v LUI von Sherlock Halm-. M Englischen nacherziihlt von J. Cass irer. In einem Sonnabend Morgen im Miser- 19. .. . befand sich die ge zssmnte Bevölkerung des Dorfes Leer Iii in der Provinz Hessen in größter Musen-g Die alte Frau Schlottke Ost in dem kleinen Häuschen, in dem He We als die Erinnerung der äl testen Leute reichte, gewohnt hatte, er mordet aufgefunden worden. psWer war der Mörder-? Die Frage « ging von Mund zu Munde, aber nie -" »F wand wußte eine Antwort darauf zu geben. « Die Ermordete war die Wittwe ei nes gewissen Karl Schlottke, der sich vor Jahren durch den Abbau eines-! Steinhruches ein kleines Vermögen i erworben hatte. Das kleine Haus-J in dem-die Mordthat geschehen war, ; hatte er sich selbst gebaut und es fei- ; ner Wittwe hinterlassen, die von den J Zinsen ihres kleinen Kapitals ihreni bescheidenen Lebensunterhalt bestrei- ; ten konnte. 1 Die alte Frau Schlottke war eines komifche alte Dame — sie fürchtetes weder Gott noch Teufel, wie die ; Dörfler sagten — und lebte in ihrem j Häuschen ganz allein. Niemand hätte ( sieh wohl auch träumen lassen, daßJ ihr, die still und ruhig ihrer Wege( ging, jemand nach dem Leben trachten würde. Nur ein Motiv für das Verbrechen gab ec, und das war Raub. Die alte Frau war nämlich sehr geizig gewe sen. Trotzdem, wie gesagt, ihr Ver mögen nur klein war, so verzehrte sie · bei ihrem sparsamen Leben doch noch l nicht die Zinsen davon, und in Leer wis war es ein offenes Geheimniß, daß sie irgendwo in ihrem Häuschen, an einer Stelle. die ihr nur selber be kannt war, eine größere Summe Gel des versteckt hielt. Nur einen Verwandten hatte sie, ei nen Neffen, dem es schlecht ging, und der sie manchmal besuchte. Man te auch, daß sie ihn bisweilen un dersiühte Sie begleitete aber ihre Unterstüßungen immer mit langen Ermahnungen und Strafpredigten, und da ihre Zunge in der ganzen Ge gend sehr gefürchtet war, so sprach Johannes Wiesner, so hieß der Neffe nur selten bei ihr vor, und seit Mo - nahen hatte er sich nicht in der Gegend Hirten lassen. Sein Name wurde zwar aus Anlaß der Mordthat häufig erwähnt. aber alle waren sich darin — einig. daß ,er es nicht gewesen sein » könne« - . Um die Kosten fiir die Beleuchtung in ersparen, suchte Frau Schlottte ·" stets sehr zeitig die Ruhe aus, und das muß sie auch an jenem verhäng nisvollen Abend gethan haben, denn man sand ihre Leiche neben dem Bette ans dem Boden liegen; um den Hals bar ein Strick geschlungen, vermit tels dessen sie erdrosselt worden war. Ihr Zimmer war in größter Unord MMU alles lag wirr durcheinander, die Schuhe waren aufgezogen und ihr Mlt aus dem Boden verstreut; ein ank, den sie stets verschlossen ge halten hatte, war ausgebrochen wor den, und zwar allem Anscheine nacht mit der Feuerzange aus der Küche die ! daneben aus dem Boden lag. Auf die Kunde von dem Verbre Hen erschien aus der nächsten Kreis siadt die Kriminalpolizei in Gestalt eines Wachtmeisiers und mehrerer Schutzleutr. Wachtrneister Zeidler war ein ru higer, intelligent augsebender Herr, der schon viele Jahre im Dienste stand; dem es aber wohl seines stillen be scheidenen Wesens wegen bisher nicht gegliickt war, eine höhere Stellung zu erringen. Er