Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 03, 1908, Sweiter Theil., Image 12

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Lunte ?osesine, die verwittweie
niraih Bernivald, schüttelte
M Kopf, nachdem sie den Brief ih
rer Schwester, Frau Direktor Los
ssio lesen.
Stege einigen Wochen hörte man
M Lofsoth nur den einen Namen
»Mär! Kramer«. Und jeder Brief
W ein Loblied aus diese Perle.
Sollte es möglich sein, daß Losfows
eine leistungsfähige und zugleich lie
benswürdige »Stütze« gefunden hat
ten, die der Hausfrau alle Lasten ab
nahm, ohne je in ihre Rechte zu grei
fen? Ein solches Wunder müßte
man mit eigenen Augen seyen.
Außerdem traute sich Tante Jose
fine ein unbesangeneres Urtheil zu,
all ihrer Schwester, der »guten Ma
ihilde«. Sie war in der ganzen Fa
milie oberste Autorität in Fach-,
Sach- und Menschenienntnisz, und
gehörte zu den sogenannten Hellem
die durch ein eichenes Brett sehen. So
hielt sie es sür ihre verwandtschafi
liche Pflicht, mal bei Lossows nach
dein Rechten zu sehen, packte denReise
iorb und die juchtene Handtasche und
reiste ab.
Acht Tage lang war Tante Jose
sine heftige Opposition.
»Nimm es mir nicht übel, liebe
Mathilde, aber Jhr übertreibt,« sagte
sie bei der ersten Aussprache im Plau
derwinkel des blauen Boudoirs.
«Frsulein Ellen Kramer mag viele
vortreffliche Eigenschaften besitzen
aber Ihr macht zu viel aus ihr. Sie
beherrscht Euch ja Alle! Das gehört
sich nicht für eine Person in ihrer
«Jw UZCLIIL »Ob«-, III-sys. .s-o-. U .
Lossow erregt. «Giebt es ein beschei
dener-es Wesen als dieses junge Mäd
enli Seit sie bei uns ist« geht mein
ushalt wie am Schnürchen, noch
nie hat solche Ordnung, Sauberteit
und Pünktlichkeit geherrscht! Sie
nimmt mir jede Sorge und jeden
F Verger ab. Neulich, als die Köchin
plöhlich erkrankte, kochte sie sofort das
Mittagessen selbst. Du weißt, wie
; anfänglich Oskar ist, aber es schmeckte
; ihm so vorzüglich, daß sie seitdem
öfter mal ein Gericht für ihn kochen
muß. Und das macht sie so spielend
Z nebenbei, ohne alles Aufheben. Da
bei isi sie im Salon vollendete Dame.
Ohne schön zu sein, stellt sie jede
? Schönheit in den Schatten durch ih
ren seltenen Geschmack und ihr .ses
selndes Wesen.«
«Nimrn Dich nur in Acht, daß sie
reicht andere zu sehr in den Schatten
stellt,« bemerkte die Geheimräthin
trocken und beschloß, die Augen weit
ossen zu halten.
Am Abend im Familienwohnzim
mer gab es allerlei Ueberraschendes.
Der Hausherr, der als Direktor
eines großen, industriellen Bezirks den
Tag über mit Arbeit überhäuft war,
pflegte sich in diesen Feierabendstun
den abgespannt und nervös reizbar
in zeigen. Er war dann den !ebhas
"«" ten unruhigen Kindern gegenüber zu
· fungem Tadel geneigt, was ein ge
stsisses Unbehagen verbreitete. Die
Mutter hätte es qern beiden recht ge
macht: dem Gatten die Ruhe ver
schafft, ohne den Kindern die Freiheit
»Du kürzen, und da dies nie möglich
s« war, mußte sie dafür büßen.
Tante Josefine kannte diese kleinen
Scenen genau und wappnete sich mit
Muth und Energie, um die Kinder
gehörig in Respekt zu halten« Aber
siehe da, es herrschte heute eitelFriede,
freude und Harmonie im Familien
teise. Die Kinder waren musterhaft.
Fräulein Kramer erzählte so amti
ante Geschichten, daß sie ganz Ohr
waren-. Kein Zank, lein Streit und
kein Lärm. Die Mutter saß, ein
Bild des Behagens, in der Sosaecte
und es entging Tante Josesine nicht,
baß der Hausherr hinter seiner Zei
tung aufhorchte und zuweilen lächelte,
bei einer besonders netten Geschichte
ZW, deren weiche Stimme selbst
den reizbarsten Nerven wohlthun
mußte.
