Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 27, 1907, Sweiter Theil., Image 6

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    dwvwwwwwwwwwchwwwwchwschww ·
Morgenröthe.
; Miit-et Ums ans der Gegkuvm—-Bsu E. Geskgy.
YOOOOOOOH
ödodweseeweee
(9. FortsekungJ
M wir in Sicherheit in das
rant, mein Gatte?«
»Seid-strebend meine Liebe, wir
wtsen uns den Appetit nicht stören
lagenk Der elegante Franzose
plsuderte weiter über die Gescheh
·nisse mit der graziösen Seelenrnhe,
als»od er von der neuesten Prerniere
MQ«. » . »
Jn Marja tampsten zwei Machte.
Die eine zog sie nach ihrer Wohnung·
wo sie Näheres über die Bot-stille
. vernehmen konnte, und die zweite
drängte sie, sich der Qual des Bei
»samtnenseing mit Doktor von Ray
jdells Geschwistern trotz allem auszu
skletm Ihre geheime Hoffnung war,
den dem noch immer geliebten Manne
j Endlich etwas zu hören. So lauschte
;jsie schweigend und fuhr mit in das
erkegnnte Restaurant.
? Dieses bot die gleiche luxuriös
Hsvtglpse Physiognomie wie stets. Ele
szsnntg schwatzende Menschen füllten
Ze- bis zum letzten Eckchen. Die
zÆste von Speisen, Blumen und
. ZParfittnz mischten sich friedlich. Der
xseit perlte in den Gläsern. Und
itnttr eine etwas allgemeinere und leis
- spätere Unterhaltnng verrieth, daß
its-irgend etwas Wichtiges sich abgespielt
« .:T:1ptte.—-Hier und da erzählten Au
sgenzeu lasut von den Vorgängen,
Kund die fremden Parteien an
S Nebentischen schwiegen und
nichten.
Der Geschäftsführer nahte sich rnit
» Z ern Gruße dem hier sehr bekann
' Listen Ware-ais und geleitete ihn in ein
- sTfast leeres Rebengemach wo für ihn
Tritt Tisch resetvirt war.
Z »Es müssen noch drei Couderts
T»";ieesgelegt werden, cher Heetor«, sagte
ie Marquise und setzte sich nieder,
;»- Fächer entsaltend· »Rittrnei
Äste-: Randell, seine Schwester und
TMger werden noch totnmen.«
Hi Wenige Minuten später erschienen
7«.ee merk-, und Gras Macke und seine
« enenhlin wurden dargestellt und
.mc dem Franossen mit der gan en
Zjdezaubernden Liebenswiirdigteit sei-«
Nation empfangen und an denj
: isch genöthigt — Die Kellner tru-z
i die bestellten Speisen aus. Man?
— zehtte sie Hand sprach natiirlich
Ich von den attuellen Tage-Zenta
innen wobei sich die Tat-sinnst
« ziemlich schweigend verhielt.
Nur Graf Macke bemerkte ihre net- ;
f öse Erregung und lonsiatirte inner-«
ch mit Bedauern die grausame Ver
nderung an dem einst so stolzen,;
chönen Mädchen Sie aß und trank
Ist nichts Die weichen Flügel der(
raden Nase bilritten unaufhörlich.
« Das Blut kam und ging auf den
then bläulich- weißen Schläfen.
.nd et der Eingeweihte, konnte ge
ide in seinem jetzigen Glück die
weilen dieser anscheinend vom
Schicksal so verwöhnten Millionätin
:chfiihlen. —- Er selbst erschrak über
:e kahle Bliisse Marias, über ibr
nsammenzucken, als plötzlich der
mne fiel, den er am liebsten heute
- cht gehört hätte.
Der MathiE halte den Ofiiziet
der die momentane Kriegslage be
agt und mit ihm über die Schlach
n vom Yalu und Liaojasng gespro
en. Friedrich von Rat-hell gab ihm
set verschiedene technische, neuge
suie Operationen i Ausschluß und
delte ungenitt, aber mit vorsichtig
set Stimme die ganze Leitun des
sEtiHn Krieges »Mein ruß-.
