Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 13, 1908, Sweiter Theil., Image 14

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    Auf falschem Boden;
Roman von H. Contthsssahlev
« - .- d
v W
(6. FortsesungJ
7.Kapitel.
Die Familie Boßneck faß beim
Morgenkasfee. Das Fami!cenober
haupt, herr Ernst Boßnech war em
mittels-rohen swohlbeleibter Mann
mit einem etwas gedunsenen rothen
- Gesicht und einer mächtigen Glase,
die von einein kärglichen Streifen
grauer Dante umgeben war. Ein
kurzer graner Bellt-irrt umgab den
unteren Gesichtstheil und verbarg den
unangenehmen Zug, der die dicken
Lippen umspieitr. Boßneck bot einen
wenig erfreulichen Anblick, trotzdem
fein Gesicht eine gewisse Aehnlichkeit
mit seinem Sahn verrieth. Es lotnmt
ja vor. daß grunidhößliche und bild
fchöne Menschen Familienähnlickkleii
haben. Vielleicht hatte der alte Hierr
in seinen jungen Jahren noch mehr
von dieser Aehnlichkeit besessen. Vor
handen war sie jedenfalls. , »
Er sah mit seinen kalten, stechen-»
den Augen zuweilen ungeduldig übers
seinen Kneifet hinweg nack, der Thür.
Die Zeitung, dieer in den Händen
hielt, schien seineAufmertsamteiinicht
ganz zu fesseln. Der Ausdruck, ge
paart aus areneenloser Selbsigefäb
ligleit und mürrischer Bissigkeit, wel
chersosnst auf seinem Gesicht laa hatte
einer ärgerlichen Ungeduld Platz ge
machi.
Seine Frau und seine Tochter, beide
schon mit der hälelarbeit in den rast
losen Händen, saßen ihm stumm ge
genüber und tranken in kurzen Zwi
schenraumen ihre leßte Tasse Kaffer.
Gesprochen wurde nie ein Wort. da
der hausherr am Kaffeetifch seine
Zeitung und die angelangte Post zu
leseu pflegte.
Heute mußte er etwas länger als
sonst auf feine Briefe warten, und
das genügte schon, ihn zu verstim
men. Schließlich konnte er sich nicht
mehr halten, feine Hand sauste wü
thend aqun Tisch herab, so daß die
beiden Frauen erschrocken zufammen
hren.
»Zum Henker. wo bleibt denn heute
die Posti« schrie er sie an.
Seine Frau erhob sich sofort. um
vom Fenster aus Umschau nach dem
Poftboten zu halten. I,Er kommt so
eben« sagte sie dann turz und sehte
sich wieder hin.
Gleich darauf brachte ein Dienst
mädchen die Poftsachen herein und
legte sie vor ihrem herrn auf den
Tisch
Boßneck faltete seine Zeitung zu
sammen und warf sie auf den Tisch.
Dann rückte er feinen Kneifer fester
und fah die Briefe durch. Geschäft
liehe Mittheilungen legte er nach der
Lektiire bei Seite. Eine Berlobungs
anzeige warf et, ohne ein Wort zu sa
gen, feiner Frau zu, ebenso die Of
ferte einer Konfervenfabrit für den
Haushalt
Zuletzt nahm er einen Brief zur
Hgnd, der feines Sohnes Handschrift
trug. Er öffnete ihn genau fo ruhig
und gefrhäftsrniißig wie die anderen,
und entfaltete ihn. Beim Lesen iam
indessen Leben in fein Gesicht. Es
röthete sich beängstigend, und die
Stirn zog sich finster zufammen. Die
Augen bohrten sich fast hinein in das
Papier, und ein Grimm ohnegleichen
prägte sieh in feinen Zügen aus.
. M einer Verwünschung schlug er
plsjlith mit der Faust auf den Tisch,
daß die Tassen klirrten, und sprang
so wiithend auf, daß fein Stuhl zu
Boden fieL Schnaubend und wild
mit den Händen gestitulirend lief er
im Zimmer auf und ab ohne im min
deflen von den erfchrockenen Frauenf
Rottz zu nehmen.
»So ein Lump —- fo ein Nichts
uns und Tagedieb!« brüllte er end
·lich. »Das ist ja, um aus der Haut
zu fahren. Mir das? Jch werde ihm
das handwert legen, dem frechen Pa
ccoslo El IUU lIUc LUlUllccU, Ucl usi
verfchiimte Bengel! Das wollen wir
denn doch erst sehen, diese Flauer
treib’ ich ihm aus, dem Schafsbpr
Seine Frau hatte einen scheuen
Seitenblick auf den Brief geworfen.
