Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1908, Sweiter Theil., Image 12

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    v LUI von Sherlock
Halm-.
M Englischen nacherziihlt von J.
Cass irer.
In einem Sonnabend Morgen im
Miser- 19. .. . befand sich die ge
zssmnte Bevölkerung des Dorfes Leer
Iii in der Provinz Hessen in größter
Musen-g Die alte Frau Schlottke
Ost in dem kleinen Häuschen, in dem
He We als die Erinnerung der äl
testen Leute reichte, gewohnt hatte, er
mordet aufgefunden worden.
psWer war der Mörder-? Die Frage
« ging von Mund zu Munde, aber nie
-" »F wand wußte eine Antwort darauf zu
geben.
« Die Ermordete war die Wittwe ei
nes gewissen Karl Schlottke, der sich
vor Jahren durch den Abbau eines-!
Steinhruches ein kleines Vermögen i
erworben hatte. Das kleine Haus-J
in dem-die Mordthat geschehen war, ;
hatte er sich selbst gebaut und es fei- ;
ner Wittwe hinterlassen, die von den J
Zinsen ihres kleinen Kapitals ihreni
bescheidenen Lebensunterhalt bestrei- ;
ten konnte. 1
Die alte Frau Schlottke war eines
komifche alte Dame — sie fürchtetes
weder Gott noch Teufel, wie die ;
Dörfler sagten — und lebte in ihrem j
Häuschen ganz allein. Niemand hätte (
sieh wohl auch träumen lassen, daßJ
ihr, die still und ruhig ihrer Wege(
ging, jemand nach dem Leben trachten
würde.
Nur ein Motiv für das Verbrechen
gab ec, und das war Raub. Die alte
Frau war nämlich sehr geizig gewe
sen. Trotzdem, wie gesagt, ihr Ver
mögen nur klein war, so verzehrte sie
· bei ihrem sparsamen Leben doch noch l
nicht die Zinsen davon, und in Leer
wis war es ein offenes Geheimniß,
daß sie irgendwo in ihrem Häuschen,
an einer Stelle. die ihr nur selber be
kannt war, eine größere Summe Gel
des versteckt hielt.
Nur einen Verwandten hatte sie, ei
nen Neffen, dem es schlecht ging, und
der sie manchmal besuchte. Man
te auch, daß sie ihn bisweilen un
dersiühte Sie begleitete aber ihre
Unterstüßungen immer mit langen
Ermahnungen und Strafpredigten,
und da ihre Zunge in der ganzen Ge
gend sehr gefürchtet war, so sprach
Johannes Wiesner, so hieß der Neffe
nur selten bei ihr vor, und seit Mo
- nahen hatte er sich nicht in der Gegend
Hirten lassen. Sein Name wurde
zwar aus Anlaß der Mordthat häufig
erwähnt. aber alle waren sich darin
— einig. daß ,er es nicht gewesen sein
» könne«
- . Um die Kosten fiir die Beleuchtung
in ersparen, suchte Frau Schlottte
·" stets sehr zeitig die Ruhe aus, und
das muß sie auch an jenem verhäng
nisvollen Abend gethan haben, denn
man sand ihre Leiche neben dem Bette
ans dem Boden liegen; um den Hals
bar ein Strick geschlungen, vermit
tels dessen sie erdrosselt worden war.
Ihr Zimmer war in größter Unord
MMU alles lag wirr durcheinander,
die Schuhe waren aufgezogen und ihr
Mlt aus dem Boden verstreut; ein
ank, den sie stets verschlossen ge
halten hatte, war ausgebrochen wor
den, und zwar allem Anscheine nacht
mit der Feuerzange aus der Küche die !
daneben aus dem Boden lag.
Auf die Kunde von dem Verbre
Hen erschien aus der nächsten Kreis
siadt die Kriminalpolizei in Gestalt
eines Wachtmeisiers und mehrerer
Schutzleutr.
