
runa gebliebene Gespräch war ein:
Aufsaaen der Rollen gewesen. ’
»O, was war ich dumm, uns Bei
den so viel Sorae und Leid zu ma
d)en!« sagte sie, sich zu ihrem Manne
beugend. ,,DieKinder dürfen es nicht
wissen. Wie würden sie mich aus
lachen.«
Zwei Schirme.
Eine Professoren - Geschichte . Von
Hans B«ourquin.
Auch zwei sSchirme schützen vors
Nässe nicht, erzählte ProfessoA
Freundlich, der gern seine kleinen
Schwächen ironisirte. Wie mir’s ging!
Muß ich da eines Tages nach Im
inerding fahren und nehme, da es
nach Regen aussieht, meinen Schirm
mit. Jin Coupee bringe ich ihn sicher
auf dem Regal unter. Unser Dienst
mädchen trägt einiges Handgepäck mit
und legt es dazu. Ich sehe mich auch
nicht genau danach um, weiß ich doch,
daß die sorgsaine Male gewiß das
Nöthige besorgt haben wird.
Jn derZivischenstation Mundelfina
giebt es ein gutes Glas Bier und da
der Aufenthalt sich gemiithlich aug
dehnt4 steige ich aus-, denn mein
Schirm, den ich herunterhole, kann
mich gegen den Regen, der jetzt wirk
lich reichlich fällt, schützen Wie ich
nun mein Maß behaglich schlürfe,
kommt mir der Griff meines Schir
mes so verdächtig vor. Er erscheint
nämlich rund und ich glaube mich
doch darauf zu besinnen, das; ich inei
nen neuen Schirm mit dein eckigen
Griff mitgenommen habe Jch sehe
inik das Exemplar näher an: bekannt
kommt es mir vor, aber ich denke,
wenn das auch mein alter Schirm
mit dem runden Griff wäre, kann er
doch unmöglich hierher kommen,
wenn ich ihn nicht mitgenommen habe!
Ergo ist ei- nicht der meine. Er
stammt gewiß von einem Reisenden,
der ihn liegen gelassen hat. Mein
Coupee war im Uebrigen leer, so daß
ich den Eigenthümek nicht selbst aus
findig machen konnte. Jch thue also
meine Pflicht und gebe ihn ehrlich dem
Portier als Fiindgut ab·
Nun stiirme ich zum Wagen zurück
und da mich jetzt kein Schirm mehr
schätzt, werde ich gehörig naß dabei.
Am Ziel in Jmmerdina angekommen,
nehme ich mein Handgepäct schnell
herunter, überlege auch gar nicht, daß
nieinSchirm doch noch auf dem Regal
liegen müsse, wenn ich einen fremden
abgegeben habe, sondern denke immer
nur: Nun mußt Du ohne Schirm in
den Regen hinaus! Jsch mache denn
meine Geschäfte in Immerding a
und fahre am Abend———gehörig ein
geweicht —- nach Hause zuriick.
Male holt mich ain Bahnhof ab.
»Aber Herr Professor, sind Sie naß!«
—-— »Ja, Male, wenn man keinen
Schirm hat!« — »Aber, Herr Pro
sessor hatten doch zwei mitt«
»Zwei?« —- »Herr Professor hatten
doch den neuen Schirm selbst mitge
nommen und ich habe auch den alten
mit dem runden Griff nachgebracht
und in der Stille auf das Regal ge
legt, damit Herr Professor noch einen
Schirm hätten, koenn der eine einmal
siehen bliebe.« »Ja, das habe ich
freilich nicht gewußt, daß mein alter
auch da war, nun habe ich ihn als
Fundgut in Mundelfing abgegeben.'·
——-,,-sUnd wo ist denn dann der neue
l
i
Schirn1?« — » mußte herzlich la
chen: »Der sii rt vielleicht irgendwo
auf der Bahn herum und steht sich die
Gegend an, bis er eingesungen wird.
Als ich den alten Schirm abgegeben
! hatte, glaubte ich, jetzt überhaupt ohne
;S-chirm zu ein.« Am nächsten Tage
jfahre ich nach Mundelsing, usm meine
; Rechte geltend zu machen. ,,Ja,« sagte
sder Partien »da ist bereits Einer
sdagewesem der nach einem Schirm
! suchte. Er sagte zwar, es wäre nicht
»gerade seiner, aber er sähe ihm ähn
lich und dann hat er ihn mitgenom
men.«
Von da ging es nach Jmmerding
, und ich frage, ob ein Schirm-von mir
Habgegeben wäre, der im Couvee liegen
- geblieben sein mußte? Jmmerding ist
nämlich Endstation des Bähnchenä
so daß sich hoffen ließ, daß man dort
die Wagen des leeren Zuges nach lie
gengebliebenen Gegenständen durch
sucht hätte. ,,Jawohl,« heißt ess, »der
Schirm ist «abgegeben.« Jch zahle na
türlich mit einem Stoßseufzer ein
gutes Trinkgeld und habe nun wenig
stens den einen Schirm gerettet.