. Ist müßte hing-schickt werden«,
Isse er, »denn er ist der eins ge am
ist« der wirllich lolvssales takti
es Wiscn besitzt und die nöthigt
m e, mit der anzen lotrupten
Mschast dort a- zutäumen Jch
eihm diesen Wunsch täglich von
; sagen ab; jedoch mein hoher;
zu isiza stolz, um sich an den Za
F mit Bitten heranzudtängen, auch
ÆM um den Jniriguen Karo
- Mc nnd seiner hiesigen Elsas
gis- eventuell unterliegen zu müs
nen der Gedanke, nach
idem Großiiirsten uni
Hist Its täßlich Baron? Be nlen
tgrepsazgl und dEntbåläugj
M a e n von en a
ä- M die Warquise
» Imediåegl ketus fnife ßals
- ne zeicnaugeat,«;
deeGeftugte ernst, »und d4
- « dringend, mich dem Vater
nicht nat als Patadesiiick
» us stellen zu kennen,
— nisel Jm übrigen habe
M aus dem Kriegs-»
Käpk
IM, gnädigsle Marqnisel
sendet hat sich sofort
-i des Krieges den
M verlässt-g gestellt
It eines bei-«
Was-reife in!
sQOOOPOPPPGOPO
1 «Zum Berichten hat er wenig Zeit,
nur auf flüchtigen Karten theilt er
nach Hause mit, daß er lebe und von
seiner Tbätigteit befriedigt sei, Herr
Marquis. Unser Boris ist ein glit
hender Idealist, und ich tann mir
vorstellen, mit welcher Leidenschaft er
sich seinem Berufe widmet.« Bei
diesen Worten fiel dem Rittmeister
plötzlich die Anwesenheit Maria Ta
rasvtvs ein. Er erschrak und schaute
unwillkürlich zu ihr hin. Der röth
selhafte Ausdruck ihrer weitausge
schlagenen Augen, die brennend an
ihm hingen, benahm ihn eine Se
tunde. Auch fühlte er ein vorsichti
aes Anstoßen der Gräfin Marte, das
ihn warnen sollte. — Jedoch ener
gisch richtete er sich empor und fuhr
unbehindert, zu den Franzosen ar
mendet, fort: ,,3wei Eousinen von
uns sind als Diatoniisinnen unter
Boris tbiitig. Meine Mutter schickte
mir erst gestern einen ausführlichen
Bericht der einen zu. —- Sie schreibt
voller, Bewunderung von der toll
tühnen Todesverachtung meines
Bruders, von der unerfchiitierlichen
Ruhe. mit welcher er die schier über
mercschlichen Anstrengungen erträgt
und der milden Güte, mit der er
seine Franken behandelt, die ihn wie
einen Gott verehren!«
»Mein Himmel M mag Jbr
Herr Bruder dort fiir Eier-d und
Leiden sehen!« «ries die Marquise
schaudernd.
»Der Krieg bringt immer Furcht
bares mit sich. Gnädigste! Um wie
viel mehr, wenn er vierzebntausend
Werst von der heimatle entfernt, in
fremdem Lande, von dem nicht ein
mal richtige Karten existiren, in un
belanntem, schrecklichem Klima unter
aen erschwerendsten Umständen ge
fiihrt wird! Es mangelt an allem
sagen Sie einfach an allem! Wir
wollen bloß hoffen, daß wenigstens
die Instrumente, Arzeneien das Ver
bandzeug und all die Dinge in
Boris’ Hand kommen, die er hier
schon vor vielen Wochen bestellt hat.
Schon mehrmals haben ihm die
deutschen Lazarejte und einmal so
gar die Japaner selbst anshelfen
müssen, weil seine Bestände erschöpft
waren.«
Graf Mackes Gewand-Weit gelang
es, »das Gespräch endzich von Boris
von Rahdell ab und auf andere
Themen aus dem Kriegsleben und
der Gegemvart zu lenten. Das
Mitleid mit Maria, deren beherrsch
tes Beben er deutlich fiihlte, bewog
ihn dazu. Nach weiteren zehn Mi-»
unten mischte er sich selbst wieder in.
die Unterhaltung und bekannte sich
frei zu der liberalen Semstwobewe
gung und Swiatapolt Mirsb
»Ich bin schon- froh- daß Sie sich
nur den Semstwos anschließen,
Maria Sergejewna«, sagte Markt
»denn im geheimen hatte ich Sie zu
xviilen ifnrbäierdachk mässder Bieng
u.1on e zu yma tren. r
Freudenausbruch damals bei Fee
Ermordung Plehwes war mir denn
MADE-ZW- .
