Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1908, Sweiter Theil., Image 9

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Il«cerold.
Jahrgang Lit.
Grund Island, Nebr» 10 . Januar Ums-. (.chitcr Thciu
Nummer 20.
Des Kindchens Freude
i
!
i
!
Etgriffen stand ich, schritt nur zö
gernd weiter,
Weil eine Szene eben mir verschwand,
Ein Iachenb Bild, so froh, so himmel
heiter.
Daß eine Thräne mir im Auge stand
Ein Kindlein, hold wie mit des Hei
lands Segen,
Trug heim die Magd; der Mutter vor
dein Haus
Rief’z laut mit einem Freudenfchrei
entgegen
Und streckte weit die kleinen Arme aus.
So fliegt der Mensch, der sehnsuchts
volle, warme,
Der Lieb’ entgegen auf der schönen
Weit,
So streckt zu Gott heran der Mensch
die Arme,
Den 7.och die Erde, seine Amme, hält.
Adolf Peters
Wh
Der Druckfehler,
Humoreske aus einer österreichischen
Kleinstadt -von A l ex a n be r
E n g e l.
Unter abenteuerlicheren Umständen
haben sich wohl selten zwei Menschen
gefunden, wie die helden dieser Ge
schichte. Wenn es Sie interessirt, will
ich Jhnen die Sache unter Distretion
erzählen.
II- M II
Da saß er nun, der arme Redak
teur des »Kittauer Vadelzlattes«,nnd
liesz seinen Kopf hängen, dsißes zum
Erbarmen war. »Die-see Stoffrnangel
...dieser Stoffmangel konnte Raub
mörder erweichen und Familienoäter
zu Einbrechern machen!« klagteernno
gähnte dabei, wie es sonst nur die
Leser des MKittauer Badeblattes« zu
thun pflegen. Dann sah er vorn-aris
voll seine treue Mitarbeiter-im die
Scheere, an, die sich aus teurer-Lange
weile mit Rostfleclen geschmückt hatte.
Einige Minuten später verfiel er wie
der in einen Monolog, der arge Ver-—
wünschitngen wider beschäftigunqs
lose Notenfälscher und rastendeDiebe
enthielt
,,Ja, sagen Sie, warum ereignet
sich nichts Jnteressantes in unserer
Stadt? Warum pafsiren nicht wenig
stens zwanzi Zeilen?« Mit dieser
rage, die edatteur Haller an den
äldministrator des Blattes richtete,
unterbrach er sein grübelndes Sinnen
Es erfolgte teine Antwort. Aergerlich
drehte er sich nach dem Pulte des An
gesprochenen um und bemerkte nun,
daß sich dieser bereits entfernt hatte.
»Herr Turnauer, glauben Sie’s mir,
Sie sind ein glücklicher Mensch; Ih
nen ist es leicht, nicht da zu sein,« rief
der Redakteur. Und er ließ wieder den
Kopf hängen, laute ohne besonderen
Appetit an feinem FederftieL starrte
erfolglos zur Decke empor und blickte
mit vergeblicher Wuth das reine,
weiße Papier an, das eduldig war
tend or iljsm lag. Es ·el ihm heute
absol t nicht die winzigste Jndthm
tion ein, und wie dringend hätte er
sie gebraucht. Er war seinen Abou
nenken jetzt knapp vor Quartals
schtusz irgend ein kleines Ereigniß
schuldig. Die Armen stürzten sich
jedesmal mit brennender Neugierde
auf die »Lotalchronit«, die ihrer An
sicht nach die Verpflichtung besaß,
eine bestimmte Anzahl Berlobungen,
Scheidungen, Untreuen möglichst ge
enseitig, zu bringen« Und nun war
..eit Wochen niemandem eine Verlo
bung zugestoßen, ja nicht einmal die
kleinste Parthie ging zurück. ImNotlk
Lalle hätten sich die lieben Leser schon
amit begnügt hallet fühlte, daß er
diesma! unbedingt einen «Lokalsall«
bringen müsse. »Na. biet stillt mir
nicht die unbedeutendste Tagesneuig-«
keit ein« vielleicht gebiUZ mir im
Spazierengehen besser,« murmelte er
saate mechanisch ,,Wdieu« und verließ
hofsnrtngsfreudig das Rede-Mons
bureau . . .
