Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 27, 1907, Sweiter Theil., Image 12

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    ,.Yw93-s«..
Lotteisen- Jahre-rings
Madrigeschichte von M a r i e
P r ii ck er.
here Zeisel, der gesuchteste Tanz
meister von Neustadt, war mit der
ehren-vollen Ausgabe betraut worden,
die Kinder der Baronin Renard in
die Geheimnisse seiner Kunst einzu
Ehretn Und Junker Adalbert sowie
aronesse Thea überragten das hakbe
Dutzend der kleinen Freunde und
Freundin-um« die an diesem Unter
richt theilnahmen, so weit an Auffas
xiång an Behendigteit und Anmuth,
- Z die glückliche Mutter sich schnell
en chloß, einen Kinderball zu veran
stalten Am letzten Abend des Jah
res, zur Geburtstagsseier ihres Herz
blatts Adalbert, wollte sie sich diesen
Triumph bereiten.
Nun ereignete es sich gerade in der
Zeit der heißesten Vorbereitung fiir
den nahen Ball, daß Herr Zettel, der
seinen Schülern beim Unterricht auf
einer heitern Geige den Takt vorzu
kratzen pflegte, eines Morgens mit
verwundeter Hand und zerbrochenem
Geigenkasten aus der Schenie kam.
Und zur nächsten Tanzstunde erschien
er im Renard’-schen Hause in Beglei
tung eines etwa zehnjährigen Mäd
chens, das er der Frau Baronin als
seine Tochter Lottchen vorstellte. Lott
chen tnickstte dreimal nach allen Re
geln der Kunst und glitt lautlos wie
ein Schatten ans Klavier, wo sie ohne
Weiteres in die Tasten griff und die
Musik der Quadrille zu spielen be
gann, deren Einiisbun fiir die kleinen
Tänzer an erster Ste e aus dem Pro
gramm stand. Aber niemand tanzte.
Die Bin-der jubelten, lachten und
tlatschten in die Hände Und die
Frau Baron-im die den kleinen Ein
dtingling eben noch mit strengen
Blicken gemessen hatte, schien wie aus
Seköst vor Entzücken Lottchen aber
saß ruhig inmitten dieser aufgereaken
qudlswogen und spielte unbeirrt
weiter. Nur ihre großen, dunklen
Augen schauten verwundert in die ihr
neue Welt.
G- Ovid-tot Giov- 'I-I07.'0 III
allmählich von ihrem Staunen und
begannen wieder aus Herrn Zeisels
Kommandowori zu hören. Nur Adal
bert stand unbeweglich neben der klei
nen Musikantin und verschlang sie mit
bewundernden Blicken. Er weigerte
sich, die Quadrille zutanzen, bis ihm
die Mutter Versprochen hatte, baß
Lottchen wiederkommen würde — zu
jeder Tanzstunde und auch zum Ball.
Erst als das ausgemacht und mit
» Handschlag besiegelt war, wandte sich
das Innterlein wieder seiner verlasse
nen Partnerin zu.
In einem verblaßten Sommertleid
chen erschien Herrn Zeiseks Tochter
auf dem Shlvesterball. Und sie tanzte
so hinreißensd lieblich, daß die Frau
Baronin sich eingermaßen enttäuscht
fühlte. Aber das Geburtstagstind
strahlte.
»Wenn ich groß bin, heirathe ich
Dich,« sagte der kleine Ritter zu Lott
ehen, als er sie zur Quadrille führte.
—«Ist es Dir recht? Sag’ doch-was!
—Yees Dir recht?«
,, nn Du nicht betrunken nach
Hause kommst und die Kinder nicht
prügelst, dann schon,« versetzte sie
nach einigem Zögern.
Auch mit der zurückhaltenden Thea
lernte Lottchen sich befreunden. Miß
Brown, die Erzieherin, hatte gefun
den, daß Thea’s tlabierseindlicheä
Zerf- durch Lottchens musikalischen
riumph einigermaßen bekehrt wor
den war. Die kleine Baroneiie ließ
allmählich sogar den Wunsch durch
schimmern, all die munteren Tanz
ftiicklein nachzuspielen, die Lottchen so
.; bezaubernd vorzutragen oerstand.Da
« IT; wurde denn der unwiderstehliche Ein
s drin-gling, der sich auch als wohlerw
; neuer und erfindungsreicher Spiel
H TII Harima-d erwies, ein gern gesehener
»F- Sast im Renard’schen Hause. Die
· ji grundschaft mit Tbea hatte ihren
»«- «·hepuntt zwar bald überschritten;
- kl immer-hin ehrte sie so erwähne-Haß
ZAdakbert, so oft er in den nächsten
i Ehren als schmucker Kadett aus
«- achtsserien kam, aus nahelie
Gründen um seinen Silvester
« I bat. Und die Mutter konnte
ihrem Liebling nichts versagen.
