Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 13, 1908, Sweiter Theil., Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Nebraska
Staats-Anzeiger und Il«cerold.
Jahr-wiss Lu.
Izkzps Jsi....s."-:.-;;; isx gis-; iZZZT Eis-M M)
—
Nummer 29.
Schnee irn Part.
Ich Teils so gern, wenn leicht und
schmeichelnd
Der Schnee in weichen Flocken sinkt,
Und aus-den dichtverschneiten Wegen
Jm Schweigen jeder Laut ertrinlt.
Dann siibl’ ich ganz mich hingegeben
All' dem-, was leise in mir ruht,
Dann bin ich wie ein Kind zufrieden,
Und alles Web ist wieder gut.
Dann finli wie milder Friedensseaen
Jn’s Haar der weißen Sterne Licht,
Und meine stillaeword«ne Seele
Hüllt Gott in Güte warm und dicht.
Die zwei Holzpantösfelchem
Aus dem Holländischen von Marie
Holtaciers.
Es ist Kirtneß im Dorf, und alle
sind sich einig, daß noch nie eine ähn
lich schöne stattgefunden hat. Außer
»den Herrlichkeiten, die alle Jahre zu
sehen waren, präsentirte sich diesmal
noch ein Kabarett mit einer Anzahl
von Herren und Damen, die, während
die Besucher sich an Kassee und Ku
chen gütlich thaten» allerlei hübsche
Liedek zum besten gaben. Doch das
schönste war das Zelt mit den wilden
Thieren, deren Gebrüll, manchmal
noch die schmetternden Töne einer
Trompeten - Drehorgel til-ertönend
über den ietzt so belebten Dotsplats
ballt. In den buntesten Farben sind
sie auf die Zeltwände gemalt: zwei
Tiger, ein Löwe. ein Wolf und eine
Menge Schlangen, die wie ein Tau
zusammengestellt sind.
»Und doch ist die-S das schönste noch
nicht!
Nein, das allerschönste der Kirtnesz
ist das junge-Mädchen mit dem rothen
Leibchen und dem blauen Rsckchen an
--t.t--- »P. « kt--Z -I-1 -I-4- S-— ------
HIIWIU »Geh stehn-es- svsu VII-e Vuyugkq
der sich an dem Einaang in einem
Messinareif schauselt, iiber den bunt
farbigen Kopf, während der Besitzer
mit lauter Stimme erzählt, daß sie
alle diese Thiere qeziihmt hat. Mit
seinem Stecken schlägt et aus die Lein
wand, die sie zeigt: »Sißend und rei
tend aus dem sLöroew dem König der
Thiere!«
Unter den Zuschauern, welche das
Zelt umrinaen, ist ein Schiffer, der
durch seinen riesenhaften Körperbau
nnd sein tindliches Interesse, womit
er dem Ausrufer zuhört, die Auf
merksamkeit aus sich zieht .
Ek beißt Alaas Gude, aber man
nennt ihn allgemein den auten Klaus
Und er ift auch herzensguL Weder
einem Menschen noch einem Thier
lann er Böses antbun. und von seiner
Kraft Gebrauch oder besser Mise
brauch zu machen, um einem anderen
Schweigen zu gebieten oder seinen
eigenen Willen durchzusehen... nein,
das thut er auch nicht. am allerwe
nigsten aber aeaeniiber seinem tleinen,
lieben Frauchem seinem Trudchen.
Nicht, daß er unter sdem Paatosfel
stand. nein, weil er sie so sehr lieb
batie.
«Donnertvetter!« sagten »das muß
ich mir heute Abend einmal an
schauen. Das muß ich sehen, daß so
ein kleines, zartes Ding das ich auf
meiner einen Hand halten kann, all
die Löwen und Tiaek meistert, das
ist der Mühe werth«
»Gut so,« saat der Wirth. der auch
einmal einen Blick hineingeworfen hat
und es nach nicht verwinden lann, daß
Klaus seit seiner Berbeirathung nicht
mehr zu seinen Gästen zählt »aber
dann muß Trudchen es erst erlauben.«
»Selbstverständ1ich,« antwortete
Klaas mit autmiithigem Lächeln.