Sie erkannte des Sohnes Schrift.
Unze-fassen wagte sie ihn nicht
Aengfnich blickte fie und ihre Tochter
auf den Wüthendrn
-,.Was sitt Jht da und gafft mich
aus« schrie er erbost, daß er an nie
nisnd feinen Zorn auslassen konnte.
»Was ist denn geschehen, Ernst?«·
fexgte feine Irren beklommen.
Er lachte höhnisch auf. «Wirst
Deine helle Freude haben Dein fau
beeer here Sohn hat uns eine nette
Ueberraschung bereitet. Verlobt hat
et sch« —- und kreifchend schrie er
nochmals: »veer —- ohne unseren
Meist Eine Künstlerstochter —
WM hunqerleiderstochter.
do
HMM W MAX-« M
« -— leide es ni «
YOPZRGWUM WVZnel eins Bitt
M
suchen ihm hier eine seine Partie aus.
er braucht sich nur ins warme Nest
hineinznsesem Statt es unt zu dan
ken. will er uns so einen Schlapphut
sprößling in unser ehrbares Haus
bringen. Das ist himmelfchreiend,
das ist unverschämt —- ich leide es
nicht!«
Während er, immer noch hin und
her laufend, seiner Frau diese Worte
zuschrie, war diese blaß und sadl ge
worden. Jhr kaltes, unbewegtes Ge
sicht bekam einen Zug der herbsten
Abwehr-, als wolle sie sich gleich ih
rem Gatten gegen diese unliebsame
iSchwiegertochter zur Wehr setzen.
Bertha riß ihre wasserblauen Au
gen aus und starrte ihren Vater er
schrocken an.
Als er mit seiner Rede» zu Ende
war, blieb er stöhnend und prustend
vor seiner Frau stehen. »Na —- tannst
Du nicht ein Wort reden? Ihr
Frauenzimmer seid doch ein albe:ne5,
langweiliges Volk, mit dem tein Wort
zu reden ist.«
Frau Ernilie fand nun zwar bei
sich im stillen, daß er sie überhaupt
noch nicht hatte zu Worte kommen las
sen, und daß seine Raserei mindestens
ebenso undernünstig war wie ihr
Schweigen; aber sie hütete sich, diesem
Gedanken Ausdruck zu geben. Zu
sehr daran gewöhnt sich seiner inton
nischen Art zu fügen, wagte sie auch
in solchen lichten Momenten nicht. ihm
zu widersprechen Jn den wenigen
Fällen, in denen sie früher einmal ge
wagt hatte, ihrer eigenen Meinung
gegen die seine Geltung zu oerschas
sen, hatte er sie mit taltem Hohn und
MIs--d4m Essisnämuz Eises-Dos-- uns L
wo ..».....-... ..- ..- .,,-» «
sie dann wochenlang wie Lust behan
delt
So gewohnte sie sicb jeden Wider
spruch ab und leistete sich nur manch
mal im stillen eine kleine Kritik sei
nes Verhaltens-. Das war ihr Re
zept, den äußeren Frieden zu wahren,
einen Frieden allerdings, der kalter
Kirchhossruhe glich.
»Aus ich den Brief lesen?« fragte
sie scheinbar ruhig.
»Natürlich «- lies nur die erbau
liche Auseinandeesehnng Deines Deren
Sohnes.« höhnte er.
Sie nahm das Schreiben mit leise
behenden Händen. Franz schrieb sehr
vernünftige, wohlüberlegte Worte, und
so verlnöchert war das Herz dieser
Frau denn doch nicht, daß sie nicht
einigen Eindruck machten. Aber sie
wehrte sich gegen diese Weichheit. Vor
ihrer tleinlichen Seele stand drohend
ein Schreckgespenst, welches alle guten
Regungen im Keim ersticktr.
Was würden die Leute dazu sagen?
Vor allen KleeseldsZ Man würde in
der Stadt die Köpfe zusammenstecken
und über diese Verlobung spotten.
Und in allen Aränzchen würden die
Boßnecls den Gesprächsstoss bilden.
