Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 03, 1908, Sweiter Theil., Image 14

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    « ES irrt der«Mensch.
Roman von H. Contths Maljler.
(9 — Immerqu
»Den o. Diesterkamp p——«
Ra,ja na ja, beißen Sie bloß
nicht und werden Sie nicht soscheuß
lich formell Rats-ich bin doch nicht
der erste Beste! hr seliger Vater war
mein bester reund, und ich habe
ja elber kein Kind dem ich meinen
isten Rath ansdrängen kann. Mir
onnen Sie also ein Wort schon zu
gute halten. Es ist wirklich Zeitfiir
Sie in den heiligen Ehestand zu tre
ten. Machen Sie endlich Ernst damit
Denken Sie bloß an Ihre Mutter,
wie die sich seeuen würde, wenn eines
Tages so juinges Kroppztug in Tor
nan herumpnrzeltr. Ra —- und mir
sind Sie es auch ein bißchen schuldig,
möcht für mein Leben gern den Groß
onsiel spielen, weils doch mit dem
Großvater bei mir Essig ist«
Rols mußte lachen. ,,Also soll ich
mich sür das allgemeine Wohl
opfern?«
Zuerst msal siir das eigene. Aus
Totnau gehört eine Gutsfrau —und
die ranie, schianieFrau mit den dunk
ienZöpsen und den guten, freundli
chen Augen die einem die Sonne ins
Herz hineinscheinen lassen, die ist mir
schon lieber, als die schöne Melusine
mit all ihrem Gelde. Die soll sich
von ihrem Stallmeisier anbeten kas
sen! Passen Sie acht, das i einer
von denen, der den Weibern di Köpfe
verdreht. Der hat den Teufel im
Lei,b—na und den Mammon kann
der sehr gut brauchenf ’
»Sie glauben also wirklich, er bat
Absichten aus die Baroan« «
»Warum soll er denn nicht?« i
»Ich meine, die ronin ist zuf
M, ihren Stall ister zu heim-J
them« i
»J bewahre. Melusinchen hatihren
ersten Mann nur genommen um bei
dem zweiten Freie Wahl zu hab-n.
Uebrigens ist Trachtvitz von altem
Ade!, und den großen Herrn würde
et freibiindig spielen. Er ist bei den
Magonern gewesen und soll schon ein
respektables Vermögen durch die Lan-»
pen gebracht haben. Also wenn Sie
da noch ’ran wollen, dann ist es die
höchst-e Zeits·
.
««!«
W »Hei-Eh sein Herz einein
»Nein-ich danke, Papa Die teuer
kamp! Jch gönne sie jedem anderen
lieber wie mir.«
Der alte Herr schüttelte ihm die
Hand. ,,Brnvo—das freut mich —
offen gestanden! Sie ist nicht das
Geme, das ich anen wüniche Die
andere, Rölfchen, die andere! Wenn
Sie Tsie aus dem Garne lassen, insefze
ich Sie mit einer Standbiichse
mausetodt.«
»Zum Heäirathen gehören aber
doch zweif«
Diesterkamp schnitt eine Grimasse.
Æbrhaftig? Noli, was sind Sie
fiir ein gescheiter Kerl! Das bab’ ich
bisher noch gar nicht gewußt —Wis
senSie was, wenn einer so armen
ier Kerl ist, wie Sie, und sich ordent
lich ins Zeug legt-na, da wollt' ich
die sehen, die da widersteht. Sie dür
fen nur nicht warten, bis Ihnen ein
anderer zuvorkommt. Also fri"ch
drauf los, Rdls, mein Sohn! —Un-b
nun adjiis——ich habe mich biet fest
geefchwatzt zum Wohl der Tornauer
achkommenschaft, inzwischen machen
meine Leute die größten Dummheit-en
—also auf Wiedersehen und schön
sien Gruß zu Hat-fu«
Sie schüttelten sich die Hände.
Im Weiterreiten rief Dieftertsamp
noeb sbinter Noli her: »Den Forsch
zeitsreigen führe ich an, und wenn
ich das Rheuma in allen Knochen
habe.«
Als Rolf dann einsam durch den
stillen Wald ritt, fiel ihm seine Unter
redung mit Renate wieder ein. bre
Worte hatten ihn doch besuan gi.
