Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 03, 1908, Sweiter Theil., Image 13

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    W
Fräulein Lotte.
Novellette von Hedwig Nicolau
Fräulein Lotte seierte ihren neun
Iehnten Geburtstag.
eRegimentsmufit brachte ihr ein
Ständrhen, Tante Aurelie tiißte sie
örtli, und der Ontel Nittmeister,
n de en hause sie seit dem Tode
ihrer ltern lebte, führte sie an den
Geburtstagstisch im Salon.
»Lauter Liebesgaben von der Tan
te,«sagte herr von Schall ertlärend. s
»Jchld!wasche meine Hände in Un
chu «
Lottes lustige branneAuaen heh
ten ihn an, und ihr frischer rother
Mund dffnete sich, um scherzend zu
schelten.
»Wer das glaubt, Onkel Guido!
Jch weiß genau, daß Du ein noch
größerer Verschwender bist, als die
ute Tante. Denn wer onst als Du
got mir die heimsten iinsche aus
der Seele gele en und mir diese piet-?
seine Reitausriistung gescgenltiWem’
war mein alter Sattel un das Reit i
tleid nicht mehr gut genugi Wer an
ders will immer Staat mit mir mir-f
chen, als mein guter, alter Onkel?« i
»Schon gut, Maus," wehrte ders
Eweiundnierzigeä Ihrige, liebe ,,alte« i
Onkel dann n Dank des erfreutenl
Geburtstagslinds ab, das sich schnell!
über seine Hand neigte, um sie zu
liissen »Wenn es Dir nur gefällt, dasj
ist die Hauptsache.«
Ihre glänzenden Augen gaben ihm
eine deutliche Antwort. worauf er
sanft den Arm um ihre schlanleTaille
legte und ihr einen Kuß in’s hell-1
blonde Haar drückte·
Das junge Mädchen nahm diesen
väterlichen Kuß mit leichtem Errö
then hin, dann machte fie sich los undx
umhalfte die alte Dame stürmifch·
Die Tante, welche zwölf Jahre mehr
als der Rittmeisier zählte, hatte eg
mit ihrem reichen Gemüth oon jeher
verstanden, dem Bruder und derNirhte
denAlltag zu ver-golden Seit dem
Tode von Lotte’s Mutter, einer Cou
sine der beidenGeschwifter, war Fräu
lein Aurelie dem junazn Mädchen so
nahe gerückt, daß sie ihm eine Ber
traute geworden war in allen Angele
enheiten, die ein weibliches Ver
ändniß erheischten, und hatte ihr die
Mutter völlig ersetzt.
Als Lotte sie wieder sreigab und
ihr dankbar in die Argen blickte,
siihlte sie die Augen der Tante voll
Güte auf sich ruhen.
Ma. Kinder, nun entschuldigt
mich, hitte,« sagte Herr von Schall
seiden die Hand reichend, »es ift Zeit,
daß ich mich aus dem Staube mache.
Jhr wißt ja, die Gratulativnscour
ist mir ein Greuel.«
»Ach, Onkel Guido, daß ich heute
hier bleiben muß,« rief Lotte mit ehr
lichem Bedauern, »ich ritte viel lieber
mit Dir über Stock und Stein.
Schade! Wozu habe ich nun das neue
Weit-zeug, wenn ichs nicht benutzen
kanni«
,
»’.Uwrgen wirst BUT- proo1r-n,
tröstete der Onkel. »Heute heißt’s ge
duldig das Haupt in die Fluth der
Glückwilnsche tauchen, die Dich über
schwemmen werden! -—— Und hörst Du,
nimm nicht zu viel Süßigkeiten su
Dir,« feste er, mit dem Finger dro
hend, doppelsinnig hinzu, »wir scheint
es, als ob neuerdings meine Herrn
Leutnants und andere Griinschnäbel
in Civil recht oft an meinem Hause
vorbeidesilirten. Nach mir oder der
Tante sehen die jungen Herren sich
doch sicher nicht die Augen aus«
Der jungen Dame stieg eine rosige
Gluth in’s Gesicht, allein sie zuette
gleichmiithig die Achseln.
»Gott, sie wissen ja Alle, daß ich
ein armes Mädel bin,«« entgegnete sie.
»Das thut nichts; sie speiuliren aus
die ossenehand zahlungssiihiger On
telsund Tauten. Nicht wahr, Anre
lie «
Diese gab dem Bruder einen leich
ten Klapg aus dieSchulter und sor
derte ihn aus, sich schleunigst von dan
nen u trollen, wenn er nicht den er
sten Desuchern dirett in die Arme lau
sen wolle.