Wenn es nur wenigstens teine Künst
leestochter wäre, wahrscheinlich so ein
schlampiges, oereiicktes- Frauenzimmer
mit männlichen Manieren und stechem
Auftreten, wie die Kunstreiteeinnem
die im vorigen Jahr mit einem Zietus
ins Städtchen gekommen waren. Es
lief ihr kalt über den Rücken-, als sie
sich das ausmalte
Vollständig fassungs los ließ siedao
Schreiben sinken und sah zu ihrem
Mann hinüber. Der grinste sie höh
nisch an.
»Na — reizend, nicht wahr? Jch
gratulire zu der neuen Schwiegeetochs
ter.«
..-.- - - essssv «
»Im man es noch gut tun-II Innen, r
sagte sie leise.
»Natürlich nicht, Euer Spatzenge
hitn faßt nie etwas, wag über Eure
Kochtöpse hinausgeht Mit ist die
Geschichte sofort llar gewesen« Der
Esel ist einfach einer Kotette ins Ren
gelaufen Aber zum Glück bin ich
xnoch da —- ich werde ihm schon heim
Tleuchtem dem Tölpel!«
»Ach Gott —- was werden nur Mee
selds dazu sagenj Ernst?«
Er sah sie schweigend an. Seine
kleinen stechenden Augen funtelten
wie die eines Raubthiets.
»Die arme Elsa!« wagte nun auch
Bertha zu sagen.
»Halt Deinen Mund und mach, daß
Du ’kaus kommst ich habe mit der
Mutter zu reden! Und wage es nicht,
til-et diese Angelegenheit ein Wort sal
len zu lasse-til —- Vetstanden?«
Bertha nickte und verließ eiligst das
Zimmee.««
»Die arme Elsa!« äfste Bosznecks
ihr nach. »Um diese Gans litmmere
ich mich nicht so viel« — er schnippte
die Fingerspitzen gegeneinander —
»aber eine hübsche runde Million
hängt an ihr, und die geht dem däm
ldchen Bengel mit ihr durch die Lap
Me
" W toak fest-, aus dem Weh
Ilmd Vaters zu kommen M mi
endiiå schau-frohes Lächetn M ihre
Mundwintel herab, als sie an die
Zarme Elsa« dachte. Die hatte sich
schon iiherall als die heimliche Braut
des schönen Franz Boßneck ausgespielt.
Welch ungeheure Blamage siir die
hochmiithige Person, wenn Franz
wirklich eine andere heirathete; Sie
gönnte es ihr von Herzen, wenn sie es
auch sitt sich behielt. Und ihrem Ba
ter gönnte sie im Grunde den Uerger
ebenfalls. In ihrer geduckten, kleinen
Seele schlummerte ein heimlicher
Rachedurst gegen ihren Vater, seit er
sie gehindert hatte, sich ihr descheidenej
Glück zu erobern, Sie war sich dieses
Gefühls ga- uichi bewußt, koch- wein
erschrocken, wenn man es ihr zum Be
wußtsein gebracht hätte, aber vorhan
den war es trotzdem, wenn es sich auch
scheu unter stiller Fügsamteit »er
kroch. —- «
Die Eltern der jungen Dame blie
ben, nachdem sich Bertha entsernt
hatte, eine Weile stumm.
Endlich sagte die Frau beklommen:
»Vielleicht läßt sich diese Verlobung
wieder lösen. Er hat sich doch ohne
Deine Einwilligung gebunden.«
»Wenn das Deine ganze Weisheit
ist —- damit ist es Essig. Franz ist
mündig. und geießlich kann ich ihm
nichts anhaben, das liest Du ja schon
in seinem Briefe.«
»Aber er ist doch an Elsa so gut
wie versprochen."
,,Quatscht mir doch nicht immer
mit Eurer Elia dazwischen. Die
würde mich ja auch nicht gerade ver
locken. sie zur Frau zu nehmen.
Wahrscheinlich hat er sich umso leich
ter sangen lassen, weil er sich vor ei-;
net Verbindung mit der albernenz
Gans graulte. Jch hätte ihm narz
nichts davon schreiben sollen, das wäre ;
besser gewesen. Zeig mir den WischJ
noch einmal her, ich will ihn in Ruhe
noch einmal lesen." !
Seine Frau reichte ihm den BrieH
Er trat damit ans Fenster und las
ihn nochmals durch.