war aber ein tüchtiger ·Beamter und hoffte, daß vielleicht die ser Fall ihm Gelegenheit geben würde, -:««» sich hervorzuthun. Für Wissenschaft und Literatur hatte er stets großes Interesse gezeigt nud gleich bei ihrem Erscheinen hatte er die »Abenteuer von Sherlock Holmes« mit einem wah ren Feuereifer gelesen. So mancher seiner Kollegen hatte zwar diese Schil anen als «phantasiisch« und ,,nicht dem Leben entsprechend« bezeichnet, er Eber hatte stets die Meinung vertreten, daß in Holmes’ Methode ein gesun der Kern steckte, und daß als Detektiv ex jedem Kriminalbeamten ein Lehrer sein könnte. Es hatte sich ihm indes sen noch nie Gelegenheit geboten, seine vAnsichten an einem praktischen Bei . fiele beweisen zu können. Er hoffte, «." die Zeit dazu gekommen sei, und Ue die Folge zeigen wird, täuschte fip 4diese Hoffnung auch nicht« Ex- Zeidter untersuchte aus das genanes Oe das Deus und die Leiche, ohne daß )y- habe-i eine Spur des Mörders ent W konnte. Als er aber unter das M M- fand et einen Spitzt-tw Ug- em er angehn-, daß der Mörder M M gelassen und später herges "· . Ei me ein gewshssicher , » Stock, an seiner dicksten Stelle, ist«-sie- hest-; etwa ein-u Zoll im » - " « u halten-; die KZkckeSwg « W . lich ge ltei. r t W ins-W m sit-Ils- schsv sw- ftiw W set-W worden; wer aber dieser Befiser war, wußte niemand. Keiner kannte den Stock oder tonnte eine Vermuthung darüber äußern, wem er wohl gehö ren mochte. Nur so viel ftand fest: Frau Schlottle hatte sich nie eines Stockes bedient nud daher konnte man mit Sicherheit annehmen, daß er dem Mörder gehörte. · Wachtmeister Zeidler war gerade mit einer eingehenden Prüfung des Stockes beschäftigt, als Polizei-Jn spettor Pflüfthardt aus der Kreis ftadt erschien. Pflüsthardt war das Gegenbild von Zeidler; er war ein prahlerischer, eingebildeter Herr, der alles im Sturm nahm oder wenig stens nehmen wollte, und der Zeidler mitseinem besonderen Hasse beehrie, sweil dieser eigentlich an seiner Stelle thatte Polizei-Jnfpettor werden müs en. Mhaben Sie etwas entdeckt, Macht meifter?« fragte Pflüfthardt. »Weiter nichts als diesen Stock,« antwortete Zeidlerz »ich glaube aber. daß wir »durch ihn auch den Mörder bekommen werden« »Wiefo?« fragte Pflüfthardt. Wem gehört er? Wissen Sie, was das fiir ein Menschift? Hat jemand den Stock erkannt?'« Ein halb-Dutzend Fragen in einem Athemznge. Ruhig antwortete Zeidler: »Ueber dieer Stock weiß niemand etwas.« »Das glaube ich,'« bemerkte höhnisch Pflüfthardt, »und um so einen schmutzigen, alten Stecken wie den hier« kümmert sich auch niemand. Hunderte solcher Stöcke aibt’s im Dorfe, und wer den kennen soll, das möchte ich wissen.« Zeidler erwiderte nichts, sondern lächelte nur leise vor sich hin und nahm den Stdn an sich. Dann ging Pfliifthardt an seine Arbeit. Zunächst sammelte er »Juk ten," wie er sich aus-drückte Jsm gan zen Dorfe erkundigte er sich und je dem legteer so vieleFragen vor, bis ihm das bekannte Mühlrad im Kopfe herumging und schließlich war er sel ber so klug wie zuvor. Er hielt esse doch für nothwendig. sich eine »Theo rie« zu bilden, und wie er Herrn Zeidler mittheilte, ging seine »Theo rie« dahin, daß Johannes Wiesneh der Neste. per