Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 17, 1908, Sweiter Theil., Image 11

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    Wen-r Schnitt-links von
Tinte Innkstengkh
XII-XI
i E Sen-. »
No. 292 —- Es hot emol en Mann
gewwe, ich denke es war en Dichter
odder en Poet, wie mer usf deitsch
sage duht, der hot aesagk Jch un met
läschche sin immer beisamme. Sie
wer’n wunnere, was mich gestroae
ot, daß ich so en Etdie krieg-e, bi
Sie kenne mich doch als e die
sende un sauwere Frau, wo nit dran
girrt-we dusht, daß en Mann strengen
ints hen muß, sor häppie u sein.
Jch sin oss wohrg auch kein zostvev
dchter un ich kenne egutes Giäsche
Bier un Wein, wann ich es sehn un
dann auch e Kimmelcher. Ennihau
sin ich »von dieEidie, daß e Kimmelche
Idas höchste der Gefühle is un niur
von eddes iwwertrosse wer’n tann un
das sin zwei Kimmelcher. No, was
mich aus die Eidie gebracht hat, das
war der Philipp, was mein Hos
band is. "
Der muß jeden Dag seine Drinks
hen, sonst siihlt er nsit gut un wenn
ich ein Wort sage, dann macht er en
Foß, ais wann ich ihn das Lewe
nemme wollt. Jch hen ihn schon ne
sagt, er sollt sich doch von den Wedes
weiker for en Bartenider heiern losse,
dann hätt er doch jede Minnit e
Tschehns sein Dohp zu neinme un es
wär-, war mer so sagt: An der Quelle
saß der Knabe. WattjuhtinstsafdiiM
Sin ich heut nit poetisch intieint,
Misier Witer Jch denke, da is die
Krißmeßzeit sor zu dlehme. Well,en
nihau, wann er von den Wedeoweiler
heim komme duht. dann is er entwe
dev unner den Influenz odder er
schwäst so dummes Zeug, daß tein
Mensch tkug draus wer’n tann. So
hat er den annere Dag oerziihlt, der
Wededweiier wär en anenter wie es
in seine Lein tein zweite mehr wae
de . Jetzt hätt er en fehnzie rint
us esirkst, der deht einiges biete un
er hätt ihn un mich inmitet, mitzus
helse, wenn er e Tretet mit mache
deht. Er wollt das ois Kohrs nit in
sein SaIUhn mache, bitahs da wäre
die Kostiemersch immer erum un er
wollt erscht mit den Drint eraus
komme, wann er von Leut getehst
wotde wär, die e gutes Acht-dich
rnent un en gute Tehst hen un das
wäre mir.
Well, hen ich gesagt, er tann essa
in mein Haus mache, oss Kohrs muß
er den Stoss mitbringe, dikahs mit
das kann ich nit dattere. Der Phi-»
lipp hot gesagt, das wär ahlrecht unt
er wollt gleich den Wedesweiler sageJ
was ich nke deht un dann könnte.
mer ja siir en Abend priepedre. Er!
is dann oss Kohrg widder zum We-z
desweiler sange. Jch sin schuhr, dass
es nur en Ecksjuhs gewese is un daß
die ganze Geschicht schon oorther ge
settelt gewese is. Aswwer mer will
doch auch nit immer en Foß mache
un sor den Riesen lien ich tein Wort
gesagt. Nach die nöthige Zeit, wo so
en Tripp in Anspruch nemme ·duht«
is er widder komme un hot gesa t:
Lizzie, hot er gesagt, heut Na t
tomme Wedesweilersch un du besser
sorgst sor en gute Lunch un heißes
Wasser, dikahs das s sser brau
er sor den Drint zu mickse un es gi t
so e Art « ·iers Print Well sor
die Nuhjiers- Weis do hen ich en
ns gehörige Riespeckt, hitahs den
äfhilip hen se immer sso schlecht sit-hie
mache, daß er die erschte Woch von den
neue Jahr immer an die Launsch
odder ins tt hot zubrinae müsse.
Well, mai-du ei lehr? den ich ge
dentt, warm er teine Ruh hat un
ann er et gar nit annerschter will,
« dann will ich wenigstens ernal die
Sättissiirkschen hen, daß er sein Ass
in unser eigenes haus triege duht.