«Lieber Vater, liebe Mutter! Jbr
werdet das, was ich Euch mitzuthek
len habe, nicht gerade freudig aufneh
men. Jch bin rnir voll bewußt. daß
ich Euch Aetger bereiten werde, aber
seid überzeugt« daß ich nicht anders
handeln kann. Jch habe mich heute
mit Fräulein Hella Naömussen. der
Tochter des Bildhauers Professor
ist-is Rasmuffen, verlobt. Seid cnir
nicht böse, aber ich konnte Euren
Wunsch, Elfa Kleeseld zu heirathen,
nicht erfüllen. Die junge Dante ist
mir unsympathisch Fräulein Ras
knussen aber hat alle Vorzüge des
Geistes und des Körpers und ist als
einzige Tochter eines bekannten
Künstlers auch nicht unt-erwägend
Wir lieben uns und bitten urn Eure
Einwilligung zu unserer Verlobung.
Jch werde sonst in allem Deinen
Wünschen nachtommen. lieber Vater,
Du sollst Dich nie über rnich zu be
schweren haben.
Jch weiß, daß diese meine Eröff
nung zunächst Deinen Zorn erregen
wird, es thut rnir herzlich leid, aber
ändern kann ich es nicht« Jch weiß
auch, daß Du nicht unversucht lassen
wirst, diese Verlobung zu lösen, dei
balb—— nuk um Dir Unruhe und Anf
regung zu sparen —- tbeile ich Dir
mit, daß alles vergeblich wäre, was
Du in diesem Sinne unternehmen
wolltest. Selbst wenn Du mir in
Zukunft alle Existenzmittel verweigern
würdest und mir Dein haus ver
schließen wolltest, würde ich nicht von
hella lassen. Jhr Vater liebt sie so
sehr, daß er uns ohne Zögern die nö
thigen Mittel bewilligen würde zu un
serem Unterhalt. bis ich selbst mir eiue
Existenz geschossen hätte. Aber es
würde mir sehr unangenebrn fein,
wenn der Sol-n des reichen Bohnen
von anderen Leuten abhängig wäre-,
nicht um meinetwillen, sondern um
Deinetwillen, · lieber Vater. DaranH
ist ja aber auch gar nicht zu denken.i
Wenn-der erste Zorn bei Dir derraucht J
ist, wirst Du einsehen, daß rnein Ber
geben nicht so schlimm ist, und wirst
uns Dein Jatvort nicht vorenthalten
Jch bitte Dich noch einmal herzlich
darum und gelobe Dir sonst in allen
Dingen strengsten Gehorsam. Nur
eines will ich gleich noch bemerken, un
sere Hochzeit will ich nicht lange hin
auöschiebetn ich werde mit meinem
Schwiegervater den Termin auf Ende
September festsetzen
Zum Schluß noch einmal: verzeiht
und gebt Euren Segen Eurem Euch
herzlich grüßenden Sohn Franz.«
Als et den Brief zu Ende gelesen
wan ee ihn in einem neuen Wuthan
sall aufsden Boden und trat mit den
Füßen daraus hekusn Dann ging er
nachdenklich hin und her, hob nach
einer Weile den Brief wieder auf und
las ihn nochmals.
Endlich sagte er mit verbissenem
Grimm: «Gar nichts ist da zu ma
chen. Er hat die Sache fein am
Schnürchen und bindet mir einfach
die händr. Da steckt natürlich das
kLurnpenpaet dahinter. Professor! —
Bah, so schimpfen sie sich alle. die
Heeren Künstler, ich kenne das Ge
lichtet. Und so etwas soll ich in meine
Verwandtschaft aufnehment — Man
erlebt wirklich seine helle Freude qq
seinen Kindern. - Und ichs ins-s noch
Ja und Unten dazu sagen, sonst ek
ketse ich. daß MI Ast-Ton Sohn mi
W
einsach den Stuhl var die Thiir seht.
Grade fest, wo ich ihn im Geschäft so
nöthig brauche. Hätte ich ihm doch
’den Urlaub nicht noch bewilligt! Man
ist immer zu gut —- viel zu gut!"
Wieder griss er nach dem Brief,
wieder las er ihn durch, um einen
Punkt zu entdecken, wo er den Vebel
hätte ansehen können. Vergebens —·
sein Sahn war schlau genug zu Werte
gegangen, er haiie seinen Vater iibers «
listet. »Nichts —- rein nichts tann ich
dagegen thun, ich muß mich einver-l
standen eriliiren.'·
»Aber Ernst, was sagen wir nur
Kleeseldö?«
»Die Wahrheit-natürlich daß sich
unser herr Sohn hat einsaugen las
sen und für die »liebe Elsa« dankt.