»wenn Trudchen nicht will, bleibe ich
daheim.«
Selbstverständlich« wiederholt det
andere spöttisch; »und wenn du zu
hause bleiben mußt, kannst du dich
schadlos halten und in den Spiegel
schauen, dann siehst du auch einen
Löwen« der durch so eine kleine, zier
liche Puppe an der Nase geführt
wird. Nein, nun darssi du nicht böse
werden du bist der einzige nicht. Un
ser Biir reiermeisiee ifi ein Riefenierl
und se ne Feau nur so ein bleich
näsiges Sind ".inchen Und wer von
beiden hat ie Hosen ans« Klaus
schiebt seine Mühe etwas nach hinten.
»Das weiß ich nicht« Aber es ge
schieht alles aus reiner Guiniiiihig
ieit und Liebe.«
-,,Ja, das ienn’ ich Leben. Gui
miithigieii und Liebe, die iteiö von
einer Seite nur iommen. Ich giaube
nicht, daß ich dich heute Abend zu
sehen bekomme. Du siehst unter dem
VII-gefiel, Mensch! Damit basia nnd
komm heut Abend doch!« rusi
ihm caaö energisch nach undichiiigi
naesdenilich denWea ein nach dem
Leim-L wo sein Schisschen lieat. Es
Mit ihm wohl« daß der Wind, dei
h
etwas stärker weht, ihm in’S Gesicht
blast. denn seine- Wangen glühen, und
er ist sest ents lassen, zu zeigen, daß·
er nicht unter «em sKommndo seiner
Frau steht.
Er schreitet über die Planke und
verschwindet in der Kajiite.
Was siir ein bliydlankes, freund
liches-Kämmerchen! Und wie geschickt
ist der kleine lRaum ausgenutzt skein
Fleckchen ist undenußt geblieben! Vor
den beiden Fensterchen hängen wahr
hastig schneeweiße Gardinchen, und
das Eckschriinkchen ist so niedlich, als
wäre es aus einem Puppenzimmerge
kommen. Und zwischen all dem zier
lichenHausrath sieht die slinke Trudel
wie eine Riesen aus. Sie kann hier
lund da noch aufrecht stehen, aber
Klaas nicht. Er muß sich stets blicken.
Vielleicht kommt es dadurch, daß er
sich immer vor Trudels Willen beugt.
Doch Klaas hat ietzt andere Gedanken
im Kopf, und in seiner Zerstreutheit
mirster einen Stuhl um, wodurch der
Kleine geweckt wird und ein jämmer:
liebes Geheul anstimmt.
«Trudel trachtet den kleinen Mann
zu beruhiacn »Jetzt thust du’s schon
wiedet,« szat sie, »kannst du nicht
besser auspassen? Es sieht so aus, als
ob du dies mit Fleiß thust.«
Der gute Klaus, der mit gesenktem
Haupte steht und sich aufrichten will.
stößt sich den Kopf an der Decke an
und senkt ihn noch tieser als gewöhn
lich. Er möchte gern Trudel sagen,
daß er heute Abend nach der Menage
rie gehen will, um das Fräulein auf
einem Löwen reiten zu sehen, und ver
stört sucht er die Kraft, die ihm jeßt
schon Trudel gegenüber zu schwinden
beginnt.
»Trud!" sagt er mit gesenktem
haupt, »du tyrannisrrst mich immer.
Du willst stets recht haben. Jmmer
Gutmüthigkeit und Liebe, siehst du,
aber die können auch zu weit gehen.
Jch lasse mich nicht länger leiten wie
ern umo am wangeloanoe, norn out
Dae Frauchen hat den Meinen aus
den Schooß genommen, um ihn trocken
zu legen, und jetzt hiilt sie beide Enden
in den Händen, ohne sie zu einem
Knoten zu schlingen. So hat sie Klang
noch niemals reden hören, und sie
sieht ihn an, um zu untersuchen, ob es
ihm ernst ist, oder ob er Spaß macht.
Nein, er meint es in vollem Ernst, und
wie sie noch wider-spricht, schlägt er
mit der Faust aus den Tisch. Einige
Augenblicke herrscht Stille, denn sie
überlegt, was sie in diesem neuen Fall
zu thun hat, und sie hört den Wind,
der stets stärter bläst, durch die Taue
pseisen, während das Segel, das an
Dect zum Trocknen ausgehängt ist, mit
Gewalt gegen den Mast schlägt. Die
Lust verfinstert sich.