Um Abend sin die Wedesweilersch
komme un der Feller bot e Peil Bat
J
tele mitgebracht, als wann er enl
Drockstohr hätt uffmache wolle. Mer
hen zuerschi sot e Weil beisamme e
sosse un ben getashlt von den Wet er
un von die siisse Preises un so fort
un dann sin mer so bei un bei aus
Krißmeß komme un Nuhjiek un da
hat der Philipp gesagt: Well« watis
die Mäiter mit unseren Drink? Bei
Tschinlo, shot ·der Wedesweiler gesagt,
das hät: ich putzimiet ganz vergesse
Er bot mich dann gefragt-, das Was
ser zu bringe un dann bot er sich
dvan gemacht usn bot gemicksi. Eiiell
fuh, der Stoff bot awwer so sein ge
schemellt, daß mich das Wasser in mei
Mailche zusamme gelaufe is un ich
—Sie wisse doch, daß ich als eRuhl
nicks sor Drinls gemwe duhn —— aw
roer diesmol hen ich es gar nit ab
warte könne, bis der Stoff an den
Tehbel war. Well, nach e paar Min
nits war es so weit un mer den usf
en gute Ssuckzeß ansgestoße un dann
gedrunbe. Ah, was war der Drini
awiiver gut! Do ihot mer gefühlt, wo
jedes Dröppche hingelause is un ich
hen gar keine Abscheckschen gehabt,
wie mich der MMler mei Glas
noch emal gesiillt hat. Diesmol hat
es noch besser getehst un ich hen auch
fest erschi genohtißt, wie sich der Whi
lipp enei gekniet hat. an lesz denn
no Teim shot der Kanne sechs Gläser
gedrunie gehabt -un bot immer noch
for mehr gefragt. Well. mer hen all
gefühlt, als wann die Janze Zittie
mit alle umliegendeSee-Städte unser
wär. Mer hen gesunge un gedanzt
un hen erum gefuhlt als wann mer
siwwezehn Jahr alt wäre. Wie der
Stoff all gedrunle war-, do sen We
desaveilersch sort un mer hen gesehn,
daß se an den Seitwahk noch enTus
stepp zusamme gedcknzt inn. Was uns
lonzerne duht, kann ich nur soviel
sagt- daß am nächsteDOg der Phi
lipp gar nit aus den Bett sis un ich
erscht Abends um sechs Uhr. O. was
hen ich so schlecht gefühlt! O sotsch
e Hetiehll Wei, ich sben e Wuih nsf
den Wedesweiler gehabt, daß ich ihn
taltbliitig hätt oergiste un tille könne.
Misier Edithot, könne Se mich nit
die Adreß von die Catrie Nelyschen
sang Jch will sie reiteweg en Brief
schreiwe, daß ich rettig sin, mit sie alle
Salubns zu schmäsche. Der Wedes
weiler soll mich nur nii mehr vor-die
Auge komme, sonst gibts e Unglück.
Mit beste Niegakds
Yours
Lizzie HanfstengeL
-.-...--·
Der wahre Grund.
Vater: »Hans, ich habe heute mit
Deinem Lehrer gesprochen. Er er
zählte mir auch von Müllers Fritz
daß er ein fleißiger und tüchtiger
Schiller sei und gewiß auch einmal so
ein gescheidter Mann werde wie sein
Vater.«'
hans lgekräntt und weinerlich)·.
»Ja, der hat es aber auch leicht, denn
der hat einen gescheit-ten Vaterl«
ZU hoch seid-äu
»Den-le Dir, Emilie, der Baron
hat Fssagh er schätze mich sehr hoch!«
» , das- ist doch recht nett!«
»Fansd ich auch, aber dann fii te er
hinzu: »So ungefähr auf dreigigP
Jst das nicht abscheulich?« v
Ein bedenklicher Fall.
Hauswirth (zum jun-gen Arzt, der
plötzlich abberufen worden war und!
echaufsirt heimlommt): »Es wars
wohl ein bedencklicher Fall, Herr Dot-!
tor?'«
Arzt: »Denlen Sie sich nur: es
hatte ’ne Dame in ’nem Bierlokal
’nen Weiinkrampf betominen!"
Nach den Fliiterioschen.