Mehr als bereitwillig tam der Ritt
meister diesem Wink nach, er schob
keine hohe, trastvolle Gestalt zur Thür
tnaus, und als er gleich daraus aus
dem Rücken seines Pserdes in den
sonnenhellen Morgen hineintrabte,
toar denn auch die Klingel an seiner
Wohnung in beständiger Bewegung.
Die Damen des Regiments, junge
und ältere, erschienen nach einander
und beglückwünschten das Geburts
tag-tin mit einer Umarmung, die je
nach Gefühl und Laune herzlicher odex
tithler aussieh und brachten ihre Atl
ebinde in Form von Blumen oder
Elbsigesettigten Dandarbeiten dar,
ren sast ausnahmxlÄeMschmaa
losigteit das junge Mädchen mit ge
theilten Gefühlen bewunderte.
Den jungen Ossizierem von denen
einer im Namen aller ein Blumen
arrangement überreichte schüttelte
Lotte tarneradschastlich des-and und
lud sie ein, im Kranz der Damen
Zlah zu nehmen, die inzwis n den
abentisch mit lauten halbe lieben,
alb neidischen Bewunderungsrusen
trachtet hatten. Dann wurde Wein
erum gereicht und argenstoßem dazu
ßeg gegessen und set eeedet,
namentlich unter der» ugen , die
einen Kreis sltr sich gebt hatte.
Frau Oberst von Oven ertundt te
sich bei Tante Aueelie angelegent ch
nach dem Besinden des »lieben« Ritt
meilteti. ten-d oder denn immer noch
nicht an’i heirathen dentez et wurde
!
—
doch nun endlich Zeit mit zweiundJ
vierzig Jahren. Fräulein Aurelie"
folgte, als sie äu ihrem Bedauern eine
unbestimmte ntwort geben mußte,
dem Blick der Frau Oberst, der auf
ihrer ältesten, schon etwas angefahr
ten Tochter ruhte, die sich heute ganz;
besonders jugendlich herausgepuht
hatte und in forcirter Lustigtett wie
ei Bactfifch benahm. Fräulein von
chall begriff, aber sie zeigte es mit
» teiner Miene.
Die Frau Oberst erhob sich endlich ;
und mit ihr alle übrigen Besuchen
Als sich die Thiir hinter den letzten
geschlossen hatte, stöhnte Lotte in to
mischem Muthwillen: »Gott sei Dant,
diese Tortur haben wir hinter uns-!
Mir ist ganz slau um den Magen;
gut, daß nur alle Jahre einmal Ge
burtstag ist!«
»Jo, Kind, hast recht!" Die Tante
sirich ihr lächelnd iiber die rosigen
sWangem »Glaubft Du, daß noch Je
mand kommen tönnte?" fragte sie
dann.
Lotte besann sich. »Ich denke nein,
Tantchen Jn der Stadt cweiß Nie
mand etwas oon meinem Wiegen
feste.«
»Dann will ich mal gleich in der
Küche nach dem Rechten sehen. Wenn
Guido hungrig heimlommt, wartet er
nicht gern.«
Die kleine, behende Dame war
kaum zur Thitr hinausgerauscht, als
wider Erwarten doch noch einmal
leise, fast schüchtern die Flurgjocke
anschlug.
Lotte erschrak. Wer tonnte das
noch sein? Sie horchte gespannt aus
das Oeffnen des Burschen und blieb
mitten im Zimmer stehen.
Die Salonthtir that sich auf nnd
schloß sich wieder.
Vor der jungen Dame stand mit
befangener Miene ein eleganter, jun
ger Herr in schwarzem Frack. Jn der
einen mit weißen Glaces betleideten
Hand hielt er den Chlinder, in der
anderen unbeholfen einen Riesen
strauß.
Auf Lotte’s hübsch-ein Gesicht er
schien ein humorvolles Lächeln.
Die Schiichternheit des Assrfsors
Wolfgang Kampfhahn, die seinem
streitbaren Namen so kläglich Hohn
sprach und ihm vielen Spott eintrug,
war bekannt in der Stadt, in deren
Gesellschaftsorchester er, in Anbe
tracht seiner Wohlhabenheit. wenn
auch ncht die erste Geige, so doch we
nigsten die Bratsche spielte; wag aber
Niemand wußte, swar dieVerehrung,
welche er fiir Lotte Kieiel empfand.
Er verschloß sie so fest in seinem Her
»ren. daß nur der Gegenstand feiner
stillen Anbetung mit weiblichem Jn
ftintt etwas davon met-ten konnte.