Und er kam sogar aus seiner Iso
lirecke heraus und lauschte mit sicht
Ucher Befriedigung, als Fräulein
lsrantet später mit Melanie vierhän
Ug den Donau - Walzer vortrug,
denn es war bisher zum steten Aerger
M Vaters noch keinem Sterblichen
Musen, die vierzehnjiihrige junge
TM zum Vorspielen zu bewegen.
III dannspCllen Kramer selbst rei
-ädke fran «- sche Ehansons und eng
ssol jeder vertrug, war von
nnd Nerven nichts mehr
Runarkeru Die Stimmung
« hohen-ritt des allgemei
M arrangirte Ellen Kra
Sk « ch. Das war es e
»szs-k - to sehr c It
- kleines gänlchen seiest-ein
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tämkiw war-u
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« den. Und nun
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MWM sonst-erseht
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J- -.——
Um folgenden Mor beim riihs »
siiick theilte Frau Lo otv den hren
halb entrüstet halb lachend aus der
Zeitung mit, wie eine ganze Familie
durch einen Hochftapler in etlatanter
Weise um fah und Gut betrogen
war, den sie iir einen Gentleman aus
gut Glauben ausgenommen hatte,
ohne legitime Beweise.
»Wie lann man nur
sein!'« bemerkte sie.
»Das sind eben die Dummen, die
lnie alle werden,« pflichtete Herr Los
sow bei.
so dumm
»So etwas könnte mir aber nicht;
lpassiren,« ereiferte sie
»Ich begreife es nicht, ein Lump ver
riith sich doch immer an gewissen Zü
«gen.«
»Höre mal, meine liebe Mathilde,
ich glaube, Niemand wäre leichter zu
tiiuschen aDD «erwiderte der Gatte
ein wenig geringschätzig
«Dante, sehr schmeichelhaft,
Du mich zu den Dummen zählst, die
nicht alle werden,« erwiderte sie tief
verletzt. »Uebrigens, hast Du nicht
damals dem Buchhalter auch viel zu
viel vertraut bis endlich die Unter
schlagungen an’S Licht kamen?«
Das traf eine wunde Stelle in den
geschäftlichen Erfahrungen Lvssowst
er brauste auf, und es wiire zu einer
heftigen Scene gekommen wenn nicht
Fraulein Ellen schnell eine sehr in
teressante Geschichte erzählt hätte von
einem sensationellen Betrugsfalle, der :
die Gedanken in neue Bahnen lenlte·
Jm Verlauf der nächsten Tage be
merkte Tante Josefine zweierlei. Er
stens-, daß ihre Schwester eigentlich
im Hause nichts mehr zu sagen hatte.
Und zweitens, daß eine große Ver
änderung mit ihrem Schwager vor
sich ging—
sich weiter. E
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daß !
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III-A foåmmkös m-- du«-f- his sus- «
V - s- ----, squ -
Mathilde unichts »von ihrer Entthrw :
nung merkte, so siiß und bequem«
wurde sie in den Winkel völliger
Ueberfliissigteit gesetzt. Und noch viel ;
bedenklicher war die Bewußtlosigteit,
mit der ihr sonst so kritischer, nüch
terner Gatte sich umgarnen ließ. Die
Geheimriithin konnte jedoch nicht tlug
werden, ob der uns-wußte Zauber
seltener Vorzüge oder List und raffi
nirte Berechnung von Seiten der ge
fährlichen Stütze die Ursache waren.;
Thatsache war: ihre Schwester hatte
kein Geheimniß mehr vor der Frem
den, sie vertraute ihr sämmtliche
Schlüssel an, selbst die zu ihrer Kasse. ;
Sie besprach die intimsten Angelegen
heiten mit ihr und ließ sie sogar ihre
Briese lesen.
Und der hausherr wurde alle Tage T
liebenswürdigen Nichts mehr von
überarbeiteten Nerven und Quiinge-s
leien. Er war sanft und fast zärtlich
gegen die Gattin, milde gegen die
Kinder, gut ausgelegt bis zu Scherz
Eund Lachen. Die Kinder fühlten sich
wie im Himmel und daher gab es
»weniger Streit und schlechte Laune.