»Na, wie gesällt’s Ihnen denn
noch in der Ehe?«
»Q, ausgezeichnet! Wird immer
gemiithlicher... Als Junggeselle z
B. mußte ich mir Abends stets meine
Pantoffeln erst suchen. Jeyt fliegen
sie mir Abends beim Eintritt in’s
Schlafziminer gleich entgegen.«
Ernstle Abneigung·
»Warum gaben Sie das gefundene
Pbogtemonnaie nicht auf der Polizei
a «
»Herr Richter, das wollt’ ich ver
meiden; ich hab' noch niemals in mei
nem Leben Was mit der Polizei zu
: thun g’habtt"
z Das schönste Bild.
; Professor Czu feinem Modell):
»Sieh einmal, Kathrin«, dieses Land-v
chaftsbild, dies Genrebild und dieses
Schlachtenbild; welches gefällt Dir
niin am besten?«
Ida rin’: »Nix, Mr Profe or,
mir g· allt halt nur a annsbikd
-
L
.
Ins-bist Erklärt-um
.Welche von den beiden Damen ist die Rosa2«
«Di·e Schtvarze dort in blau ist- die Rvsa!«
petetsbnrger Winter
Wenn der St. Petersburger sich in
tller.Herrgottsfkiih, so zwischen 10
und 11 Uhr, aus den Daunen geschält
hat, so gilt sein erster Gang dem
Thermotneter. »Aha, 8 Grad! Gott
sei danl!« Sein Großstadtherz be
ginnt lebhafter zu schlagen. Denn
das St. Petersburg des St. Pe
stersburgets ist weiß und hat
glitzernde Augen. Erst wenn das
gute Mütterchen Newa unter die breite
Eisdecke gekrochen ist, beginnt die Sai
sor.. Briefe fliegen nach Nizza und
nach Paris: »Komm zurück! Der
sieberschleichende, unliebenswiirdige
Herbst ist vorüber Der Bär (vornehm
stes Nestaurant in St. Petersbukg) ist
wieder offen; man kann endlich einmal
auswärts essen gehen. Kommt zu
rück!« Da packen Anna Feobo
rowna und ihr Gotte schleunigst die
Koffer und nehmen auf ein paar Tage
im Luxusznge Quartier, der sie im
Galopptempo derHeimath zuführt. Wie
lieben- sie ihr St. Petersburg, diese
St Petersburger, die man so mit Un
recht Kosmopoliten heißt!
...... . kssktst
OPUIIIIW UIIUL Ucls ,JIlUUIU-Ilsuscl,
der Droschtentutscher, aus die Autod,
die ihn den ganzenSommer und Herbst
hindurch so gründlich geärgert haben.
Freilich, eine kleine Genugthuung war
es ihm, daß Exzellenz,der Herr Stadt
hauptmann, ihnen ein wenig aus die
Räder schaute. Die Leute verdarben
ja das Tempo und die Preise. Ein
richtiger St. Petersburger Schlitten
hai eigentlich nur siir eine Person
Platz. Jahren zwei in ihm, so müs
sen sie verliebt sein, da sie nur in die
sem Falle einen Genuß von der Fahrt
haben. Er legt. ohne um Erlaubniß
zu fragen, den lecken Arm um - ihre
schlanke Taillez jede Biegung des We-.
ges wirst sie an seine Seite. Und das
wird ihm wohl gefallen. Wehe aber,s
dreimal wehe, wenn das körperliche
Ausmaß des Schlittentompagnonsbe
scndere Ansprüche stellt. Dann hängt
die eine Hälfte des unglücklichen Ver
drängten zur Seite hinaus .und bittet
um Frostbeulen, während die andere
Lan sc pen zu Brei geauetscht wird.
sind zwei im eifrigen Gespräche, so
daß sie aus ihre Umgebung nicht ach
kem so mag es ihnen wohl passiren,
aß sich plötzlich ein freundlich lächeln
Per Pserdelops zwischen ihre Schul
ern schiebt, als wollte er nach dem
Briinden fragen. Jn solchen Fällen
danke man höflich; es hätte sich ja er
rignen können, daß irqend eine vor
lcute Wagendeichsel die Rippen des
Voraussahrenden aus ihre Wider
standsirast untersuchte. Der szoscht
schil nimmt von den Regungen der
Seelen seiner Passagiere niemals No
tiz. Grundsätzlich nicht. Seine Theil
nahme erwacht erst, wenn's an’s Be
zrhlen geht. Dann legt fiel-« seit-. ron
Fett —- Schweineschmalz schützt gegen
Kälte —- glänzendes Gesichtchen in
tausend verschnörtelte Fältchen der
Freundlichkeit und Menschengiite und
eine mit Aliohol eingeriebene Stimme
n:ahnt: »Ein Trinkgeld, Herr. Die
erste Schlittensahrt!« Nur verroliteGei
mitther können solchem seinsinnigenAp
pell widerstehen. St. Petersburg ist
sa endlich, endlich wieder weiß. Ssla«
iva Bogu, Gott sei Dankt Da schenkt
man gern.