Mistder sei. Diesen jungen Mann wollte er auffinden nnd nichts würde er unversucht inf sen, um ihn der strafenden Gerechtig keit zu übergeben. Wachtmeister Zeidler mochte sich roohl auch eine Theorie gebildet ba den. er schlug aber einen ganz ande ren Weg ein wie sein Vorgeseyter. Ueberall forschte et, oh ein Fremder im Dorfe gesehen worden sei, nie mand aber wollte einen gesehen ha ben. Er nahm daher an. daß der Mord von jemanden begangen wor den sein mußte, der nicht allzu toeit vom Thatorte wohnte. Er begab sich sodann zu herrn Schulte, der einen Kaufmannsladen inne hatte, und mit dem vertiste er sich in ein eifriges Gespräch In Herrn Schreitens Laden pflegten die Leute aus meilemveitem Umkreise ihre Einläuse zu machen. und da jeder dort vorsprach. hatte Schulte Gelegenheit. die Eigenthüm lichteiten der Bewohner der ganzen Umgegend kennen zu lernen. «Hören Sie mal, Herr Schulte,« begann der Wachtrneister, »ich möchte Sie mal im strengsten Verworren sprechen, und Sie müssen rnir Jktt Wort geben, nichts von dem, was ich Ihnen sagen werde. einem anderen mitzutheilen.« Schulte sollte dem Wachtmeister die größte Achtung und gern versprach er ihm das. «"Sie kennen die Leute hier in der Umgegend doch ganz genau,« be merkte Zeidler, «besset als ich oder sonst wer. Erinnern Sie sich viel leicht eines Mannes. eines kräftigen, schweren Mannes, der linkshiindig ist, ettoa 5 Fuß 7 Zoll mißt und die Ge wohnheit hat, an seinem Stocke ein »Minde! ans der Schulter zu tra )aen?« « » Nach einigem Nachdenken erwiderte HSchultn »Nur eine einzige Kundim jdie linkshändia ist, habe ich. Das ist III-an Muslyieinn Die trägt aber keinen Stock.« »Nein. nein, lieber Herrs« wider sprach Zeidler. »Ein Mann muß es sein, keine Frau.« Abckmals dachte Schulte nach, und noch einer kleinen Pause entgegnete et: »Dann tann’s nur noch der alte Fritze Krause in der früheren Oel mühle zu Volsdorf sein. Der ift linkshiindig, Und manchmal hat er die Eintiiufe, die er bei mir gemacht hat« in sein Tafchentuch gebunden und dann das Bündel an feinem Stocke auf dem Rücken getta en. Aber um Himmels-willen her Wachtmeister, Sie halten doch etwa nicht den für den Mittan « »Sprecben wir nicht -dariibee,« wehrte Zeilser ab, «tvann haben Sie ihn Zuletzt geschautw «Sonnabend Nachmittag gegen sdrei war et hier.« »Wie fah er ansi« »So wie immer, mir ist nichts asn Fetze- «aufgetallen. Brutnmig ist er ja »Noch-mild bitte ich Sie, von mei nem Verdacht niemandem aegeniiber etwas vertan-ten zu lasen-« bat Seid ler beim Abschiede. »Der alte Kranke imwia Vielleicht doch an dem Morde unschuldig sein« its-d wir wollen ihn nickt unniiti ins Gerede hinan-« Der »Mit Mai-ie« war ein etwa hbenunpfiisfzig Jahres alter Mann W I und wohnte mit feineru einpisen Toch · ter in einem n einer nicht mehr in Betried ben ndlichen Oelmiihle gehörte, die eine gute halbe Meile von Leerin entfernt lag. Er kaufte hasenfelle und dergleichen ans : und verdiente sich schlecht nnd recht s das, was er brauchte. Allgemein hielt -» man ihn fiir einen ehrlichen Kerlund : mit der Polizei war er noch nie in ; Konflikt gekommen. i Unauffällig zog nun Wachtmeisier ) Zeidler Erlundigungen iiber den z »c1ten