Wachtrneister Zeidler war ein ru
higer, intelligent augsebender Herr,
der schon viele Jahre im Dienste stand;
dem es aber wohl seines stillen be
scheidenen Wesens wegen bisher nicht
gegliickt war, eine höhere Stellung zu
erringen. Er war aber ein tüchtiger
·Beamter und hoffte, daß vielleicht die
ser Fall ihm Gelegenheit geben würde,
-:««» sich hervorzuthun. Für Wissenschaft
und Literatur hatte er stets großes
Interesse gezeigt nud gleich bei ihrem
Erscheinen hatte er die »Abenteuer
von Sherlock Holmes« mit einem wah
ren Feuereifer gelesen. So mancher
seiner Kollegen hatte zwar diese Schil
anen als «phantasiisch« und ,,nicht
dem Leben entsprechend« bezeichnet, er
Eber hatte stets die Meinung vertreten,
daß in Holmes’ Methode ein gesun
der Kern steckte, und daß als Detektiv
ex jedem Kriminalbeamten ein Lehrer
sein könnte. Es hatte sich ihm indes
sen noch nie Gelegenheit geboten, seine
vAnsichten an einem praktischen Bei
. fiele beweisen zu können. Er hoffte,
«." die Zeit dazu gekommen sei, und
Ue die Folge zeigen wird, täuschte
fip 4diese Hoffnung auch nicht«
Ex- Zeidter untersuchte aus das genanes
Oe das Deus und die Leiche, ohne daß
)y- habe-i eine Spur des Mörders ent
W konnte. Als er aber unter das
M M- fand et einen Spitzt-tw
Ug- em er angehn-, daß der Mörder
M M gelassen und später herges
"· . Ei me ein gewshssicher
, » Stock, an seiner dicksten Stelle,
ist«-sie- hest-; etwa ein-u Zoll im
» - " « u halten-; die KZkckeSwg
« W . lich ge ltei. r t
W ins-W m sit-Ils- schsv
sw- ftiw W set-W
worden; wer aber dieser Befiser war,
wußte niemand. Keiner kannte den
Stock oder tonnte eine Vermuthung
darüber äußern, wem er wohl gehö
ren mochte. Nur so viel ftand fest:
Frau Schlottle hatte sich nie eines
Stockes bedient nud daher konnte man
mit Sicherheit annehmen, daß er dem
Mörder gehörte. ·
Wachtmeister Zeidler war gerade
mit einer eingehenden Prüfung des
Stockes beschäftigt, als Polizei-Jn
spettor Pflüfthardt aus der Kreis
ftadt erschien. Pflüsthardt war das
Gegenbild von Zeidler; er war ein
prahlerischer, eingebildeter Herr, der
alles im Sturm nahm oder wenig
stens nehmen wollte, und der Zeidler
mitseinem besonderen Hasse beehrie,
sweil dieser eigentlich an seiner Stelle
thatte Polizei-Jnfpettor werden müs
en.
Mhaben Sie etwas entdeckt, Macht
meifter?« fragte Pflüfthardt.
»Weiter nichts als diesen Stock,«
antwortete Zeidlerz »ich glaube aber.
daß wir »durch ihn auch den Mörder
bekommen werden«
»Wiefo?« fragte Pflüfthardt.
Wem gehört er? Wissen Sie, was
das fiir ein Menschift? Hat jemand
den Stock erkannt?'« Ein halb-Dutzend
Fragen in einem Athemznge.
Ruhig antwortete Zeidler: »Ueber
dieer Stock weiß niemand etwas.«
»Das glaube ich,'« bemerkte höhnisch
Pflüfthardt, »und um so einen
schmutzigen, alten Stecken wie den
hier« kümmert sich auch niemand.
Hunderte solcher Stöcke aibt’s im
Dorfe, und wer den kennen soll, das
möchte ich wissen.«
Zeidler erwiderte nichts, sondern
lächelte nur leise vor sich hin und
nahm den Stdn an sich.
Dann ging Pfliifthardt an seine
Arbeit. Zunächst sammelte er »Juk
ten," wie er sich aus-drückte Jsm gan
zen Dorfe erkundigte er sich und je
dem legteer so vieleFragen vor, bis
ihm das bekannte Mühlrad im Kopfe
herumging und schließlich war er sel
ber so klug wie zuvor. Er hielt esse
doch für nothwendig. sich eine »Theo
rie« zu bilden, und wie er Herrn
Zeidler mittheilte, ging seine »Theo
rie« dahin, daß Johannes Wiesneh
der Neste. per Mistder sei. Diesen
jungen Mann wollte er auffinden
nnd nichts würde er unversucht inf
sen, um ihn der strafenden Gerechtig
keit zu übergeben.