,.uno Sie wer-den inan evenso iu
beln sehen, wenn noch weitere Tit-l
rannen fallen!« erwiderte sie scharf.
»Wir haben leider deren eine großes
Menge. Und diese Reaktionäre sind
es, welche jeden Fortschritt hemmen,
denen wir unsere Niederlaan und
all unsere Schaden verdanken Sie
sind es, welche das Ohr des Zarenl
haben. Eine Revolution dagegen
wir-d mich immer zu ihren Anhängern
haben, denn sie ist eine Evointinn
zum Segen unseres Lande«
»Ehe Revolutian in Rußland,(
mein gnädiges Fräulein«, entgeg
nete Randell erst ironisch, »ist vor
allem einmal Anarchie. Denn wer
sollte sie machen, wenn nicht dass
ganze untultirirte, analphabetische
Balk, das sofort über Maß und
Ziel hinansschießen wird?«
»Was-den« Herr Rittrrieister«, stritt
Maria erröthend, »wir sind nicht wie
die Franzosen von 1789. Unsere Re
volution ist nicht nur -das Hunger
gebrüll ein-es ausgesogenen dritten
Standes. Bei uns schmachten seit
Urzeiten die edelsten Geister in Si
birien, in den Zeitungen Die Ju
gend, die Studentenschaft, die Jn
telligenz, welche in allen andern Län
dern den Patriptisnrus perkörpert,
ist bei uns die Führer-schnit. Da stes
aber allein niests ausrichten kann,
so wird sie das Proletariat leider
heranziehen müssen.« «
»Und sich selbst, die Arbeiter, uns,
das ganze Land zerfleischen Henens
Sie nur die Massen auf. Wiei
brüllende Stiere werden die Russens
alles vernichten und zuletzt ihre Be-!
freier zertrarnpeln!« , J
»Als Jüngerin Tolstois stehe ich-T
auf einem andern Standpunkt, Herrs
Rittmeistey auch als Nussin. die ihre»
unteren Volksgenossen tennt nnd
IRRL
»Patdan, meine wirtschaftean
unterer sie der Max-aufs etwas;
IMM- ich möchte IMU dsch SI-(
ein fest so oft sinnlos hänge-H
Mache-es Stichwort austreten dass
san M Wet. Sie wissen, alts
Frangä bis ich, zwar-tief Rasse-has
ke. M ich. kenne Land nnd
—
Leute genauJcheint es mir eine Be
leidigung u erer französis n Re
volution, wenn man die hie ge se
wegung mit ihr vergleicht. Bei unt
wurde der Umschwung glorreich durch
eine Elite von Geisteshelden irrati
giirirt. Sie brachten absolut Neues.
Großartiges. Wo ist das hier? Was
bringen Sie Neust· Was fordern
Sie Liir die Menschheit-i —-s Was ich
von em Pro rannn Ihrer revolutio
nären Organi ationen höre, gebt weit
iiber jede Vernunft hinaus nnd grenzt
an sozialistisch-atopistische Zukunfts
the»orien!« «
Mrikfa blickte den schlankem klei
nen Herrn von ihrer höhe herab sin
nend an. »Warten wir ei ab«,
sagte sie nur« »wir stehen ja erst am
Anfang und wissen nicht, wie weit
wir kommen Ader eins ist mir klar,
wir am Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts haben Kampfmittel,
von denen ein Rouiseau. Diderot oder
Mirabean nichts träumen tonnten!«
»Wo sind Jhre Führer, Mai-emai
selle Tarasow?« «
»Gut-r den Kulissen, Marquii.
wir kennen sie selbst nicht! Ahergie
werden da sein« wenn man sie brau t.