Kur-fes wie er gewöhnlich ge nannt wurde, ein und bald hatte er E auch festgestellt, daß man Krause Freitag Abend usn neun nach Leer iwitz zu hatte gehen sehen; zurückkam men hatte ihn aber niemand gesehen zNachdem sich Feidler zuvor vergewis Hert hatte daß der alte Mann nicht zuhause war beaad er sich nach einer Wohnung und sprach dort seine ach ter. Un: keinen Ver dacht zu erregen, gebrauchte er den Vorn-and, er wolle nur nachsehen, ob Krauses Hausre lchein rechtzeitig erneuert worden fei. »Ich hätte ihn ja eigentlich Frei tag Itkbend selber fragen können« , meinie er. »ich sah idn auf dem Wege nach Leerwitz, konnte ihn aber nicht mehr einholen«. »Ja,« erwiderte die Tochter, »er war am Freitag Abend aus-" »Na, ich werde ihn wohl schon wie der e«. nmal treffen. Adieu,« rief Herr Zeidler und that so, als wollte er ge Ihen, kam aber nochmals zurück »Im-arm wird denn der Vater wieder » hier sein, Marie ?« »Ich glaube so gegen halb acht, Heer lWachtmeisterf antwortete sie. »e: ist nach Gelntshausen gegangen.« »Apropos,« fragte Herr Zeidler weiter, »haben Sie vielleicht einen al ten Stock, den Sie rnir leihen könn ten? Jch habe enir ein bißchen den Fuß verstaucht nud mit einem Stocke könnte ich besser geben« »Es thut rnir leid, Jhnen nicht die nen zu können, Herr Wachtrneister,« santwortete Marie. »Bater hatte ja zwei Stöcke, den einen aber hat er vergangene Woche verloren und jeßt hat e: den andern genommen, so daß ; kein-r da ist.·« «Thut weiter nichts,« antwortete JZeidler und hintend, als ob et JSchrnerzen hätte, ging er davon. »Es Jwird schon auch so gehen.« »Ich hab’ meinen Mann gesunden,« dachte er bei’ sich, als er nach der JKreisstadt fuhr. hier erwirtte er ei nen Hastbefehl gegen Krause und in Begleitung eines Schutzmanns suhr er wieder zurück. Gerade in dem Augenblick, als der «alte Krause« seine Wohnung betrat, nahmen sie ihn fest, und so erschreat war er, daß er gar nicht-einmal den Versuch machte, das Verbrechen zu leugnen, sondern dem Wachttneister sofort angab, wo er das von Frau Schlottte gestohlene Geld versteckt hatte. Er hatte einst, so erzählte er, gesehen, wie die alte Frau eine grö ßere Zahl von Zwanzigrnartstiicken auszahlte, nud das hatte in ihm den Entschluß reisen lassen. sie zu besteh len; er hätte ihr auch ganz gewiß lein Leid angethan, wenn sie nicht an je nem Freitag Abend, als er bei ihr eingebrochen war, ihn trotz seiner Ber tleidung bei seinem Namen gerufen hätte. Er fürchtete sich vor der Strafe, nud deswegen sei er aus sie losaesvrungen und habe sie «kalt ge macht.« I Inzwischen hatte Zntperror Unun hardt den armen Johannes Wiesner verfolgt. Jn Kassel, seinem früheren Aufenthalts-orie, hatte er erfahren, daß er sich nach Bremen gewandt hatte, nnd als Pfliifthardt nach Bre rnen iam, hörte er, daß Wiesner in Hamburg sein sollte, und als er ihn glücklich in hambura traf, konnte Wiesner überzeugend nachweisen, daß er seit vier Wochen die Mauern Hamburgs nicht verlassen hatte, so daii Pfliifthardt selber einsah, daß Wiesner nicht der Mörder sein konnte. Wie seine Beamten erzählten, war der Herr Jnspettor bei feiner Rücktehr gar ,,mächtig wild«, und noch viel »mil der" wurde er, als er hörte, daß