Ein großes Ereigniß steht der Sai
son bevor, der Hos wird wieder nach
St. Petersburg kommen. Jahre lang
war das Winterpalais unbewohnt:
sein laiserlicher herr war inZarstoje
Sselo oder in der Keim, in .-Livck-i-i.
Die Rückkehr des Hofes stellt eineReihe
von Festlichteiten in Aussicht. Seit
dun unseligen Tage, da der Tanz mit
Japan anfing, sah das Partett isn
Wsnterpalais tein Ballsesi. Die Fen
ster, die aus die eisstrahlende Newa
hinaussehen, waren von weißen Vor
hängen bedeckt und die 30,000 Glich
sliinepchen lachten ans teine glüFllichen
Gesichter heran Yrur in oem Seiten-—
sliigeL too Ministerpräsident Stolypin
ohnt, pulsirte das Leben. Doch
Hier lebt die Arbeit, nicht das Vergnü
gen. Damit aber war das neue blaue
Husarenregiment gar nicht einverstan
en und mit ihm die ganze lebensla
tige Garde. Die Damen der St. Pe
ersburger Aristokratie dehnten ihre
ZSommerreise bis nach Weihnachten
faus und gleich nach Neujahr
scszen sie schon wieder im
Mord-Amen um sich in Pakis fük
den Nizzaer Karneval zu trainiren.
Ietzt soll das alles anders werden.
ZEEJ wird eine Saison, kein Winter.
, Eisig weht der Wind vom Ladoga
.lee. Die breitschultrige Newa hat sich
die Eisdecke iiber die Ohren gezogen;
Haus sechs lange Monate ist sie schlafen
gegangen. Nichts kann sie stören.
Männer kommen mit wuchtigen Holz
schlitten und schlagen viereckige Löcher
in die schneeüberdeckte Eisslächr. Der
St. Petersburger hält daraus, daß er
auch im Sommer gutgekühlten Cham
agner bctommL Sein Magen hat
ie seltene Gabe,Gletscher zu verschluk:
en. Selbst der Kronsbranntwein
Pird in Eisestälte genossen Ebenso
as Getränk, das sich vom deutschen
Rhein- und Moselwein den Namen
geliehen hat. hier hat die Kälte den
nicht zu unterschätzenden Vorzug, daß
sie es der Zunge absolut unmöglich
macht, auf den Geschmack zu kommen.
Man zahlt in St. Petersburg siir eine
»anständige« Flasche Weißwein mit
deutschem Namen wenigstens vier Ru
bel; das heißt, in diesem Falle ist nur
die Flasche »anständig«, nicht ihr —
Inhalt. Sieht man also nicht nur
auf ein gut ausgeführtes Etiquette, so
niusz man sich schon dazu entschließen,
ein Fläschchen zu erstehen, das in deut
schen Kellereien gefüllt wurde. Macht:
7 Rubel 50 und Freude. Für einen
Rubel mehr bekommt man hier jeden
Champagner. Man wird es hiernach
begreiflich finden, daß Leute von
Sparsamkeit sich ausschließlich letzte
rem Gewächs zuwenden.
Jn den Klubs wird es wieder le
bendig. Da der energische Stadt
hauptmann das Hasardiren aufs
strengste untersagt hat, so ist es wahr
scheinlich nur ein --- Opiel des Zu
falls, wenn in diisen Räumen gejeut
wird. Und schließlich dienen alle der
artigen Zusammentünfte tief empfun
dcnen sozialen Bedürfnissen Man soll
auch den Armen und Mittellosen die
Aissspannung des Geistes gönnen,
nicht? Nicht jeder kann bis nachMon
te Carlo fahren, um sein mühsam er
erbtes Geld los zu werden. Es soll
vorkommen, daß hier das Glück mit
Messer und Revolver lorrigirt wird.