Sie versucht es mit Sanftmuth,
mit Härte, schließlich mit Gleichgiltig
leit. »Geh’ du zur Kikmeß,« sagt sie
mit trauriger Stimme, «geh’ du zu
dem Fräulein, das aus einem Löwen
reitet und den Tiger Pfötchen geben
läßt und lasse mich nur hier allein mit
meinem Jungen. Es stürmt wohl,
und man weiß nie, was passiren kann,
aber geh nur! Mir ist es ganz gleich
giltig, geh’ nur!'«
Die Freude ist Klaus schon verdor
ben, aber er will nicht nachgeben.
»Jetzt muß ich sest bleiben.« denlt er,
Jetzt gilt es, zu zeigen, daß ich nicht
unter dem Pantossel stehe. Morgen
werde ich es schon wieder gutmachen."
Als es Abend ist, geht Klaus nach
der Kirmeß in’s Dorf. Doch ebenso
wie die Planke, die er überschreitet,
schwantt und wanlt auch sein Ent
schluß. denn das kann er nicht gut
vertragen, daß sein Trudchen ihm,
ohne ein Wort zu sprechen, mit Thra
nen in den Augen nachschaut. Nein,
zuriick will er nicht; das wäre kindisch.
Ja, es thut ihm leid, daß er ihr Ver
druß macht. Morgen wird er ihr ei
nen Kuchen geben, einen großen, und
er wird einen tausen, aus dem ste ht:
Aus Liebe
Zwei Stunden später geht Trudchen
einmal nach oben. um zu sehen, ob
Klaus noch nicht zurückkam-it Sie
sann es nicht länger aushalten unten,
und sie späht und horcht, ob sie seine
Schritte nicht hört aus dem stillen
Pfad Nein, alles bleibt still. Bei
dem röthlichen Schein des erleuchteten
Dorfes, der von rasch ziehenden Wol
len widergespiegelt wird, sieht sie zwei
Männer ankommen.
»Guten Abend, Mütterchen. haben
Sie schon von dem Unglück gehört?«
»Von einem Unglück«, sragt sie ganz
erschrocken. ,.Mann, was ist denn da
passirt?«
»Ich dachte, daß Sie es schon wis
sen, weil Sie so nach dem Dorfe
schauen. - Von der Menagerie ist ein
Siiiet vorn Dach umgeweht, und der
Löwe, der das junge Mädchen aus dem
Riicken herumtrug, erschracl dadurch
so, daß er es abwars. Dann sprang
er zwischen die-Zuschauer und hat ei
nige ordentlich gebissen.«
Trudchen ist schon iiber das Brett.
Sie hat ihre Holzpantosseln abgestreift
und saßt den Sprecher am Arm.
»Sind Sie dabei gewesen? haben
Sie meinen Mann nicht gesehen, so
einen großen Mann mit einem gutmü
thigen Gesicht. Ein blaues Halstuch
um und eine schwarze Mütze aus dem
Kopf.«
»Ja, den habe ich gesehen. Er saß
gerade aus dem Platz, wo das Thier
zuerst hinsprang.«
Trudchen ist in Strümper schon
ein Stück Weges nach dem Dorf zu.
Es war richtig, aber der Erzähler
hatte den Fall ein wenig übertrieben;
denn als die Bretter im Zirtus her
unter sielen, war das wüthende Thier
wohl gegen das Gitter gesprungen,
und das Publikum in der vordersten
Reihe hatte ein schreckliches Geschrei
ausgestoßen. Aber der Löwe war in
den abgeschlossenen Raum zurückgesal
len, um dann regelrecht auf seine Rei
terin loszugehen, die halb bewußtlos
im Sande lag. Klaas hatte sie geret
tei. Gewandt wie eine Katze kletterte
er mit ihr über das Gitter, und ebenso
gewandt machte er sich aus dem
Staube, um den Glückwiinschen seiner
Bewunderer zu entgehen.
Was wird Trudchen sroh sein, daß
er doch gegangen ist. Es war eine Be
stimmung.