Seid ler, der Wachtmeifter. den er immer so oben herab anzusehen pflegte, den wirklichen Mörder gefaßt hatte. Gern hätte Pfliifihardt von Seid ler gehört, wie er auf Krauses Spur gekommen war und in ihm den Mör der erkannt hatte. Zeidler dertröstete ihn aber auf die«Verhandlung, bei der er folgendes aussagie: «Jch habe es mir zur Regel ge macht, auch auf die kleinste Reben siichlichteit zu achten. und als ich den Stock fand, der in der Wohnung der Ermordeten zurückgeblieben war, fah ich ihn mir recht genau an. Er war ans Eiche, lehr schmnstg und in sei ner ganzen Länge beinahe schwarz, nur oben an der Krücke war er durch das beständige Dagegenreiben der Fand nnd der Finger glatt nnd auch ander Es fiel mir auch aus« daß der Eindruck der Finger am Stocke auf der linken Seite tiefer· ging als auf der rechten. Das bewies mir, daß der Mann. der sich des Stockes bediente, linkshiindig war. Wenn Sie einen Stock mit solcher Krücke, wie dieser hier see hat. zur Hand nehmen. so wer den Sie sehen, daß der Zeigefinaer der rechten band auf der rechten Seite des Stockes einen Eindruck macht; bei ei W Beweiälette geschlossen.« steigende Stellung ein. nein itntghiindigen Manne wiirde der entsprechende Eindruck sich aus der linten Seite des Stockes befinden. Jch maß den Stock genau nnd sand. daß der Mann, der sich seiner be diente, ungefähr siins Fuß sieben Zoll groß sein mußte. Daraus, daß der Stock etwas gebogen war, schloß ich, daß sein Träger ziemlich schwer war und sich daraus zu stügen pflegte. Aus einer glatten Stelle aus der Rückseite, ungefähr in der Mitte, fol gerte ich schließlich, daß aus ihm ost ein Bündel über der Schulter getra gen worden war und eine abge- » scheuerte Stelle aus der entgegengesetz ten Seite in der Nähe der Krücke, um » die der Knoten oder die Schleise des J Bündels geschlungen war, bestätigtei mir tas. Jch suchte sodann einen Mann aus sindig zu machen der linlshändig. ziemlich schwer, süns Fuß sieben Zoll groß war nud die Gewohnheit hatte, an einem Stocke iiber seinem Rücken ein Bündel zu tragen. Bei meinen sehr genauen Nachforschungen fand ich, daß tier einzige linlshändige Mann in der Gegend, der dieser Beschreibung entsprach, nur der «alte Krause«, der Angeklagte, sein konnte. Ferner stellte ich fest, daß man ihn in der Mord nacht nach Leerwitz zu hatte gehen sehen, und—dasz er einen Stock verlo ren hatte. Damit war für mich die Zeidler nimmt jetzt bei der Kriinii nalpolizei der Residenz eine hervor Die erste Bahnfahrt »Ein Dorsidhll von Leon Holly. f Großmutter oder »de Fru Kan !tern", wie sie im Dorfe, in dem ihr slieber Alter vierzig Jahre lang als iLehrer gewirkt hatte, allgemein ac nannt wurde, lebte in ihrem kleinen, von Epheu umsponnenen häuschen ein hehagliches. den Erinnerungem ihres Lebens geweihtes Dasein. « Großmutter war eine vom alten Schlage. Trotz ihrer fünfundsechzig oerschmiihte siee5, zu ihrem Schwie gersohn in die Stadt zu ziehen — einmal, weil sie sich vom Grabe ihres geliebten Alten nicht trennen mochte,; unsd dann, weil sie der Meinung mar, es sei besser, junge Leute für sich hau- ] sen zu lassen. 