Das Menschenleben ist bei uns lein
hoher Einsatz mehr. Wenigen Rubeln
zuliebe wird ,,expropriirt«, obwohl die
Entrepreneurs sehr wohl wissen, daß
sie um ihren Kopf spielen. Die mei
sten freilich haben ihn schon verloren,
wenn sie das Spiel wagen. Wir ha
ben eben Falschspieler in den Klubs
und unter den Revolutioniiren. Eine
endlose Reihe Betrogener snd wenige,
die sich die Taschen füllen. Draußen
vor denThiiren derKlubs lauern Bett
ler und Krüppel. Sie humpeln auf
Beinen, Armen und Krücken und rei
ßen die Schlittendecke zurück, um viel
leicht von einem glücklichen Spieler ei
nen silbernen Danl zu erhaschen. Meist
freilich lohnt ihnen nur eines jener
kräftigen Fluchwörter, an denen die
russische Sprache einen unerschöpflichen l
Fond besitzt.
Der Eisbär im Schaufenster der.
Pelzhändler wird in eine graziösePofe
geiiicttx er zeigt seine gelben Zähne’
und bittet einzutreten. »Hier sind nur
feste Preise«. Das heißt, es wird nicht
mehr, als ein Drittel des geforderten
Preises nachgegeben. Jeder Winter
hat hier seinen eigenen Pelz. Jn die
sem tragen die reichen Leute ZobeL der
»Mittelstand Netz und die Unbemittel
ten Jmitationen von beiden. Man
Ilann in St Petersburg Pelzwerk sehr
wohlfeil erstehen wenn man damit ein
sperstanden ist, daß es bereits einen an
deren Herrn oder eine andere Besitzerin
lgehabt hat Da ist zunächst die lange
Reihe derer, die sich beim ersten Frost
Muff und Boa schuldig bleibender
Weise taufen und beides nach wenigen
Wochen zu Geld machen. Was in
Westeuropa Unterschlagung hieße,
nennt man bei uns Modelaune. Das
klingt besser und spart dem Staatsan
walt eine Menge Papier. Dann gibt
es welche, die so leichtsinnig waren, die
Motten während des Sommers zum
Dauerbefuch in den Pelz aufzunehmen
Dergleichen Felle wird man am besten
los, indem man sie anderen über die
Ohren zieht. Um zu diesem verfüh
rerischen Ziele zu kommen, geht man
zu irgend einem Pelzhändler, der aus
dem Aprarini oder Alexandermarlt
verkauft, und verspricht ihm dle Hälfte«
des Erlöses Jm Frühjahr, wenn die
Motten zum Leben erwachen, gibt es
dann für den oorurtheilsfreien Käufer
eine Ueberraschung die eines herben
Beigeschmacks a la »Verlust des Glau
bens an die Menschheit« nicht entbehrt.
Schließlich gibt es welche. die ihren
Versatzschein als todtesKapital betrach
ten: da sie ihn doch nicht einlösen tön
nen, so suchen sie einen Käuser. Die
Lombards bewahren die bei ihnen ver
setzten Pelzsachen sehr gut aus: sie um
geben sie mit Sorgfalt und Naphtalin.
Weise Leute taufen solche Viandscheine
und kommen so zu billigenWeihnachts
geschenlen für die theure Gattin.
Dr. Horsttasnp-Sydow.
—
Ein Versuch.
«Zi.-«zze alt-I dein Familienleben.
Nein —- das war sicher, sie konnte
sich eine solche Behandlung nicht mehr
gefallen lassen, diese täglichen Reihe
reien hielt sie auch gar nicht aus
Zugegeben, -—— er war nervös: muß
te sie dann immer als Blitzableiter sei
ner schlechten Laune dienen? Und
wie schnell seine Stimmungen wechsel
ten; wenn er vergnügt war, sollte sie
es auch gleich wieder sein. Auch zu
Lottchen war er oft ungerecht. Wenn
die Kleine nach Kinderart lustig lräh
te, störte es ihn schon. Sie, Frau
Anni, hatte auch Aerger und Sorgen
im haust-halt und tam ihm doch immer
gleich heiter und freundlich entgegen.
Wenn sie daran dachte, wie sie zuHaus
geliebt wurde: alles, was sie machte,
war gut und richtig.
Frau Anni seufzte. Wenn sie nur
einen Ausweg wüßte, wie eine Aendei
rung herbeizuführen? Halt —- das
war ein Gedanke. —— Trennung? s—
Nein, im Ernst dachte sie nicht einen
Moment daran. Dazu hatten sie bei
de sich ja viel zu lieb. Aber ein klei
ner Schreckschuß tonnte ihm nicht scha
den.