»Guten Tag, HerrAssessor,« sagte
die junge Dame, ihm zwei Schritte
entgegengehend. »Ich bin aufrichtig
erstaunt, daß Sie Kenntniß von mei
nem Geburtstag haben.«
Mit dumpfem Ton fiel der Hutdes
eleganten Herrn zu Boden, und sich
wie ein Jael sträubend, rollte er über
den Teppich.
Schnell kam ihm Lotte zu Hülfe
und bewahrte den Strauß vor einem
ähnlichen Schicksal. Sie nahm ihn
an sich und reichte dem Geber die
kleine weiße Hand, über die er sich,
verlegen seinen Glückwunsch stam
melnd, neigte, um sie höchst dezent zu
küssen.
»Her3lichen Dant, Herr Assessor,
ich sreue mich sehr über die schönen
Blumen.« Sie steckte ihr feines Näg
chen in die duftende s iille. »Aber die
Gabe ist viel zu schön iir mich.« Diese
Bescheidenheit ließ den Gast sich zu
einem schüchternen Protest ermannen.
»Für Sie ist nichts zuschöm gnä:
diges Fräulein,« fäuselte er, swoisei
sich sein erröthendes Gesicht in den
breistöctigen Stehtragen verkroch, der
bis an die sanft abstehenden Ohren
reichte.
»Alle Welt ist bemüht, mich zu ver
wöhnen,« entgegnete Lotte, ohne ihn
anzusehen. ,,Betrachten Sie nur die
sen reichlichen Geburtsniggtisch.«
Gehorsam trat er einen Schritt
näher, während sie eine Vase vom
Paneel nahm und in dieser den
Strauß zu den anderen Blumen
stellte. —
Zum zweiten Male nahm Wolf
Kampfhahn sein Herz in beibe Hände
und sprach mit einer Stimme, die
zoghast und blöde klang: »O, gnädi
ges Fräulein, es ist tein Wunder,
daß man Sie veotvöhnt » ich würde
— Sie auch verwöhnen —- wenn —
tvenn —«
Plötzlich gerieth sein Redefluß in
jäheö Studen, eine unbeschreibliche
Verwirrung befiel ihn, er wurde bleich
und sah hülfloö zu Boden.
Bei diesem lächerlichen Anblick
überiam Lotte eine humoristische
Stimmung Um ihren Mund zuckte
es, aus ihren Wangengriibchen lachte
der Matt-willen Sie hattet-Mühn
an sich zu halten« als sie die Augen
groß aus den betlagenswerthen jun
gen Monn richtete, und stagend fein
leßtes Wort wiederholte. »Wenn . .?«
Der Assessor wischte mit zitternder
Hand die plötzlich ansbrechenden
Schweißperlen »von seiner lockennm
wucherten Stirn, sein Athem ging
schwer und schnell, et hätte gewünscht,
m den Erdboden oersinten zu tön
neu-»
Jn diesem Augenblick höchster Fol
teraual ertlan —er den aus allen
Fugen Gerat nen anzuhören wie
tebliche Harfentbne der Erlösung-—
ein heftiges Gepolter irn o5lur, wie
von einem umgestoßenen Gegenstand
und gleich daraus -steckte Riitmeister
von Schall vorsichtig den Kopf zur
Thttr herein.
»Ist die Lust rein, Lottei« fragte
er mit gedämpftem Stimmentlang
Und des jungen Mädchens ver-schmäh
tes Augen-winken für eine Bejahungl
nehmend, trat er mit hohen Stiefeln
nnd der Reitpeistsche in den Salon
ern.
Erst als er das Schloß hinter sich
zugedriiclt hatte, erblickte er den am
ganzen Leibe behenden schüchternen
Besucher seiner Nicht.
,,Pardon, mein H rr?!« klang es
in halber Entschuldigung und wie in
verwunderter Frage von des Mitwi
sters Lippen.
»Bitte tausendmal um Vergebung,«
stotterte mit verzerrtem Gesicht der
Assessor, indem er seinen vom Boden
ausgelesenen, struppigen Hut wie
einn schiitzenden Schild vor den Ma
gen hielt, ,,Assessor Kampfhahn ist
mein Name. Herr Nittmeister hatten
bereits die Ehre —-— pardon, wollte
sagen, ich hatte bereits die Ehre.
Herrn Rittmeister vor einiger Zeit
meine Aufwartung zu machen.«
Der Angererete stemmte mit un
definirbarer Miene die Arme in die
Seiten und sah den wunderlichen
Heiligen helustigt an.