Was konnte es in ihvem Leben geben,
daß sie zur Lüge greifen mußte, um
inGeheimniß zu bewahren? Daß es
nichts Hab, was sie in seinen Aus-en
her-absetzen -!mmte, wußte er gewiß
—dazu kannte er sie su aut ob obs-c
dal, was sie ihm nicht sagen konnte.
vielleicht im Stande war, seineHoF
nun-gen und Wünsche zu bereitean
Mtief und gewaltig sein Gefühl
« sitt sie war, wußte er selbst kaum,
aber noch weniger wußte er, was in
ihrem her-en vorgina. th K- i n
schäste hatte sie ihm nie verh- it,
aber-ed ein wärmerei Empfinden Für
s ihn in ihrem Herzen aufteiinte, obsie
Eberhaupt jemals wieder einen Mann
— " neben mai-, m wußte e: nicht.
Seine Liebe an Meianie war stür
M M unbestimmt gewesen und
ri- Schmerz um ihren Verrath hatte
hs Wie-g ruhelos und bitter ge
- « sk- ex m k- schrießrichwch
xwz «
UND allem Miß
l net.
Zeus-Is
l
bor, seinl eigenes Eint-finden nicht
, mehr fo ängstlich vor ihr zu verber
n.
Einige Tage fpiitet traf er Re
» nate, wie sie mit einem Körbchen voll
»Obe von den Spalieren herüberkam.
» Sie hatte die Früchte für die Abend
tafel felbst gepflückt Er begrüßte sie
herzlich. und sie sah ihn vertrauen-dl
und offen an, im Bewußtsein, sich
nicht mehr oerftellen zu müssen.
Sie zeigte ihm die Früchte.
»Schauen Sie her, diese Pracht! th
es nicht jammetfchade, daß fo etwas
Schönes vergänglich isi?« ·
»Es gibt noch Schöneres, Besseres,
das dasselbe Loos theilen muß.«
»Freilich wohl. Aber so herrliche
Früchte habe ich kaum zuvor gesehen.
Tornau ist wirklich ein glücklicher
Bodens-hier gedeiht alles, auch die
Menschen«
»Sie beweisen durch sich selbst die
senAusspruch, Sie sind erblüht ins
Tornan wie eine Blume, die aus dür
rem Sand in das rechte Erdreich ge
pflanzt wur»de.«
In seiner sonoren Stimme zitterte
ein Klang, der ihr fremd war urO der
doch ihr Herz schneller schlagen ließ.
Sie wurde befangen nnd strebte an
ihm vorbei. »Ich muß mich beeilen,
es gibt noch so manches für dle
Abendtafel zu besorgen, unxd Manier
hat ohnedies viel zu thun.'·
Er hielt sie am Arm fest. »Lasien
Sie doch das Essen-entziehen Sie
sich mir nicht immer foeiligt Wenn
ich ein Viertelstündchen mit Ihnen
plsaudern kann, warte ich dafür gern
eine Stunde auf die Mahlzeit.«
Sie schlug einen scherzenden Ton
an, um ihre Verlegenheit zu Hierbei
gen. »Damit-f möchte ich die Probe
nicht machen. Sie lieben zu sehr dEe
Pürkttlichieih nnd man darf Sie nicht
ungestraft lange warten lassen.«
«Doch, man darf, wenn man Re
nate Wertentin heißt nnd die Zeit in
Gesellschaft· Noif Tornaus ber-i
säumt-«
Etwas in feinem Wesen bean
ruhisgte sie, es war ihr, als müsse sie
dabonlaufen, um einer Gefahr zu ent
fliehen. Sie hätte es auch zu gern ge
than, aber so kindisch und lächerlich
durfte sie sich doch nicht benehmen.
Sie nahm sich zusammen und ber
fuchte, unbefangen mit ihm zu blau
dern. Es ging hereiich schlecht. er
sab sie aar zu eigentbiirnlich an uer
antwortete ihr nur turz und rnit hal
ber Stimme.