Wenn er Mittags 'heicnläme, wollte
sie ihm gleich sagen, daß sie für einige
Zeit nach haus reisen möchte.
Als sie ihr Mittagsmahl ziemlich
schweigsam eingenommen hatten, klein
Lotti warJu Bett gebracht, um ihr
Mittagsfchläfchen zu halten, faßte
Frau Anni sich ein Herz und sagte:
»Liebe: Heinz, ich habe den ganzen
Morgen darüber nachgedackz, warum
wir uns eigentlich jeht so schlecht ver- ,
stehen. Was meinst du, ob wir den
Versuch machen, uns mal für einige
Wochen zu trennen? Meine Eltern
würden sich sehr freuen, mich und
Lottchen mal bei sich zu haben. Wir
sind jetzt im November, Weihnachten
könnten wir wieder zurücktomnien.
Inzwischen sind wir beide ruhiger ge
worden und werden uns dann hoffent
lich besser versiehen.«
Heinz hatte seine Frau ruhig ange
hErt, jetzt sagte er nur: »Aber gewiß,
liebes Kind, ich bin ganz einverstan
den. Geld steht dir jederzeit zur Ver
fügung. Wann willst du reisen?«
»Meine und Lottis Garderobe ist in
Ordnung, ich muß nur noch dieEltern
benachrichtigen, dann tönnen wir mor
aen schon reisen. Augufte werde ich
insiruiren, damit du nichts entbehrst
und der Haushalt in gewohnter Weise
weitergeführt wird.'·
Den nächsten Tag, als sie mit Lott
chen im Zug saß, ihr Gatte hatte sie
zur Bahn gebracht und die schönsten
Plähe für sie ausgesucht, war ihr doch
ganz eigen zumuthe—ob sie sich nicht
etwas über-eilt hatte? Doch nun war
es zu spät, noch ein Kuß, ein Winken,
und Msort ging es.
kx —--l: .I. L--f. k-I-c I--«
Utc Uksujtsctth von-, lot-u- sue-ve
Reise ist, besonders mit einem kleinen
Kind. Sie war doch sehr verwöhnt,
das merkte sie jetzt erst. Allein war sie
überhaupt noch nicht gereist. Sonst
war Heinz stets mit, wie aufmerksam
war er immer, und wie vorzüglich ver
stand er zu reisen. Nun wieder eine
Haltestelle. Zwei ältere Damen stei
gen ein. Die eine betrachtet die Jn
fcssen und sagt dann: »Komm in ei
nen andern Sitz. Hier ist ja ein
Kind!«
Frau Anni kommen die Thriinen in .
die Augen, ihr reizendes Kind von
dem ihr ganzer Verwandten- und Be
kanntenkreis entzückt ist« soll hier als
Abschreckungsmittel dienen?
Wenn doch diese endlose Fahrt mit
all ihrem Unannehmlichkeiten Erst vor
über wäre.
Endlich sind sie am Ziel. Weinend
umarmt sie die Eltern, als sie aber ihr
Reise- Erlebniß erzählt, wundern sie
sich nicht darüber und sind auch gar
’nicht empört. Vater meint gelassen:
! »Aber liebesTöchterchen, wie tann dich
! das tränken, wenn man viel reist, lernt
man oft so unartige, verwöhnte Kin
der kennen, daß diese Vorsicht mir
wirklich geboten erscheint «
Nun war sie einige Tage zu Haus;
e-? war ja sehr hübsch, wieder mal im
Elternhaus zu sein, aber man mußte
doch manche Bequemlichkeit entbehren.
Es ist ein zu großer Unterschied zwi
schen einer modern eingerichteten und
einer altmodischen Häuslichleii.
Als sie Lottchen den ersten Tag ba
den wollte, war keine Wanne da End
lich fand sich eine kleine dafür geeignete
Waschwanne, natürlich konnte Lotti
darinnen nicht so plantschen, wie sie es
in ihrer hohen dafür eingerichteten
Kinderwanne gewöhnt war.
Die lieben Eltern meinten es ja so
gut, aber sie war doch nun ganz an
dere Verhältnisse gewöhnt. Sie hätte
nicht geglaubt, daß man in ein paar
Jahren dem Elternhaus so ganz ent
wachsen könnte, so ganz andere An
sichten bekäme.