JDiese Ellen Kramer war aber wirt
I lich ein Universalgenie! Als der Se
; tretiir Herrn Lossows erkrankte, stellte
ses sich heraus, daß sie so viel von
IStenographie und Buchführung ver
!stand, um ihn zur Noth einige Tage
; ersetzen zu tönnen.
Herr Lossow, der sehr verstimmt:
iiber das Mehr von Arbeit war, das
Fdieser Krankheitsfall ihm auslud,
Inahrn sie sofort mit in sein Privat-:
stontor. Sie schienen sich bald wun
dervoll eingearbeitet zu haben, denn
seine gute Laune stieg täglich. Tante
»Josefine, die wiederholt dringend den
Rath ihres Schwagers wegen An-j
und Verkauf von Papieren brauchte,
erschien zuweilen unangemeldet im
Kontor. Einmal hörte sie schon von
« fern sein herzliches Lachen und Illens
weiche Stimme, die etwas sehr Antä
santes zum besten zu geben schien.
Und einmal überraschte sie beide vor
dem offenen, eisernen Geldschrant, der
in die Mauer eingelassen war und
dessen Geheimnifse noch nicht einmal
der Gattin enthüllt worden waren.
Er enthielt außer Werthpapieren und
Baargeld auch den werthvollsten
Schmuck seiner Frau. Die Geheim
räthin sah mit eigenen Augen, wie die
Fremde lachend an den Geheimschlös
ern probirte und naive Freude an
den verborgenen Schaden zeigte.
»Gebt ej denn überhaupt so viel
Geld.« sagte sie gerade. »Davon hat
ja unsereins keine Ahnung.« Tante
Josesine mußte sich räuspern, um be
merkt zu werden, so versunken waren
beide in Belehru und Betrachtung
und der Direktor egte ein paar Mal
seine hand auf Ellen Kramers weiche
Isiugey um iie den Griff zu lehren,
nistet dem die Geheimfiicher sich öff
- en.
QJO hin-U- hzs Ethimsssbss Los
.,. .»..».- »- --.,-....-....,..., -..»
iein«e« vollkommene » töte« sehr be
denklich für eine hausfrau ist und sie
war mit sich einig, das etwas gesche
hen müsse. Sie sah einen Abgrund,
der sich unter den Füßen der ah
nungslofen Familie aufthat, und in
den alle wie hypnotisirt zu stürzen
drohten. Sie hatte fchlaflose Nächte
darüber, aber mit Mathilde zu reden
war zwecklos.
Eines Tages kam ein Brief von
der alten Mama Lossow, der die
ganze Familie zu ihrem siebzigsien
Geburtstag einlud. Es war eine
kleine Reife bis zu ihrem Landsiß,
man blieb stets über Nacht dort. Ma
tbklde war außer sich, daß sie Ellen
Kramer nicht mitnehmen konnte, und
alle Kinder jammerten, et war ge
rade, als könne Niemand mehr einen
its-s ohne sie sein. Nur Tante P
HO-— «.——.- —
fine athmete erlei tert ans und be-;
schloß, Mama Lo ow ihr Der-z aus
zuschiitten und mit ihr zu berathen,
was zu thun sei. Vor der Abreise
übergab sie ihrem Schwager Geld
und Werthsachen, die sie bei sich hatte,
zur Aufbewahrung im feuer- und
diebeäsicheren Geldschrant. Es gab
einen rührenden Abschied von Ellen,
die zu Haufe bleiben mußte. Mathilde
umarmte sie vor allen Leuten, die
Kinder warfen Kußhände und selbst
der Direktor schwenkte wiederholt sei
nen Hut. Es entging Tante Jasefine
nicht, daß der Thermometer seiner
Liebenswürdigteit während der Reise
auf Null sank. Er war wieder sehr
streng gegen die Kinder und ironisch
gegen Mathilde mit ihrem zahllosen
Handgepäck.
Tante Josesine war mehr denn je
entschlossen, seine wohl selbst noch
ahnungslose Seele vor dem Verderben
zu retten.
Am Morgen nach Großmamas
Geburtstag trat die Katastrophe ein.
Die Geheimriithin hatte sich bereits
mit der alten, sehr klugen Dame eins
gehend verständigt. Nun nahme
beide die gar zu harmlose Mathilde
in’s Gebet. Die arme Frau war
ganz gelähmt vor Entsetzen über die
Zumuthung, sich so schnell als mög
lich ihrer unschätzbaren Stütze zu ent
ledigen.