OF war aber, als schlösse jeder die
srtsälle um Lottcheris sehn-sucht9volle
Seele einen neuen Ring, innerhalb
dessen sie dann wieder ein ganzes
Jahr lang lebte und webte und sich
emporzuheksn suchte zu Adalbertc
wirke höhe. Da starb ihr Vater.
M« tt
» begraben war, klopfte ei an
sc ·r der Frau Baronim
» Mir-UT hWenes Weib
s trat sie
wegen der Lotte,« sagte
’ el mit trocener Stimme
dem Mich —- ,Dss Kind
spat lerne-, und kann nur-va
, scheitern und isten Damit
· man ME«
Vatmän te eben ihren die
saj spielen. Dagegen verstand sie sich
sehr wohl darauf. diesunansehnlich ge
wordenen Kleider von Miß Brown zu
wenden und aufzufrischein
Solam ej, dasv der feine here Ka
dett ein paar Monate später sein heiß
bewundertes Lottchen als Aschenbrödel
wiederfand. Diesmal war's Thea, die
um den Shlvefierball bat, und Lott
chen bediente die Gäste. Aber am
Neujahrsmotgem als die Damen noch
schliefen, ging Adalbert tros Schnee
und Eis im Garten spazieren, und
lauerte auf Lottchen. Und da sie sich
nicht lüssen lassen wollte, fragte er,
was sie gegen ihn hätte. —- Sie sei
nicht fein genug für ihn, antwortete sie
mit erstickter Stimme.
Er aber rief beinahe drohend:
»Meine Königin bist du, mit einer
leuchtenden Krone geschmückt! Sie
tönnen’s dir nicht nehmen — um
sonst! Blödere Augen müssen ja Gold
sehen. Also —- Gold! Du hast es.« —
Und er erzählte, demnächst würde er
vom alten General eine Million er
ben. Diese Million schenke er ihr
schon jetzt. Und mündig geworden.
würde er sein schwerreiches Lottchen
heirathen.
Da begann Lottchens Herz zu
schmelzm so daß sie weinte und sich
küssen ließ. Aber Frau Zeisel ver
fiand keinen Spaß. Mit einem Reisig
hesen siel sie über das Pärchen het.
Und eh die Baronin am Neujahrs
morgen aufwachte, war Junker Adol
bert wieder abgeteilt
Dann kamen graue Tage und graue
Wochen; es kam der Frühling mit
wilden Stürmen und bangen Glu
then. Der sengende Sommer kam, der
die Reichen und Vornehmen, wie all
jährlich, wieder der Stadt entführte.
Und Lottchen saß am hellen Fenster
ihrer lustigen Kammer und nähte und
spann sich im Dunkel ein. Aber dicht
gegenüber, im Nachbarhof, saß Bäckers
xFriiz auf dem Holifioß, den er für
sseinen Vater aufgeschichtet hatte, und
»versuchte zu lernen. Denn nächstens
iwollte er Postgehilse werden. Und
ågliicklicherweise zog Lottchen, von der
ler die Augen nicht abwenden konnte,
Hden Vorhang zu, und suchte sich einen
sanderen Plan.
I Bis zum Jahresschluß ließ sich
manches vergessen; aber Rutbenftreiche,
»die sich wie glühend-s Eisen in di
Seele gebrannt haben?—— Nein, die
nicht — die niemals wieder!
Junker Adalbert tam zum ersten
Male als Leutnant nach Haufe. Aber
Lottchen sah ihn nie allein. Mit
scheuen, verfchmachtenden Blicken
ftreiften sie einander vorüber.
Und wieder einmal kam der Herr
Leutnsant——da war’s ein lauter, lu
stiger Kavalier. Sie trafen einander,
als Lottchen den Ballfaal zum Syl
vesterabend mit Blumen schmückte.