Es war doch mitunter auch recht
langweilig hier. Vater hatte tagsüber
in feinem Beruf zu thun, Mutterchens
Fuße wollten auch nicht mehr so recht,
so daß sie wenig mit Tochter und En
kelin ausgehen konnte. Freundinnen
hatte Anni auch nicht, da sie vor ihrer
Verheiratshung nur einige Monate
hier gelebt hatte.
Ob Heinz sie nicht bald zurückrufen
würde? Er schrieb oft, es wäre alles
in bester Ordnung, sie möchte nur so
lange bleiben, wie es ihr gefiele, er
wollte sich inzwischen schon behelfen.
Lottchen lam auch recht aus ihrer
gewohnten Ruhe. Großvater that ihr
jeden Willen, Kuchen und Süßigkeiten
bekam sie viel zu viel, wenn sie bloß
nicht noch krank würde.
Eines Nachts schlief die Kleine
schlecht, der Kopf und das Körperchen
glühten vor Hitze, sie warf sich unruhig s
im Bettchen herum. Eine furchtbare,
Angst befiel Frau Annis Herz, wenn "
dizrn Kinde etwas zustöße, war es ihre
Schuld, warum schleppte sie dies zarte,
kleine Ding zu rauher Winterszeit in ;
die große Stadt? Es war eine böse J
Nacht, die Frau Anni verbrachte. End
lich gegen Morgen schlief Lottchen ein,
die Hitze ließ nach, sie hatte sich doch
wohl nur den Magen« verdorben.
Beim Frühstück frug Anni die El
tern, ob sie ihr böse wären, wenn sie
heute noch abreiste, sie hätte Angst uni
klein Lotti. Nein, sie waren ihr gar
nicht böse, sie hätten sich gleich gewun- »
deri, daß Anni zu so schlechter Jahres
zeit kam, und dann wollten sie ihr auch
verrathen, daß sie war-gehabt hätten,
das junge Ehepaar Weihnachten mit
ihrem Besuch zu überraschen.
Anni dankte den Eltern herzlichst
für alle Liebe und Güte und bat noch,
Heinz nichts von. ihrer Heimkehr mit
zutsheislem Lottchen war heute wieder
ganz munter. Nach herzlichem Ab
schied reisten sie ab.
Im geimüthlichen, hellerleuchteten
Wohnziminer saß Heinz bei seiner Zei
tung. Es war aber heut auch gar
nichts Jnteressantes zu lesen, über
haupt schrecklich in einem so vereinsam
ten Haus. Wie schön war es doch,
wenn Anni da war. Sobald Lottchen
schlies, war Frieden. Sie saßen dann
— «s
zusammen in Annis traulichem Zis
mer, und wenn das Wetter so kalt und
ungemüthlich war, wie heute, fder-tm
braute sie eine Tasse Thee oder Kas
see und spensdirte etwas von ihrem
vorzüglichen, feslbstfsabrizirten Back
wert. Sie sprachen dann über alle
Ereignisse des Tages, oder er las ihr
etwas vor. Oft hatten sie auch Gäste.
So hielt er es wirklich nicht mehr
lange aus, ob er mal schreiben sollte?
Eben klinaelt es aanz zaghaft an
»der Thür, das Mädchen wird sicher
wieder nicht da sein. Da wird er wohl
öffnen müssen, es wird wohl der Rei
tungsjunge sein? Aber als erdie Thür
öffnet, stößt er einen Jubellaut aus,
in seinen Armen hält er fein eben so
sehr herbeigesehntes Frauchen und sein
Kind.
Jetzt weiß er erst, was er entbehrt
hat. «
Jn der nächsten Zeit herrscht schön
ste Flitterwochen-Stimmung, und
wenn ja einmal eine Meinungsver
schiedenheit vorkommt, sagt der junge
Ehemann nur: ,,Möchtest du vielleicht
wieder mal den Versuch machen und
nach Haus reisen?«
Dann lachen alle beide, reisen wol
len sie nur noch zufammen. «
W
Alte Alamoqu und junge Formen
in Virginia. ·
Das Regierungs-Bureau fijr Forst
Dienst hat eine kleine Studie veröf
fentlicht, in welcher nachgewiesen
wird, wie sich der Wald in manchen
Teilen des Ostens in unserem Lande,
das ihm einst von Menschenhand müh
sam abgerungene Gebiet wieder zurück
erobert. « Wenn die ausgesogenen und
abgewirtschafteten Felder keine Ernten
mehr hervorbringen können, trifft die
Nation Fürsorge, daß sie wieder be
waldet werden und dem Boden im
Schatten der Bäume Ruhe gegeben
wird, daß er sich langsam wieder erho
len kann. Am Auffallendsten zeigt sich
das in Virginia, weil hier die längste
Zeit verstrichen ist, seit der erste Wald
in Farrnland umgewandelt wurde.