Sie schwankte zwischen einem Ohn
n achtsanfall ank- sssrsm Weintrame
in demselben Augenblick trat der Di
rektor ein, kreidebleich, ein offenes
Telegrannn in der Hand.
»Heut Nacht schwerer Einheit-h
Geldschrant ausgeräumt Von Die
ben keine Spur. Fräulein Kramer
verschwunden,« las er mir heiserer
Stimme. Sein erster Geschäftsfüh
rer hatte unterzeichnet. Tablr.iui
——-——--.—.—--———
Erst später erfuhr man, oask Ellen
Kramer die Gattin eines betüchtigten
hochstaplers und Eitibrechers war.
Das Ehepaar hatte bereits im Aus
land derart zusammen gutbeitet. daß
die sehr gewandte Frau. die sriiher
Erzieherin in großen Häusern gewe
sen, Stellungen annahm, in denen sie
ihrem Mann und seinen Helfer-i die
Wege zu ihren Raubziigen bahnte und
alles so geschickt einleitete, daß sie
nicht gefaßt wurden.
Die Verluste der Familie Lossow
varen bitter und nicht sehr erhebend
das Bewußtsein, auch einmal zu de
nen gehört zu haben, die nicht alle
werden. Tante Josefine aber segnete
diese Lösung eines verhängnißvoll
werdenden Problems, obgleich auch
sie zu den Geprellten gehörte. Sie
reiste beruhigt ab, nachdem ihr-Schwa
ger genau so unliebenswiirdig wie
früher Abends von seiner Jsolirecke
aus die Familie thrannisirte und die
»gute Mathilde« seufzend von Neuem
die Pflichten und Lasten der haus
frau auf die eigenen Schultern ge
nommen hatte. Um eine schwerwiess
gende Erfahrung und Lebensweisheit
reicher kehrte sie heim. Nämlich, daß
es schlimm für eine hausfrau ist,
wenn sie überbiirdet ist, aber nach
viel schlimmer, wenn sie entbehrlich
wird.
Tapfere Itlchmädchem
Auf den Gulden und Stühern, die
früher in Dortrecht in Holland ge
prägt wurden, und ebenfalls auf den
großen Schleusenthoren der Stadt
befindet sich ein Relief, das die Fi
gut eines eine Kuh meltenden Milch
mädchens darstellt. Den Anlaß zu
diesem Bildwerle bot folgende histo
rische Begebenheit: Jn dem Kampfe
der vereinigten Provinzen gegen die
Spanier urn ihre Freiheit hatten die
Spanier eine Abtheilung der Haupt
arinee nach Dortrecht gesandt, um
dies« wichtige Stadt zu überrumpeln
und zu besehen. Der Anschlag wurde
verhindert und zwar durch die Beson
nenheit und Unerschrockenheit einiger
Milchmädchen. Diese, im Dienste ei
nes vor der Stadt wohnenden Bauern
stehend, gingen wie üblich vor Tages
anbruch auf die Wiesen hinaus, um
das weidende Vieh zu nielken, da be
merkten sie viele in den Gräben ver
steckte Soldaten der Spanier. Anstatt
nun mit Geschrei zurückzulaufen und
dadurch einen sofortigen Angriff der
Spanier zu veranlassen, gingen sie
unbekümmert um die feindlichen
Truppen ihrer gewohnten Beschäfti
gung nach. Erst nachdem sie ihre
Kühe gemalten hatten, eilten sie un
auffällig nach hause und meldeten
ihrem herrn, was sie entdeckt hatten.
Dieser lief auf einem Schleichwve in
die Stadt und henachrichtigte den
Bürgermeister; nun wurden die gro
ßen Schleusen geöffnet und tat an
ze umliegende flache Land unter as
ser gesehn Die meisten der feindlichen
Soldaten ertranlen, da sie sieh vor den
plötzlich hereinbrechenden Wasserstu
then nicht zu retten vermochten, und
der Anschlag ge n die Stadt war
dereitelt. Der auer wurde fitr sei
nen Verlust an Milchvieh reichlich
entschiidigt; aber auch die schlauen
Milehiniidchen wurden beschenkt, und
ur ewigen Erinnerung an ihre Get
sgegenwart and ihren bewie enen
uth ließ die Stadt aus ihre lin
zen das erwähnte Relies prägen.