»Ah so, richtig, ich erinnere mich,
pardon,« sagte er. »Bitte, wollen Sie
nicht Platz nehmen?«
Herr von Schall deutete auf einen
Sessel unsd setzte sich selbst ritilings
ans einen Stuhl, während Lotte
schnell durch die Portiere in das Ne
benzimmer retiririte, wo sie sich das
Taschentuch in den Mund stopsste und
aus vollem Herzen lachend auf die
Chaiselongue sank.
»Was verschafft uns das Vergnü
genim fragte unterdeß der Hausherr
den Gast, der auf einer Stuhlecke
balanzirte. 1
,,Berzeihen, Herr Rittmeister-— ich
hatte mir die Freiheit genommen,
Jhrer Fräulein Nichte zum Geburts
tag zu gratuliren,« stammelte Wolf
gang Kampfhahn nnd drehte verlegen
seinen Hut umher.
»So, so, sehr angenehm...«
Herr von Schall versuchte nun, ein
Gespräch in Gang ubringen, indem
er allgemein interefsirende Ereignisse
der Stadt erwähnte. Allein verge
bens! Der Assessor antwortete unge
schickt.
Unfähig, sich zu etwas Haltung und
Männlichleit ausziwappeln, gerieth er
unter dem strengen Militörblick sei
nes· Wirthes in immer größere Ver
wirrung, die sich sast bis zur Sinn-l
losigteit steigerte; und plötzlich den;
letzten Rest klarer Ueberlegung Verlie-!
rend, hatte er nur noch das eines
dunkle Empfinden, als müsse er unter !
allen Umständen etwas von dem los»
werden, was seine Brust außerFurcht;
und Schüchternbeit bis obenan fiillte,s
und so stotterte er denn von seiner;
Liebe. s
...,,Jch verehre Fräulein Lotte
mehr als Alles aus der Welt,« schloß!
er athemlos, »und würde glücklich
sein, ———wenn ich —hossen dürfte-J
Weiter kam er nicht.
Mit zornigem Befremden glitten
die Augen des Rititmeisters über »den
Jammerlavpen«; einen Moment ver
sagte ihm die Sprache, dann aber
schallte seine-Stimme dröhnend durch’s
Gern-ach. ,,Lotte!«
Die Gerusene erschien alsbald
Ganz umflossen vom Sonnenlicht
stand sie da, umflossen von dem leuch
tenden Schmelz,·den zagend Gesund
heit und ein froher tun ihrem Ge
sicht gaben. Ruhig schaute sie den
Ontelan, der sich gleich dem Gast er
hoben hatte, und zum ersten Male
wollte es Herrn vom Schall scheinen,
daß tein anderes junges Mädchen so
schöne Augen hatte.
Er räusperte sich start und strich
ein paar Mal erregt über seinen dunk
len Schnurrbart, der noch tein graues
Härchen zeigte.
,,Lotte, Du hast gehört, was hier
gesprochen wurde-.« Seine Stimme
klang rauh, als müsse er sich beherr
schen.
Die junge Dame machte eine unbe
stimmte Geste, swobei sich des Onkels
Stirn in Falten legte.
«Jawohl, leugne nicht,« herrschte er
sie an.
Sie antwortete trotzdem nicht
gleich; groß bestete sie den Blick aus
den Assessor, der aus ihre Antwort
wie aus die Vertündigung eines
Evangeliums zu swarten schien, und
sagte dann langsam, in gemessener
Betonung: »Der Mann, den ich lieben
lönnte. muß stark, stolz und tiihn
sein. Er muß immer Herr seiner
selbst, Herr der Situation und nie
mals zaghast sein.«
Das wirkte abckühlend und so nie
derschlagend aus den hoffenden wie
ein Brausepulver. Er versuchte ein
trübes Lächeln, aber es wurde zur
Grimasse und wirkte unendlich to
niisch. . -
»Ich sürchte,« stotterte er, »diesem
Jdeal gleiche ich wenig.«
»Nein, Herr Assessor, ganz und
gar nicht!« Sie lachte ihm hell in’s
Gesicht. »Sie sind das ganze Gegen
theil davon. Mit einem so furchtsa
men und unentschlossenen Mann
würde ich nie austomtnen, er wiirde
mir teine Spur von Respekt einle
szen. Und ich muß ein bischen fürch
ten, wo ich liebe. anders tann ich mir
eine Ehe nicht spaßhast denken.«
« Der arme Assessor wurde ganz
grau im Gesicht und versank vor
Scham sast ganz in seinen Stehtra-I
gen. Völltg niedergedonnert, stand er
einige Augenblicke da, dann aber ver
4
—
beugte er sich und sagte mit mehr
Haltung, als er sonst zu zeigen wußte:
»Ich bedanke seht und bitte um Ver
zeihung. Es bleibt mir dann nur
übrig, Sie so bald als möglich von
meinem Anblick zu befreien« —- Da
mit verließ er das Zimmer.