Und sie wurden beide blaß. Aber
dann lachte der herr Leutnant und
rief: »Wie gebt’s, schönes Lottchen?«
— Er bemühte sich, ihren Blick zu er
tragen, und fuhr tapfer fort: »Jmmer
fleißig, wie ich fehet Sie fallen ganz
wundervoll schneidern, hab’ ich mir fa
gen lassen. An ihrer Stelle würde
ich zwar fiir die Nabel etwas weniger
schwärmen. Uebrigens, Meter-ten
abrichten« ift auch nicht berühmt.« Zu
letzt hatte er stockend gesprochen, und
auf einmal umfing er sie mit eiser
nen Armen und küßte sie mit Gewalt.
Da trat Thea ein —- rofenwangig
und goldhaarig und stolz. — .Diefe
stillofen Aermtl an meinem Ballkleid
machen mich lrant«, sagte fie. »Lan
chen, Sie müssen schnell etwas anderes
erfinden und flugs an die Arbeit ge
hen. Jn meinem Zimmer, wenn ich
bitten darf, damit ich alles überwachen
tann.« «
So fügte es fich, daß Lattchen den
ganzen Tag gefangen saß. Adale
aber lief umher wie ein Kreisel. Als
die Tapfpflanzen zum Schmuck des
Stiegenhaufes gebracht wurden. legte
er selbst mit Band an, um feiner inne
ren Unraft Herr zu werden. G war
umsonst: über die Lüge kam er nicht
hinaus.
Im allerleßten Augenblick, als die
ersten Gäste schon verfuhren waren
sdie still-allen Uermel fertig geworden.
Ali Lottchen nun mit fchlaffen hän
den- die Blicken forträumte und das
Näbzeug etnpackte, begannen tm Ball
faal schon die-Geigen zu iuchsen nnd
Lzu fchinchzem
s «Wieder ein Jahr,' murmelie Lott
chen·. Und sie lauschte mit durstigen
Ohren. Ach, wie war das schön! Die
Musik —- das Alleinsein — dies Auf
athmen in der stillen Winternacht —
der schimmernde Schnee dort draußen
—- und —- Sierne! —- O, die zahllo
fen Sterne! Ja, es war schön. —- Nur
gut, daß man sie vergessen hatte! Sie
war ja so müde! —- Oder sollte sie ihre
Mutter in der Garderobe ablöseni
Besser frei sein! Wenn sie ganz leise
fortging, ganz leise die Treppe hinab
—- dann war sie frei Als sie auf den
Korridor hinauiirat, wogte ihr die
süße Musik wie ein fchmsenderSiram
entgegen. Ali ob die fchmeichelnden
Tisne sich an ihr herz dendrängten und
klebten: Durchdrichden Zauberkreis
W — bleib, o Meiss« Aber sie ballie
die Rade and siieg die helles-leuchtete
Treppe hinab-Amicias Palmen und
Von J. tkoism
O neues Jahr, iei uns» willkommen
« ! Und richi dich hausiich bei uns eint
Mit Freude sei ft du auf nomine-i,
--; Doch woll michdesten WdBIesein
« Vor allem wün.chen wir en den,
- Was jeder anläb als ein lück:
Daß du, o neues Jahr, den rieden
Der Welt bringst näo er fe it zu
ru .
Sonst ist die Zahl der Gegenstände,
Die wir uns wünschen, nicht zu
Wir wissen s daßgt in jedes Hände
. Nicht kommen kann das große Lom
Doch zeig’ dich auch mit deinen·
n
Nicht gar zu knapp, wir bitten iebrt
Gib das uns, was wir nöthig
haben,
L neues Jahr, und etwas mehrl
Du findest ziemlich kahl die Erde,
Auch sind der Vöglein vicl’ ent
ils-tin,
Doch daß es wieder anders werde,
Dafür gesorgt ist reichlich schon
Drum braucht s bei dir nicht großer
"- Thatem
L neues Jahr. die thun nicht notb
Sieh nur nachher wohl nach den
Saaten,
Wenn wieder reift das neue Brod
M ITÆ
Mt mög«ft du weiße Flocken
tte teuem
Zo viel du willst, Zif Wald und
c -
Die Sonne weiß chon u erneuen
Zur rechten Zeit die al Welt.