Sie ahnte nicht« daß Nolf eben
einen schweren Kampf mit sich selbst
aussucht Wie sie da var ihm stand,
hold und reizend, prangen-d in Ju
gendfchöne und süßer Anmutb, die
herrlichste Blume auf dem Tornauer
Boden, da hätte er sie arn liebsten
an fein Herz gekiffen ihr fuße, thö
richte Worte ins Obr gefiiiitert und
den leuchten-den rothen Mund mit
Küssen bedeckt —- kurz, sich benommen
wie es eben nur ein Mann fertig
bringt« dem die Liebe alle Fassung
raubt. Aber er hielt sich fest im
Zaum-e, erschrecken durfte er sie nicht.
Jsbre Beianaenheit nainn zu und
verlieh ihr noch einen Reiz mehr.
Mit inniger Freude sah er ihre Ver
legenheit. So benimmt sich keine
Frau, die ruhig und aleiehgiiltia ist
—- die Oeffnung breitete sich aus in
seinem Herzen.
Er nahm ihr den Korb aus den
Händen. »Geben Sie her. Er ift zu
icbwer für Sie.«
Langsam gingen sie dem use zu.
Als er eine halbe Stun e später
ins Wohnizimrner trat, saß seine
Mutter allein am Fenster. Er feste
sich zu ihren Füßen nieder und nahm
ihre Hände zwischen die seinen.
»Wie geht es dir, Mitrei«
»Gut, mein Junge. Wie sollk es
auch anders fein! Seit Reuate irn
Hause isi, werde ich gehegt und ge
pflegt-sie ift ein wahrer Segenfiir
uns.«
»Ja, ja. Rein überflüssig bin ich
jetzt bei dir, über Frau Renate geht
eben keiner.«
»Mir mein thörichter Junge, der
eben recht dummes Zeug schwatzt«
Sie strich ihm über das dichtei
kurze Haar und sah Lächeln-d zu ihm!
hernieder. ’
Er legte den Kopf ans ihren
Schopfe «Mutting -—so Iß ich int
rner als kleiner Bube, wenn ich etwas
zu beichten hatte.«
»Natürlich, deshalb hab« ich mich
ja dahergeseht.« —
»Du willst beichtenik Was haft du
denn angesiellt?«
Er mußte lachen. »Je» haft du
gerade so gefragt, wie du früher im
mer akus- hsn mi- wdpu sich
aber arg urn ein Loch in der Unaus
ipeechli n, oder um eine zerbrochene
Iensierscheibe, diesmal wird ei then
cer.«
»Mut? du Possen mit deiner alten
Mer tretbenf «
»Nein —- mtr tsi s ernst nnd heil
zu Mut , Mutter, nur ein bi
« —- ieb M bis setchten
i.
It » Inte- mit
eint-Musk- eurs arm- die
-
W
Sie verstand irr-it einein Dele. was
er ihr sagn wollte. Lan es dir so
schwer wird, will ich dir lsen. Soll
ich dir sagen, wie deine, ichte klin
gen wirdi«
«Das wirst du ntcht lönnen,«
»Nicht? Nun, so höre an, und wenn
es nicht stimmt, verbesserst du mich.«
»Msutter!«
»Ja, mein Rols. Also gib acht. Du
wolltest sagen: Mutter, dein Junge
bat sein Herz verloren. Einmal hatte
er es schon gethan, unsd ist betrogen
worden, dsbalb hat er sich bisher nicht
entschließen tönnen,- eine andere zu
wählen. Aber nun ist eine gekom
men, die hat alles wieder gut gemacht
unsd bat in deinem Jungen die Liebe
und die Jugend erweckt. Die Rechte
ist endlich gekommen und das wollte
ich dir sagen und um deinen Segen
bitten zu meiner Wohl« —- Gelt, so
wolltest du sprechen?"