»Tu l’ as voulu, George Dandin,«
sagte Lotte, aber sin ihre Genugthu
ung mischte sich eine gewisse mitleidige
Theilnahme für den ganz Gelnickten,
und doch mußte sie lachen, als sie ihn
ohne jede männliche Haltung, schlot
ternd, in der Mittags-sonne seinem
Schatten nachstelzen sah. —
Der Rittmeister ging in Schweigen
versunken auf und ab. Bald schaute
er nachdenklich vor sich hin, baldruhte
sein Blick mit seltsam sorschendem
Ausdruck auf der Nichte.
Endlich blieb er lvor dieser stehen.
»Höre mal,« sagte er, mit liebevol
lem Ernst sein Auge in das ihre sen
tend, »ich habe wohl das Recht zu
fragen, und du wirst so gütig sein,
mir zu antworten, ob du dem Assessosr
durch irgend »welche Avancen Veran
lassung gegeben hast« sich hier so un
sterblich zu blamiren2 Er scheint mir
ja ein Mensch ohne viel Fond zu
sein, und ich wünsche dir wirklich
einen schneidigeren Lebensgefährten,
als diesen unsertigen Bengel, aber
es würde mir doch leid um dich sein,
wenn du . . .«
»Gott bewahre, Onlelchen,« unter
brach ihn Lotte lachend, »diese väter
liche Strenge lenne ich ja gar nicht
an dir.«
Den Riitmeister verdroß diese Anst
wori·
War es deshalb vielleicht, weil sie
dieses ,,bäterlich« so stark betonte, ge
rade als ob er ein Jubelgreis wäre?
»Ich bitte dich, Lotte, sei ernsth».1ft,«
suhr er sie in leichter Ungeduld an.
Da schlug sie in der Unschuld des
reinen Gewissens die Augen voll zu
ihm auf, nnd obgleich sie unter sei
nem Blick, der ihr bis in’s innerste
Herz dringean wollen schien, lang
sam erröthete, antwortete sie, ohne die
Lider zu sen-ten: »Sei unbesorgt, ich
habe weder diesen noch einen anderen
der ,,Griinschnäbel« jemals ermuthigt,
sie sind in meinen Augen ebenfalls
noch viel zu jung.«
Ein Rest von Zweifeln wollte sich
beim Onkel noch geltend machen, des
halb meinte er: »Aber im Winter hast
du so viel getanzst und bist fleißig
Schlittschuh gelaufen, sollte sich dabei
keiner heimlich in dein Herz gestohlen
Was-« .
Uacheno net ne ihm ins wori.
»Dann konnte ich dich auch fragen,
Onkel Guido. ob du dich beim Tanzen
vielleicht in Odersts Gisela verliebt
hast?«
Heiliger Krötenfpieß,« fuhr der
Riitmeifter entsetzt auf, »Mädel, das
ist der schön-sie Witz, der je verbrochen
wurde. Einfach töstlichi« .
»Weißt du, Kind,« sagte er, nun
wieder ernst und liebreich, wie es seine
Art war, »ein Gutes hat der famofe
Antrag deines Asseffors doch bewirkt,
denn er hat mir in einem Punkt die
Augen geöffnet; ich muß gestehen,
mich beschleicht mit einem Male die
Furcht, es könne noch ein anderer
kommen, um unsern so schönen Drei
bund zu stören. Jch habe mich bisher
so wohl darin gefühlt und habe immer
gealaubt. dir ainge es ebenfo.«
Bei diesen Worten tam ein stilles
Entzücken in Lottes Gesicht.
»Ach Onkel Guido,« rief sie entha
siaftisch »für mich giebt’s keine liebere
Vorstellung, als mein ganzes Leben
lang mit dir und Tante vereinigt zu
bleiben: denn ich ,-·roeifle, daß noch
ein Mensch existirt, der es so aut mit
mir meint wie du und fie. Wean ich
euch nur alles durch Liebe vergelten
könnte, wag ihr für mich gethan
habt.'«
»So, na, das ist herzerfreuend zu
hören!« Er hielt ihr feine-Hand hin.