Mit leisem Tritt läuft er über das
Verbindungsbrett. Vorsichtig össnet er
die Lute und späht hinein. Was ist
das? Trudchen ist nicht da. Trudchen
ist weg!
Er läust nach dem Vorderschiss,
und er strauchelt über ——— Trudchens
Holzpantosselm die bei dem Lausbrett
stehen.
- s-« P-- e mä
Oclll Herz zleyl Illy zusamt-tun
Kein Zweifel mehr. Trudchen ist . . .
aber der Gedanke macht ihn schaudern.
Mit ihren Pantoffelchen in der Hand
starrt er auf das dunlle Wasser. «
»Weil sie dachte, daß ich sie nicht
mehr liebhätte, weil ich grob gegen sie
gewesen bin,« schluchzte er, »o, Trad
chen! Meine gute, liebe, beste Frau!«
Und mit der Faust schlägt er sich vor
den Kopf. »Dachtest du vielleicht, daß
ich mich durch so eine Zirtusdame
hätte betbören lassen? Trudchen,
Trudchen!«
Aber wer fliegt denn da am Weg
entlang, wer schlägt die Arme um sei-6
nen Hals und schluchzt an seiner
Brust? -—— Sein Trudchen! (
,,Klaas!« lacht sie durch ihre Thrä:
nen. »Bist du verwundet, bist du nicht
todt?«' !
Er hebt sie auf, und dann flüstert!
er ihr zu: »Das war einmal und fier
immer. Jch habe nur zeigen wollen,j
daß ich nicht unter dem Pantoffeli
stehe. Es ist mit uns gegangen ebenso
wie mit dem Fräulein und dem Lö
wen« der sich gegen sie auflehnte. Aber
alles ist wieder in Ordnung. Laß von
jetzt ab immer wieder nur Gutmüthig
teit und Liebe zwischen uns sein!«
Verirrt.
Langsam, schwerfällig, Schritt siir
Schritt »treckt" durch sonndurchgliihte
siidwestasritanische Steppe eine Pro
viantlolonne der deutschen Schutz
truppe. Vor einigen Wochen von ih
rer Etappe aufgebrochen, nähert sie sich
jeßt ihrem Ziel, den Truppen in der
Front, diese mit dem fo nöthigen und
doch immer so tnappen Proviant zsi
versehen. Immerhin sind aber noch
einige Tagemärsche zurückzulegen, nnd
da, je mehr man sich der Frontlinie
nähert, desto großer die Gefahr eine-H
Ueberfalles seitens des Gegners steigt,s
Ho herrscht vei der kleinen Spitze oer
Kolonne gespanntefte Aufmerksamleit.
Den Tropenhut etwas ins Genick ge
schoben, damit er den freien Ausblick
und das Gehör nicht behindert, die
Hand arn Gewehrfchuh, weit auseinan
det gezogen, fo geht’s langsam vor
wärts. Jn einiger Entfernung folgen
die Wagen. Jeder bespannt mit 24
Ochfen. Schwer legen sich diefe inH
Joch, um die Last vorwärts zu brin
gen« ermuntert durch die geltenden Zu
rufe der Treiben »Work, Osse, work
Leutlvein, Deimling, Liitnant« usw
fo tönt’s durch die Oede. Pfeifend
und llatfchend fallen die langen Peit
fckken auf die breitenRücten du«-Thiere
De Räder kreifchen und ächzen, die
Wagen rucnpeln über die gindernissh
fallen in die Löcher in der » att«, aber
ohne Schaden geht's ab. Zwischen
den einzelnen Wagen marschiren die
Bedeckungsrnannfchaftem abgefpannt,
müde, ohne Unterhaltung Jm Munde
die Pfeife rnit Plattentabak. So
geht's nun schon tage-, wochenlang in
gleicher Monotonie. Unentwegt be
scheint mit heißen Strahlen der Son
nenball dieiMenfchem ·dieTh-iere, die
Steppe. Ab und zu blin wohl der
Gedanke durchs Hirn: ,,Sind wir
denn noch nicht bald angelangt?« Man
hebt den Kopf, schaut nach vorn, um
dann wieder in die alte Stellung, den
alten Trott zu fallen
Da ertönen von vorn Konrmandos.