1 So lebte sie schlecht und recht oonl ihrer kleinen Pension in dem bersten-; ten Dörschen und erquickte den Abendj ihres glüc- und sorgenvollen Lehenst an den Früchten der Liebe und Ehr-i erbietung, die der alte Kante-r Zeit? seines Wirkens heranzuziehen hestteth gewesen. . : Eigentlich konnte man ja auch von einer direkten Vereinsornung Groß mutterö lauen reden, hatte sie dochj noch allerlei Lebendiges in ihrem Hei-H nen Anwesen um sich: die Ziege,! Häuschen, Den Kanarienvogeh undi den schwarzen Kater hiddigeigeiu welch’ letzter-en der verstorbene Kantors als ein stürmischer Verehrer SchesO lsels und seines »Trompeter5« mit; jäiesern tlangoollen Namen geschmückt atte. . Jahr und Tag vergingen, ohne daß ein irgendwie bemerlenswerthes Ereigniß diesen stillen Kreis gestört hätte, —- höchstens, daß Häuschen sich im letzten Jahre beängstigend heftig gemausert hatte; aber auch das war schließlich gut abgelaufen. Da brachte eines Tages ein Brief aus der Stadt Unruhe und Verwir rung in das stille hör-schen Die Kin der baten inständig. Großmutter möchte doch nun endlich einmal zu ihnen in die Stadt kommen, und zwar ganz bestimmt zum nächsten Sonntag, an welchem e ihren fünf ten Hochzeitstag sestli begehen woll t . Sie sollte sich von Schlachter rtelö, der einen Planwagen besaß und als ehemaliger Schiller des Lan tors diese Mission gern übernehmen Minde. nach der nächsten Station der neugebauten Zweighahn sahren las sen, und dann sollte sie mit der Ei senbahn weiter dampsen. I Großmutter schlug die Hände über S dem Kopf zuammen. Im ersten Au qunblick erschien ihr die Idee, in die SWelt hinauszusahren wie ein junger ERetrui. aanz unaeheuerlich. Jhr rath k loser Blick fiel auf Hänschen und wan xderte weiter zu Hivd.geigei, der in lphilosophischer Gelassenheit auf der zOfenbant saß und schnurrte. Nein, nein, sie konnte unmöglich sort! Was sollte denn aus diesen da werdens Und zur rechten Zeit erscholl wie ein warnendes Memento das» Meckern der Ziege aus dem Hose. Und außerdem: der Dnmvswagent Mit; solch' einer Teufelslutsche sollte die «-alie Frau fahren —- du lieber Him-! mel! In Großmutter-Z Phantasie hatte sich der »Dampfagen«, von dem sie seit dem Bahnbau hin und wieder vernommen hatte, zu etwas Unbeirrt lichem gestaltet, was man nach Miss lichteit fliehen müsse. Aber Großmutter hatte nicht mit ihrem guten, alten und doch ewig inn zgen herzten gerechnetl Gans-i pliitzlich let-griff sie eine seltsame Sehnsucht »Sie sah im Geiste ein süßes, blondes s Lockenispschem sah zwei winzige Ihn-kochen sich verlangend nach ih i aussirecken und hörte ein helles Stimmchen: Orna. Omal rufen, was Großmama heißen sollte. Da wer die schwierige Frage mit einem Male entschiedene Großmutter se reist, —- allen Dampiwagen und hätt-lieben Bedenken zum Trot. Und mit jener Ju end-frische und Hei-zerrt wiirnie. die ch echte Frauen mitther bis ans Grab zu wahren wi en, ging sie ungesäumt an die Vorbereitungen zu der ereignißvollen Fahrt. Crit ging sie zu Schlachter Dattel-T um die Sache mit idem Wagen ins Reine zu bringen. Leider war da J nichts- zu machen, weit der Meister an "-demselben Tssge auf den Sauhandel mußte und erst spät znrücktommen tonntr. Das entmutbigte jedoch Großmut ter gar nicht —- irn Gegentheill Ein wahrer