Laß unsermegen Stürme tosen,
Das ftört uns nicht in unsrer Ruh,
Nur sei, wenn wiefder blühn die
pen,
Ein gutes Rosenjahr auch dul
rn Kreise froher kluger: Aether
Begrüßi man dich, o neues Jahr-,
Und bringt dir hoffnungsvoll den
r
Gefüllt mit etwas Guierm dar
Darauf das Glasbiäoll n wir erhe
L neues Jahr, daß einst der Bein,
Den uns dein Herbst bringt von
den Reden, «
Ein guter Jahrgang möge fein.
Kaum ist ein neues Jahr auf Erden
Erschienen schon auch finden an
Sich Kindlein. oie geboren werden,
Nachdem das neue Jahr begann.
L neues Jahr. darauf auch klingen
Soll hell und fröhlich unser Glas:
Was du an Menschen kommst zu
bringen,
Ein guter Jahrgang werd« auch
dasl
—
WE—
Lorbeergeftriiuch und Myrthen. Das
Herz fchlug ihr zum Betst-ringen —
.,Geh’ ich? Kann iclfs wirklich? Jhm
aus dem Wege?« — Arn lebten Trep
penabsatz glühte etwas wie blutrothe
Blüthenfterne aus dem dunklen Laub.
Und sie näherte sich halb unfchliifsig,
die seltsamen Blumen zu besehen. Da
trat ihr Fuß auf etwas Weiches. Und
wie sie sich danach blickte, war's eine
Brieftasche. —- Wer die verloren hatte?
Man mußte sehen. Aber nicht hier.
Nur fort —- aleich fort! Sein Lachen
hatte fo häßlich gellungen heute Mor
gen.
Kalt umfing fie der Nachtwind So
mass gut! Jhr Herz dehnte lich —
dehnte sich —ja, sie war frei.
Je t konnte sie ruhen. —- Sie hatte
ihr Zimmerlein betreten, zündete
Licht an und deckte das Bett ab.
Aber das-im Rockfack —fteckte noch
die Brieftasche. Und Lottchen öffnete
fie.
Ein paar Photographien lagen da
rin; dann ein dnstendes Billett von
einer, die sich «siiße Colomäinck
nannte, an einen »angedeteten Selt
Dalli« gerichtet. Endlich ein langer
Brief von einer «treuen Mam« an
ihren ,Herzenssvhn« geschrieben Und
der Sohn-wer war eri Die Buch
ftaben begannen vor Lottchens Augen
zu tanzen: — »Du darfst diesmal
nicht wegbleibenl Ewira macht die
weite Reise ja einzig und allein um
Deinetwillen. Jn Jnterlaten haft Du
Dich über ihre kleinen Schönheitsfeh
ler doch gern himmggefeßtl Warum
plö lich diese Sinnesänderungi Du
wei t doch felbfi, daß Du eine reiche
Frau brauchst. Die kleine Erbschaft
die Dir Dein Onkel hinterlassen hat,
war ein Tropfen auf heißem Stein«
Jch fel hin am Ende meiner Kräfte
und ha Deine Schwester bereits
verkürzt. Glitellicherweise ift fie ver
niinftig gen Merkeri Werbung
endlich anzune men. Arn Shlvefters
abend publiziren wir die Verlobung
Zåleichzeitig eine Gelegenheit für
i « —
Lottchen las nicht weiter. Sie
kannte Herrn Merterz sie wußte auch,
auf wen der kleine Rahab seine Glos
augen geworfen hatte. Nun kannte
sie auch n »angebeteten Seit-Dialli'.
Der vornehme Jüngling« dem nach
zuwachfen sie sich gemiiht hatte, war
das nicht. Der hatte einzig und al
lein in ihrer Sehnsucht gelebt. Denn
Bornehrnheit braucht tein Gold —-—sie
braucht nur Kraft und Selbstbeheres
fchung und ein hohes iel. nun-ill
tiirlich dachte Lottchen an Bäckerd
rit, der sich fv tapfer feinen Weg
harte-an den braven Sohn, der
so oft in dienftfreien Stunden dem
alten Vater bei der Ausübung feines
keiklsverlichen Handverts zu hilfe
am.