Wachtmeister Zeidler mochte sich
roohl auch eine Theorie gebildet ba
den. er schlug aber einen ganz ande
ren Weg ein wie sein Vorgeseyter.
Ueberall forschte et, oh ein Fremder
im Dorfe gesehen worden sei, nie
mand aber wollte einen gesehen ha
ben. Er nahm daher an. daß der
Mord von jemanden begangen wor
den sein mußte, der nicht allzu toeit
vom Thatorte wohnte. Er begab sich
sodann zu herrn Schulte, der einen
Kaufmannsladen inne hatte, und mit
dem vertiste er sich in ein eifriges
Gespräch In Herrn Schreitens Laden
pflegten die Leute aus meilemveitem
Umkreise ihre Einläuse zu machen.
und da jeder dort vorsprach. hatte
Schulte Gelegenheit. die Eigenthüm
lichteiten der Bewohner der ganzen
Umgegend kennen zu lernen.
«Hören Sie mal, Herr Schulte,«
begann der Wachtrneister, »ich möchte
Sie mal im strengsten Verworren
sprechen, und Sie müssen rnir Jktt
Wort geben, nichts von dem, was ich
Ihnen sagen werde. einem anderen
mitzutheilen.«
Schulte sollte dem Wachtmeister die
größte Achtung und gern versprach er
ihm das.
«"Sie kennen die Leute hier in der
Umgegend doch ganz genau,« be
merkte Zeidler, «besset als ich oder
sonst wer. Erinnern Sie sich viel
leicht eines Mannes. eines kräftigen,
schweren Mannes, der linkshiindig ist,
ettoa 5 Fuß 7 Zoll mißt und die Ge
wohnheit hat, an seinem Stocke ein
»Minde! ans der Schulter zu tra
)aen?« «
» Nach einigem Nachdenken erwiderte
HSchultn »Nur eine einzige Kundim
jdie linkshändia ist, habe ich. Das ist
III-an Muslyieinn Die trägt aber keinen
Stock.«
»Nein. nein, lieber Herrs« wider
sprach Zeidler. »Ein Mann muß es
sein, keine Frau.«
Abckmals dachte Schulte nach, und
noch einer kleinen Pause entgegnete
et: »Dann tann’s nur noch der alte
Fritze Krause in der früheren Oel
mühle zu Volsdorf sein. Der ift
linkshiindig, Und manchmal hat er die
Eintiiufe, die er bei mir gemacht hat«
in sein Tafchentuch gebunden und
dann das Bündel an feinem Stocke
auf dem Rücken getta en. Aber um
Himmels-willen her Wachtmeister,
Sie halten doch etwa nicht den für
den Mittan
« »Sprecben wir nicht -dariibee,«
wehrte Zeilser ab, «tvann haben Sie
ihn Zuletzt geschautw
«Sonnabend Nachmittag gegen sdrei
war et hier.«
»Wie fah er ansi«
»So wie immer, mir ist nichts asn
Fetze- «aufgetallen. Brutnmig ist er ja
»Noch-mild bitte ich Sie, von mei
nem Verdacht niemandem aegeniiber
etwas vertan-ten zu lasen-« bat Seid
ler beim Abschiede. »Der alte Kranke
imwia Vielleicht doch an dem Morde
unschuldig sein« its-d wir wollen ihn
nickt unniiti ins Gerede hinan-«
Der »Mit Mai-ie« war ein etwa
hbenunpfiisfzig Jahres alter Mann
W
I und wohnte mit feineru einpisen Toch
· ter in einem n einer
nicht mehr in Betried ben ndlichen
Oelmiihle gehörte, die eine gute halbe
Meile von Leerin entfernt lag. Er
kaufte hasenfelle und dergleichen ans
: und verdiente sich schlecht nnd recht
s das, was er brauchte. Allgemein hielt
-» man ihn fiir einen ehrlichen Kerlund
: mit der Polizei war er noch nie in
; Konflikt gekommen.