Feuereifer war über sie gekom men, und obne biet Federlesens faßte sie den Entschluß, den zweiundeins batbstiindigen Weg zu Fuß zurückzu legen. Erst ging sie noch zu einer Nachba rin und übertrug dieser die ehrenvolle Aufgabe, für ihre bedankten und ge fiederten Lieblinge zu sorgen. Endlich. nachdem sie noch verschie dene Bedenken und Reueanwandluni en tapfer überhanden hatte, tam der Tag heran. an dem die Abreise statt finden sollte. Jn der Meinung, der »Dampiwagcn« —- unter welcher Be zeichnung sie sich ein omnibnsartiges Vehikel vorstellen mochte -—— stände jederzeit zum Einfteigen bereit,hatte sich Großmutter nicht weiter nach der Abfahrtgzeit erkundigt. Aber sie minte doch. es sei gut, wenn sie fruh führe. Vor Aufregung konnte sie die ganze Nacht nicht recht schlafen; um drei Uhr Morgens stand sie auf, versorgte die Thiere noch einmal ausgiebig mit Futter, nnd gegen vier Uhr ichritt sie froh und munter in der Richtung nach der Station davon. An dem einen Arm hielt sie die Reifetasche oes Seligen; am andern Arm trug sie ihren Strickbeutel, und in der Hand Hielt sie einen jener ehr würdige-i Negenschirme, die man im Thüringer Land mit dem Namen »Mussprie« zu tennzeichnen liebt. So schritt die brave »Im Kannen« or dentlich jung und frisch in den heiteren Morgen hinein Gegen sieben Uhr langte sie aus der noch recht primitiven Station an, und richtig! da stand ja auch schon »der« Dampfmagen —- denn daß es sich bei der Eisenbahn um eine ganze Reihe von Wagen handeln tönne, da ran izatte Großmutter natürlich nicht gedacht. Es fiel ihr auch nicht ein« ein Billet zu lösen; sie war überzeugt« daß schon jemand in den Wagen kom men und ihr das Fahrgeld til-verlan gen würde. -- — « Uut oem Perron war rein Mensch zu erblicken, und um keine Zeit zu ver lieren —- die Sehnsucht nach ihrem Entelchen wurde immer heftiger! — stieg Großmutter seelenruhig in den aus dem Rangirgeleise stehenden Wa gen ein« Als sie erst einmal saß, eith mete sie erleichtert aus; sie hatte sich die Sache doch viel ausregender und mit mehr Getöse verbunden vorge stellt. " Gott sei Dant, daß sie nun drin saß! Sie legte ihre Tasche neben sich aus die Bank, nahm ihr Strickzeug vor und begann emsig drauslos zu stricken. Es dauerte gar nicht lange, so hörte sie draußen Stimmen. und gleich daraus setzte sich der Wagen sacht in HBSwegung Das gefiel Großmutter )nun wirklich ganz gut, aber sie hatte den Gedanten kaum zu Ende gedacht, als ihr Kopf auch schon leise sich zu tsenten begann. Das ruhige Sitzen nach dem ungewohnt sriihen und aus aedehnten Gang hatte sie eingeschla fert. Währende hatten die Rangirar heiter Großmutters »Dampswagen« in den Schuppen geschoben und waren wieder davongegangen. Die alte Dame hatte einen gesun den Schlaf; erst gegen els Uhr Bor mittags erwachte sie plötzlich insokge heftiger harnmerschläge in ihrer Nähe, und gerade, als sie sich die Au M «gen rieb, trat ein Mann in blauer iunisorm herein. -Er sah die alte Frau mit ihrem Strickstrumps fisen Im sagte verblüfft: »Dein-, Jesus-, itoas mache Se denn da drinnei« »Ach, ich sahr’ nach Dingsleben zu meiner Tochter,« entgegnete Groß Imutter treuherzig, «totr sind doch ’bald dort?