Er drückte sein Gesicht sesl in ihre
Hände. »Mutter, woher weißt du
alles?«
»Mein lieber Rols, einer Mutter
bleibt so leicht nichts verborgen, was
ihren Jungen bewegt.«
»Und weißt du nun auch, wer
mein Herz wieder froh und glücklich
gemacht bat?« ,
»Ich weiß es, so gut wie ich weiß,
daß die andere, die Falsche, setzt ihre
Arme wieder nach dir aussireckt.«
»Auch das weißt du?« Mutter, das
ist in unheimlich! Bist du denn all
wifsend? —- Aber sag’, billigst du
meine Wahl, bist du nicht enttiiuscht,
daß ich eine baben will, die arm und
bürgerlich ist«-m
.,Das glaub du selbsi im Ernste
nicht. Sie da den rechten Adel, den
der Seele, nnd den urwergiinglichen
Reichtksum, den des Herzens. Jch liebe
sie längst wie eine Tochter und will
sie segnen, wenn sie dich glücklich
macht.« -««
»Wenn sie mein Weib wird, werde
ich glücklich sein. Aber noch bin ich
nicht sicher, daß ich sie erringe. Laß
uns nicht mehr davon reden« bis alles
entschieden ist«-nicht wahr?«
»So soll es sein«
an diesem Augenblicke trat Renate
ins Zimmr, ein Tuch über den Ar
men. Sie legte es Frau v. Tornau
um die Schultern. »Sie klagten ge
stern Abend iiber die Mible im Zim
mer. Jch habe anen ein Tuch mit
gbracht. Zum Heizen ist es doch noch
zu trüb«
Die alte Dame wickelte sich mit
molliaem Behagen in die warmehiillr.
»Ich danke Ihnen, liebes Kind. Sie
achten aus alles und sorgen siir mich,
daß niir gar nichts zu wünschen übrig
bleibt.«
»Wenn es anen recht ist. lönnen
wir jetzt zu Tisch gehen.«
Rols sprang aus und legte den Arm
um seine Mutter. Komm, Frau Re
nate liebt die Pünttlichieit,« neckte er.
Sie lachte. »Es ist nicht recht. die
eigenen Untugenden anderen auszu
biirden.« ,
»Untuaendenl —- Ta muß ich doch
sehr bitten.«
»Zuwellen kann man das eine
schlecht vorn anderen unterscheiden.«
Sie nahmen am Tische Platz. Re
nate war entschieden zerstreut. Rolf
sah ein paarrnal scharf zu ihr hinüler,
uno plötzlich hörte er mitten in einem
Satz auf und rief laut über den
Tisch in ihre Gedanken hinein: »Frau
Wertentin !" «
Sie erschral und sah ihn fragend
an.
Ueber welche Probleme zerbrechen
Sie sich den Kopr Sie schweigen ja
heute vollständig und sind sicher mit
Jhren Gedanken weit weg von hier."
»Ich bitte um Verzeihung, daßich
so unausnrerksam wars
»Ich bin furchtbar beleidigt, daß
Sie meine interessante Unterhaltung
so vollständig ignorirten.'« Er sah
sie dabei so finster an, als rede er
im tiefsten Ernst. Dann saate er vor
wurssoollx »Und dabei haben· Sie
eine Art, mich anzusehen, als ob ich
ein riesengroßes Ungeheuer wäre, das
Sie verschlingen möchte. haben Sie
Angst vor mir?«
Nun mußte sie lachen und merkte,
daß er scherze. «Angst nicht —- aber
großen Respett.« .
»Ich danke. Damit oerschonenSie
mich lieber, denn ich will durchaus
nicht — respektirt werden von Ihnen.
Hals ist mir zu wenig — oder zu
vie .«
, »Was also befehlen Sie, soll ich
sonst thun?« fragte sie scherzend.
Er reichte ihr die band iiber den
Tisch. »Geben Sie mir einmal Jbre
Hand— so und nun schauen Sie
mich einmal fest ani«
Sie tbat wie er geheißen Unter
seinem Blick siiea langsam dunkle
Röthe in ihr Gesicht. Jhte Finger
. zuckten in den feinen, nnd rsann irrten
ihre Augen scheu zur Seite.
! »Das ailt nicht ———au«on)eichen bitt
isen Sie rnir nicht, wenn ich Ihnen
Lage, was Sie fiie mich fühlen«sol
n.«
Da traf ihn aber ein so banger
än stlichet Blick aus ihren Augen«
da er ihre Hand feeigab.