s s I
Er schritt gemiichlich durch den
Part. den die weiche Dämmerung
umhiillt hatte. Er vertraute aus den
Part, denn geichöstiae Männer-Jungen
untersuchten hierGeburtSscheine, eif
rige Frauenmünbchen lontrollirten
sda mehr oder wenigere dunkel gefärbte
«Vergangenbeiten«. Die Firma sckslth
hier ihr Hauptbeim aus, üppige Ver
leumsbungen gediehen auf diesem
fruchtbaren Boden ebenso gut wie
wilde Gebeimnisse. Deshaib schwand
bereits nach kurzem Gange die Ban
igteit des Redalteurs. Er wandelte
urets versteckte Alleen und bevölkerte
Wege und schielte beständig nach
Lotalchronit. Dort fiel ihm ein tän
deltrdet Pärchen aus, das nach Her
zenslnit koste— ach wie schade, egi
war — verheirathet. Und glaubent
Sie, die voritberschreitende Mainw
mit den sechs Grazien war stir das
leidende ,,-Kittauer Badeblatt« ver
wendbar? Die ganze roße Familie
erwies sich als jasutnulistisch gänzlich
unbrauchbar! T
Der gute Haltet- verszagte, er war
anzusehen wie ein Bild des Jam
verö.
»Da ging ein Paar an ihm vorüber,
das er bereits öfter, zusammen pro
menirensd, gesehen.
»Ah, die könnten mir wirklich den
Gefallen erweisen, sich zu verloben,«
dachte er in seinem Berusseiier.
Ein bizarrer Gedante flog durch
se: nen Kopf
»Sie, lieber Freund, sagen Sie
mir einmal, wie beiszt dieser junge
Mann?" frug er einen Bekannten, der
gerade des Weges kam.
»Artbur Keinmler, ja, warum
denn?«
»Er tommt mir-so tiesia unbekannt
vor. Und wissen Sie vielleicht auch
den Namen der Dame?«
»Gewiß, das ist Fräulein Beriba
» Meier.«
»Die kommt mir nämlich ebenso
; unbekannt vor. Also besten Dant, i
.revanchire mich nächstens. Auf Wis
dersehen!« Rasch driickte er ihm dir
Hind und enteilte.
Der Aiistunftgeber machte ein ver
dutzies Gesicht und lief dem Panre
nach, um zu fragen ob es ,ich viel
iteicht intognitoda aufhalte.
Redalteur Haller schlug »das Herz,
als ob er an plötzlicher Berliebibeit
erkrankt wäre. Doch sein Herz schlug
diesmal in Amtdeschäften. Erturnte
mit dem Uebermutb eines Ckowns
die Bureautreppen empor. mit einem
Sprung befand er sich in seinem Zim
mer. Ohne viel lieberlegung schrieb er
einen längeren Artilel, wonach sich
Herr Arthur Kemrnler —- jetzt wußte
er nicht: »e« oder »ö« —- nach Ueber
windung· zahllose-r romantischen De
taillirt geschilderter Schwierigkeiten
mit Fräulein Bertba Meiner — «y«
oder »i« bereitete ihm viel Verlegen
heit, er lchrieb aber kurze entschlossen
»n« — verlobt habe. Mit einem »Ich
bin gserettet!«' warf er sich in den
Lehnstuhl und beschwichtigte einige
Augenblicke sein aufgeschrecktes Ge
wissen« das sich trotz längerer Berufs
tliiitigleit mit solchen Kühnheiien noch
nicht gleich abfinden lonnte...
»Was taan denn geschehen? Fort,
ihr Strupeln »der Seele, schwindet,
ihr Bisse des Gewissens, na, im ärg
sten Falle wird unsere Bude von sehn
süchtigen Müttern überfallen, weil
wir nicht auch ihre Töchter verlobt
haben.
I O I
Am nächsten Morgen spazierte
Herr Arthur Kemmler einsam im
Pakt umher.
Er war ein schlanter, gut konser
virter junger Mann von ungefähr 30
Jaben, der in seinem Auftreten eine
beträchtliche Schiichternbeii hatte, die
man ihm auf ziemliche Entfernung
anmerlte.
Er ging erst einige Male aus und
ab, griiszte dann nach allen Seiten
und zwar ein bsiszchen lintisch »und
nahm schließlich auf einer der griinen
Bänte Platz. Er setzte sich ganz in
die Ecke aus übertriebener Bescheiden
heit, damit er nur ja keinem anderen
den Platz oertümmere. Er war in je
der Beziehung eine turzsichtige Natur.