.- - -
DIE Coc! — MS Mc Ilc ICIIT
Mutter? Hatte sie nur jemals daran
gedacht, was für ein stolzes, weiches
Herz sich unter Mutteri dürftigem
Meid nach Kindesliebe sehnte?!
Aber nun wollte sie gehen und die
arme Frau abliisen und zu Bett
schicken Ruhig konnte sie jetzt hin
über. Das Hang dort drüben hatte
keine Macht mehr über die befreite
Seele.
Am Eingang stieß Lottchen mit
Adalbert Nummern Bestiirzt wich er
zurück, wie ertappi auf verbotenen
Wegen. —- »Loitchen —- ich« —ftam
melte er mit schwerer Zunge —»ich
habe nämlich ein schauderhasteä Pech.
Lottchen.« —
JSie haben etwas verloren, Herr
Baron. Und hier istJhkeBrieftafche-"
Er atimeie schwer; er dantte nicht.
Und sie schenkte ihm keinen Blick.
L t i
Wächter füßg stieg sie hinauf zu ihrer
Al Lotteisen ern Reujahrömorgen
ihr mmerlein betrat hörte sie —
ioie oft vor —- das Klappern
« v iskuchenb im Nachbar hof.
Dieser-at nete sie ihr-Fenster, m
da
schätzhw sit kis TMW
neu bsntisem list Jst-« sJaigte M
« s
W
fhinauä —- »Gsliickliches neues Jahr!"
riessie mit jubelnder Stimme. Eheer
sich von feinem Staunen erholen
konnte, hatte sie dasFenster wieder ge
schlossen. Aber dann, als sie eben
einschlafen wollte, hörte sie ihn singen.
Der SylvesiersFrack
sHurnoreste von Paul A. Kirch
l stellt
Alfred Steinfels schwamm in einem
Meer von Wonne! Jn einem Meer
so unendlich tief und lockend, daß er
des Landes ganz vergaß und sich in
die unendlichen Fluthen versenlte und
frisch und fröhlich in ihnen pantschtel
Vor wenig Wochen hatte er auf
einem Ball die einzige Tochter des
verwittweten Fahrikbesiderg Mengers
tennen gelernt, und bei beiden, bei
Vater und Tochter, gleich freudiges
Entgegentomnren gesunden.
Er tonnnte sich ehrlich und ohne
Uebertreibun sagen, daß er um
mindesten beiden gefallen hatte. ar
er allein oder in schwelgender Selig
teit... so fand er auch, daß er Ein-«
druck gemacht hatte. Dabei war ihm
aber der Vater lange nicht so wichtig
wie Eggi. die liebe, junge Wichtig
die mit hellen Augen lachend hinaus
in die Welt blickte, und ihm so warm,
so herztich immer die hand drückte.
Mit heller Freude ma te er daher
auch von den häufigen -inladungen
Gebrauch. Kam mit itterndem Her
zen und ging... Sehnsucht in der
BUM
Wohl konnte er sich sagen, daß
seine Werhung nicht ungern ange
nommen werden würde Er sah es
ans vielen Meinigteiten. Aus der
Vertraulichleit, die sich nach turzern
Verkehr entwickelte, aus der Theil
nahme, die man fiir seintengelegeip
heiten hatte, aus dem teräse siir
seine eigene Familie. Seh ießli tte
rnnn ihn sogar zu der stillen ils
nachtsseier, an der sonst nur die näch
ssten Verwandten theilnahmen, hing-n
gezogen.
Auch tleine Geschenke fand er für
sich vor, und einen großen bunten
Teller — wie jeder andere. Und als
er a seinem ein Weibchen, auf Eg
is en Männchen aus Psessertuchen
fah, da schien ihm das wie ein stilles
Versprechen des Seht-Holz daß sie
beide auch in Wirklichkeit ein Paar
werden sollten. «
Sein hetz war ohnehin so voll, daß
ei ihm Last Ubert-M und als vom
Var-non m her die zarten, beienden
Klänge töntew nnd sie mit klarer in
niger Stimme dazu sang, da war et
schon, als müßte er nun leich, wie
er ging und stand. vor all n andern
sagen, weis-stille Masche er site B
seyn-X fiir « setnerei M in
Noch dreimal war er seitdem da
eipesen k- der geeignete Moment
and sich nicht! Jmmer kam etivazdas
Ein Glück, da «nter Weile-erachten
noch Sylveste, « Noch e n Fest,
an dein di s ; «ller Lin-d als
ftMsts Us·ch s« dem ie Men
schen freier « miteinander
verkehren, « - tltagö gleich
gestelltem ·- -·
Sie hatten - lich wie-der ein
geladen. Unt- in erwartungsvollers
Freude batte er so schnell als möglich;
seineGefchäfte erledigt und war nach«
Heu-se gelaufen, um nur ja piinttlichs
und so nett als möglich zu erscheinen. ?