»Ich sage ei Ihnen also lieber ein
anderes Mal. Aber wenn ich Jhner
befehlen darf, müssen Sie mir aus«
gehorchen.«
Efslindlingi — mein Wort da
rau .«
»Bersprechen Sie nicht zu viel
denn ich halte Sie beim Wort.«
Frau b. Tore-ou that sienate it
er Verlegenheit leid. »Mein Sobe
i heute unglaublich übermüthigz ei
will Sie nur in Berlegenheit bringen
Mck
k.
W
»Das ist Berleumduna. Msstter.
Ich sehe es zu gern, wenn bei Frau
Wertentin die Farbe tommt und gebt,
und ihr Seelenleben sich so deutlich
in ihren Zügen wiederspiegelt. Sielz
jeskt dentt sie zum Beispiel: der greu
liche Mensch soll dich nun endlich in
Ruhe lassen.« «
»Ich bewundere Jbren Scharfbliet,
here v. Tornau, uns-d wage nicht zu
widersprechen,« rief Renate, froh,
über die peinliche Stimmung hinweg
zukommen. »Wer-den Sie noch wei
tere Experimente mit mir machen?
Vielleicht habe ich Talent zum Ver
suchstaninchen.«
.Sie legen mein Bestreben, Rath
sel zu lösen, ganz salsch aus.«
»Welches Räthsel ist es denn, das
Sie lösen wollen?«
»Das größte — das Räthsel
Weib.«
Sie zuckte die Schultern. »Dann
haben Sie lich zum Studium ein we
nig interessantes Exemplar ausge
wählt«
.Das interessantesie, welches es fiir
mich gibt-in Tornau, oder wüßten
Sie ein interessanteres?'«
Sie sah ihn lachend an. »Wiewiire
es mit Mamfell Virtner?«
»Sieh da, boshast können Sie auch
sein! Wieder ein rätbselbaiter Zug.
Nein, nein, ich bleibe bei Ihnen, das
lohnt besser. Wünschen Sie mir,
bit-in Gliirt zur rechten Lösung —
ist«
»Gern."
»Das klingt zu lau.«
»Also von Herzen gern-«
.Brwoo. Und du, Mutter, was
wünschest du mir?'«
»Das, was dich glücklich macht-«
»Schön, und nun, meine Damen,
stoßen »Sie, bitte, einmal mit mir an
aus Erfüllung meines innigsten Her
zenswunsches. Soll es gelten, Frau
Ren-tei«
»Wenn die Erfüllung Sie glücklich
macht — selbstverständlich.«
Sie stießen an, und Noli leerte sein
Glas bis zur Neige.
Mtelanie v. Bertow ritt jeden Tag
mit ihrem Stallmeister aus. Es hatte
sich ein eigenartiges Verhältniß zwi
schen den beiden gebildet Der ober
slächlichen, genuszsiichtign Isau gefiel
der leichte, amiisante Ton, den Trach
witz in der Unterhaltung anschlug.
Das war doch etwas anderes, als die
langweiligen Gelt-räche über das Wet
ter, die Ernte, Korn- und Vieh-preise
und wie sonst die Dinge alle hießen,
die ihrenNachbarn geläufig waren.
Sie fühlte, Transin war Art von
ihrerArt, er verstand ihren Ideen
kreis und paßte sich ihm mit eleganter
Leichtigleit an.
Wer weiß, wenn sie sich nicht so
eigensinnig darein verrannt hätte,
Tornau zurückgugewinnem leicht hät
ten die Pläne in Erfüllung geben
können, die Trachin gehegt hatte,
als sie ihn in Mont Carlo vor dem
. Aeuirersien bewahrte.