Eine schöne Wuth werden die haben,
wenn ich" ihnen diese Mitiheilung
»schonend« übermiitir. Der Gedanke
daran wäre im Stande, mich zu er
heiiern. wenn ich jetzt Sinn dasiir
hätte.«
»Was soll aber mii den Möheln
werden? Wir haben doch die Möbel
schon gest-usw«
»Ja —- das ist das schönste bei der
ganzen Sache!« Er lachte höhnisch
aus« »Die Kleeselds hatten es ja so
seilig mit den Möbeln. Nun werden
Jsie zusehen müssen. wie sich eine andere
in das Nesi hineinsehtf
Daß ich das erleben muß,« jam
merte die Frau. »Die Leute werden
mit den Fingern aus uns zeigen.«
»Daß ihr Weiber nur immer an
das Nebensachliche zuerst denlt! Mir
lommt zuerst der Hauptpunkt, die
Geldsrage, nnd dann der widerwärtige
Gedanke, daß ich so eine fassinirte
Person in mein Haus ausnehmen muß,
in Betracht Aber wehe ihr, wenn siel
slw Kluft Lunas-LI, Ists su, »I- »st
lange! -Dann soll tie mich tennen ler
nen. Sie soll nicht denken, daß sie
Franz auf dem Kopf herumtanzen
kann. Wenn er den Verstand verlo
ren hat« will ich wenigstens dafiit sor
gen, daß die Kirche im Dorfe bleibt.'«
»Wenn ich nur wüßte. was toir mit
den Möbeln anfangen sollten!'·
»herrgott — das ist doch klar!
Wir haben sie fiir unseren Sohn ge
tauft und in die Wohnung gestellt.
die er beziehen wird, wenn er heira
thet. Der Kausoertrag ist von mir
fiir meinen Sohn abgeschlossen. von
einer Frau ist darin keine Rede ge
wesen« Das laß nur meine Sorge
sein. —- Meinen Hut meinen Stock!
Jch will fofart zu Kleefelds gehen und
ihnen die Sache unterbreiten Dann
had’ ich das hinter mir. Und dann
werde ich meinen Herrn Sohn ein
Briefchen schreiben, daß ihm die Au
gen übergeben follenf
Seine Frau holte mit bedrückter
Miene Hut und Stock herbei und als
er fortgegangen war, blieb sie re
gungslos sisen die hände im Schon
gefaltet. Das war ein seltener An
bliet bei dieser rastlosen Frau
Bertba trat wieder in das Zimmer-.
Neugierig blickte sie auf ihre Mutter.
»Was wird nun eigentlich mit Franz,
Mutter?«
»Er wird uns eine fremde Person
ins Haus bringen."
»Bater giebt seine Einwilligung?"
»Er kann nichts dagegen thun.'
»Warum denn nicht? Mir hat er
doch damals auch die Erlaubniß nicht
gegeben «
Frau Emilie richtete sich gerade auf.
Rüdre nicht auch noch daran heute,
ich habe genug an der Schmach, die
Franz iiber uns bringt! Sei froh,
daß der Vater damals Macht genug
hatte, Dich vor dein unsinnigen Schritt
zu bewahren. Was hätte aus Dir
werden sollen!«
In Berti-as Augen trat ein gereiz
trr Ausdruck Lang vergessener Kum
mer war lebendig in ihr geworden.
Sie neidete dem Bruder die steie
Wahl, und ein Gesiihl grenzenloser
Bitterkeit iiberwucherte einen Moment
den anerzogenen Stumdfsrnn »Dann
Twiire ich vielleicht eine glückliche Frau
7geeporden,«. sagte sie mit einer Kühn
lbeit iiber die«sie selbst erschrak.
Jhre Mutter fah sie streng und dro
hend an· »Du vergißt Dich, Vertha.
Jch will biefe Worte nicht gehört ha
ben. Der rebellische Geist Deiner
Bruders hat Dich angesieeli. Aber
lafz um leinen Preis Vater folche Ne
ben hören, es könnte Dir fchlecht be
tommen.«
Beriha bückte sich stumm über ihre
Hälelarbeit. Der Geist der Empiirung
war entstehen, sie war wieder das
scheue stille Geschöpf wie sonst. Tief
in ihrem Innern aber teirnie ein Ent- »
fchluß. Wenn Franz wirklich - das
fremde Mädchen heirathen durfte,
dann wiirde auch sie sich zur Energie
aufraffen. wenn wirklich noch einer
kommen sollte, um sie zur Frau zu be
gehren — und wenn ej der Aerrnfte
wäre. Was Franz recht war, war ihr
bng
Sie warf einen verstohlenen Blick
in den Spiegel und seufzte. Große
Hoffnung auf einen Freier hatte sie
nicht mehr, dai war gewiß· Muth
los unb mürrisch sank sie in si zu
sammen, das arme reiches Mii n.
