Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 06, 1907, Sweiter Theil., Image 6

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z -« Morgenröthe.
; WM m der Gegenwart-But E. Gunst-.
Nisus-sum a
kZaaaaaaaaaeaa
. (S FortfetungJ
»Mit ist das gesellige Treiben
Werk Wieder goß Boris von Ray- «
Iell ein Glas Champagner herunter-. ,
» »So finden Sie die Diners bei dem l
alten Wucherer Schetatiewöly unter- ,
«Iaktender?«
« Der Gesragte strich mit der Hand I
Ober seine Stirn und zuckte mit der
Schultern, ohne eine Antwort zu ge- E
beu«Warum, die kleine Schnatiewstal
is eine pitante Canaille, das sehe ich s
nicht eint« l
»Na, erlaubt mal, mit solchem Pack
Ier sich doch ein Baron Raydell, der ;
let uns als Freund verkehrt, nichts
ebelassen!« rief Tarassow gleichzeitig. i
·Uebrigens meine Mutter klagte mir, .
has Sie lange nicht bei uns waren, «
woran liegt dass-«
I« »Ich hatte die Absicht, mir morgen
M Vergnügen zu machen, Andrei
Bergiewitschk war die Antwort des;
Itzteg. F
«Menschenkind, wer wie Sie das E
Miit! hat. daß die Augen des schön
kn Mädchens Moskaus mit Wohl
gefallen aus ihm ruhen, der wird
, Ehe der Sprecher seinen Sag vol
Inden konnte, hob der Gastgeber die
Hasel aus. Wie von Heinzelmänw
hen bedient, so rollten die Tische aus
sein Saale. Liköre und Zigarren,
Ist-retten wurden gereicht. Die Her
en warfen sich in die Diwane an den
Rinden oder in die Schautelstiihlr.
» »Wi- bleibt denn das Ballett?«
eerschte Andrei den Oberkellner an.
»Nun ja doch, man sehnt sich nach
Irazie und Beinchenwirbel nach dem
vigen Getasele!« schrie Boris von
: Weil gewaltsam lachend. Er reckte
Eine hiinenbafte Gestalt und hob in
networtetem Kraftausbruch einen
Stuhl in die Höhe. aus dem ein jun
er Ofsizier halb eingeschlafen war.
Ein allgemeines Gejohle lohnte die
-Ii Streich. Man umringte den Arzt,
er seine Last mühelos durch den
Saal getragen hatte und jetzt nieder
eß. Man prüfte seine Muskeln und
agte ihn, welche Sports er getrie
n.
Diesen Augenblick, in dem gerade
e Zigeuner einen feurigen Marsch
is dem neuesten Ballettdivertissement
istinmten und draußen Tripveln
td Lachen das Herannahen der Bal
knsen anliindigte, benutzte Maria
ergejewna —- Sie gab Michailow,
e sie nicht aus den Augen ließ, ein
ichen und schritt ruhig zur Thür
cauffällig folgte er ihr nach.
Zehn Minuten später fuhren beide
eder durch die Nacht. Beide schwie
rund gingen ihren Gedanken nach.
i dem Bahniibergang waren die
rrrieren geschlossen. Ein langer
iterzug rollte mit russischer Behag
iteit, mehr kriechend als fahrend,
Mr. Als er entschwunden, öffne
sich die versperrenden, halb ver
elten Ballen. — Von der Stadt
- waren zwei Troiten in ihrem
Oren aufgehalten worden. Jetzt ka
n- sie an Maria vorüber, und im
tge erkannte sie Bekannte, die auch
LPerlowsche Fest verlassen, um im
äwslyparl noch eine Nachfeier zu
Von Begierde taumeln sie zum Ge
s, von Fest zu Fest, o wie ekel
t!« fagte sie rauh. Der Ton ent
ich ihren inneren Gefühlen.
Das ift es!« gab der Mann neben
F »Da werten Tausende in ei
acht vergeudet; aber der Arbeiter
U, und der Bauer verhungert in
ums und Elend.«
Rad das find die wohlerzogenen
jne der besten Familien, Michais
t« fsgte das Mädchen. »Sein
er ift ein edler. frommer Land
:h, nnd mein Vater ift die verlör
e. seheitswutb, die sich an ewig
I Schöpfungen nicht genugthun
«;:» .-.----«---«..»W·» . . -—.«-.. . -
Bat wollen Sie. auch mein Ba
iI der fleißige brave Bürger, der
heute noch prügeln würde, wenn
Inte, daß ich für eine neue Zu
z- fir ein besseres Rußland ar
III vollen Sie damit feing
f Mein nnds bläcktå Mast ön
ere a e ra
Hof-hieb Hutte Wgrl gufebteä
W nnd flogen über ihnen
Ze- derben Sie meine Untwort,«
Häher andere. «dc trächzt das Un
Idee die einenwverdfrgafenübze
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M II Msrbest oder Vbtegmm
W Ue ei hören, suchend
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Sie einen, das es
II seth tsnn nnd
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wird; aber sie opfern sich freudig als -
Märtyrer der besseren Zukunft,« sagte
er stark und athmete tief.