Ast-er das Unglück schreitet schnell;
und heimlich! i
Jn allem Tritt-el, in aller Erwar
tung hatte er natürlich immer wieder
vergessen, was ein ordentlicher
Staats-ärger eigentlich nie — nie
mals durfte: er hatte feine Steuern
nicht bezahlt! Und wegen des jährli-·
chen Ulrich-lasset hatte der Steuerbote
feinen Jrnck gevfänbett
Seinen Frost Das wichtigste Mii
lseltt Das einzige, woran er die Fin
gers-sind die Siegelm nicht hätte
thun Ursein
W
Wie ein gereizter Löwe tlingelte er
nach feiner Wirihin.
»Frau Lehmann. um Gottes-willen
was ift denn dasi Er zeigte auf
den weißen Adler in blauem Felde.
Frau Lehmann lächeiir. Wirst-in
nen lächeln immer, wenn ihrem-chara
bregarnisten etwas Unangenehmec
pafsirL
»Ach Joit, herr Steinfels, das hat
der Extutor gemacht, wejen die Steu
ern. Dei is ja nich fchlimrn.«
»Nicht schlimm, nicht schlimm! Jch
muß doch heute auf den Ball!«
Frau Lehmann lächelte noch im
mer, aber Rath wußte sie nichts Was
machte er nun?
Er mußte unbedingt den Beamten
ansfindig machen.
Auf dem Bureau war er natürlich
nicht me r, auch kein anderer, bei dem
er das td deponiren konnte. Er
fuhr nach der Privatwohnung — auch
dort traf er ihn nicht.
Er versuchte sich einen Frack zu lei
hen. Seine gleichschultriaen Bekann
ten brauchten ihn allesekbft Aus den
Geschäften waren die passenden fort
—- er gerieth in helle Verzweiflung.
Aber Rath mußte er schaffen, Rath
um jeden Preis!
Endlich verfiel er auf die Idee,
einen befreundeten Anwalt aufzufa
chen. Der mußte doch einen Ausweg
wissen! Das war doch schließlich sein
Beruf!
Zu Haufe fand er ihn auch. Erfaß
wie gewöhnlich in feinem Sprechzirni
mer und wartete, ob nicht doch «en«d
lich mal Einer wieder in feinen Laden
täme.'«
Aber es dauerte tange, bis er den
nöthi en Ernst fiir die heiite Situa
tion Fand.
»An Dir ist nichts zu verdienen,
Mensch,« sagte er auf Steinfets’Bor
haltungen, »alfo lege ich die Amts
kniene in der Garderoibe ab!«
»Mir doch mal erft zut«
»Das will ich, aber mach’s, bitte,
kurz! Jch sitze wartend und schwei
gend hier schon lange Zeit genug.'«
Steinfels.fchiiitete also fein schwer
bedrängtes herz aus, doch der Rechts
anwalt Gotilieb Schwinger konnte
sich beim besten Willen nicht in die
schwierige Lage versetzen -
Er lachte nur immer wieder, bis
ihm die Thriinen kamen.
»Kann ich denn gar nichts ma
chen?'«
«:nee-— any ne Sohnes
»Es muß doch ein Mittel geben!'«
«Giel:t’s nicht«
»Das ist doch unerhört!"
«Qb’s ist! Sogar noch gar nicht
dagewesen!«
»Na, wenn ich das Siegel nun für
heute abnehme!«
.Mensch — —- das ift ia Pfand
bruchl Das wird mit Gefängniß bis
zu drei Jahren bestrast2«
Er holte zur Bekräftigung seiner
Worte das Strafgesetzbuch und die
verschiedenen Commentare herbei.
Steinfels wurde es grün und gelb
vor Augen.