Nachdem er so wie eingepötelt eine
Weile dagesessen, faßte er in die Ta
sche t.nd holte die eben erschienene
Nummer des Badeblattes beraus.
Er las erst den Leitartitel ohne
besonderes Interesse, dann das
Feuitteton mit noch geringerem und
wollte eben ansangeu, die auswärti
gen Nachrichten zu studiren. als seine
Blicke plötzlich einen Seitensprung
machten und entsetzt aus dem Verlo
bungsartitel haften blieben.
»Ta, was ist denn das?« schrie er
verblüfft und erröthete von der Stirn
big iu den Halswirbeln. Er sperrte
die Augen so weit wie nur möglich
aus« Dann las er die Notiz noch
mals und erröthete wieder von der
Stirn abwärts. »Himmel«, dachte
er, »was wird denn Beriha dazu sa
gen? Jch habe mich doch gar nicht
mit ihr veriobtt Und ich werde es
auch im Leben nicht thun.... Jch
bin gar nicht im Staude, mich zu
verloben«, jammerte er.
Er starrte gross vor sich hin und
überlegte, ob er einem der Vorüberge
henden seine jammervolle Lage geste
hen und ihn um Rath fragen sollte.
Aber dazu fehlte ihm der Muth
und plötzlich sand er, dass er über
haupt ein furchtbar muthloser Mensch
set. Natürlich war er einer! Seit
drei Wochen liebte er dieses Mädchen
schon und wäre glücklich gewesen,
wenn diese Verlobungsanzeige im
»Kittauer Badeblatt« den Thatsachen
entsprochen hätte! Aber dies war na
türlich ganz unmöglich, denn er hatte
noch niemals die Konrage gehabt, ihr
seine Neigung zu gestehen. Er war
ganz ohne Konrage auf die Welt ge
kommen.
Er schalt sich einen ganz seigen
Kerl, ja, einen ganz seigen Kerl —
-— er wiederholte in Gedanken diese
Schmeichelei noch ein dutzendmal und
hatte ihren Sinn dann endlich be
griffen. Natürlich wollte er sich nun
sofort bessern — aber sofort.
Und diese Notiz da, die ihn erst
in Verlegenheit gesetzt hatte, war-ja
eigentlich ein Glück fiir ihn ·- ein
gliicklicher Zufall, den er benutzen
mußte.
Auf der Stelle!
i Er hatte auch auf der Stelle Ge
Hegenlieit zur Ausführung seiner gu
jten Vorsätze, denn soeben kam sie.
s AZH er Fräulein Bertha sah, sank
jibm selbstverständlich wieder der
iMuth und trotzdem er sich sehr zu
isammennahrm begrüßte er sie doch
wieder mit jener Schüchternheit, die
ihm eben eigenthiimlich war.
Sie danlte lächlend und beant
wortet-: unbefangen seine Frage nach
Lihrem Befinden, dabei hatte sie Platz
genommen, während er mit dem Hute
in der Hand noch vor ihr stand.
»Und Sie haben mir nichts neues
mitzutheilen?« begann sie dann und
sah ihn schelmisch von der Seite an.
Er wurde dadurch erst recht der
wirrt und ftotterte:
»Oh nein, gar nichts —- ja —- das
heißt — nein —- «.«
Sie lachte laut auf, und er wurde
dadurch dermaßen verlegen, daß so
gar seine Füße in Verwirrung gerie
then und über einen Stein stolperten.
Sie stützte ihn rasch, sonst wäre er
recht ungraziös zu Boden gefallen —
und forderte ihn auf, Platz zu neh
men.
Er that es rein mechanisch, war
blutroth im Gesicht und fühlte, wie
seine Gedanken im Kopfe eine Qua
drille tanzten, während sein Herz bis
zum Halse hinauf einen Wirbeltatt
schlug—
Sie ließ ihm erst einen Moment
Zeit zur Erholung und lächelte da
bei in recht schelmischer Weise.
»Und was ist denn das für eine
Neuigteit, die Sie mir gar nicht, oder
doch. das heißt nicht zu erzählen ha
ben?« fragte sie- dann mit möglichst
ernstem Gesichte.