—Cemiithlith. Junge Gat
tin: Ue erste Nacht kommst Du
III-II sit-its XUJZZ«R:-chtocsick «
n» er n t l
intt zwei tout-neul« sch s
—
, Eine alte Geschichte.
sen Isaria hehr-ens.
Es war nur eine kleine, einfache
Geschichte, vielleicht etwas altmodisch,
aber doch eine von denen, die sich je
den Tag, jede Stunde wiederholen
werden, wie Menschen leben und lie
ben und leiden.
Sie begann vor Jahren in einer
ganz kleinen Stadt, einer dieser klei
nen Städte, wo die Leute so dicht aus
einander wohnen, daß sie mit oder
ohne Grund für sich das Recht bean
spruchen, ein Wort mitzureden, wenn
es sich um die Familienderhältnisse
des lieben Nachbarn dreht.
»Er« war Lehrer an der Volks
schule, ein eigenartiger, stiller Mann,
groß und ungelent inf seinen Bewe
gungen, mit milden Augen und einem
änastlich derlegenen Zug um den
worttaraen Mund. Seine Schüler
liebten ibn mit iener unbesiechlichen
Kinderliebr. die sich instinktiv ibrn
Geaensiand aussucht und sich nicht no-—
äußeren Rücksichten leiten lästi. Die
Erwachsenen gingen aber am liebsten
um ibn herum. Es war etwas in
ihm, das ihre Neugier in Schach hielt,
das sie in einem gewissen Abstand
bleiben ließ. Und gerade dieser Um
stand reizte sie.
»Sie« war die Tochter des Bürger
meisters, ganz jung und so heiter, wie
der Tag lang war. Gut und schön
war sie auch und dabei die beste Par
tie in der Stadt. Die Frau Bürger
meister hatte ein bedeutendes Vermö
gen von ihrem Vater geerbt, das er
in den guten Zeiten der Bauspeiulati
rnen verdient hatte.
Und als der Stadttlatsch sich erij
Elsa Borls und des Oberlehrers Nor
mann bemächtigt hatte, ließ er sie nicht
wieder los. Das war ja auch ein
Standal allerersten Ranges.
«Geradezu eine Mesalliance«, äu
ßerte der Kreisphhsitus am Abend im
Club dem Thierarzt gegenüber-.
Der Kreisphysiiuö sah auf den
Thierarzt sonst immer von oben her
ab, angesichts dieses wichtigen Falles
glaubte er aber eine Ausnahme ma
chen zu dürfen.
»Und der Thierarzt leerte sein Glas,
strich den Schaum aus dem Bart und
brummte:
fu«-s III-Zw- Moos-such --:- Fis
raus darf nichts werden·«
Er selbst hatte schon halb und halb
daran gedacht, sich der schönen Elsa
vor die Füße zu werfen.
»Unte: leinen Umständen dürfen
wir es dulden, daß dieser hergelaufene
Mensch« . . . Hier unterbrach ein
leampfhaster asthmatischer Husten die
Rede des im höchsten Grade entrüste
ten Kreisphysitus.
Der Thierarzt schaute bedenklich
drein.
Draußen im »Pavillon« tagte wie
jeden Donnerstag das Kasseetränzchen
Und hier war die Stimmung einige
Grade über normaler Wärme. Man
war geradezu rasend darüber, das;
man nichts wirklich Positives wußte.
Allerdings hatte die Köchin der
Frau Postdirettor mit diesen ihren
offenen Augen gesehen, wie die beiden
sich draußen vor dem Stadtwalde ge
trossen und die Richtung nach dem
Stadtwalde einaeschlaaen hatten. Das
war ja höchst bedenklich. Zum wirt
lichen Einschreiten genügte es aber
noch nicht·
Indessen erfuhr man bald mehr.
Der Apotheler hatte einen neuen Pro-«
oisor. Er kannte den Lehrer Nor
mann aus der Provinzhaupstadt und
wußte, daß er der Sohn eines Holz
händlers war, der Wechselsälschungen
begangen und sich kurz vor seiner Ber
bastung erschossen hatte. Diese Ge
schichte machte schon am nächsten Ta
ge ihren Weg durch die ganze Stadt
und wurde nach Kräften ergänzt und
ausgebauscht.