»Dann also schlag ein, Mädel, es ist
abgemacht, wir bleiben für immer zu
fainmen!«
Lotte legte mit ftrahlenden Auaen
in seine große wohlgepflegte ihre
kleine, weiße Hand, die-er in herzhaf
tem Druck festhielt, indem er, anschei
nend immer noch ungläubig, fraate:
»Du haft doch aber zuvor dem abge
blihten Kampfhahn so schön erklärt,
wie dein Zuskünstiger aussehen muß:
fiolz, start, muthig und so weiter,
sollte sich am Ende doch solch ein
Jdeal in einen verborgenen Winkel
deines Herzens eingeschlichen haben?«
7riiulein Lotte wurde glühend roth
un versuchte ihre Hand frei zu be
kommen, aber der Onkel hielt sie nur
um so fester, ja er that soaar noch
mehr, er legte den Arm um ihre run
den Schultern und zog die sich Sträu
bende dicht an sich heran
,,Lotte,« sagte er zärtlich, ,,es blein
dir ja doch nichts anderes übrig, als
zu kapituliren. Jch weiß seit einer
Viertelstunde genau, daß ich »der
Held« bin, der dein Herz bezwungen
hat.«
Ohne ihre Antwort abzuwarten,
hob er ihr hübsches-, in Glück ver
tlärtes Gesicht zu sich auf und küßte
sie-diesmal aber sehr wenia ontel
haft-—an den frischen, rothen, be
benden Mund.
Auch ein Trost.
Kaufmann Cwiithend zum Reisen
den): »Na, hören Sie mal, mit der
letzten Lieferung haben Sie mich aber
gründlich angeschmiert!«
Reisender: »Sei’n Sie nur anz
ufrieden, Jhr Konkurrent, der eier
drüben, hat noch größeren Schund
bekommen als- stel«
—
! Vie- Rekruten kommen.
sEine Berliner Pslauderei.
Die kurze Ruhepause, die nach dem
Msanöver in der Kaserne herrschte und
die nach den Strapazen der letztenZeit
besonders angenehm empfunden wur-«
de, ist nun auch wieder dahin. s
Kaum gehen die Alten, so kommen;
schon dieNeueni Man hatdie angehen
deni Vaterlandsverieidiger gesehen,
wie sie in den letzten Tagen durch die
Straßen der Garnison zogen. Ziem
lich kümmerlich und ,,bedrsippst« kamen
sie daher, in Trupps zu 30 bis 40
Mann, von Unteroffizieren und Ge
freiten geführt, in der Hand das Kiss
ferchen, das die sorgsame Mutter
beim Abschied gepackt. Wie anders
wirkte doch der Anblick jener frohen,
ausgelassenen sSchaaren, die wentae
Tag-e friiher mit Gesang und Scherzt
den heimathlichen Gefilden zustrebten
und die Zurückbleibenden beim Ab
schied tiöstetem
»So lebt denn wohl, ihr Kameraden,
Die ihr noch länger dienen müßt,
Von Euch wird man es auch einst
sagen:
Seht, welch ein schmucker Reservist!«
Ja, aber bis dahin hat es noch gute
Weile. Einstweilen tritt der Ernst des
Lebens an die neuen Marsjiinger
ziemlich ,,dichte ran«, wie der Berliner
sagt. Das sah mian auf ihren—Gesich
tern ausgeprägt, wie sie so dahinmar
schirten. Das Ab.sch«edweh oerstummt
vor der Bangigkeit, wie sich die nächst-e
Zukunft gestalten wird, und das Herz
rutscht tiefer, je mehr man sich der
Kaserne nähert, bis es schließlich ganz
unten sitzt und nicht weiter kann.
Das tritt in dem Moment ein, wos
die aus dem Kasernenhof den Kom
pagnien zugetheilten Rekruten zum
ersten Male Aug in Aug dem gestren
gen Herrn Feldwebel gegenüberstehen,
der sie mit den ausmunternden Wor
ten begriißt: »Na, Kerls, nu nehmt
man die Dögköppe ein bischen hochl
und seht nicht so drömerig aus. Und
nun nennt mir jeder laut seinen Na
men und bisherigen Stand.«
Bald geht’s dann auch in die Kom
pagnie-stammen wo der Sergeant —
später »Lumpenlönig« genannt —
schon tnit Sorgen der Ankömmlinge
wartet, und nun beginnt ein müde-J
volles Treiben. Jst es doch leine»
Kleinigkeit, auf all die jungen Dick
schädel Helme dritter Garnitur zu
verpassen und die bei Muttern ange-«
sutterten Zivilistenbäuche in das kleid- !
same Futteral eines sechsten Waffen
rocles einzuschließen,—von den ,,gar:
nisondienstbrauchbaren« Stiefeln und
Schnürschuhen ganz zu schweigen.