i Sonderbarerweiss verlor dieser
aber jetzt zuweilen diese Pläne aanz
aus den Augen und hing anderen Ge
danten nach, und das geschah jedes
mal, wenn er mit Renate zusammen
getrosfen war. Durch Melanies
Worte geweckt, machte sich in feinem
Herzen die quälendste Eifersucht Jus
Rol! Tornau breit. Sie wuchs stetig
und mit ibr eine verzehrende Sehn
sucht nach Renate· Das Gut, welches
er einst achtlos von sich geworfen
hatte, gewann an Werth, seit ein an
derer es für werthvoll erachtete. Mit
eifersiichtigem Groll sah er, wie Noli
feine Neigung zu Renate kaum noch
verbergen konnte. So ost es ging,
bestimmte er Melanie, nach Tornau
zu reiten, und sie toar immer sehr
bereit dazu. »
Beide zogen damit eine auiilende
Eifersucht inssich groß. und wenn sie
nach solch einem Zusammentreffen
schweigsam nebeneinander heimritten,
briiteten sie über Plänen, die Noli
Tornauö Glück im Keim zu vernich
ten drohten. —
Gines Morgens ritt Melanie in
Trachtvi ’ Begleitung zu Diesin
tamps. zu ihrer geheimen Genugthu
ung er uhr sie von der Dame des
Hauses, baß man die Tornauerzum
Mittagessen erwartete, und sie wurde
freundlich aufgefordert, mit herrn v.
Trachwik gleichfalls zu bleiben. Zum
Schein machte fee einige Aitssliichte,
ließ sich aber schließlich zu einer Zu
sage herbei.
Trachmitz, der bei den Pferden ge-l
blieben war, wurde benachrichtigt und»
trat gleich daraus in das großecheliesz
Wobnzimmer. Er begrüßte rau v«
Diefterkamp mit einem hand ß und»
entschuldigte sich. daß er im Reitasm
zsug bei Tisch erscheinen mußte
Sie sah lächelnd zu dem s önen
Menschen hinaus und sagte sreun lich:
»Aus dem Lande macht man sich das
Leben nicht schwer, Herr v.Trachnsitz
ich finde übrigens, Sie leben so
»schweng und elegdnt aus, das man
Sie gar nicht anders wünscht. Mir
alten Frau brauchen Sie das Kom
pliment nicht iibel zu nehmen«
Traun-sitz verneigte sich.« »Gew?
nicht, gnädige Frau, im Gegentbei,
J, ganz stolz machen Sie mich dadurch;
, Melanie lachte. »Ich bin ja auch im
Reitlleid, lieber Trachwid und Gele
enheit, uns die hände zu waschen,
inden wir hier auch. Das i dann
, allerdings der einzige Toiletenaus
wand, den wir machen könne« —
is Ali die Tornauer kamen, waren Ue
iinicht sonderlich erfreut, die beiden
: vorzusindeir. Frau v. Tomau hatte
i sich aus ein traulichei Plaudersiiinds
chen mit ihrer alten Freundin gefreut,
W
i nnd außerdem konnte sie Mielanie gar
nicht mehr ohne Groll begegnen. Re
nate fühlte sich in Gegenwart ihres
Mannes immer sehr unsrei und ängst
E lich nnd Noli waren nun vollends di(
. beiden unangenehm.
Melanie ignorirte indeß seint
schlechte Laune vollständig und de
legte ihn förmlich mit Beschlag. in
dem sie ihn in eine Unierhaltungoev
strickte, die ihm nicht gestattete sich.
: ohne unartig zu werden« von ihr zu
! riiclzuziehen Frau v. Dicsierlamt
hatte seine Mutter in ein Eckchen ge
zogen, und der Hausherr war hinaus
zegangery um aus dem Weinteller den
ischwein herauszugeben
Trachin und Renate waren daher
aus sich allein angewiesen. Sie stan
den vor der Thür, die aus dem Zim
mer nach dem Garten führte, wäh
rend Rolf und Melanie am Kamin
saßen
»Sie sind schrecklich wortlarg·
heute, Herr v. Tornau!« sagte Mela
nie oorioutssnoll
Er riß seine Blicke gewaltsam von
Renate los und sah Melanie ein we
nig spöttisch an. »Habe ich jemals
große Unterhaltungsgabe beiciseni«
»Wollen Sie eine Schmeichelei her
aiiZsordern?«
»Nicht. daß ich wüßte«
Es ist Jhnen ja auch so gleich
aiiltig, was Melanie Bertow von le
nen denlt —- nicht wahr?«
Er zuckte die Achseln. »Was hilft
es, wenn ich Janen widerspreche!«
»Nichts —- Iie haben recht Es ist
Ihnen sicherlich viel interessanter
Frau Wertentin zu beobachten«
Er sah sie strena an und machte
eine Bewegung, als ob er ausstehen
wollte.