Es war ja auch entsätzlich Denn
war der Lehrer Normann auch ein
in jeder Beziehung netter und ehren
werther Mann, der seiner alten Mut
ter jeden Monat — das wußte die
Postdirettorin — Geld nach Hause
sandte, so konnte man doch nicht
wissen, ob er von dem Vater nicht ge
wisse Eigenschaften geerbt hatte, und
sitt die arme Else, die wirklich ein
süßes Mädchen war, wäre es traurig,
wenn sie in eine solche Familie ge
rathen sollte. Nein, es war —- so
ungern man ed auch that — nichts
anderes zu machen, als zu Bürger
meisters zu gehen und ihnen den gan
zen Zusammenhang der Sache zu er
zählen.
Es wurde eine Art Deputation ge
wählt. Sie bestand aus der Frau
Postdirettor, die die Frau Bürger-·
meister vorbereiten sollte, und dem
Kreisphhsitus, dee mit dem Bürger
meister sprechen wollte. Und wäh
rend die Stadt«in der größten Span
nung wartete, that die Deputation mit
innerem Selbstgesiihl ihre Pflicht.
Der Lehrer Normann wollte seinen
Augen nicht trauen, als er eines Rach
mttta nach der Schule den Besuch
des liegermeisters empfing. Mit ei
ner nervitsen fhandbetpegung schob er
die Schulheste beiseite, die er gerade
korrigirte,und bat den kleinen, sorg
fältig getleideten Bürger-meisten in
seinem alten, ausgeblichenen Lehnstuhl
la unehnren.
PJUZ silr eister dankte höflich
uitd riccte I unruhig im Stu l
hinundher. Einmin ,
texts-, »u
—-.. llll . . . l- l ——-—-—.l.......ll
daß er in einer so delitaten Sache an
den fremden Mann herantreten muß
te, der ihm durch feine ernste Nebens
wiirdigteit Achtung einsliißte.
. Plöhlich raffte er sich aber auf.
»Ach Verzeihung, Derr Normann,
daß ich Sie störe. Sie werden aber
wohl wissen, was mich zu Ihnen
sührt.« "
Normann schüttelte den Kopf.
»Ich bin mir darüber nicht ganz
klar, herr Bürgermeister.«
Der ruhige Ton machte den Bür
germeister ganz erregt. Er ahnte ja
nicht. welche Anstrengung es dem Leh
rer gekostet hatte, ruhig zubleiben
»So«, fuhr er auf. »Sie sind sich
darüber nicht ganz tlar. Dann wer
de ich Ihnen sagen, weshalb ich kom
me. Sie tennen ja meine Tochter-W
»Iawohl, herr Bürgermeister.«
Es llang fo turzathmig, und Nor
mann war plöhlich ganz blaß gewor
den.
Und der Bürgermeister fuhr fort.
als er den Eindruck bemerkte, den
feine Worte auf den andern ausgeübt
hatten: »Und Sie werden mir zu
geben, daß es von einem Mann ohne
sichere Stellung und von solcher Ab
kunft höchst leichtfertig ift, wenn er
einem jungen Mädchen den Kopf ver
treht.«
,.herr Bürgermeister!« Normann
fuhr auf. erregt, daß ihm die Adern
an der Stirn anfchwollen. »Ich glau
be. daß Sie die Sachlage ganz miß
verstehen. Erstens bin ich noch jung
genug, um mich emporzuarbeiten, und
dann glaube ich nicht, daß man mich
mit Recht für das verantwortlich ma
chen kann, was andere verschuldet
haben. Die Gefühle, die ich für Ihr
Fräulein Tochter hege, sind zu ern
ster Natur« um es zu ertragen, daß
man in dieser Weise von ihnen
fpricht.«
»So, das ertragen sie nicht« Der
Bürgermeister lächelte ironisch. »Ist
es Ihnen denn gar nicht in den Sinn
gekommen, daß man hier in der Stadt
unwillkürlich mit Mißtrauen dem
Ernst dieser Gefühle begegnet, zumal
wenn man den Unterschied zwischen
Ihrer und ihrer Stellung in Erwä
gung zieht? —- Ich brauche Ihnen
wohl nicht erst zu sagen, »daß meine
Tochter die beste Partie der Stadt
isi.«
Das traf so gewaltsam, daß der
Bürgermeister, der im Grunde seines
Herzens gutmüthig war, ganz er
schrocken innebieli. als er diesen gro- -
ken, starken Mann, an den Schreib
tisch gelehnt, in höchster Erregung
mit den Tbriinen kämpfen sah.