Fürst Trabetzloi, Dolgorutij, heis
oen, Petruntjewitsch, Struwe ———
ich tann sie nicht alle aufzöhlem die
da sind und da sein werden!" sagte
sie leidenschaftlich ;
»Ich dente darin ganz wie meint
Vater.« mischte sich die junge GriffitrT
Maske jetzt schüchtern ins Gespräch
und ergriff die hand ihres tten,
,er verurtheilt es so sehr, d ß die
Revolutionäre gerade die Nothlage
Russland-B so aiisnutzen wollen und
von dem Schaden des Vaterlands
Profit zu ziehen fuchen.«
«Bravo, mein Seelchen, meine
Freude, das ist, was ich dente!« be
stätigte der Graf zärtlich.
Auch die übrigen stimmten ihr zu.
Nur Maria blickte düster von einem
zum andern. «Der Krieg Japans
rnzt Rußland scheint mir ein frivoles
Nichts gegen den Kampf, den edle
silltiirihver fiir ihre Menschheitsrechte
s nnd ihre Jdeale führen! —- Aber et
)ist spät geworden, meine Herrschaf
Elen! Wollen Sie mich gütigst beur
lauben und sich durch mein Ausbre
»che»n nicht stören lassen-— Jch bitte
; Sie. Gras Marte, mich nach Haus zu
begleiten Jn einer halben Stunde
tonnen Eie wieder bei Ihrer Frau
-Gemahlin seini«
Maske sprang bereitwilligst ernvor.
Beide- verabschiedeten sich. Er beglei
tete sie nach der Garderobe, roo die
zahlreichen Diener ihr beim Antlei
den halfen. Dann holte ein Schwei
zer die Equipage Raydells herbei.
Der Graf half Mar·a hinein und
setzte sich zu ihr-—- sit teinern Wort
wurde Boris oder die Vergangenheit
beruhrt Das Mädchen erzählte,daßz
ihre Mutter mii der jüngeren Schwe
ster. in Nizza lebe. Jhr Bruder An
drei aber in New York fei, wo ersieh
nzit der Tochter eines Mulrimillim
nars zu verleihen im Begriff stände.
L
B.
Maria Sergeiervna saß an ihrem
Schreihtisch nnd deentsete einen Brief
an ihren Vater-.
Mitten im Zimmer stand der cle
dcckte Theetisch, auf oern weder hie
eingetochten Fröchte noch die Kon
fekte Und Kuchen fehlten. Die Zofe
hatte sie in Kristall- und Silherscha
Im zierlich geordnet, zweiVasen mit
Blumen dazuqestellt und nach dem
Samomr gesehen, in dem das Was
ser brodelte. —- Zögernd blickte sie auf
hie Herrin und ging endlich lsfschiit
telnd hinaus.
Kaum schloß sich die Thiir hinter
ihr, da liesz Maria den Federhalter
fallen. Sie sititzte das Haupt in die
Hände und starrte lange vor sich hin·
Dann seufzte sie tief auf, öffnete eine
Schuhlade und nahm eine Reihe Ku
verts hervor. Sorgiiiltig prüfend
hielt sie Die verschiedenen Briefe di t
an die elektrische Birne ihrer Schrei -«
tischlanrpe und nickte bejahend. Es
war keine Frage, all diese, meist qanz
harmlosen Schreiben waren geöffnet
nnd nicht einmal sorgfältig wieder
geschlossen worden. Es herrschte
ebensowenig ein Zweifel, daß ihr, wo
hin sie auch ging oder fuhr, ein Ge
heimpolizist nachfolgtr. Das, was sie
längst geahnt, war ihr seht Gen-iß
heit. Sie stand hier unter polizeili
cher Bewachung und trotz aller Be
ziehungen ihres Baterö. trotz ihres
Verkehrs in den ersten Kreisen der
Stadt, mußte sie noch vorsichtiger
sein als bisher.
Auf Wunsch ihrer politischen
Freunde hielt sie sieh selbst von den
gefährlichen ge essen ils-unmen
liinften fern. an ge ran is sie
weder siir die Anferti nng ge mer
Druckschriften noch ornhem Sie
larn sieh selbst so passiv nnd unthätig
wie nnr ni« lieh vor, weil sie die Ab
sicht der a rn, das rei , immer zu
Geldopsern bereite Mitg ied der Br
wegnng zu erhalten nnd darum nicht
zu expcniren, nicht durchs-harrte.