i Unauffällig zog nun Wachtmeisier
) Zeidler Erlundigungen iiber den
z »c1ten Kur-fes wie er gewöhnlich ge
nannt wurde, ein und bald hatte er
E auch festgestellt, daß man Krause
Freitag Abend usn neun nach Leer
iwitz zu hatte gehen sehen; zurückkam
men hatte ihn aber niemand gesehen
zNachdem sich Feidler zuvor vergewis
Hert hatte daß der alte Mann nicht
zuhause war beaad er sich nach einer
Wohnung und sprach dort seine ach
ter. Un: keinen Ver dacht zu erregen,
gebrauchte er den Vorn-and, er wolle
nur nachsehen, ob Krauses Hausre
lchein rechtzeitig erneuert worden
fei. »Ich hätte ihn ja eigentlich Frei
tag Itkbend selber fragen können« ,
meinie er. »ich sah idn auf dem Wege
nach Leerwitz, konnte ihn aber nicht
mehr einholen«.
»Ja,« erwiderte die Tochter, »er
war am Freitag Abend aus-"
»Na, ich werde ihn wohl schon wie
der e«. nmal treffen. Adieu,« rief Herr
Zeidler und that so, als wollte er ge
Ihen, kam aber nochmals zurück
»Im-arm wird denn der Vater wieder
» hier sein, Marie ?«
»Ich glaube so gegen halb acht, Heer
lWachtmeisterf antwortete sie. »e: ist
nach Gelntshausen gegangen.«
»Apropos,« fragte Herr Zeidler
weiter, »haben Sie vielleicht einen al
ten Stock, den Sie rnir leihen könn
ten? Jch habe enir ein bißchen den
Fuß verstaucht nud mit einem Stocke
könnte ich besser geben«
»Es thut rnir leid, Jhnen nicht die
nen zu können, Herr Wachtrneister,«
santwortete Marie. »Bater hatte ja
zwei Stöcke, den einen aber hat er
vergangene Woche verloren und jeßt
hat e: den andern genommen, so daß
; kein-r da ist.·«
«Thut weiter nichts,« antwortete
JZeidler und hintend, als ob et
JSchrnerzen hätte, ging er davon. »Es
Jwird schon auch so gehen.«
»Ich hab’ meinen Mann gesunden,«
dachte er bei’ sich, als er nach der
JKreisstadt fuhr. hier erwirtte er ei
nen Hastbefehl gegen Krause und in
Begleitung eines Schutzmanns suhr er
wieder zurück.
Gerade in dem Augenblick, als der
«alte Krause« seine Wohnung betrat,
nahmen sie ihn fest, und so erschreat
war er, daß er gar nicht-einmal den
Versuch machte, das Verbrechen zu
leugnen, sondern dem Wachttneister
sofort angab, wo er das von Frau
Schlottte gestohlene Geld versteckt
hatte. Er hatte einst, so erzählte er,
gesehen, wie die alte Frau eine grö
ßere Zahl von Zwanzigrnartstiicken
auszahlte, nud das hatte in ihm den
Entschluß reisen lassen. sie zu besteh
len; er hätte ihr auch ganz gewiß lein
Leid angethan, wenn sie nicht an je
nem Freitag Abend, als er bei ihr
eingebrochen war, ihn trotz seiner Ber
tleidung bei seinem Namen gerufen
hätte. Er fürchtete sich vor der
Strafe, nud deswegen sei er aus sie
losaesvrungen und habe sie «kalt ge
macht.«
I Inzwischen hatte Zntperror Unun
hardt den armen Johannes Wiesner
verfolgt. Jn Kassel, seinem früheren
Aufenthalts-orie, hatte er erfahren,
daß er sich nach Bremen gewandt
hatte, nnd als Pfliifthardt nach Bre
rnen iam, hörte er, daß Wiesner in
Hamburg sein sollte, und als er ihn
glücklich in hambura traf, konnte
Wiesner überzeugend nachweisen,
daß er seit vier Wochen die Mauern
Hamburgs nicht verlassen hatte, so
daii Pfliifthardt selber einsah, daß
Wiesner nicht der Mörder sein konnte.