Er schwieg wieder —- diesmal über
legte er aber, wie er die Geschichte
denn eigentlich anfangen könne. Na
türlich fiel ihm nicht das mindeste ein,
und nachdem er fast .zwei Minuten
lang stumm dagesessen hatte, zog er,
gesprächig wie ein Fisch, das Bade
blatt hervor und hielt ihr wortlos die
Notiz hin« · . .. ,
Sie las, erröthete und ließ das
Blatt zu Boden fallen.
»Nun,« fragte sie, »was sagen Sie
dazu?«
,,Ja«, stammelte er, »Sie —- Sie
— Sie schreiben sich doch gar nicht
mit »y«.
»Yt ein« ,sagte sie, ,,bitte, gehen Sie
siir mich zur Redaktion und lassen
— das ift einstweilen das wichtigste.«
Sie den Druckfehler sofort berichtigen
Er nickte blöde mit dem Kopfe und
erwiderte geistesabwesend: »Das ist
richtig Es ist eine Schlamperei".
Dann schwiegen sie wieder eine Weile
und Vertha licherte still in sich hin
ein. Er dachte an das Ypsilon, sie
dachte an etwas ganz anderes. End
lich faßte er sich dann doch wieder
und meinte:
»Auch mein Name ist verdruckt.«
»Das können Sie ja ebenfalls
kichtigftellen.«
Er seufzte.
»Aber die ganze Notiz ist nicht
wahr.« —- »So!« rief sie lachend, »da
wollen wir das auch berichtigen las
sen!«
»Ach nein", bat er, »das kann man
der Zeitung doch nicht anthun.«'
»Aber selbstverständlich, wir haben
uns doch meines Wissens gar nicht
verlobt.« » »Ja « ja -—«, stotterte
er, »aber —- eigentlich —- warum
denn nicht?« —- »Mein Gott —
das ist doch ganz llat, weil Sie gar
nicht um mich angehalten haben-«
»Und wenn ich das thäte?«
»Wenn Sie es thäten, müßten
Sie’3 erst wirklich thun, bevor Sie
eine Antwort bekommen . . ·«
Darauf flüsterte er eine Weile be
berzt zu dem blonden Mädchen und
bald flüsterte auch sie und was sie
sllisterten, bat nur ein Spas gehört,
der auf der Lehne der Bank saß und
theilnahmslos horchte· Und piepfend
nahm er sich vor, das Erlauschte recht
bald von den Dächern zu pfeifenl
Die Menschen sind doch wunderlich,
enken die Spatzen. Aber der Schüch
terne war jetzt glücklich. Und auch
sie, die Muthige. Die Sonne leuch
tete hell über ihnen und strahlte vor
Vergnügen, die Blätter der Bäume
ergrünten vor Freude und leise
knirschte der Kies unter den Füßen
der Vorübergehenden
Sie safxen noch immer ganz still
und flüsterten leise . . . .
»Entschuldigen Sie vielmals«, un
terbrach sie da eine fremde Stimme,
»aus Zerftreutheit,.... durch ein
merkwiirdiaes Walten des Zufalls
. ist gestern eine falsche Notiz, be
treffend Sie, mein Fräulein, und
Sie, mein werther Herr, in unser
Blatt gekommen.«
,,Gewiß«, rief er in diesem Au
lgenblicke und stand heftig auf.
»Sie haben ja den Namen der
Dame verdruckt, Fräulein Maier
schreibt sich gar nicht mit »y«.«
»Sie soll sofort in ein »i« ver
wandelt werden«, entgegnete rasch
der dienstbeflissene Redakteur, »und
ich widerrufe die Notiz.«
»Wer berechtigt Sie denn dazu?«
erwiderte er heftig. Zum erftenmale
im Leben gewann er Muth.
»Ah! Jch habe also die Wahrheit
gelogen?« i
» a«, jubelte er, »ich danke Ih
nen vielmals.« —
Und »sie« reichte dem Gefälligen
lächelnd die Hand und sagte: »Wie
derholen Sie die Notiz!« »Aber
ohne Druckfehler«, fiiate er hinzu,
»und recht fett gedruckt«.
Hiermit ift unfere Geschichte bei
einem Abschnitt angelangt, doch nicht
bei ihrem Ende. Den Schluß, der
noch viel interessanter ist, erzähle ich
aber nicht, denn ich sehe schließlich
gar nicht ein, weshalb ich alles aus
plaudern soll . . ..
Das Bier als Verräther.
Hnmrresie in zwei Akten von E u g en
J so la n i.
E r st e r A k t.