« i »Ja, aber — Fraule!' rief der Rangirer, immer mehr verwundert, «»sm Se schon lange hier hinne?« I »Na, so an die drei, vier Stunden imiissenj wohl feint« gab die Groß mutter arglos zurück, aber plötzlich lschien ihr etwas auszufallen. denn sie Ifuhr hastig fort: »Sind wir denn Hschon da, oder was ist das . . . der iWaaen fährt ja gar nicht mehr!?« Da ging dem Manne ein Licht auf, »und obgleich er mit Gewalt an sich halten wollte, mußte er doch hellan llachem was ihm freilich von Seiten Hder alten Dame einen vorwursövollem -erstaunten Blick eintrag Nun erklärte er ihr die Sachlage. ·Da saß Großmutter erst eine Weile sassunaslos, dann aber machte sie gute Miene zum bösen Spiel und lachte herzlich mit . . . . Aber schließlich tam sie doch noch jzur rechten Zeit bei ihren Lieben in« Eder Stadt an, denn bald daraus Ewurde der richtige Zug cis-gelassen IMan kann sich denken, daß es tein lgeringes Halloh gab, als Großmutter von ihrem ersten Reileabenteuer sschmunzelnd Bericht erstattetr. Durst-h Der Amtssetretär Lehmann ist aus einem kleineren Orte in eine größere Stadt versetzt worden. Der jodiale, ltrintfeste Mann findet am kollegialen Stamintische bald seuchtsröhlichen An schlug. Nun hat er aber eine bedeu tend ältere, zantsiichtige und tnickerige Frau, die ihm jeden Schoppen nach rechnet. »Ach meine Herren,« seufzt er eines Abends in vorgeschrittener Stimmung, »wir lange dauert es noch, .und meine Alte ist mit der Einrich tung der Wohnung fertig! —- Dann geht es hier wie anderwärts. Sie läßt mich nicht locken Nehm’ ich sie nicht mit, so tomrnt sie eben von selber mit an den Stammtisch, denn sie hat es bald ’raus. wo ich verkehre. Und dann hat die Gemüthlichteit ein Ende.« Richtig. Am nächsten Abend schon lauert die Frau Amtsselretiir dem Gatten beim Verlassen des Bureaus auf und ist nicht mehr abzuschiitteln. Lehmanns sind die ersten am Stamm tisch Durch die Glasthiire bemertt sie der Rendant Meier, der bald nach ih nen einttifsi. Die Kollegenfrau ent spricht ganz dem Bilde, das er sich von lihr gemacht hat. Aber Meier ift ein findiger Kopf. Auch ietzt tam ihm ein glücklicher Ge danke, wie man vielleicht den teizlofen ·Störenfried mit dem vertniffenen Zug im Gesicht ausröuchern könne. Er hält die allmählich eintreffenden Stamm tifchgenoffen vor dem Eingang zurück nnd gibt ihnen ihre Instruktion. Dann betritt einer nach dem anderen in kurzen Zwischenpaufen das Lokal und sagt nach erfolgter Begriißung sehrfurchtsvoll zu Lehmann: »Vers Kollege, dürfte ich Sie bitten, mich Ihrer FranSchtviegermama vorzu stellen?« Der Jkrthnm wurde natürlich von ,dem Amtsfelreiär, der sofort begriffen jbatte, jedesmal berichtigt. Seine zGattin bezwang nur mit Mühe ihre Emvötung und brach bald auf. Selbst ,verftändiich mußte Lehmann mit ihr jgehem Aber am nächsten Abend kam set allein· Und dabei bli e e5b. er allein. Und dabei blieb es. ! ges-ne Mienen-je ;- Doltoe: »Ihr Mann scheint am «Säufer-Wahn zu leiden!« « Dame: »Von einem Wahn kann keine-Rede fein, er föuft wirklich!« Ein seiisind. .Jch verlange ja gar nicht, Karl, daß du der Erste bist — aber Ver Letzte brauchst du deshalb doch nicht zu sein!« Weißt du Pape-. ich hasse eben die Mittetmäßigteit!«