Wie seine Beamten erzählten, war der
Herr Jnspettor bei feiner Rücktehr gar
,,mächtig wild«, und noch viel »mil
der" wurde er, als er hörte, daß Seid
ler, der Wachtmeifter. den er immer
so oben herab anzusehen pflegte, den
wirklichen Mörder gefaßt hatte.
Gern hätte Pfliifihardt von Seid
ler gehört, wie er auf Krauses Spur
gekommen war und in ihm den Mör
der erkannt hatte. Zeidler dertröstete
ihn aber auf die«Verhandlung, bei der
er folgendes aussagie:
«Jch habe es mir zur Regel ge
macht, auch auf die kleinste Reben
siichlichteit zu achten. und als ich den
Stock fand, der in der Wohnung der
Ermordeten zurückgeblieben war, fah
ich ihn mir recht genau an. Er war
ans Eiche, lehr schmnstg und in sei
ner ganzen Länge beinahe schwarz,
nur oben an der Krücke war er durch
das beständige Dagegenreiben der
Fand nnd der Finger glatt nnd auch
ander Es fiel mir auch aus« daß der
Eindruck der Finger am Stocke auf
der linken Seite tiefer· ging als auf
der rechten. Das bewies mir, daß der
Mann. der sich des Stockes bediente,
linkshiindig war. Wenn Sie einen
Stock mit solcher Krücke, wie dieser
hier see hat. zur Hand nehmen. so wer
den Sie sehen, daß der Zeigefinaer der
rechten band auf der rechten Seite des
Stockes einen Eindruck macht; bei ei
W
Beweiälette geschlossen.«
steigende Stellung ein.
nein itntghiindigen Manne wiirde der
entsprechende Eindruck sich aus der
linten Seite des Stockes befinden.
Jch maß den Stock genau nnd sand.
daß der Mann, der sich seiner be
diente, ungefähr siins Fuß sieben Zoll
groß sein mußte. Daraus, daß der
Stock etwas gebogen war, schloß ich,
daß sein Träger ziemlich schwer war
und sich daraus zu stügen pflegte.
Aus einer glatten Stelle aus der
Rückseite, ungefähr in der Mitte, fol
gerte ich schließlich, daß aus ihm ost
ein Bündel über der Schulter getra
gen worden war und eine abge- »
scheuerte Stelle aus der entgegengesetz
ten Seite in der Nähe der Krücke, um »
die der Knoten oder die Schleise des J
Bündels geschlungen war, bestätigtei
mir tas.
Jch suchte sodann einen Mann aus
sindig zu machen der linlshändig.
ziemlich schwer, süns Fuß sieben Zoll
groß war nud die Gewohnheit hatte,
an einem Stocke iiber seinem Rücken
ein Bündel zu tragen. Bei meinen
sehr genauen Nachforschungen fand ich,
daß tier einzige linlshändige Mann in
der Gegend, der dieser Beschreibung
entsprach, nur der «alte Krause«, der
Angeklagte, sein konnte. Ferner stellte
ich fest, daß man ihn in der Mord
nacht nach Leerwitz zu hatte gehen
sehen, und—dasz er einen Stock verlo
ren hatte. Damit war für mich die
Zeidler nimmt jetzt bei der Kriinii
nalpolizei der Residenz eine hervor
Die erste Bahnfahrt
»Ein Dorsidhll von Leon Holly.
f Großmutter oder »de Fru Kan
!tern", wie sie im Dorfe, in dem ihr
slieber Alter vierzig Jahre lang als
iLehrer gewirkt hatte, allgemein ac
nannt wurde, lebte in ihrem kleinen,
von Epheu umsponnenen häuschen
ein hehagliches. den Erinnerungem
ihres Lebens geweihtes Dasein. «
Großmutter war eine vom alten
Schlage. Trotz ihrer fünfundsechzig
oerschmiihte siee5, zu ihrem Schwie
gersohn in die Stadt zu ziehen —
einmal, weil sie sich vom Grabe ihres
geliebten Alten nicht trennen mochte,;
unsd dann, weil sie der Meinung mar,
es sei besser, junge Leute für sich hau- ]
sen zu lassen. 1
So lebte sie schlecht und recht oonl
ihrer kleinen Pension in dem bersten-;
ten Dörschen und erquickte den Abendj
ihres glüc- und sorgenvollen Lehenst
an den Früchten der Liebe und Ehr-i
erbietung, die der alte Kante-r Zeit?
seines Wirkens heranzuziehen hestteth
gewesen. . :
Eigentlich konnte man ja auch von
einer direkten Vereinsornung Groß
mutterö lauen reden, hatte sie dochj
noch allerlei Lebendiges in ihrem Hei-H
nen Anwesen um sich: die Ziege,!