Frau Emilie Bosneck tlingelte dem
Dienstmäwpn und befahl ihr, den
Kaffeetisch abzuräumew Dann nahm
fie ihren Schlüssellorb und ging ih
ren täglichen Gefchiiften nach. Die
sTollten unter ihrem Kummer nicht lei
i
i
s
8.Kapite1.««
Der Stadtrath Kleeseld war Holz
hiindler und hatte mit seinem solz
handel sein ererbteö Vermögen ver
doppelt. Er war ein mittelgroßer ha
gerer herr mit glattgescheiteltem
grauem Haar und einer feurigen ro
Zihen Nase in dem sonst sarblosen Ge
cht.
Scheinbar ruhig hörte er Boßnecks
Bericht an und rieb nur immer un
ruhig das Kinn und den spärlichen
Bollbart mit der hand.
Als Boßneck zu Ende war, sagte
er zunächst nur: »Vin, hm s- so, so!
Das ist freilich sehr satal.« Inner
lich war er wüthend, aber er wollte
sich vor Bohneck keine Blöße geben.
»Sie können sich denken, lieber
Kleeseld wie schwer mir dieser Gang
zu Jhnen geworden ist. «
»Gewiß —- natiirlich. Es ist ja
auch teine Kleinigkeit sür Sie, wenn
Sie statt einer Tochter ans gutem
hause so eine Künstlerstochter zur
Schwiegertochter belommen.«
Bofzneck richtete sich auf. Diese Les
art durste er nicht unter die Leute
kommen lassen, damit schadete er sich
selber am meisten. »Wenn ich in mei
nem Aerger ein bißchen schars iiber die
Braut meines Sohnes sprach, so ist
das meinem geirantten Vaterherzen
zuzuschreiben Die junge Dame ist im
übrigen die Tochter des berühmten
Bildhauers Professor Rasmussen.«
Kleeseld lächelte. »Natürlich — ich
verstehe, daß Sie sich nicht selbst ins
Fleisch schneiden wollen. Na —- un
angenehm ist die Sache für uns beide.
Jch selbst übersehe ja die Angelegen
heit mit Ruhe, denn meine Tochter
Ist-n tobt-s nnd-Pl Msnnsf bnbsn Hub-I T
was die Frauen dazu sagen werdenZT
Elsa hatte sich nun mal Ihren Franzi
in den Kopf gesehn Das wird eini
heilloses Gestenne geben. Jst aderll
nicht zu ändern.« ;
(Fortsesung solgt.)
soc alles sich essen lässt.
Die modernen Kochdiicher mögen
sehr umfangreich sein« aber sie tönnens
den« verehrten Hans-stauen eine recht-«
Vorstelluna von den inanniaiachenf
Arten der aut der Erd-. wachsenden:
vegetabilischen Nahrungs- und Ge-;
nußtnittel nicht geben« weil deren zui
viele nd. Solche Bücher. an nndsürl
sich sehr nothwendia und nützlich, Ver-(
mitteln vorzugsweise die Kenntnißs
der heimische-i Nahrungsmittel. Ins-i
gesa mt sind lie nur ein Bruchtheil
von teGern vegetabiiischen Reichthum.
dek den Menschen der Erde zur Nah
rung überwiesen TH. Dieser ist so be
deutend, dasz jede hausfrau, wenn sie
einen Einblick in ihn gewinnt, staunen
muß.
Eins der nothwendiastensliahrnngw
mittel ist das Brot. Man baett es all
aernein aus Roggen, Weizen, Gerste.
Mais und Hafer. Wer sich aber aus
der Erde umschaut, findet noch einige.
Dukend Arten Brot« zu denn nichtl
nicht nur Körnerstiichte, wie die des-i
ostindischen Borstengrasett und der!
asritanischen hiese, sondern auchWnr- .
zeln. Baumsriichte, das Mart gewisser
Palmen und sogar Pilze und Flechten
verwendet werden. Ohne diese Brot
arten würde es um die Ernährung der
Bevölkerung vielerLiindergebiete trau
rig bestellt sein.