Gemüthliches Heim des jungverg
heiratheten Dr. Max Felbel, der sich
eben mit seinem Frauchen behaglich
an den Tisch des Wohnzimmers ge
setzt hat. Beide Ehegatten haben
Bücher vor sich liegen und Dr. Felbel
preist in schwungvollen Worten den
Reiz einer eigenen Häuslichleit.
Frau Ottilie jammert. Ach, wie
selten ist einem Arzt ein so gemüth
licher Abend beschieden. Sie ist eben
dabei, nachzuziihlen, wie wenige
Abende sie beide so nebeneinander
daheim gesessen, ohne dasz der Gatte
abgerufen wurde zu Kranken, —- da
läutet’g am Telephon.
»Na ja, wieder ein Kranken der
den Arzt ins schauerliche Winter
wetter hinauslockt!« rufen beide Ehe
gatten aug. Dann aber kommen sie
überein, daß Frau Ottilie ans Tele
Phon gehen und zunächst einmal hö
ren, und wenn nicht ein unabweis
barer Fall die Anwesenheit des Arz
teså erfordert, den Gatten verleugnen
o .
,,Also,n1ach’s schlau!« sagt Dr.
Felbel.
»Wer dort?« ruft Frau Ottilie ins
Telephon; ,,Grunert in der Mühlen
strasze!?«
»Weiß schont« flüstert Dr. FelbeL
»das Fräulein hustet wieder start.
Mein Mann ist fortgegangen und hat
hinterlassen, es sei gar kein Grund
zur Beunruhigung; sie sollen die
Medizin geben und für die Nacht noch
einen Umschlag!«
»Wie meinen Sie! Das mau
lein hustet so stark und kann nicht
schlafen! Ja, mein Mann ist leider
nicht zu Hause. Er hat aber hinter
lassen, daß, wenn Sie antelephoniren,
ich Ihnen sagen soll, es sei gar kein
Grund zur Beunruhigung! Sie
möchten nur die Medizin geben und
stir die Nacht noch einen Uinschlag
machen. Wie? Wann er wieder zu
rücktommt? Das kann ich Ihnen
nicht sagen!«
,,Laß dir sagen, ob’s Fräulein
noch stark siebert!« sliistert Dr.
Felbel
»Ist denn noch das Fieber sehr
start?« ruft Frau Ottilie durch’s
Telephon. »Nicht? Scheint nachge
lassen zu haben? Na, also, das ist
ja gut. Also jedenfalls kommt mein
Mann morgen Vormittag zu anen,
wenn er heute erst spät heimkehrt.
Er telephonirk wohl bald bei mir von
unterwegs an, dann werd’ ich ihm
sagen, daß Sie gerufen haben.
Schön! Schluß!«
»Na, das war schön gemacht!« ruft
Dr. Felbel. ,,Wegen dieser Angst
rneier noch nach der Mühlenstraße!
Das könnte mir fehlen!«
Fünf Minuten später findet Dr.
FelbeL daß die Gemüthlichkeit erst
vollständig wäre, wenn er.aus dem
»Löwen« ein Glas Bier da haben
würde, worauf Frau Ottilie meint,,
daß dies leicht zu bewerkstelligen seis«
Anna, das Mädchen für alles, könne
einen Schoppen Bier aus dem ,,L«o
wen« herüberholen.
Anna wird beauftragt, einenSchop
fpen Bier aus dem ,,Löwen« zu holen.
Da das Bier vortrefflich mundet,
wird der Auftrag nach einer Viertel
sstunde wiederholt, worauf aber Frau
;-Ottilie zu Anna sagt, sie möchte statt .
sdes Seidels lieber einen Krug mit
snehmen und gleich drei Schoppen
lBier bringen.
»Dann sagen wir lieber fünf«, ruft
Dr. Felbel »Weißt Du, soviel trinke
ich auch immer wenn ich im »Löwen«
am Stanimtisch sitze!«
»Nun, ja, und warum solltest Du’s s
daheim nicht so gut haben, wie ams
Stammtisch in »L·owen?« meint Frau
Ottilie und giebt der Anna die Wei- ;
sung, die nöthige Menge Bier zu brin
gen.
Soendet der gemüthliche Abend im :
Heime des Dr. Felbel und der erste ’
Akt In schönster Harmonie. (
Der zweite Akt
spielt am Tage darauf am Stamm
tisch im »Löwen«, an welchem lebhaft
disputirt wird, aber plötzlich eine auf
fällige Unterbrechung in der Diskus
sion eintritt, als Herr Dr. Felbel zum
Frühschoppen kommt.