«Kann die aber nicht ohne Blutdu
gieszen kommen? Die Kultur schreitet
doch unaufhörlich vorwärts?« sagte sie
hang.
« hut sie dass« gegenfragte er höh
nisch. »Wer in Rußland nicht! heute
Abend, eben vor einer oder zwei Stun
den hat man mit dafür Beweise gege
ben.«
»Und worin bestehen dieses«
»Ja meiner Vaterstadt tagte ein
Pädagogentag. Da hat man das Ge
bäude umzingelt und die Mitglieder,
welche fin eine Neueintheilung des
Unterrichts, fiir eine andere Art der
Religionshelehrung sprachen, heraus
geholt und peitschen lassen. Meine
Lehrer sind gepeitscht worden, Maria
Sergeiewna, unser Direktor ist auf
dem Wege nach Archangelsl, wohin
man ihn administrativ verschiclt. Der
Mathematilprofefsor, ein Deutscher,
hat sich nach der Peitscherei erschaffen,
weil seine Ehre diese Strafe nicht
til-erleben wollte! —- Das Gymnasium
ist auf vier Wochen geschlossen. Kein
Ghmnasiast darf nach sechs Uhr
Abends das haus verlassen. Kon
zert- und Theaterbesuche erfordern
vorherige Bewilliaung des Polizeiwi
stawsl Und so könnte ich Ihnen noch
mehr berichten ——" Seine Stimme
brach. Maria hörte das Knirschen
seiner im Grimm auseinanderschlagen
den Zähne.
Und wieder trat ihr eigenes Schick
sal in den Hintergrund, und ihr lei
denschaftliches herz wallte auf in
wildern Schmerz. Aber die bösen
Freuden meines Bruders und seiner
Kumpane duldet die Polizei. Ein
Yar und Strelna läßt sie nicht um
zingelnt —- Ach, und der Mann, wel
cher sprach und fühlte wie Sie, Mi
chailow, ihn fand ich mitten unter ih
nen!« Das Mädchen schlug die hände
vor das frostftarrende Antliy
Beide sprachen nichts mehr. Wie
der hielt der Schlitten endlich vor dem
Eingang der Seitengasse. Die Pforte
stand noch offen. Das Palais lag im
Dunkeln, auch in den Dienerzimmern
des Souterrains war es finster ge
worden. Nur vorn in der Balle saßen
der Schweizer und zwei Zofen schla
fend, die heimlehr der Herrschaft er
wartend
Marja sprang ab. »Das-en Sie
Dant,« sagte sie und reichte ihm die
hand, »und diese Kleidungsstiicke lasse
ich morgen Anuta Alexejew zugehen.
Sie tönnen sie vielleicht wieder ver
wert.hen. Gute Nacht! Dant, Michai
low.«
Zögernd hielt er ihre Hand fesi."
«Ueberlegen Sie, was Sie thun,
Sergejewna," sagte er langsam, »noch
haben Sie keinen Grund, zu verdam
men. Tödten Sie nicht selbst das,
was Sie glücklich machen könnte. Be
denken Sie, daß Jhr Einfluß bes
sern —- ——-«
»Schlaer Sie wohl, Michailow,
mein Entschluß ift gefaßt!« Sie zog
ihre Hand fort, eilte vorsichtig durch
Garten und Haus in ihre Zimmer
und zog die Vertleidung ab, sie selbst
in den Schrank hergend. Dann warf
sie ihr Peignor über, feste sich in ei
nen Stuhl und läutete.
Jhre Blicke glitten durch das Ge
mach. Nichts tonnte auffallen, ihre
Balltoilette, ihr kostbarer Schmuck,
der Fächer, Mantel und handschuhe,
alles lag noch so flüchtig hingeworfen,
wie sie es in der Eile gelassen. Sie
sah, daß keine zweite Person ihr An
tleidezimmer betreten hatte. —- Erst
auf ihr wiederholtes Klingeln stürzte
nicht nur ihre Zofe verschlafen herein,
sondern die ihrer Mutter und der
Schweizer folgten ihr mit ausgerisse
nen Augen.