»Dann muß ich ihn also so an
ziehen. ..« sagte er end-lich seufzend.
« t denn das Siegel außen?«
« ein. Gott sei Dank. innen. So
gar aus dem Rücken.«
»Aber Alfred —- dann re st Du
Dich aus?! Das ist doch sasi Fo. als
ob Du unter Staatsaufsicht stehst.
Also feste, zieh ihn an, und mach’ Dir
keine Sor en!'«
Alsresd teinssels machte steh doch
Sorgen. So unheimlich war ihm sel
ten gewesen, so zaghat war et noch
nie in das schwarze sttsewand ge
schläpst, so ruhig hatte er sich lange
nicht bewegt. ·
Und alles aus Furcht! Denn wenn
ihm dort, bei seiner Eggi, passsrren
würde, daß-—·dasz.,. Er wagte den
Gedanfn nicht auszudeuten und war
schon odtungliicklich.
Wie ein Rachttoandler s lich er
zwischen den sehr lustigenGiiten um
her. wie eine Drahtpnnpe bewegte e:
sich. Gin er durch eine Thür, that
er es mit fo großer Vorsicht, als wäre
sie von Glas. Die Furcht, dass er
it end-no anstoßen oder gar sieh
s nern könnte, daß das runde, ge
ziert-te Ding sich lockern könnte, hin
rttåsghn an Wiens-X M « ne
er en in —- e r
vor; den Yes Zum heute metapn
ihtn steundlchastsäeh und zärtlich aus
den Mitten
,.Yta, lieber Steinfels, wie geht’s«
amiisnen Sie sitt-W
Er mußte immer erst den ersten
Schrecken nieder-kämpfen ehe er ant
wotten konnte. Dann aber, ais welt
gewandtee Mann lächelte et freund
lich und in Illbetanniek Liebenswiies
di eii antwortete er: »Ob« ausge
ze net. Ein keizendes Festt«
Und Jeder zwinkerte dann mit den
Augen und sagte gehennnißvolt:
«Ja... Sie sind ein Tenfelsterl!«
Und bnms s— hat er wieder einen
Schlag auf den Rücken.
»Sie Glückspilz, Sie!«
Da schubbsten sie ihn noch von der
Seite, daß sich Frack unsd Weste unbe
dingt scheuetn mußten.
Er wunderte sich darüber, doch daß
der Rechtsanwalt die Anderen alle.
ohne Nennung des Grundes, ange
stifiet hatte, darauf kam er nicht.
Von Weitem sah et ihn je t aufsich
zukommen. Er zog ihn ich unigst in
eine Ecke
usgsotthilf —--- ich bin so ungliets
Manu, Korb bekommen?«
» »Ich —neaeh' doch keinen Unsinn!
jJni Gesenthetit Sie sind Alle so tie
benseväedig, als — als wäre s on
wer weiß was vorgegangen. JnaF et
lichieit klopfen sie mir Alle a den
Riicken.«
»Das ist doch sehr nett.«
» «Abet gerade aus die Stelle, wo
! das Ding mitg
f Wahrhaftige« Gotthiis tacht-wie
lder, als wäre das der größte Wis.
Und dann, so recht als Gemüll-s
3 mensch, saht er fort: »Na, nun kommt
Ha das Tanzen! Mensch. dawirddie s«
; Sache sengerigl Da klettern die Da
Imen mit ihren singerchen immer so
sxden Buckel rau und rnnter -—-·
;Mensch... das wird ein Hauptspaßt
; Und er lachte wieder.
i Steinsels stimmte nicht ein-aber
entziehen konnte er sich dem Tanze
auch nicht. .
Schon als die ersten slotten Töne
erklangen, mußte er hinein. Natürlich
Eggä, seine Tischdame, als erste Tän
zerin! —
Sie blickte ihnr verwundert nach,
als er sie zu ihrem Plane gefährt
hatte. Das war der alte Steinfels
nicht, der sich sonst so leicht und gra
ziös im Kreise schwang. Das war
ja heute-wirklich ein schlechter Tänzer.
Und wahrhaftig, er tanzte heute
fast gar nicht weiter. Nur eigentlich
das, was so echte, rechte Pslichttänze
waren. —
Jhk siel es sonderbar aus, nnd
ganz ehrlich —es verstimmte sie au .