Kurz darauf sagte Normannt
»Sie haben natürlich Recht, Herr
Bürgermeister. Jch vergaß, das; die
Sünden der Väter an den Kindern
heimgesucht werden. Das war mein
Fehler. Wenn Sie aber alle die
Freude und all den Sonnenschein
ahnten, den sie in mein Leben brachte,
wie licht nnd leicht sie mir selbst das
machte, was für mich am schwersten
zu ertragen ist, ja dann — dann
glaube ich fast, daß Sie mich milder
beurtheilen würden."
»Mein lieber herr Normann.«
Der Bürgermeister sagte »lieber«, und
seine Stimme war mild geworden.
«Seien Sie mir nicht böse, daß ich
vorher etwas heftig wurde Es ist
aber doch nicht so wunderbar, daß
ein Mann in meiner Stellung auf
braust, wenn er plößlich erfährt, daß
er mitsammt seinem Hause der Ge
genstand des Gerede-Z der ganzen
Stadt ist. Und was Sie selbst anbe
trifft, so kenne ich Sie nur wenig.
Jch will aber gern glauben, daß Sie
ein guter, braver Mensch sind. Ja,
ich halte Sie fiir einen Ehrenmann.
Und deshalb bitte ich Sie, verlassen
Sie die Stadt so bald wie möglich,
und lassen Sie mich und die Meinen
in Frieden. Sie passen ja so wie so
nicht bierher."
Normann antwortete nicht. Er
ionnte nicht. Die Hand, die sich auf
die Ecke des Schreibtisches stiitztq
krümmte sich um das blante hols.
Der Biirgermeister erhob sich schnell,
indem er das Schweigen des anderen
alsAsnstirnmung auslegtr.
» lso adgeniacht —- herr Normann.
Leben Sie wohl nnd seien Sie. über
zeugt, dasz es mir chrecklich schwer
wurde, Sie zur Abreise zu bewegen.
Es ging aber nicht anders.«
Ganz mechanisch folgte Normann
seinem Gast an die Thtir. Dann
setzte er sich an den Schreibtisch, saß
dort lange und starrte mit großen,
thriinenleeren Augen in die Weite.
Nach Jahren traf ich Normann
oben in einer der ärmsten Gegenden
des Nordens. Er war dort Dorf
schullehrer. Jn der Einsamkeit wur
den wir bald Freunde, nnd eines Ta
ges erzähte er mir seine Geschichte.
tzt ist er todt.
ch erhielt von ihm einen Brief«
in dem eine etwas oerblaßte Photo
raphie lag. Es war das Bild eines
ringen Mädchens mit großen, blauen
Augen nnd dem schönsten Mund, den
ich it Stichen Its-be
Jn dein Brief schrieb er:
»Sie sandte mir das Bild vor net
ner Abreise. Seitdem bat es mich
nicht verlassen. Und i t will ich
nicht« daß es in fremde «nde kommt.
Behalten Sie ei, oder verbrennen Sie
ei, wenn Sie wollen. ch selbst ver
in nicht, es In vern « v
inten auf dem Bilde nden mit
L , von einer jugendl Frau-H
W
enhand geschriebene Buchstaben die
Worte:
Allmächtiger Gott! Sei gnädig
nnd verzeihe denen. die hart das Band
zerrissen haben. das fest zwei Men
schenherzen einst umschlang."
sæ
Das japanische Schwert.
Bei den Japanern spielte, in noch
viel höherem Grade als bei den Ger
manen, das Schwert eine große Rolle.
Es war die wichtigste und geschiiks
feste Waffe, und die japanischen Wa i
fenschmtede schufen Klingen von un
erreichter Güte. Besonders gute
Klingen bekamen ebenso wie in der
deutschen Vorzeit eigene Namen und
wurden vom Priester eingesegnet.