Maria ahnte nicht. was sie leistete,
indem sie einen nach dein andern aus
dringende Bitten in die Werte, Kan
tsre nnd Anstalten ihres Vaters em
schnmqgelte. Sie wußte nur nntlan
daß sie dadurch ein weitverztve les
Netz, das vom Norden nach Sii en,
von Osten nach Westen das enssische
Reich Muse-antun den Agitatoren
öffnete Aus den handean des
Sorgiuz Takt-M, mit seinen Kor
respondenzen ren, Ssii sen« und
Kleinbahnen wurden D schrr ten,
Waffen, Briese heimlich smitheför ri.
Die Tochter des-stoßen Messen-«
sto
tkd «
«
fühlte rntr undeutlich, das sie auch
ihn mit ihrem Thon mitgesiihrdete.
Sich selbst war sie u opfern bereit,
denn ihre anati che "rtnerei war
- bis zum euszer en entfochi. Und der
Brand wurde be "ndtg geschlirt durch
den Aufenthalt r Awdotja Kolsoss
»in ihrem -tese, die ein thiitiges, hin
gebendei «tglied der soziatrevolus
ttoniiren Organisation war.
Maria erhob sich und trat an das
Fenster. Sie liistete den Vorhan
aber ein Schneesturm draußen lie ss
sie nichts erkennen. Sie-blickte nach
der Uhr. Es war spät. Dus Studen
ten- und Arbeitermeeting aus der
Petersburger Seite. jenseits der
New-. konnte längst beendet sind
Awdotja zurück sein. Wo blieb sie?
Es war doch nichts passirti —
Seit den Tagen. wo das Militiir
auf den Boden Gapon und seine Ar
beiter-schauten geschossen hatte, lebte
sie in beständiger Nervosität. Schon
neulich hatte der Nagajtenhieb Eines
Kosaten Aswdoaja bei einer Studen
tendemonstration vor der Universität
die linte band verlegt. Was mochte
heute dorgb«allen sein Unruhig fchritt
sie aus un ab. »
Jhre Blicke glitten durch ihr Zim
mer. das wohlhabend und geschrnack
vock, warm und hell war; wenn auch
nicht so fürstlich wie die Gemächer
im Palais Tarasow. Die trauliche
Stille that ihren Nerven wohl, sie
sog sie ein. Pliihlich mußte sie, wie
täglich hundertmal am Tage. an Bo
ris von Rahdell denken. Wie mochte
sein Lazareth gerade jetzt aussehen?
Welche Operationen vollzog er ge
rade? Fror und hungerte er, während
seine Hznd andern hilse bringen
sollte. konnte sie sicher schneiden,mei
ßeln, verbinden, wenn Aechken und.
Stöhnen die Begleitrnusit abgaben?
Hier tnisterten die Scheite im»
Ofen, zischte surrend das Wasser!
Dort donnerten Kanonens treischten
die Verwundeten, tobten dieSchlach
ten! Port Arrhur war von den
Schlihangen genannten! Würden sie
auch Charbin nehmen und ihn in ja
panische Gefangenschaft absiidrenc
Und war dies nicht vielleicht Rettung
siir den so schrecklich Gesiihrdetenik——i
Das Mädchen stöhnte schwer. —- Sie
tell-si- sie—M:rja —die« ihn liebte,
hatte ihn hinauf-gejagt in Noth und
Gefahr. Verachten mit einer schmach
vollen Beleidigung geknickt war er
oon ihr gegangen-« Und sie fühlte es
heute: er hatte sie wahr, aufrichtig,
treu geliebt wie teiner je zuvor! Er
war besser als tie, deren leichtsinni
ges Leben er getheilt hatte. Sie liebte
stän, trotz allem, allem, heißer als je.
Sollte sie ihm schreiben. wie es ihr
Herz längst gebot? Sollte sie Sonne
in sein entietzlichrs Dasein dort in
der Fremde tragen?
sEs zog Maria nach ihrem Selte
rin schon wollte sie die Richtung
nehmen. Da llingelte es an der
Paradethür. Sie blieb stehen. »Ent
lich,« sagte sie halblaut, »das ist Aw
dotia!« Sie harrte.