Zwei, dreimal holte er sie noch, nn
es war immer dasselbe. Aengstlich
und ungeschickt drehte er isi . und
worttarg und steif sasz er ter ne
ben ihr. Hätte sie nicht in seinen
Augen das freundliche Glänze-i e
«sehen, aus seinem Munde nicht ie
stillen, werdenden Worte gehört —
Fe .hötte, wer weiß, was denken mits
en.
Schließlich hielt sie es aber doch
nicht mehr aus« sie mußte ihn fragen.
Jm Borsaal traf sie ihn allein und
ziemlich verstört. Eine gar zu freund
liche Hand hatte ihm eben den Rücken
gestreichelt. Gestreichelt?! Geriebem
als wollte sie ihn massiren, gewalti«
als wäre er ein Kuchenteigl Er stand
—e33setzt!
J
-..- «
»Mein won, Verr isten-sein was
ist Ihnen denn?«
Er brachte wieder das liebenswür
dige Gesicht.
«Gnädiges Fräulein, nichts, wirt
lich nichisl Etwas Abspannung —
weiter nichts!«
»Herr Steinfels, das stimmt doch
nicht. Das hat Sie doch sonst nicht
beeinflußt!«
»Ich versichere wirklich —-—-—«
Sie schüttelte den Kopf: »Ich
glatt-be es nicht recht."
»Na. »a, auch etwas Aufregung.«
»Verfassung«-i Jst das wirklich die
Wahrheit?«
R ihrem Ton lag so viel Theil
na e und herzlichteit.
Könnte-i Sie rnit? nicht anver
trauen? Ich denke doch, ein bischen
hätte ich's schon verdient!«
Und da fing er ganz langsam und
auf Umwegen, von sich and ihr und
ihrem Vater, von der freundlichen
Aufnahme stets, von einer Einsam
tett und feinen M then an und
ihm-glänzten zwei Thriinen in den
Augen, und sie wandte dasWchen
ab, und wurde roth, und wieder blaß.
Still winlten sie dann den Vater
zu sich heran. . .
«Kinder wirklich-? Und noch im
alten schritt Nein — nein... das
ist zuviell —- Und wenn das Neue
nun kommt, dann-dann»».«
Er hatte nicht Zeit, mehr ans
sprechen, die Zeiger standen zehn IT
nuten zu Zwölf.
Schnell mußten die Gläser nach
gefiillt werden« nnd unter dem Tan
nean, der zum lehten Mal in lei
nem Lichterschein erglänzie, versam
melte er feine Gäste, nnd tiefbe ten
herzenö ·elt er ihnen eine keine
Rede. U als die Mitternachtssi
stunde, die Wende zum neuen Jahr
erklang, da konnte er ihnen allen die
frohe, freudige Botschaft verkünden
Und ein selten lautes Winken be
gleitete die Kandel
Von allen Seiten drängten sie
heran, nnd ein Schütteln und Umar
men begann ein Schütteln und Unt
arnten, das nicht nur- dle Bande
frommer Scheu gelöst. —
« einlo- und niedlich lag reinlich
mit en unter ihnen das ontinilfebsue
Siegel. Auch dies hatten die Umar
rnungen gelöst.
Der ane Mengers vemertee es zu
erst. »Mein Gott, was ist denn dag?"
Er wollte es als Scherz betrachten,
doch Steinfels in seiner Verwirriheit
bemerkte es wicht.
Ganz verwirrt und fassnngölos
ließ er die Arme mlen.
»Meine Steuerm« sagte er tonlos.
»Aber, warum wol-en Sie sie denn
nicht bezahli?"
» hal« vergessen. Ich dachte an
so vie es anderes, was schöner war,
und da...« Er zuckte die Achseln
und fah hinüber zu seiner schönen
Braut.
Ein lautes, herzliches Lachen der
Umfiehenden folgte seiner Aal-worl,
dann aber blickte sto? der Rechts-An
walt nieder und h das Siegel auf.
«Großarti ! Ein vorn Staat be
siegeliee Bun- ! Wenn das niinliick
bringt-—- Alfred, Du hast doch mehr
Glas Zikt Tie·«o2 P ssi
« r nja r t —-—-«
ein freundchceftlichee Klapi des
Rechtsanmlli und das Siegel
ist-EIN gws und breit qui Stein-fett
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