Jeder denkt, seufzt: »Endlich.«
Die Wasserstelle ist erreicht. Die
Wagen fahren nebeneinander aus, die
Thiere werden ausgeschirrtx brüllend
machen sie ihren gequälten Herzen
Luft. Sie drängen nach dem Wasser-;
aber dort steht schon die Spitze und
wehrt ihnen ab, bis die Menschen den
Durst gelöfcht und Kochwasser ge
schöpft haben. Dann kommen die
»Beefter« an die Reihe. Von den
Schwarzen werden sie daran abseits
auf die Weide getrieben. Die Posten
sind ausgestellt.
»Proviant empfangen!« Der Ruf
ertönt: langsam kommen ihm die
Mannschaften nach. Wissen sie doch
ganz genau, was es gibt. Eine Hand
voll Reis, ein Stück Corned Beef oder
ranzigen Speck. Das hai’s jaschon
wochenlang gegeben. Wenn man dran
denkt, wiirgt’s einen in der Kehle. Die
Nationen sind empfangen, die Feuer
chen flackern aus, in den Kochgeschirren
brodelt’s. Allmählich kommt etwas
Unterhaltung in die Gesellschaft Aber
nur langsam und schwerfällig, wie der
Schritt der Ochsen, wie der ganze
»Treck«. Bei unserm Feuerchen spre
chen wir darüber, wie schön es wäre,
wenn wir mal einen Bock schießen
könnten. Bei dem Gedanken an das
schöne, frische, saftige Fleisch läuft uns
das Wasser im Munde zusammen.
Dann nehmen wir die Kochgeschirre
vom Feuer und löfseln apathifch un
ser Essen. Wie’s schmeckt, ob gut, oder
schlecht, wir merken’s gar nicht. Wir
Leuten aLsrisLes Fleisch, einen guten
—k-l-.!
Etuslls Utc JLIUVIJIIL III- Uccllucsy Ulc
Feuer gelöscht und alles, mit Ausnah
me der Posten, darf sich der wohlver
dienten Ruhe hingeben. Reis, Speck,
Bock-raten sind vergessen. Wir ruhen
aus Fels und Dorn in Morpheus' Ar
men. —
Nur einer nicht. Von unserer
Gruppe. Er liegt und sinnt darüber
nach, wie schön es doch wäre, wenn es
ihm gelänge, einen Springbock, oder
. wenn’s auch nur ein Klippbock wäre,
Izu erlegen. Er richtet sich aus. Aber
«—— »das Jagen ist verboten; wir müs
sen unsere Patronen siir unvorherge
sehene Fälle aufsparen!« Er legt sich
wieder nieder. Doch der Gedanke läßt
ihn nicht los. »Ach, wie wird sich
solles freuen, lommt man mit schöner
Beute heim.« Vorsichtig luat er um
her; alles schläft fest und ruhig. Lang
sam nimmt er sein Gewehr und Pa
tronengurt und schlägt sich seitwärts
in die Dornen. Niemand hat’s ge
sehen. Nur Frau Sonne. Sie er
zählt nichts.
Nach einigen Stunden ist bei uns
wieder alles aus den Beinen. Die
Thiere werden nochmals getränkt,sw-ir
reiniaen unsereGewehre und putzen die
Pferde. Die Wagen werden nach et
waigen Schaden untersucht. Arbeit
in Hülle und Fülle. »Weißt du, wo
der Geseeite H. ist?« —- ,.Nein.« Die
Arbeit geht weiter. Wir kochen Kai
see. Da sällt’s uns erst auf, daß H.
fehlt. Einer von ung geht zn sämmt
lichen Wagen. H. ist nicht dort. Da
hat-»auch ein Kamerad entdeckt, daß
das Gewehr und der Patronengurt
fehlen. Jetzt wissen wir, daß er auf
die Jagd gegangen ist. Wir melden
aber nichts; er wird schon wiederkom
men.
Die Sonne sinkt allmählich tiefer.
Wenn sich zwei von unserer Gruppe
treffen, sehen sie sich unruhig an, ohne
ein Wort zu sprechen. Endlich spricht
einer das erlösende Wort und geht
zum suqccuuru Druck-usu, urc wem-r zu
melden. Sofort werden einige Pa
trouillen entsendet zum Suchen.