Nicht jeder Japaner durfte ein
Schwert tragen; während den Krie
gern, den Samurai, gestattet war,
zwei Schwerter zu tragen, durften die
niederen Kasten teins führen und nur
selten wurde einem Kaufmann eins
gestattet. Auch war ssriiher die Aus- ·
fuhr der oft sehr chön verzierten
Schwerter verboten. Als ein tai er
licher Domiinenverwalter 1676 ü r
fiihrt wurde, Schwerter aufgespeichert
zu haben, um sie nach Korea zu ex
portiren, wurde er getreuzign Fiir
das Tragen und den Gebrauch des
Schwertes gab es viele genaue Re
geln, die im wesentlichen auf den
deutschen Spruch heraustamen:
Ziebe mich nicht ohne Grund, und
stecke mich nicht ein ohne Ehre." Wer
sein Schwert bei Lebzeiten verlor,
wurde streng bestraft und ging seiner
Ehre verlustig. Das Schwert eines
anderen mußte man mit Achtung be
handeln, und es war genau vorge
schrieben. wie man zu verfahren habe,
wenn man das Schwert eines Freun
des betrachtete. Ohne Erlaubniß das
Schwert eines Fremden zu berühren,
ja nur an seine Scheide zu tasten,
war ein Verstofz gegen die gute Sitte,
die Klinge zu entblößen, eine schwere
Beleidigung.
cemütyliche Zureden-eifqu
Auf einem großen schwäbischen
Bahnhos beginnt eben der Zug sich
langsam in Bewegung zu se en, als
einige säumige Nachzügler gerbeieb
len, um den abgehenden Zu vielleicht
doch noch zu erreichen. Zlber das
energische: »Wegbleiben, Wegs-lei
ben!« des Schasfners, der mit diesem
Warnungörus nach strenger Vor
schrift handelt, veranlaßt die späten
Ankömmlinge, von ihrem Vorhaben
abzusiehen. Nur ein Mann mit
einem Stelzsuß, der sich in ehrlichem
Schweiße bereits bis an die Wagen
reihe herangearbeitet hat, scheint die
Mahnung des Schasiners überhört
zu haben. Mit erstaunlicher Ge
wandtheit turnt er aus das Tritt
breit des letzten Wagens und ver
schwindet schleunigst in dessen Inne
rem. Mit gewichtiger Amismiene
eilt der Schasfner allsogleich herbei
und halb drohend, halb belustigt,
macht er seinen Gefühlen in dem
Ausruf Lust: »Do guck oiner! Nei
g'hopst müesset d’ Leu’ no sei, ond
wenn se toine Züeß meh’ heuti«
Deutlich.
»Sagen Sie mal, der Zug geht·
nach Straßburg?« fragt am Schal
ter ein Passagier den Kassirer. Aus
dessen Bejahung wünscht er weiter
zu wissen, ob der Zugeinen direkten
Wagen mitsühre und wie lange snoch
Zeit bis zur Absahri sei. Nachdem
der geduldige Kassirer diese und noch
weitere Fragen beantwortet, fällt der
Blick des Reisenden aus die höheni
marke, und wißbegierig, wie er ist«
fragt er, was denn diese Zahl eigent
lich bedeute.
»Die hat lediglich den Zweck«. ent
gegnet der Kassirer. »daß, wenn die
Reisenden gar nichts mehr zu fra
gen wissen, sie doch noch fragen tön
nen, wozu diese da ist!«
Es schickt sich viehi.
Gras Valssn, ein Verwandter des
Grasen Albert Arponyi. hatte ein
mal, zur «eit, als er der Londonee
Botschaft getheilt wan- au; der
Galerie des englischen Unter auses
einer Sitzung beigewohni. Gegen
Schluß der Sitzung begann er sich zu
langweilen und ließ einen Arm iiber
die Brüstung hinabhängen. Da rich
tete der Präsident direit das Wort
an ihn: »Es schickt sich nicht, im eng
lischen Parlament den Arm von der
Galerie bei-abhängen zu lassen.«
Selbstverständlich zog Palssy sosort
seinen Arm zurück; a sprang plötz
lich ein irischer Abgeordneier au ihn
zu (die Jren waren damals au den
Präsidenten sehr böse) und schrie ihm
,-,-:: »Im lassen Sie erst recht den
Arm herabhängen!« »Das werde ich
nicht thun«, ent egnete der Gras. Jest
riefen ihm me rere Abgeordnete zu:
»Lassen Sie ihn nur herabhängenl
Wir werden Ihre Menschenrechte schü
ten!« Und da der Gras teine Lust
hatte, den herren zuliebe der Ge n
stand eines Standals zu wer n,
wollte er sich entsernen., Da spran
wieder ein trischer Abåeordneter auf
ihn los, ersaszte seinen rm und iel
ihn über die Brüstung hinab, in em
er mit einer Donnerstimrne ries:
»Lassen Sie ihn radhängent« Nur
mit roher Schw erigteit elang es
Pause-, sich aus der ungenegmen Si
tuation Fu befreien. - .