Jndessen sehr bald kommt die Un
terhaltung wieder in Fluß und man
spricht von diesem und jenem und
schließlich auch, wie von ungefähr,
über das Biertrinken der Damen.
»Meine Frau ist nicht dazu zu be
wegen, Bier zu trinken!« ruft Dr.
Felbel aus.
»Na, na!« sagt der Apotheker
Grünwald, und die anderen Herren
lachen und wiederholen das »Na, na!«
des Apothekers.
»Aber erlauben Sie, meine Her
ren!« sagt Dr. Felbel beinahe belei
digt. »Ich gebe Ihnen mein Ehren
-lvort, meine Frau nippt nicht einmal
’am Bier!«
Da gucken sich die anderen Herren
gegenseitig ganz seltsam an und
ischmunzelm was natürlich der Dr.
Felbel nicht begreifen kann. Aber der
Kaufmann Ernesti bringt rasch das
Gespräch auf ein anderes Thema.
Nach und nach stehen die Herren
am Stammtisch auf und verabschie
den sich.
Als Dr· Felbel zugleich mit dem
Kaufmann Ernesti fortgehen will,
ruft ihm der Apotheker zu: »Herr
Doktor, noch ein Wort!« So geht
der Kaufmann Ernesti allein, und der
Apotheler und der Doktor bleiben als
einzige Stammgäste zurück.
»Was haben Sie denn noch?« frägt
.Dr. FelbeL
»Ein Wort im Vertrauen, lieber
Doktor!«
»Was denn? Sie thun ja so ge
heimnifzvoll und fo wichtig!«
»Ist auch geheimnißvoll und wich
tig; muß vorläufig unter uns blei
. ben,« sagt der Aotheker. »Sie wissen,
ich me-in’ es gut mit Jshnen, bin Jhr
alter Freund, deswegen kann i.t)’s
nicht verschweigen Jhre Frau be
triigt Sie!«
»Sie find wohl verri-icit!«
,,Beruhigen Sie sich, lieber Doktor!
Jch bin nicht verrückt, aber es istfo
Erzähl’s Jhnen nur, daß Sie auf
passen!«
»Aber, lieber Herr Griinwald ——«
»Hören Sie! Gestern Abend kommt
Grunert aus der Mithlenftraße an
den Stammtisch und stellt sich in un
serem Beisein an’s Telephon, um wei
gen feines krank-en Fräuleins mitJh
nen zu telephoniren. Da untwortet
ihm Jhre Frau Gemahlin, daß Sie
nicht zu Hause find und erst spät
heimkehren Na, schön! Kurze Zeit
darauf kommt Jbr Dienstmädchen,
die Anna und holt Bier und bat-d da
rauf holt sie wieder Bier, der Löwen
wirth sagte, fünf Schoppen. Donner
wetter, sagen wir am Stammtifch,
die Frau hat Durst, die paßt zum
Doktor. Und derDurst der Frau Dr.
Felbel war gestern Abend und heute
früh beim Frühfchoppen Stammtisch
gespräch. Nun kommen Sie daher
nnd sagen: Meine Frau nippt nicht
einmal am Bier. Also, lieber Dok
tor, da Sie nicht zu Haufe waren,
Jhre Frau Gemahlin aber nicht Bier
trinkt« muß doch wohl ein anderes
Individuum bei Jshrer Frau Gemah
lin gewesen sein. »Quod erat denn-n
ftrandukn«!«
Der Doktor Felbel war erst eini
germaßen verlegen; was hätte er auch«
antworten können. Entweder mußte
er zugeben, daß er als- Arzt eine.
wenn auch entfchuldbare Nachlässig- »
keit begangen, oder er mußte dem ;
Apothcter recht geben. Das war hschst "-’
peinlich. ;
Endlich sagte er: »Aber, lieberHerr
sGrünwald, meine Frau — swo denken-« !
Sie hin! Bin feft überzeugt, dieSache s
klärt sich sehr harmlos auf. Meine
Frau mich betrügen — ganz unmög
lich!«
»Na, dann nichts für ungut, lieber
Doktor! Meinte nur, «ais alter
Freund meine Pflicht Jhnen gegen
über thun zu müssen. Jedenfalls
Obacht aebent Es ift schon mal ein
Nachtwächter bei Tage gestorben!«
Das Juvlläum des »Nüruherser
Trichters«.