Eine Stunde snach der andern ver
geht, eine Patrouille nach der andern;
kehrt zurück. Aber teine bringt denJ
Kameraden. Signolschüfse werdeni
abgegeben. Sie bleiben unbeunttvorT
tet. Auf der »Patt" entzünden wir
ein mächtiges Feuer. Weithin muß
der Schein leuchten. Die Stunde des
weiten »Trecls« ist da. Der Führer
schiebt auf. Die Ochsen freuen sich.
Auf uns liegt ein Druck. Eine un
tuhige Nacht geht hin, der Morgen
bricht an. Nochrnals gehen Wattmül
len ab. Kein Erfolg. Langsam, zöd
gernd, gibt der Führer den Befehl
zum Einspannen, langsam, zögernd,
wird cr ausgeführt Aber wir müssen
weiter. Jede Heliographenstation hat
uns mitgetheilt, daß tvir sehnsüchtig
erwartet werden. Alles ist bereit.
»Anfahren!«
Gellend tönen die Schreie der Kap
bohs, tlatschend fallen die Peitschen
nieder. Alles wie vordem. Nur die
ächzenden, stöhnenden Räder singen
uns ein Lied, das nur wir verstehen.
Immer wieder, immer wieder ein lan
ger Blick zurück. Vergebens. Glü
hend steht die Sonne am Firmament.
....Ueber Klippen und Felsgeröll
piirfcht langsam durch die Dornen ein
deutscher Reiter. Schon einige Male
war ihm ein Bock in der Nähe gewe
sen, immer aber nicht schußgerecht.
Aber er läßt die Hoffnung nicht sin
ken. Ab und zu ein Schluck Wasser
aus der Flasche, dann weiter. Jetzt
hat er einen tapitalen Springbock auf
dein Visier. Einmal schon entwischte
er ihm. als er ihn schon sicher zu ha
ben wähnte. Jetzt piirscht er in der
Richtung der Flucht dem Burschen
nach. Ab und zu ein vorsichtiges Um
heräugen Die Zeit verrinnt. Er
achtet nicht darauf. Und richtig er
hat Glück. Durchs Glas entdeckt er
auf einer Anhöbe, allerdings ziemlich
entfernt, das Wild. Zum zweiten
rnale beschleicht er ihn. Er sieht nicht,
das-. die Sonne tiefer und tiefer sinkt,
er sieht nur das Wild, das ruhig. als
gäbe es keine Feinde, keine Menschen,
grast. Auf Händen und Knien ist der
Jäger näher gekommen. Nun liegt er
ganz nahe. MäuschenstilL Zum
Schuß kann er noch nicht kommen, aber
weiter darf er auch nicht. Er wartet.
Endlich wechselt das Thier die Stel
»luna. Vorsichtigs beben zwei Hände
die todbringendeWafie. Ruhe! Die
Zähne zusammengebissem ein vorsich
tiges, tut-es Zielen im schlechten Büch
senlicht, ein Knall —- im Dampf liegt
der Bock.
Mit einem Juhschrei springt der
Jäger hoch.
Schnell iit weidgerecht das famose
Gebörn gelöst Den ganzen Bock kann
er nun leider nicht mitnehmen. So
schneidet er die saitigsten Stücke ber
aus. die er aui einen mitgebrachten
Ochsenriemen zieht. »Hab, wie die
anw-I«ss-n Fr- Z sssss so Umriss-us«
Nun wird’s aber auch Zeit zur Um
kehr Wie tief die Sonne schon steht.
Es wird gleich finster sein. Ein klei
ner Schreck durchsährt ihn. Wo lam
er doch h»e·r?, Dort- an dem Felsen
voriiber? Min. dort nicht. Aber hier
zwischen den Dornen muß er durchge
tommen sein. Aber nein. Hier kam
er auch nicht. Was thun? Spuren
kann er nicht finden; es ist schon bei
nahe finster. Das Gewehr in der
Hand, das Fleisch auf dem Riicken, so
tritt er seinen Marsch über die Klip
ven an. Aber ist er aus dem richtigen
Weges Laufchend« spähend steht er
still. Nichts zu sehen, kein Laut zu
hören. Weiter. sWarum ging er
auch fort? Er ftolpert iiber Klippen,
er reißt sich Gesicht und Hände an den
Dornen entzwei. Aber eine bekannte
Stelle im Gelände findet er nicht.