Die drei fiarrten sie wie ein Ge
spenst an.
Maria erhob sich und blickte sie kalt
an. »Ihr seid alle pflichtmrgefsene,
gewissenlose Menschen« sagte sie
streng, «toerth,kdasz man Euch fort
jagil Während Jhr zechtet und tob
tet, hin ich nach hause gekommen, weil
ich mich trank fühlte. Keiner hat mich
kommen hören oder mir geholfen! —
Diebe hätten die Billa ausrauben tön
nenl —- Mprgen werde ich mit meinem
Vater deswegen sprechen! —- Jhr ehtl
—- Und Du, Masche-, bringst mi ins
Bett. Du wirst Frau von Jagow und
Fräulein haßling melden, daß ich
fruher heimtam. weil ich Migrline
hatte. Morgen werde ich ihnen mehr
erzähle-P
Meile-h hettilrst waren die beiden
andern weggelchlichen Wortloz. aber
zitternd und ohne eine Entschuldigung
nW.dslfihtdie3»f-beidm
Vorbereitungen zur Nacht.
Ali Maria endlich im Bett lag nnd
um sie Dunkel und Ruhe war, da ver
schnitntte sie die Arme fest unter der
M- As die Lippen aufeinander nnd
W die rielelnden Ihrs-sen nicht
mehr. Ein fassungslosen enttäuschter
Schmerz wuchs in ihr und brach sich
endlich Bahn, nun, da er keine Zeugen
mehr zu fürchten lpttr.
9.
»Bersiehst Du Maria, Kindi«
»Ja, Tantchen, ich tann ei ihr nach
fiihlen. Jhr Stolz leidet unter dieil
sem ganz merkwürdigen Verhalten!«
erwiderte Margot haßling und
schlürfte den heißen Ther. »Aber ver
stehen Sie Randellik
,,Leider nein! Er macht sie-zum
Gespött der Stadtt«
»Das wäre ja gleich, aber zuerst
liest man ihm die Liebe vom Gesicht,
aus jedem Wort, weicht er nicht von
ihrer Seite, und ietzt läßt er sich nicht
mehr erblicken!!«
Frau von Jagow seufzte und strich
ihre weißen Scheitel- »Wer weiß,
wozu eö gut ist. Kind, so fehr gut mir
der Doktor gefiel, zuletzt, als Andreis
immer wieder von ihm fo häßlichef
Dinge berichtete, da wurde mir dochi
angst und bange! Da hatte ich Angst,
ihm ein ernstes. reines Mädchen anzu
oertrauen.«
»Es ist schade, wenn unsere arme
gute Maria wieder nicht zum Ziel
kommt. denn diesmal ist ihr ganzes
herz dabei hetheiligt. Sie war so
glücklich, fo heiter geworden, bevor der
Wandel kam. Ach, und die Eltern
wollen durchaus, daß ich endlich heim
kehre, nun werde ich wohl Marias
Verlobung nicht mehr hier abwarten
können. Possen Sie auf, Tantchen,
im nächsten Brief bestimmt Papa ein
fach den Abreisetermin. Es war ge
nug, daß sie mich iiber Weihnachten
hier ließen.'·
.Jch gestehe Dir, Margotchen, daß
ich auch Marias Berheirathung er
hoffe," meinte die alte Dame und
hüllte sich noch fester in ihr riesiges
Orenburger Tuch, »meine Kinder und
katel ersehnen meine Heimtehr. Mit
meinen Ersparnissen tann ich mich jeht
schon in dem Damenstift eintausen
und mit den Zuschüssen meiner Söhne
ganz behaglich leben. Aber das Kind
hier allein im hause lassen, bei dieser
Mutter, mit der sie so schlecht steht,
das bringe ich nicht fertigt«
»Das dürfen Sie auch nicht, Tant
chen, gerade jehi nicht, wo Maria so
schweres Herzweh durchmacht. Sie
hätte ia dann gar teine treue Seele
mehr in dem Riesenlande.«
»Ja. ja, ich werde es schon aushal
ten müssen!«
»Margoi blickte auf die Uhr, welche
gerade schlug. »Wo nur Maria bleibti
Jch habe sie nach ihrer Flucht von
Perlows noch gar nicht gesehen. Sie
hätte uns auch ruhig adieu sagen tön
nen, als sie sich wegen Migräne fort
stahL oder wenigstens guten Mor
gen.«
»Sie fuhr nach den Werten, als
wir noch schliefen. heute inspizirt sie
wieder ihre Anstalten. Das sagte sie
ans doch schon gestern!«
»Wollen wir ein bischen vierhändig
spielen. Tantchen, um die Zeit bis
zum Lunch todtzuschlagen?« fragte
Margot und öffnete den prachtvollen
SteinwayfliigeL der Maria allein ge
hörte und in ihrem Salon stand.