»Beis;en Sie nur nicht, Vereinb
ster, ich nehme es Ihnen gar n: cht
übel. Die schöne Gesellschafterin ist
mir selbst äußerst interessant Wissen
Sie. warum?«
«Nein."
»Möchten Sie es aern wissen?"
»Ich will mich nicht in Jhr Ver
trauen drängen«
Entsetzung solgt.)
W
Daj Leben tu eine-e sagte-.
Jn einer interessanten Studie der
Revue erzählt Pozzie-Eseot von der
französischen Straftolonie auf der
Jnsel Neu-Ka!edonien und dem Leben
der Sträflingr. »Das Le n des
Sträftings ist von einer a omatis
fchen Regelmtißigleit: alle Tage
Wurch viele lange Jahre hin
Wurch bis zum Tode oder bis zu
seiner Befreiung erhebt er sich, arbei
tet, ißt und schläft zur selben Stunde.
Nur am Sonntag nach der Messe, der
er beiwohnen muß, ist es ihm gestal
tet. wenn er ein gutes Führunggzeug
nifz hat, sich einige Stunden dein
Richtsthun und dem Umherschtendern
hinzugeben. Jn den Depots und La
gern des Innern schließt man ihn im
Schlafzimmer oder in den höer ein;
auf der JnselNou kann er amStrande
frei umhergehen vor der Strafanstalt;
wenn er Tabat hat, rauchen: soaar an
geln, wenn ersich dazu dasNöthigezu
verschaffen weiß, oder im Grase, von
der-; hohen Bäumen beschattet, sich aus
ru en.
Wenn man sich dieser Jnsel des
Schreckens mit dem Schiffe nähert, so
sieht man schon von fern Hunderte von
Gestalten, die am Ufer umherirren oder
ausgestreckt liegen, von einigen Wäch
tern beaufsichtigt, die unter ihnen zer
streut sind und sich mehr mit der Let
« türe ihrer Zeitungen zu befassen schei
nen als mit dem«Benehmen und den
handlungen ihrer Gefangenen.
Nur wenige Kahellän en trennen
die Jnsel Nou von dem Festen Lande«
aber so kurz auch der Zwischenraum
sein mag, er ist doch fast unüberschreit
bar: nicht einer unter den hunderten
ron Berzweifelten, die während vier
zig Jahren die kleine Strecke zu durch
schwtmmen suchten. ist lebendig am
anderen Ufer an etommen. Unter
dem unbewegli n Wasserspiegel
lauern die gefräßigen haifische zu
Tausenden auf Beute.
Die Thüren der Schlafriiume öffnen
sich beiM ersten Wir enarauen Zum
Appell. DieVerurtheilte , die ganz an
elleidet geschlafen haben, unterziehen
sich einer sehr oberflächlichen Wäsche
indem sie mit den händen etwas Was
ser über hats und Gesicht gießen. und
dann marschiren sie sogleich, ohne ge
. frühftiickt zu haben, ihre Wertzeugc
« iiber der Schulter, nach den verschiede
W—— ——..-.-—« Hl-M
nen Arbeitsplit en, die rund um die
einzelnen Stra anstalten herumliegen.
Sie werden bewacht und beaufsichtigt
von Soldaten, die, den Revolver im
Gürtel, ihnen folgen, bereit, dem eine
Kugel ins Hirn zu ja en, der den ge
rin sten Versuch der lucht oder des
Au ruhte wagen würde. äu diesem
Augenblick des ersten Erwa ns wohl
hat das Vagno sein bezeichnendstes
kAussehen .
Man empfindet die ganze furchtbare
Macht dieser Stätte der Qual, in der
alle hoffnung ersticken muß, und nur
der Verzweiflung Raum bleibt; das
Furchtbare dieses namenlosen Jam
mers offenbart sich plöhlich in einer
unvergeßlichen Vision. . .. Eine unge
wisse, noch dämmernde Heiligkeit ist
über die Erde gebreitet, während die
Thäler noch ganz in Nacht liegen. Fu
der Rhede von Numea, wo die e
del noch unheimlich brauen, und das
Wasser im ersten Morgenstrahl schim
mert, werden die langen Züge der
Sträflinge ausgeladen, und die lan
gen Reihen gebückter Männer, die der
Stadt sit-strömen erscheinen wie ge
spensterhaste Massen der Verfluchten.