Schließlich gibt er das Wandern in der
Finsterniß auf. Es ist ja zweckkos.
Erst mal schlafen. Er ist ja so müde.
Oder, wenn die Kolonne weiter treckt?
Hat er nur erst die ,,Pait«, dann fin
det er die Kolonne auch.
So schläft er ein. Heitere Traum
bilder umgauteln ihn.
Nach einigen Stunden erwacht er.
Wie ist ihm denn? Ach ja,er ist ja nicht
zu Hause, sondern allein in öder erfri
kanifcher Steppe. Schnell springt er
aus. Die Sonne erscheint am Firma
n!ent· Wohin? Halt, sind dort nicht
Spuren? Ja, gewiß doch; also vor
»nsärts. Unbewußt wandert er müh
ssam denselben Weg zurück, den er ge
Jsiern gekommen. Nach zwei Stunden
that er die Stelle erreicht, da er den
Bock erlegte, über dessen Reste sich schon
Schatale hergemacht haben. Er steht
wie gebannt. Langsam, langsam
taucht in seinem Gehirn ein Wort aus,
das ihn mit wilder Gebärde angrinst·
»Verirrt«. Jhm wanlen die Kniee.
Er setzt sich nieder und sinnt. Wie
der sucht er dann nach Spuren. Aber
er sindet keine, außer denen, die er so
eben und gestern Nacht hinterließ. Vor
Aufregung flimmern ihm schließlich
die Augen.
Und wieder tritt er den Marsch an
—- diesmal in entgegenaesetzter Rich
tung. Das Gehörn und Fleisch hat er
liegen lassen. Nur ein kleines Stück
chen Fleisch steckte er ein als Wegzelp
rang. Unbarmherzig brennt die Son
ne nieder. Ein Zittern geht durch sei
nen ganzen Körper, aber er wagt nicht
Halt zu machen. Vorwärts, vorwärts
mit stieren Augen, mit trockener Kehle.
Kein Wasser, nicht einen Tropfen.
Pseifend gebt der Athem. »Da-unber
ziger Gott habe einEinsehen.« Schließ
lich bricht er zufammen. Angstvoll ir
ren die Augen Umher. Dann fällt er
ermattet in den Schlaf —- Ein Bellen
weckt ihn. Ach, hätte er doch weiter
zscltlafen können, um nicht mehr zu er
wachen. Um ihn ist’s sinstere Nacht.
Die Schatale umschleichen ihn, der
Beute harrend. Mit letzter Anstren
gung springt er auf und flieht von
dannen. Jn das Bellen der etelhaften
Schatale mischt sich ein heiseres La
chen. Das Lachen eines Wabnsinni
gen. Da — was ist das. Er bleibt
stehen. Welcher Geruch. Er kennt
ihn genau von seinem Feldleben her.
Es ist der Gestank von trepirtcn Och
sen, wie sie zu Hunderten in der Nabe
der ,,Patt« der deutschen Kolonne zu
finden sind. Wie oft hat er und seine
Kameraden diesen Geruch verflucht,
jetzt saugt er ihn mitWohlbehagen auf.
Dann stürzt er vor. Nicht weit. Eine
Lichtung Ein Schrei. Die ,,Patt«..
Auf unserm Marsche begegnet uns
eine zurückgehende Krankenkolonnr.
Wir liegen mit ihr zusammen an einer
Wasserstelle und erzählen den Kamera
den unser Ungliick und melden den Ka
meraden als ,,ver1nißt«. Am nächsten
Morgen in aller Frühe trennen wir
uns. Wir nach Norden. sie nach Sü
den. Und an der vonuns verlassenen
Wasserstelle finden sie einen ohnmä -
tigen deutschen Soldaten. Vorsichtg
wird er von den Aerzten behandelt
Er kommt auch zu sich. Aber kein Er
inneru, kein Verständnisz blitzt aus
seinen Auaen. Wochenlang laa er im
Lazarekfix dann endlich trat eine Am
derung ein.