Von höchstemWeth sitt den Norden
Afrilas und siir Arabien ist die dem
Zuckerrohr verwandle Mohrhirse oder
Durrha, die sogar in Jtatien Eingang
gesunden hat, und zwar als Ersatz sitt
Mais bei der Bereitung der Lieblings
speisen Polenta und Matlaroni. Die
Ein-gebotenen des lchwarxenErdthetls
backen aus der Hirse ein Brod, dessen
Näbrwerth »Seid-Fraun ihrer- beschei
denen Anforderungen vollkommen ge
nügt. Jm Westen und Süden Asrikas
samtnen-· einige andere bemzriensk
wckkys dkvoaklell ost, zum Verspre
das vcn den- Hottentotten aus ven:
Marl der Farmpalme gebackene Kai
savebrod.
Jn den Tropengegenden Ameritas
nnd besonders des Amazonenstromes
spielt als Brodlieferant eine hervorra
gende Rolle der Kassaveftrauch, ob
wohl dessen Milchsaft und Samen gif
tig sind. Seine dicken, lnolliaen Wur
zeln geben, nachdem sie durch;-3erreiben,
Preisen und Auswaschen von etwa
vorbandenem Giststoss besreit sind,
das ManiolmehL Die Neger verhallen
es zum sogenannten Kosiaoebrod. Das
im,Abwaschwasser zurückgebliebene sei
nere Stürtenrebl ist die Taptota, bie
ebenfalls sür Back- «und Kochzwecke
Verwenduna findet und start expor
: sitt wird- ,
! Den Südseeinsulanern ist mit den
meblig - siiszlichen Früchten des Brod
fruchtbaurnes « ein vorzügliches Brod
beschert-· Acht bis neun Monate im
Jahr ist der mächtige Baum mitFriich
ten bedeckt, und während dieser Zeit
sind drei bis vier Bäume imstande, ei
nen Menschen zu ernähren. Wenn die
Früchte zerschnitten nnd gebacken sind,
so schmecken sie wie Weisenbrob.
Hiermit ist derReichthurn noch Sanae
nicht erschöpft Jn Ostindien werden
die sogenanntensbiobstbränem ofrüebte
einer zur Familie der Gräser zählen
den Pflanze, einer Verwandten der
"3märrübe, zu Brod derber-elen. Ja,
tn Brasilien und in Guiana muß so
gar die berühmte Victoria reaia« die
.größte der Seelilien, den Eingeborenen
Brod liefern. hierzu dienen die als
Wassermais bezeichneten Samen det
Pslan e. Der Wassermaiz wird zer
gampft und das so gewonnene grobe
iehl angement, um dann in den Back
osen zu wandern. Aehnlich backen die
Chinesen Brod aus den Früchten der
zweihiirnisien Wassernuß, einer
schwimmenden Wasserpslanze, die aus
Teichen und Seen vorkommt· Auch
die Früchte der ursprünglich in«Osi
indien heimischen und dann über alle
Erdtheile verbreiteten Banane können
als Brot be eichnet werden, denn gerü
itet bilden te siir dieses einen ausge
zeichneten Ersah. m Lause von acht
bis neue Monaten st der Wuchs der
Pflanze beendet· Zwei oder drei Mo
nate später kann die Frucht gepflückt
werden. Ein besonderer Liebhaber
von Bananen war Friedrich der
Große; er ließ sie als Mittel gegen
Gicht und Rheumatismus in den
Treibhiiusern von Sanssouci züchten.
Jn ihrer bewundernswerthrn Güte
hat MutterErde sogaerod gespendet,
das nicht einmal des Backens bedarf
Es ist das sogenannte »nativ bread«
der Neu-holländer, ein ohne jede Zu
bereituna direkt aenießbarer, mehrere
Pfund schwerer Pilz, der einen ausge
sprochenen Brodgeschmack hat. Eben
lo läßt sich als Naturbrod die Rinde
der in Afrita wachsenden Dumpalme
bezeichnen. Sie ift mehr als singerdick
nnd schmeckt siisz wie Nürnberger Pfef
iertuchen, daher auch der Name Pfef
iertuchenbaum. Die Neger psleaen die
Rinde sofort zu essen, ohne irgend
I welcheVerdauungsbeschwerden zu ver
z spüren.
i Den echten und unechten Brod
Ifruchtgaben gesellt sich eine Legion eß
? barer Knollen und Wurzeln, von deren
Narfmnhoncoin die Mehrzahl Unser-et
«gaussrauen kaum eine Ahnung hat.