Die Straßen der noch schlafenden
Stadt werden von einem dunklen und
düsteren Lärm erfüllt, von dem dump
fen Tritt der schweren Schuhe« von
den heiseren Kommandorufem von
Flächen und Schreien, von dumpfem
GemurmeL
» Und überall, in all den Straftoloi
Znien der Jnsel ist zur selben Stunde
das gleiche Schauspiel, der gleiche un
heimliche Gespensterzug, der in Elend
und Qualen hinauswantt, während
sich die erwachende Natur mit Glanz
und Pracht der Tropen schmückt.
Von ihrem elenden Strohlager aus
schreien die kleinen Kanalen dem Zuge
Schimpsworte und Beleidiungen nach
und freuen sich mit der rausamteit
des naiven Menschenherzens an der
machtlvsen Wuth und dem unterdrück
ten Grimm der Sträflinge.
Am Arbeitsplatz angekommen,
nimmt jeder die Arbeit da wieder aus,
wo er sie am Abend des vorigen Ta
ges unterbrach· Nach wenigen Semir
den sind alle am Werte.
Das lautloleste Stillschweigen ist
ihnen zur strengsten Pflicht gemacht.
IJtn Falle der unvermeidlichen Ver
Zständigung, wenn es sich z. B. darum
;bmdelt. Befehle weiterzugeben ist den
zVerurtheilten streng anbesohlen, nur
Emit leiser Stimme zu sprechen. Um
Zdie Arbeitsstelle herum patrouilliren
Zdie vewassneten Wächter und beauf
lsictstigen die Gefangenen und leiten die
Inst-en
z Ver nein geringsten Wroerrpruch oer
dem leisesten Ermatten in der Arbeit
verhangen sie iiber die Armen schwere
Strafen, deren gelindeste eintiigige
z Zellenhalt bei trocken Brot ist, und die
Ibis zu einer Einsperrung von sechzig
«Tc-.aen im dunklen Kerker gesteigert
werden kann.
Unwillkiirlich denkt man bei dem
furchtbaren Anblick dieser halbnactten
Unaliicklichen, die oon Schweiß triefen
nnd zu ununterbrochener schwerer Ar
beit unter dem Feuerregen einer glit
henden Sonne gezwungen sind, an ihre
Genossen, die gleiche oder ähnliche
Verbrechen beruht haben und nun in
den Zuchthiiusern Frankreichs unter
gelsracht sind. Wahrlich, ein gewalti
ger Unterschied der Bestrafung bei
gleicher Schulb! Wenn die Zuchthäus
ler nur wüßten, wie gut sie es verhält
nismäßig haben! Sie-würden nicht
mehr die beneiden, die »in der freien
Lust arbeiten und die Sonne sehen«,
wenn sitzgeblenbet von dem Flimmern
des Meeres, ausaedörrt von der Tro
pengluth, von einemheer voansekten
ges-stachen und benagt unter schweren
Lasten zusammenbrechen würden,
wenn tie den ganzen Tag hindurch bei
einer Temperatur von wenigstens vier
zia Grad in den Steinbriichen arbeiten
müßten."
Das Wahre fördert; aus dem Jer
turn entwickelt sich nichts, er berwietelt
uns nur.
L O I
Die Chinesen betrachten llnele Sam
als ihren besten Freund; ein Geständ
nis, das die Ber. Staaten mit zwan
zig Millionen Dollars haben ertaufen
müssen
i s I
Fast sollte man glauben, daß dir
: Ver. Staaten sehr arrn an selben
. sind, da sogar ein Dauergiinger als ei
- großer Mann angestaunt wirb.
-
Its dem Schiehstsndr.
- I WHAT-A
»Aber Einjäbriger Müller, Sie schießen ja immer ins Blaue k
Schatze! Sind Sie denn fatbenblind ? ?« ist«-us