Und wieder nach Wochen saß ich an
seinem Bett und hörte die Geschichte
seiner Leiden
Vom Leben nach dem Tode.
Jst im Kon oder in den Glied
maßen der Entbaupteten nach der
Hinrichtung noch Leben vorhanden-?
Diese viel erörterte Frage ist —- so
lesen iwir im ,,Petit Blen« —- nach
den Versuchen des Doktors Kuliabko,
Professor der Physiologie an der Uni
versität Tomst nun zu beantworten-.
Seine an Fisch-en gemachten Ver-suche
Haben gezeigt, daß bei diesen Thieren
der Kopf noch lange nach derLostrew
nung vom Rumpfe weiter lebt. Ku
liabkcs hat z. B. eine Lamprete in zwei
Theile geschnitten; den einen Theil
l:il-deten der Kopf und das Herz, den
andern der übrige Körper mit dem
Schwanz. Nach einigen krampfhaf
ten Bewegungen blieben beide Theile
scheinbar leblos liegen und wurden
in diesem Zustand ein-e oder zwei
Stunden lang belassen. Dann spritzte
man in das Herz und in die Blut
gesäsze ein aus Salzen zusammenge
setzteg künstliches Serum ein. Was
sich nun ereignete, war wahrhaft
merkwürdig: der Kopf und der Theil
dei- thmpses, der noch an ihm hing.
begannen von neuem zu leben und sich
Zu bewegen. Als man dann an sdie
Wände des Heozens eine selbstthätige
Auszeichnungsvorrichtung von Ma
ren legte, zeigten sich aus dem Papier
genau dieselben Linien, wie sie durch
die Herzmust-elz2usammenziehung- ei
nes lebendigen und ganzen Fisches
bewirkt werden. Zuletzt begannen
auch die Kiemen zu arbeiten, sich zu
heben und sich zu senken, ganz so wie
bei den Fischen, die noch im Wasser
leben. Hatte man ivor sder Einspritz
unsg den Schädel des Fisches gespal
ten, so daß das Hirn freigelegt wur
de, so konnte man feststellen, daß auch
dieses wieder alle Anzeichen des Le
bens darbot. Hielt msan mit der Ein
spritzuna sein, so starb der Fisch ein
zweites Mal. Das Herz kann msan
tagelang schlagen lassen, wenn ihm
immer Serum zugeführt wird. Das
selbe geschieht mit allen anderen Or
ganen, mit Ausnahme des Hirns,
dessen ,.neues Leben-« nicht länger
als zwei oder drei Stunden dauert.
— Man erinnert sich vielleicht, daß
Pros. Kuliabto seine Beobachtungen,
die ietzt an höher stehenden Thieren
wiederholt werden sollen, schon auf
dem PbitsioloaendKongreß in Heidel
berg mitgetheilt hat.
Frommen-L
»Hier, meine ITheure,« sagte der
Gatte, »sind 8507 die ich qesrernizlljend
im Kartenspiel gewann. Du kannst
Dir dasiir dasKleid tausen, welch-es
Du schon lange haben wolltest-" Zö
gernd nahm die aewsissenhasie Gattin
den Mammon entgegen, dann sprach
sie ernsten Ton-eis: «Mich schinderi’s
bei dem Gedanken, daf: ich aus solche
Weise erworbene-is Geld fiir mich ver
wenden soll. Herren versprich mir
hoch und then-er, daß Du, nachdem
Du genug dazu gewonnen dast. um
mir den zum neuen Kleide gehörigen
Hut zu tausen, niemals mehr eine
Karie anrühren wirsL Jas- möchte
nicht um diie Welt einen Mann be
sitzen, welcher der Leidenschaft des
Spielens sköhnt.«
———--.
Ein weil-leihet Professor in Japan.
lDie japanische Regierung hat
Fräulein Tada Urata zum Professor
,,honoris causa« ernannt. Die Dame
bat vor einigen Jahren in Marburg
den medizinischen Doktorgrad erwor
ben als erste sInpanerin die in
Deutschland Medizin stndirie· Nun
ist ihr wegen ihrer ungewöhnlichen
Tüchtigkeit diese seltene Ohrring zu
theil geworden-.v «
s