Die Zofe tlorste und brachte auf;
silberner Platte ein Papier: »Ein(
Telegramm aus Moskau, Herrin.« s
«Gib beri« Maria streckte. obne zu
serschreckery die Hand aus. hr Vater
isandte ihr fast täglich Grüße oder
sBotschasten.·Ruhig riß sie das Papier
auf und las: «Bin morgen dort, er
warte mich nicht Bahn-bas, sondern
sels Uhr bei Contant (vornebmes Lo
ilal) Moitastraße. Großsürst Sergius
i heute bei ber Ausfabrt aus dem Kreml l
tvon ruchlosen Buben ermordet- Mos
Hau in Aufregung. Gott schiitze un
Isern Zaren. Viele Grüße von Vater.«
s Es war ein Jauchzen, das aus der
»Lesenden quoll, io daß Maiuscha sie.
Ineugierig betrachtete und sich räu
; sperre.
, Maria blickte auf, besann sich und
Hsjagte alsdann reberrscht, um ibre
Fkreude nicht zu verrathen: »Dente.
!Rind, man bat in Moskau den
iGroßsiirsten Sergius ermordet.«
T «heilige Jverstaja!« Das Mäd
Ichen schlug dreimal das Kreuz und
jbetete, den Kot-s senkend.
i Ein erneutes Klingeln schreckte sie
laus, so daß sie davonstiirzte. .
: Zwei Herren bauten, nachdem sie
irr-außen abgelegt hatten, in das
HZimmen Es waren Grasow, ein
junger Schriftsteller, der viel oon sich
reden machte, und Sureck, sein
Freund, ein Tcchtiologr. Nach flüch
’tiger Begriißung begann Grasoro
,iibereilig: »Ich tomnie soeben vom
Nitolai-Bahnbof. Die Arbeiter tan
zen dort mit den Kutschern und Ge
päckträgern, und zwei Gorodotooj
(Schusleute) sieben dabei nnd ver
zie n seine Miene. Wissen Sigian
pa sirt ist, Maria Seraesewnaf«
»Die Welt hat einen Tyrannen
weis er,« entgegnete sie und zeigte die
Depceschr. «mein Vater theilte ei mir
soeben mit.· .
«Ueberall oertausen sie Extra-Mit
ter, und ber Jubel bei den Gebilde
ten und dem Bolt zeigt sich unver
boblen. Wir kommen vorwärt«
»Noch regiert eine ein-Mutter
und Pobjedonoszem olange das
AnitschtowssPalaij noch steht, werden
wir nicht von dem Alpdruck erlöst,
der aus ———-«
»Staat« schweigen Sie, « meine
Ae steht noch im Korridor,« warnte
eja. »Die Wände hoben Ohren.
LIer wir Deutsch oder Franzis
s ..
u ch immer diese fremden
«Verslucht
Sprachle ich han« Denn e« .
»Es Ist sicherer! Darf Ihnen
Thee gekni« Die Fragende trat ne
ben den Somovar und bediente ra
giåsw und böuizlich schaltend hre
Veide hatten sich an dem Ti ch in
den weichen Polsterstiihlen nie rges
lassen.
»Ihr· im ist eine Oase in der
Wüste, tja Sergejeevna!«
»Das-en Sie schon das neueste
Zentralblatt und den lesten Ausruf
geleÆW
« in, noch nicht, haben Sie die
Sachen bei sich2«
»Ja, Sie können auch den »Vor
wärts« aus Berlin haben, wenn Sie
ihn wollen?««
«Gewiß. Soll ich die Zeitungen
wieder nach der Leitiire verbrennen?«
fragte sie nnd nahm die Druckschrisi
ten in Cmpsansn
»Nein, bitte, geben Sie alle Aw
dotja Wassiljewna. Sie soll sie nach
Kiew schicken, sie weiß Bescheid.«
»Ich wollte. Awdotja wäre erst
hier. Jch ängstige mich urn sie. Es
ist schon spät.'« «
»Wenn Sie sich immer sorgen wol
len, dann ist es besser, Sie lassen die
Kolsosfn wieder in eine Nummer
ziehznf schalt Grase-m »denn wir
san en doch erst nn. Und wer Nervzn
hat« dirs nicht mithalten! —- Uebri
gens, wenn ich unseren Gorki ariißen
soll, so sagen Sie es rnit. Jch dars
ihn mit dem Advvtaten zusammen
besuchen.«
-- —
.,Uirum oeneioe ich Sie, Oraiowr
iies Maria. »Wollen Sie ihm meine
unbegrenzte Verehrung ausspre en?