Häuschen, Den Kanarienvogeh undi
den schwarzen Kater hiddigeigeiu
welch’ letzter-en der verstorbene Kantors
als ein stürmischer Verehrer SchesO
lsels und seines »Trompeter5« mit;
jäiesern tlangoollen Namen geschmückt
atte. .
Jahr und Tag vergingen, ohne
daß ein irgendwie bemerlenswerthes
Ereigniß diesen stillen Kreis gestört
hätte, —- höchstens, daß Häuschen sich
im letzten Jahre beängstigend heftig
gemausert hatte; aber auch das war
schließlich gut abgelaufen.
Da brachte eines Tages ein Brief
aus der Stadt Unruhe und Verwir
rung in das stille hör-schen Die Kin
der baten inständig. Großmutter
möchte doch nun endlich einmal zu
ihnen in die Stadt kommen, und
zwar ganz bestimmt zum nächsten
Sonntag, an welchem e ihren fünf
ten Hochzeitstag sestli begehen woll
t . Sie sollte sich von Schlachter
rtelö, der einen Planwagen besaß
und als ehemaliger Schiller des Lan
tors diese Mission gern übernehmen
Minde. nach der nächsten Station der
neugebauten Zweighahn sahren las
sen, und dann sollte sie mit der Ei
senbahn weiter dampsen.
I Großmutter schlug die Hände über
S dem Kopf zuammen. Im ersten Au
qunblick erschien ihr die Idee, in die
SWelt hinauszusahren wie ein junger
ERetrui. aanz unaeheuerlich. Jhr rath
k loser Blick fiel auf Hänschen und wan
xderte weiter zu Hivd.geigei, der in
lphilosophischer Gelassenheit auf der
zOfenbant saß und schnurrte.
Nein, nein, sie konnte unmöglich
sort! Was sollte denn aus diesen da
werdens Und zur rechten Zeit erscholl
wie ein warnendes Memento das»
Meckern der Ziege aus dem Hose. Und
außerdem: der Dnmvswagent Mit;
solch' einer Teufelslutsche sollte die
«-alie Frau fahren —- du lieber Him-!
mel! In Großmutter-Z Phantasie
hatte sich der »Dampfagen«, von dem
sie seit dem Bahnbau hin und wieder
vernommen hatte, zu etwas Unbeirrt
lichem gestaltet, was man nach Miss
lichteit fliehen müsse.
Aber Großmutter hatte nicht mit
ihrem guten, alten und doch ewig inn
zgen herzten gerechnetl Gans-i pliitzlich
let-griff sie eine seltsame Sehnsucht
»Sie sah im Geiste ein süßes, blondes
s Lockenispschem sah zwei winzige
Ihn-kochen sich verlangend nach ih
i aussirecken und hörte ein helles
Stimmchen: Orna. Omal rufen, was
Großmama heißen sollte.
Da wer die schwierige Frage mit
einem Male entschiedene Großmutter
se
reist, —- allen Dampiwagen und
hätt-lieben Bedenken zum Trot. Und
mit jener Ju end-frische und Hei-zerrt
wiirnie. die ch echte Frauen mitther
bis ans Grab zu wahren wi en, ging
sie ungesäumt an die Vorbereitungen
zu der ereignißvollen Fahrt.
Crit ging sie zu Schlachter Dattel-T
um die Sache mit idem Wagen ins
Reine zu bringen. Leider war da
J nichts- zu machen, weit der Meister an
"-demselben Tssge auf den Sauhandel
mußte und erst spät znrücktommen
tonntr.