Nur unter Seufzern und dunklen,
drohenden Hinweisen aus die nahe
Zukunft swird das schwierige Werk
vollbracht.
Auch später aus den Stuben ist es
siir den Retruten nicht gerade rosig,
sondern zunächst höchst unaemiithlich
Jeder hat da ein kleines Spind, in
Dem er seine Msonturem Utensilien
und Ausriistungsstiicke taum zu lassen
weiß, und drohend schwebt ihm das
Gespenst der Spindordnung vor. Der
kurz angebundene militärischse Ton,
die Kameraden, die sich in ihrer neuen
Würde als »alte Leute« ziemlich
»diclethun«, das Bett mit seinem tut-«
sternden, frisch gefüllten Strohsact,»
der erst eingelegen werden muß, —
das alles ist nicht gerade geeignet,j
den Eintritt in’s militärische Leben
besonders angenehm zu gestalten und»
das nagende Heimweh zu vertreiben.
Ja, für Muttersöhnchen ist der milisf
tärische Dienst überhaupt nich-is an
genehmes, als-er eine gute, wenn auch
strenae Schule des Lebens stellt er
dar, in der der junge Mann zum.
ersten Male lernt, auf eigenen Füßen
zu stehen.
»Ak
und Daim, am nacyflrll Augen«
das erste Exerzieren, ein Vorgeschmack!
tommender Wochen. Ach, du !iebe;
Zeit, man ahnt ja nicht, wie steii soi
ein Bauernbursche ist, der bisher nur
schwere Arbeit gethan, oder eine
«Schreiberseele, die nur den Bureau
fessel gedrückt hat! Allein der bloße
Versuch der Ungliictlichen, sich in mi
litärischer Haltung hinzustellen oder
im Laufschritt fortzubewegen hat für
den Zuschauer etwas unendlich Ko
misches, kann aber den mit der Aus
bildung dieser jungen Bären Betrau
ten auf die Dauer an den Rand der
Verzweiflung bringen. Einige aller
dings, die früher einer Jugendwehr
oder einem Turwveresin angehörten,
lernen diese einfachen Sachen spielend. -
Nur schade, daß sie der verschwinden
den Minsderzahl angehören. Summa
fummarum, gehört eine Unmenge Ge-!
duld und taubenhafter Sanftrnutht
dazu, um die Rekruten allmählich in
den Fächern des praktischen Dienstes
vorwärts-zubringen Daß hierbei in
Augenblicken höchster Noth mal eint
Paar zoologische Vergleiche zur Jllu:
ftrirung der Sachlage mit herange
zogen werden, iist verzeihlich und wird
auch von Niemand weiter übelgenom
men.
Ebenso schlimm steht es anfangs
meist mit den geistigen Künsten. Ein
ländliches Rekrutengemiith verhält sich.
zihnen gegenüber in der Regel durch
»aus ablehnend, ja feindlich. Geschichte
fund Geographie sind denn auch für
die Mehrzahl sböhmische Dörfer und
die Geheimnisse der militärischen
.Reg"lements und Vorschriften wollen
oft in so einen armen geplagten Re
.trutesntsopf partout nicht hineinaehen.
So hilft sich denn der instruirende
FUnteroffizier in seiner Verzweiflung,
indem er für die immer näher heran
rückende Vorinstrwktion — »Seht-m
revision« genannt —- eine Reihe von
.Paradefragen einübt, auf die prornpi
die eingefuchste Antwort erfolgt. Da
kommen denn manchmal wunderliche
Dinge vor.
Frage, z. B.: »Was pflanzt des
Soldat, wenn er was läuft?"
Antwort: »Er pflanzt Seitenges
wehr auf, wenn er Gefahr läuft.«
Oder: »Mit was, ohne was so-ll der
Soldat nicht über was gehen?«
»Mit einer Pfeife ohne Deckel sollt
er nicht über den Kasernenhof gehem«
Ferner: »Im Jahre 1813, wi
stand Deutschland auf?«
»Wie ein Mann«
»Was soll der Soldat zunächst
thun, wenn er Morgens aufste«ht?«
»Er soll am Abend vorher seine
Stiefel geputzt haben . . .«
Unser Regiment rückte im Sommer
gewöhnlich auf den Schießplatz Wahn
aus. Einst sollte der Rekrutenoffizier
über das schwere Thema »Militiirische
Treue« svorinstruiren Er half sich
über alle Schwierigkeiten in geradezu
genialer Weise hinweg:
»Was ist Treue?«
,,Treue ist keinleerer Wahn.«
»Was ist Wahn noch-W
»Wahn ist ein S-chsießplatz.«
»Was- macht das Regiment aus
dem Schießplatz?« — und schon war
er bei dem sehr viel leichter zu be
handelnden Tshemm ,,Bene"hmen aus
dem Schießplah« angelangt.