Minnen Sie ihm nicht ein Pf d
Kaviar und Wein mitnetunent Bitte,
bringen Sie es dein Aermsten, nnd
ibestechen Sie die Wächter. Was es«
kostet. zahle ich gern.«
Die betten speisten mit-gutem Ap
petit und tauchten dann Zigarretten.
Auch Maria steckte sich eine an. »Mein
Vater toinnit morgen.
Die beiden blickten sich taich an.
»Tai-usw hat geschättlich hier zu
thun? Mit seinen Kriegslieserungen
muß er genug zu schaffen haben.'·
»Ich weiß nichts Näheres.«
«Wird er längere Zeit hier blei
ben?«
»Ich sagte Jhnen dach, Surech ich
weiß es nach nichts«
«Hosfentlich entführt er Sie nicht
nach Moskau, Maria Segejewna?«
fragte der Student und strich seinen
schwarzen Vollbart.
»Das richtige wäre, ich ginge zu
ihin,« sagte die Tochter leise, »meine
Mutter und meine Geschwister sind·
auch nicht da. Er ist ganz allein."
.Doriiber Lassen Sie sich tein
graues Haar wachsen,« entgegnete
YGrasow spöttisch »Sergius Wasliljp
witsch sorgt siir sich —— und arbeitet
viel,« setzte er rasch hinzu, denn
Maria wurde roth, und ein zornig
ablehnender Ausdruck trat in ihr
stolzes Gesicht. die ahnte, daß die
geschäftizie Kiatschsucht wird-r nicht
mit Unrecht am Werte war.
»Die Nachrichten aus der Mand
·schurei werben immer trostloser. Die
Rassen weichen tapfer zurück, die
Zuchtlpsigsteit nimmt zu, meinte
Suceet ablehnend-. »wir erfahren das
hier ja gar nicht. Aber man muß
nur dies ausländischen Zeitungen
lesen! «
«Nitschewo! Was tiininiert das:
uns? ironisrrte der Schriftsteller.s
«Petersburg wird sich weiter anriisi-J
ren, sein gewohnteö deutsches Gast-z
spiel, seine Butterwoche und seinen
Verbamartt haben wie immert«
»Mir daß uns vielleicht der neue
Generalgouverneur Trepow mit Ka
nonen- und Peitschentnallen die
Musik liefert!« rief Sureck verbissen.
»Man ist mit Plehtoe fertig gewor
den. man wird einem Trepoiv bald
genug das Licht ausblasen. Wozu
haben wir eine Kampsorganisation
und ein Exetutivtomite?«
»Wir werben hoffentlich andere
Mittel und Wege finden, unt soiche
Tyrannen unschädlich zu machen,««
wandte Maria ein, »es gibt heutzu
tage unblutige Revolutionen!«
»Mutter Sergejewna, Sie sind aus
einmal sehr zahm geivordent Was
lesen Stet«
«Jch?« Sie lächelte und schüttelte
den Kons. »Nun, ich habe mich viel
mit Tolstoi, Sokowjenf und Truhen
-
——g
lot M . Aber glauben Sie
wirklich, da mich diese Männer lo
beeinflussen iiinneni«
»Zwe1felsohne! Wer könnte ihnen
widerstehen? Und nun gar Sie, ein
Weil-IF Grase-w erhob lieh und
Lchritt zu dem kleinen Stuysliigeh
en er langsam öffnete. »Sie las
sen sich am ersten von den herrlichen
dealen blendet-» welche erst in Er
iillung gehen werden, wenn Schla
ten undMorden vorbei sind!—A ,
Kinder!« tiefer seufzend nnd sente
sich nieder, schon verei elte Altorde
anschlagend, »ich habe enen drama
tischen Stoff in mir, detmir sast wie
ein Akpsdrnet auf der Seele lastet· Jch
darf weißes, reines Papier, Tinte
unsd Feder schon gar ni t mehr an