Als die erste ständige englische Kolonie
in James City County in Virginia,
die 1607 gegründet wurde, war noch
rein Baum gefällt worden. Dann
wurden die Wälder durch Farinen ber
drängt. Hundert Jahre vor sder Re
volution waren die besten Küstenge
biete Virginia bereits Tabaks-Plan
tagen. —- Mehr und mehr Wald wur
de gerodet, und fünfzig Jahre vor der
Revolution war an den Ufern und
Küsten Birginias mehr Ackerland als
jetzt. Der Wald hat sich sein Gebiet
wieder erobert. Auffallend ist, daß
elf Couniies Virginias beim ersten
Bundeszensus in 1790 eine größere
Bevölkerungsziffer aufwiesen, als
hundert Jahre später in 1890. Die
selbe Erscheinung finden wir außer in
Virginia noch in je einem County in
Maine-, Massachusetts, Maryland, den
beiden Carolina-Z und West Virginia.
Auch diese sechs Counties waren in
1790 stärker bevölkert, als in 1890.
Der Grund dieses Rückganges ist in
der unvernünftigen Rau wirtschaft zu
suchen. Die ersten Ansiedler fanden
einen sehr fruchtbaren Boden· Tabal
nnd Mais gediehen vortrefflich, sogar
Generationen hindurch. Die Pflanzer
---)i-n «
I-» vaioß VIII-Ho Ho hkinntscn
erschöpfen würde. Schließlich war der
Boden ausgemergelt, brachte keine Er
träge mehr und wurde ausgegeben.
Die Mehrzahl der ältesten Plantagen
in elf Counties Virginias sind jetzt
ganz oder zum Teil wieder mit Wald
bestanden. An der Höhe der Bäume
läßt sich sehen, wie die verlassenen Fel
der strichweise wieder vom Wald in
Besitz genommen wurden. Jn der
Mehrzahl sind es Fichten und Tannen,
die auf erschöpftem Boden noch gedei
hen. Sie beschatten den Boden und
machen denselben nach und nach wie
der fruchtbar. Die alten Plantagen
auf der Halbinsel zwischen dem York
und James-River, sowie sonstwo in
dieser Gegend waren noch vor wenigen
Jahren sozusagen wertlos. Sie fan
den zu einem bis zwei Dollars pro
Acre kaum einen Käufer, denn die
Loblolli-Tanne galt, da das Holz
leicht fault, als wertlos. Jetzt kostet
der Acre bereits süns bis zehn Dol
lars, da manMittel gefunden hat, das
Holz gegen Fäulnis zu schützen und
deshalb Erträge erzielt. Ueberdies
ist das Land nach seiner langen Ruhe
wieder fruchtbar geworden, und es
wird jetzt wieder dem Ackerbau zuge
führt, allerdings nicht in g.roßenPlan-s
tagen, sondern als kleinere Farmm
Ein Kreislauf: vom Wald zur Plan
tage, von der Plantage wieder zu
Wald und vom Wald zurück zum Fel
de. Eine rationelle Bewirtschastung
hätte diesen Kreislauf, der so wenig
rentabel ist, überflüssig gemacht. Jn
den dicht bevölkerten europäischen
Staaten, deren Boden bereits Jahr
tausende lang bebaut wird, ist eine
solche Bewirtschaftung ausgeschlossen.
Aber hier können wir noch aus dem
Vollen schöpfen. Jst eine Farm abge
wirtschastet, dann gibt es ja noch jun
ges und furchtbares Land genug, um
mit der Ausmergelung von neuem zu
beginnen. (Balt. D. Corr.)
Um ein »aufrichtiges Urteil« bitten
viele nur dann, wenn sie sicher sind, ge
lobt zu werden.
«- s
Die Welt ist ein Riesentrematorium
menschlicher Jllusionen.