Am 1· November wurde in Nürn
berg der 200. Geburtstag eines Man
nes gefeiert, den die alteReichsftadt
an der Pegnitz in die Schaar ihrer
drelen berühmten Männer eingereiht
hat. Es ist Johann Philipp- Haks
«d—örfer, derSchdpfer einer literarischen
Gesellschaft, die noch heute besteht.
Er ist es »auch, «an den die berühmte
Redensart vom ,,Nürnberger Tri
ter« zurückgeht. Unter seinen mess
als 50 Bände füllen-den Schriften be
findet sich auch ein merkwürdige-T
647 erschienenes Buch, »Po—etiseher
Trichter, die deutsche Dicht- und
Reimkuuft, ohne Behiuf der bat-eini
schen Sprache in 6 Stunden einzu
gießen«. Dieses Buch hat die Veran
lassung zu der genannten Redensart
gegeben. Jm Jahre 1644 gründete
Harsdörfer den ,,Blumenor-den »der
Schäfer ian der Pegnsitz«, eine Art
literarisches Kränszchem das lsieh die
Pflege der Dichtkunst zur Aufgabe
machte. Aber seine Mitglieder ver
richteten keine besonders her-vorragen
den Thsaten Höher sind ihre Ver
dienste um die Reinigung der deut
schen Sprache anzuschlagen, die eben
falls Zweck dieser Vereinigung swan
Die »Pegnitzs äfer«, wie sie sich
nannten, frö,nten hauptsächlich ider
dem damaligen Zeitgeschmack entspre
chenden gezierten Hirtenpoesie, bei
ihren Zusam.menkiinften, die meistens
in einem Hirtenhain ftattfan«den,ver
kleideten sie sich als Schäfer und rie
fen sich gegenseitig mit angenomme
nen Dichternamen Der erste »Dich
terhain« ist nicht mehr aufzufinden,
aber der zweite existirt noch. Es ist
der Jrrhain bei Kraftshof, ein herr
licher Pari, in dem früher labyrinth
crtige Liaubenaiinge angelegt waren.
Jeder Pegnitzschäfer hatte in dem
Hain eine kleine Hütte, in die er sich
zurückzog, wenn er das Bedürfniß
empfand, mit seiner Muse allein zu
sein. Der Hain, der 1678 von der
Gesellschaft erworben wurde. befindet
sich noch heute in deren Besitz. All
jährlich wird dort das sogenannte
Jrrltainfeft begangen. — Aus Anlaß
dieses Jubiläums wird im Germani
icben Museum in Nürnberg eine Aus
stellung von den Werken lWarsdijrfers
und der auf ihn und feine Bestrebun
gen bezüglichen Schriften u. f.-w.ver
anstaltet.
-
Der Kronpriuz und die Bauern
Jungen.
Aus Hannover wird geschrieben:
Am Tage St. Hinberti weilt-e der
Zironprinz in Hannover, um die St.
Hubertusjagso am Militärinstitut
mitzuteiten Im Garten des Gast
hauses Waidmannshseil in Jsenhagen
war Rendezivong der aus ca. 300
Reitern bestehenden Jagd-Gesellschaft.
Dieses alte historische Gasthaus, in
dem schon Kaiser Fried-rich, Zar Ni
kolaus-, der König von Rumänien,
der König von Griechenland unsd viele
andere Fürst-en sEsinlehr gehalten has
ben, ist an diesem Tage immer der
Sammelpunkt aller Neugierigen und
Jagdbummler, die von hier aus der
Meute uned der Jagdgesellschsaft sol
gen. Die Kunde, daß der Krosnprinz
oic Jagd mitteiten werde, hatte sich
bald in den Orten der Umgegend
verbreitet nnd von nasb und fern »die
Bauern-jugend angelockt. Man sprach
rcn Getränken fleißig zu und war
äußerst fidel. Der Kronvrinsz, der
beim Rendezvous vom Pferde gestie-.
gen war und im Garten des Wirths
bauses promenirte. war" stets von
Hunderten von Bauerniungen um
geben. Als man Idem Sohne des Kai
sers wieder mal ein brausean Hoch
ausbrachte und der Kronprim sich
dankend verneigte, sprang ein kleiner
Bauernbengel vor und tief laut: »Dirc
dreimal hebt wir di jetzt ’n hoch at
brocht, nu giss mal einen utt«'