So seben Sie, schloß der liebens
würdige Erzähler, daß man auch bei
zwei Schirmen naß werden und dann
noch Unkosten haben kann.
W
Polizeihmide der Bot-zeit
» Die Anstellung von Polizeihunden
ist keineswegs erst jüngeren Datums-,
denn schon 1154 hat es solche gegeben,
sogar eine Straße shat man nach ihnen
get-auft, und bis in das Jahr 1770
hinein genossen sie bei jung und alt
das Ansehen, welches ihnen bei ihrem
wichtigen Dienst zu statten kommen
mußte. Bereits im Jahre 1154 findet
sich im Ausgabenbuche von Saint
Malo in Frankreich eine Notiz »für
die Polizeihunde«, die wie Beamte
angestellt waren und von der Stadt
Verwaltung Futter »und Unterkommen
erhielten. Ihr »Arbeitsfeld« war ein
eigenartiges. Wurden Nachts am Ha
sen die Thore geschlossen, so gab der
Nachtwächter mit feinem Messinghorn
ein Signal, welches bedeutete, dasz
nunmehk die Polizeihunde in Aktion
treten würdet-» Er ging darauf zum
Zwinger und ließ 24 Doggen frei, die
sich durch Größe und Bösartigieit be
sonders ausgezeichnet haben sollen.
Tiefen Hunden lag es ob, bei Nacht
cm Hafen urnherzustreichen, um jedes
Eindringen in die veranterten Schiffe
zu verhindern. Thatsächlich sollen
diese Urahneu der Polizeihunde denn
auch so vortrefflich ihres Amtes ge
waltet haben, daß niemals ein Dieb
stahl zu beklagen gewesen ist, und
daß man bis zum Jahre 1770 von
ihnen in den Stadtiausgaben lesen
konnte. Erst zu dieser Zeit geschah
es, das; ein junger Msarineoffizier sich
spät Abends allein zu den« Schiffen
wagte; die Hunde ftöberten ihn dabei
auf und rissen ihn in Stücke. Darauf
erst kam vom Bürgermeister der Be
fehl, die treuen Hüter der Ordnung
zu vergiften und dafiir zwei mensch
liche Beamte anzustellen.
Das Gefängniß tm Schornstein
Zwischen Leben und Tod schwebte
im Hause Friedrichsgracht 14 zuBer
lin ein 26jähriger Schornsteinfeger.
Als der Schornsteinfeger vom Dache
des Hauses, das aus sein Alter von
200 Jahren zuriicksiehh den Rauch
fang zu reinigen suchte, entglitt ihm
der Besen. Jn dem Bemühen, ihn
wieder zu erfassen, fiel er selbst in den
sich nach unten verjüngenden Schorn
stein. Jn Höhe der ersten Etage blieb
er völlig eingeteilt stecken, so daß er
weder vor- noch rückwärts konnte.
Seine Hilferufe wurden schließlich
von einem im Hause wohnenden
Schlosserineister gehört, der sofort die
Fenertoehr herbeirief, die ein großes
Loch in den Schornstein brach. Der
arme Schornsteinfeger wurde befreit.
Er war bereits bewußtlos- nnd wurde
durch Einsliiszuna von Feoanat wieder
zur Besinnung gebracht. Der Fall
erinnert an den «Stelettfnnd, der vor
einer Reihe von Jahren in einem
Schornstein des königlichen Schlosses
gemacht wurde. Ein kaum der Schule
ientwachssener Schornsteinseacrlehrling
war plötzlich verschwunden Später
fand sman in einer Eise des Schlosses
ein Stelett, und es stellte sich herang,
daß der verschlvundene Lehrling einen
Schornstein im Schlosse aekeiitiat
hatt-e und hierbei verunglückt war.
Sprüche der Lebensweishetn
Die Zeit flieht, weil sie fürchtet,
todtgeschlagen zu werden«
s- Iit P
Wer nicht bemerti, daß man ihn
ausnntzn wird von Egoisten Freund
genannt.
st- tt si
Ee gibt Menschen, die nicht schla
fen können, sivenn sie andere ruhig
schlafen sehen.«