- ie Zahl ihrer Arten ist zu groß, um
sie alle erwähnenzn können. Am Ieich
« tigsten ist die zur Familie der Winden-—
gemächse zählende Batate. Sie wird in
den Tropen allgemein angebaut und
; vertritt mit ihren stärkemehlreichen,
J süßen Wurzeln unsere Kartoffel. Dann
keine Angehörige der Arongeioiichse, die
funter dem Namen Tarro oder Kalo
ebenfalls in den Tropen, insbesondere
aus Südseeinseln, in künstlichen
fes-aper tunipikt wikv. Jhk nur-s
s topsgroszer Wurzelstock, der reich an
sStiirtemebl ist, bildet ein Nahrungs
mittel, dessen Werth dem der Bataterr
s nicht nachsteht. Weiter die in der het
Hßen Zone wachsenden Yamswurzelm
; tartosseiilinliche. an Stäriemehl unge
imein reiche Knollem deren Anbau fo
igar in Deutschland mit Erfolg ge
ficheben ist, sowie die Wurzellnollen
der im Orient, in Nordasrila und in
k Säueuropa luliibirten indianischen
fSiißwurzel oder Erdmandel, die ganz
;-nach Mandeln schmeclt.
Zu dieser Fiille tritt ein anderes
werthvollen Nahrungsmittel, der viel
geriibmte Sago, das Mart aus dem
Stamme gewisser Arten von Palmen
und Farnpalmen Die ostindische Sa
aopatme liefert den sogenannten Perl
sago des Handels-. Der Baum ist
schon im Alter von 15 Jahren so reich
an Sage; daß die Ernte lobnend ist.
Ein vollwiichsiger Baum gibt einen Er
ltrag von zwei bis drei Doppeltentner.
Das Mart ist weich und weiß. Sein
Stärlemebl ergiebt durch Schliimmerr
und Körneln den Sago bester Quali
tät. Auch die Sagopalme Madagab
lars und die Kohlpalme Brasiliens
spenden eine ziemliche Menge Sago.
Jedoch am sreigebigsten isl die ostindis
sche Iarnpalme, deren Stammdurch
messer bei manchen Eremplaren iiber
drei Fuß beträgt. »»Allerdings ist der
aus dem Mart dieses Stammes ge
wonnene Sago sehr grob. Es sieht da
her dem der Sagopalme erheblich nach.
Die Palmen leiten iiber zu den Ge
wissen, deren Menge eine nniiberselss
bare ist. «Palmlohl aus den Blatt
lnospen und jungen Blättern der in
allen Tropenländern lultivirten Ko
tospalme ailt als Delilatesse. Die
Chinesen nnd Japaner schwärmen siir -
Meerwbl und ein Gemiise von Bam
bussprossem Meertohl ist der zu den
Algen zählende Zuckertang, der in al
ten Meeren vorkommt, eßbnr nt und
zudem Jod und Soda liefert. Die Ja
paner holen ihn sich vorzugsweise aus
der siidscbirischen See, und zwar in
großen Schiffsladungem da er aufden
Märkten hoch bezahlt wird. Eine an
dere Alge wird aus Neu-Seeland geges
sen, ebenso im Norden das in den
nördlichen Meeren vorkommende Män
dische Moos. Sogar Ftechten werden
nicht versehen-jäh essen doch Tartaren
und Kirgisen ie Mannaflechte, gemiis
seartig zubereitet oder tuchenartrg ge
backen.
Genauer den Gemüsegarten der Erde
zu beschreiben, gebt nicht an, da hierzu
dicke Bände erforderlich wären. Das
selbe gilt vom Gewürzs und vom
Obstgarten. Tausenderlei wird da
geboten, das dem Eingeborenen als
Lebensunterhalt dient. Leider ist die
Vertheilung ungleichmäßig —— in ei
ner Gegend tritt der Segen häutet-.
in den anderen reichlich a . Die
Ausgabe der fortschreitenden Kultur ist
es, einen bestiedigenden Ausgleich zu
schaffen, aus daß ein Nahrungsmangel
nirgends empfunden wird.
Georg Buß.
Jn Berlin haben sie einen Mann zu
1461 Jahren und-L Monaten-.Gefäyg
nis verurteilt. Die 2 Monate · tten
sie ihm doch wenigstens schenken alle-·