sehen, sonst niuki ich los chreibenf
,.So thun Sie es doch, Gran-w
vetgewaltigen Sie Jht Talent nicht!«
»Erft bat mich mein Land, dann
mein Talent zu beanspruchen, Durack
.(Ncirr,)« schalt der andere. »Das ist
ses ja, man dürfte fest aus Jahre
zhinaus nur Russe und ni ts als
jRnsse sein! Jeder selbstische nte
that aufzuhörem man ist nicht mehr
sSbteshn Truhen Vater, Bräutigam
! Hi ter. Man hat nur Kämpfer
zu sein, nichts weiter! Nichtst« Mit
beiden Händen griff ern och einmal
jii in seine langen Haare, strich sie
knervös glatt und begann dann aus
ådsg III-es sgk pikssstgssx·"-« ,
OUCIU Ulcljsk VII Oclkullslulls uoi
INur der brennende Samowar gliihte
gelblichroth durch das Dunkel. Dann
warfer sich aus den Diwan, ver
schränkte die Arme unter dem Kopf
und lauschte den bald leidenschaftli
chen Klagen, bald Jauchzendem über
miithigen Klängen, welche wundervoll
dem Instrument entquollen.
Magand an der Bahre der Auto
j ratie, rlörpert in Sergei oder Gra
sow an seinem ungeschriebenen Dra
ma,« sagte der Spieler in das Dunkel
hinein, seine Absichten erllärend.
Maria lehnte müde in ihrem Lehn
Pftuhl und starrte vor sich hin. halb
) horchtesie auf die Musik, halb auf die
Stimmen in sich. »Ich bin nach Gra
sfows Herzen.« erwog sie bitter, »ich
Hbin nur noch Ruttint Nicht mehr Toch
tter, Schwester oder Freundin, nicht
Braut oder sonst etwas; nur noch
Tochter meines Vaterlandesl Und
doch wohnt in mir eine Sehnsucht, die
über unsere Ziele weit, weit hinaus
geht! Und doch lann ich nicht aufhö
ren, mich nach dem Geliebten, nach ei
ner Mutter. die.mich veritiinde und
tröstet, zu bangen. -——’Wem lebe ich
zur Freude? Was thue ich selbst fiir
mein Volk, dem ich nur Geld spende,
elendeö Geld, anstatt seine Armuth
und seine Kämpfe zu theilen wie die
andern.«
Der Schriftsteller dersantrin sein "
Spiel am Flügel, die andern in ihre
durch seine Musik hin und her gelei
teten Gedanken und Geiiihlswegr.
Und um sie drei versanl auch die Aus
ßenwelt. — «
Darum fuhren sie jäh empor, als
plötzlich die Thiir ausgerissen wurde
und durch den Spalt ein breiter
Lichtstrahl eindrang. Awdotia Kol
sofs erschien in dem hellen Rahmen, —
und von ihr ging ein Windhauch vorr
eisiger, feuchter Kälte aus.
lFortietzung folgt-)
· Carrie Nation erklärt, leinen Mann
titsien zu wollen, der dem Tabalgenuß
huldigt. Weder ein« Raucher noch
Nichtraucher dürfte Verlangen dar
nach tragen. -
i i «
,,Was ist eine Entschuldigung, Wil
lie?« fragte die Lehrerin, und prompt
tam die Antwort: »Das ist so ein
Ding, don dem man deuten kann, was
man will.«
is« i i
«Smithz ziehen aus, nachdem sie ein
Jahr unsere Nachbarn waren.« —
«Mertwiirdig, ietzt wo man sie all
mählich näher kennen lernt!« —- »Das
wird wohl auch der Grund sein.k'
Rose-.
. · " K W«
» Tom-b .
»Was darf ich bring-us« " ,
»Don-te, später-«
den llqMein Heu-, unser Chef dringt darauf, daß die Gäste sofort etwas
e en.« «
«Schön, dann bringen Sie mir das Adreßbnchf