Dann war bei uns ein ,.Pollsak«,
der auf iede Frage nur mit einem
Verstänsdnißlosen Lächeln antwortete,
sonst aber absolut stumm blieb. Den
nahm sich unser Leuinant vor und
übte ihm im Verlauf viel-er Wochen
mit großer Mühe»einen kleinen latei
nischen Satz ein, den der Rekrut Gra
matzki in jeder Stunde wiederholen
mußte und den er auf jede Fragealz
Antwort zu geben hatte. Als nun die
Vorinftruktion heransnahte und der
Rekrutenoffizier im Tone edler Be
aeisterung über die dem brav-en Sol
daten eigenen militärischen Tugenden
instruirte, fragte er schließlich densanr
linken Flügel stehenden Noslent »Und
nun, Gramatzki. sagen Sie mir, was
ist süß?«
»Js sich dulce et decorum Pro va
tria mori« ertönte es stramm zurück.
Hiermit erreichte die Besschtiaung
einen geradezu glänzenden Abschluß.
Gramatzti aber erhielt fünfzig Pfen
nige, damit er sich am nächsten Sonn
tag im Zoologischen Garten amiisiren
könnte, mit denen er in den Wochen
vorher so oft verglichen worden war.
—--.-.
Zuviel verlangt. -
Köchin (einer alten Jungfer, zum
Milchmann): »Meine Gnädige sagst,
Sie sollen in Zukunft Jhre Frau zu
uns-. schicken, sie wolle kein männliches
Wesen in ihrer Wohnung sehen.«
lllt"lchmann: »So, ——— na, wissen
Sie was, sagen Sie Jshrer Gnädi en,
daß ich meiner Ksundschaft gern ge eil
lig sei, aber wegen einem halben Li
ter Milch Pro Tag zu heirathen, das
ist mir doch ein wenig zsu viel.«
Ein gutes Gedächtnis.
Lehrerin: ,,J11 der letzten Stunde
haben wir über die Stadt Rom ge
sprochen, kannst du mir noch sage-n
Gretchen, wann diese Stadt erbost-;
wurde?«
Gretchen: »D-es Nachts.«
Lehrerin: »Wie kommst du dems
darauf?«
Gretchen: »Mein Vater sagt im
mer, Roms ist nicht an einem Tags
erbaut.« ·
Vom schlauen Heini·
Der Papa will ungestörte Mittag-Z
ruhe halten. Der fünf-jährige Heini
und das dreijährige Lisel sollen da
neben im Kinderzimmer ruhig spie
len. Ein Weilchen geht es. Als aber
dann die Kleine allen Ermahnungm
des Brüderchens zum Trotz Lärm-l
macht, rennt Heini wüthend zum
schlafenden Papa, rijttelt ihn wo
nnd sagt: ,,V"citerchen, sag es .
selbst der Liesc, daß du ungestö
schlafen willst!«
Anzüglich.
,,Also der Angeklagte hat Ihnen
als Sie Posten standen, eine Zigam.
angeboten?«
,,J-awol)l, Herr Präsident.«
»Sie verweigerten die Annahme
derselben?«
,,Zu Befehl, Herr Präsisdent!«
»Und was gab er Ihnen zur Ant
tvort?«
»Sie sind ein Schafskops, Herr
Präsident!« ·
— «
Schnell geänderte Absicht. ’
Heirathssvermittlen »Ich muß Sie
schon bitten, mir endlich die Provi
sion zu zahlen. Jch habe Jshnen doch
eine so hübsche, brave Frau vermit
telt!«
»Ich dank schön—gestern ist sie
mit einem andern durchge
b r a n n t l«
»Da verdien’ ich ja erst re cht die
Provision!... Seien Sie froh
daß Sie sie los haben!« «
— I
Gemüthlich· qt
Baronin lzu einer Bäuerin, diesies
verheirathet hatte, seit die Barondi
nicht mehr aus dem Gut war):«NM
Lisette, sind Sie zufrieden mit Ihr-II
Mann?«
Bäuerin: ,,No ja, gnä Brau, sat
sen thut er halt, wie die hnnslenk
all’-—-Sie wissen scho selber -—--«(