Das entmutbigte jedoch Großmut
ter gar nicht —- irn Gegentheill Ein
wahrer Feuereifer war über sie gekom
men, und obne biet Federlesens faßte
sie den Entschluß, den zweiundeins
batbstiindigen Weg zu Fuß zurückzu
legen.
Erst ging sie noch zu einer Nachba
rin und übertrug dieser die ehrenvolle
Aufgabe, für ihre bedankten und ge
fiederten Lieblinge zu sorgen.
Endlich. nachdem sie noch verschie
dene Bedenken und Reueanwandluni
en tapfer überhanden hatte, tam der
Tag heran. an dem die Abreise statt
finden sollte. Jn der Meinung, der
»Dampiwagcn« —- unter welcher Be
zeichnung sie sich ein omnibnsartiges
Vehikel vorstellen mochte -—— stände
jederzeit zum Einfteigen bereit,hatte
sich Großmutter nicht weiter nach der
Abfahrtgzeit erkundigt. Aber sie
minte doch. es sei gut, wenn sie fruh
führe.
Vor Aufregung konnte sie die ganze
Nacht nicht recht schlafen; um drei
Uhr Morgens stand sie auf, versorgte
die Thiere noch einmal ausgiebig mit
Futter, nnd gegen vier Uhr ichritt sie
froh und munter in der Richtung
nach der Station davon.
An dem einen Arm hielt sie die
Reifetasche oes Seligen; am andern
Arm trug sie ihren Strickbeutel, und
in der Hand Hielt sie einen jener ehr
würdige-i Negenschirme, die man im
Thüringer Land mit dem Namen
»Mussprie« zu tennzeichnen liebt. So
schritt die brave »Im Kannen« or
dentlich jung und frisch in den heiteren
Morgen hinein
Gegen sieben Uhr langte sie aus der
noch recht primitiven Station an,
und richtig! da stand ja auch schon
»der« Dampfmagen —- denn daß es
sich bei der Eisenbahn um eine ganze
Reihe von Wagen handeln tönne, da
ran izatte Großmutter natürlich nicht
gedacht. Es fiel ihr auch nicht ein«
ein Billet zu lösen; sie war überzeugt«
daß schon jemand in den Wagen kom
men und ihr das Fahrgeld til-verlan
gen würde.
-- — «
Uut oem Perron war rein Mensch
zu erblicken, und um keine Zeit zu ver
lieren —- die Sehnsucht nach ihrem
Entelchen wurde immer heftiger! —
stieg Großmutter seelenruhig in den
aus dem Rangirgeleise stehenden Wa
gen ein« Als sie erst einmal saß, eith
mete sie erleichtert aus; sie hatte sich
die Sache doch viel ausregender und
mit mehr Getöse verbunden vorge
stellt. "
Gott sei Dant, daß sie nun drin
saß! Sie legte ihre Tasche neben sich
aus die Bank, nahm ihr Strickzeug
vor und begann emsig drauslos zu
stricken.
Es dauerte gar nicht lange, so
hörte sie draußen Stimmen. und gleich
daraus setzte sich der Wagen sacht in
HBSwegung Das gefiel Großmutter
)nun wirklich ganz gut, aber sie hatte
den Gedanten kaum zu Ende gedacht,
als ihr Kopf auch schon leise sich zu
tsenten begann. Das ruhige Sitzen
nach dem ungewohnt sriihen und aus
aedehnten Gang hatte sie eingeschla
fert.
Währende hatten die Rangirar
heiter Großmutters »Dampswagen« in
den Schuppen geschoben und waren
wieder davongegangen.
Die alte Dame hatte einen gesun
den Schlaf; erst gegen els Uhr Bor
mittags erwachte sie plötzlich insokge
heftiger harnmerschläge in ihrer
Nähe, und gerade, als sie sich die Au
M
«gen rieb, trat ein Mann in blauer
iunisorm herein. -Er sah die alte
Frau mit ihrem Strickstrumps fisen
Im sagte verblüfft: »Dein-, Jesus-,
itoas mache Se denn da drinnei«
»Ach, ich sahr’ nach Dingsleben zu
meiner Tochter,« entgegnete Groß
Imutter treuherzig, «totr sind doch
’bald dort?«
i »Ja, aber — Fraule!' rief der
Rangirer, immer mehr verwundert,
«»sm Se schon lange hier hinne?«
I »Na, so an die drei, vier Stunden
imiissenj wohl feint« gab die Groß
mutter arglos zurück, aber plötzlich
lschien ihr etwas auszufallen. denn sie
Ifuhr hastig fort: »Sind wir denn
Hschon da, oder was ist das . . . der
iWaaen fährt ja gar nicht mehr!?«
Da ging dem Manne ein Licht auf,
»und obgleich er mit Gewalt an sich
halten wollte, mußte er doch hellan
llachem was ihm freilich von Seiten
Hder alten Dame einen vorwursövollem
-erstaunten Blick eintrag
Nun erklärte er ihr die Sachlage.
·Da saß Großmutter erst eine Weile
sassunaslos, dann aber machte sie
gute Miene zum bösen Spiel und
lachte herzlich mit . . . .
Aber schließlich tam sie doch noch
jzur rechten Zeit bei ihren Lieben in«
Eder Stadt an, denn bald daraus
Ewurde der richtige Zug cis-gelassen
IMan kann sich denken, daß es tein
lgeringes Halloh gab, als Großmutter
von ihrem ersten Reileabenteuer
sschmunzelnd Bericht erstattetr.
Durst-h
Der Amtssetretär Lehmann ist aus
einem kleineren Orte in eine größere
Stadt versetzt worden. Der jodiale,
ltrintfeste Mann findet am kollegialen
Stamintische bald seuchtsröhlichen An
schlug. Nun hat er aber eine bedeu
tend ältere, zantsiichtige und tnickerige
Frau, die ihm jeden Schoppen nach
rechnet. »Ach meine Herren,« seufzt
er eines Abends in vorgeschrittener
Stimmung, »wir lange dauert es noch,
.und meine Alte ist mit der Einrich
tung der Wohnung fertig! —- Dann
geht es hier wie anderwärts. Sie
läßt mich nicht locken Nehm’ ich sie
nicht mit, so tomrnt sie eben von selber
mit an den Stammtisch, denn sie hat
es bald ’raus. wo ich verkehre. Und
dann hat die Gemüthlichteit ein
Ende.«
Richtig. Am nächsten Abend schon
lauert die Frau Amtsselretiir dem
Gatten beim Verlassen des Bureaus
auf und ist nicht mehr abzuschiitteln.
Lehmanns sind die ersten am Stamm
tisch Durch die Glasthiire bemertt sie
der Rendant Meier, der bald nach ih
nen einttifsi. Die Kollegenfrau ent
spricht ganz dem Bilde, das er sich von
lihr gemacht hat.
Aber Meier ift ein findiger Kopf.
Auch ietzt tam ihm ein glücklicher Ge
danke, wie man vielleicht den teizlofen
·Störenfried mit dem vertniffenen Zug
im Gesicht ausröuchern könne. Er hält
die allmählich eintreffenden Stamm
tifchgenoffen vor dem Eingang zurück
nnd gibt ihnen ihre Instruktion.
Dann betritt einer nach dem anderen
in kurzen Zwischenpaufen das Lokal
und sagt nach erfolgter Begriißung
sehrfurchtsvoll zu Lehmann: »Vers
Kollege, dürfte ich Sie bitten, mich
Ihrer FranSchtviegermama vorzu
stellen?«
Der Jkrthnm wurde natürlich von
,dem Amtsfelreiär, der sofort begriffen
jbatte, jedesmal berichtigt. Seine
zGattin bezwang nur mit Mühe ihre
Emvötung und brach bald auf. Selbst
,verftändiich mußte Lehmann mit ihr
jgehem Aber am nächsten Abend kam
set allein· Und dabei bli e e5b.
er allein. Und dabei blieb es.
! ges-ne Mienen-je
;- Doltoe: »Ihr Mann scheint am
«Säufer-Wahn zu leiden!«
« Dame: »Von einem Wahn kann
keine-Rede fein, er föuft wirklich!«
Ein seiisind.
.Jch verlange ja gar nicht, Karl, daß du der Erste bist — aber
Ver Letzte brauchst du deshalb doch nicht zu sein!«
Weißt du Pape-. ich hasse eben die Mittetmäßigteit!«