»Gewiß, gern! Die Ouoertiireni«
Während die Damen in ihren war
men, eleganten Gemächern musizirten,
stampfte Maria Tarasow in fuß
freiem, schwarzem Tuchtleide, in ei
nem einfachen dunklen Pelz mit hohen
Galoschen angethan, iiber die gigantis
schen Höfe, welche die Werte ihres Ba
ters mit den Fabritarbeiter-Kasirnen
verbanden. Diese Anlage war eine
Stadt fiir sich, ein Staat im Staate.
Und sein Kaiser befehligte nur hier
allein eine Armee oon weit iiber fünf
taufend Menschen. Ihn umgab ein
Stab von Kontorperfonah eine große
Schaar von Oberingenieuren, Inge
nieuren und Werkmeistern, die seine
genialen Pläne in die Wirklichkeit
H
-
i
übertrugen und zur Ausführung
brachten. Kleinbahnen rollten tiber
Gekeife und stellten die Verbindung
zwischen den einzelnen Gebäudetoms
olexen und der Staatsbahn her. Ein
Wagenpart von hunderten von La
mavois auf Rädern oder Schlittentu
sen (Laftwagen) war außerdem vor
handen und neben den Nemisen zogen
sich feste Stallungen hin, hinter denen
lRiesentopveln fiir den Aufenthalt der
Pferde und Ochsen lagen.
I Die meisten Arbeiter wohnten in
den Vororten Moskaus oder auf na
hen Dörsern aber viele Hunderte wa
ren mit ihren Familien in die groß
artigen Arheiterhiiuser gezogen, welche
Tarasow nach und nach erbaut hatte.
Für sie hatten die Tarasowschen Da
men eine Kirche und ein Podenhaus
gestiftet. Hauptsiichlich durch Maria
waren im Laufe der Zeit neue Wohl
fahrtseinrichtungen hinzugekommen.
Eine heizbare, feste Krankenbaracke
mit stattlicher Apotheke, eine Klein
kindertrivpe, eine Schule, eine Bade
anstalt und eine große Kantine stotte
ten schon sehr. Reuerdings erbaute
man ein massives Invalidenhaus für
Arbeiter-, die in den Betrieben verun- I
gliicki waren.
Der alte Tarasow ließ seine Toch
ter zufrieden gewähren und setzte ini
echt russischer Ueppigteit auch ihren
theuersten Wünschen nie ein Nein oder s
auch nur eine Einschränkung entgegen
Auf ihre Bitte ließ er von zwei dazu
geeigneten Persönlichkeiten neuerdings
eine Pensionskasse und eine neue Ar
beiterversicherung ausarbeiten. »Was
willst Du, Täubchen?« sagte er zu
seiner Gattin, die ihm iiber seine
Nachgiebigteit der Tochter gegenüber
zürnte. »Marjas Sport tommt in ge
wisser Weise meinen Geschäften zu
gute und kostet immer noch nicht halb
so viel wie Andreis Sport!«
»Ich möchte wissen. womit Maria
Dir nützen tiinnte?« gegenfragte sie
ironisch.
»Seht einfach, die Arbeiter vergin
tern sie und machen sie zuweilen zum
Sprecher ihrer Wünsche. Dadurch
brauche ich teine fremden Mittelsper
sonen und fessele die Leute an mich.«
Als ob das nöthig wiireS Als ob
es Dir je an Arbeitern fehlen würdet«
«Sag das nicht, meine Freude!«
entgegnete Tarasow, seinen langen
Bart streichend. »Die Zeiten sind
nicht mehr die alten. Es ist ein an
derer Geist in die Leute gefahren. Sie
werden von fremden Auswieglern auf
gehetzt und fangen an zu merken. daß
wir im Grunde viel mehr von ihnen,
als sie von uns abhängen· Jch bin
nicht mehr das verehrte «Viiterchen«,
der «herr«, sondern nichts weiter als
ihre Kaise, die sie respettiren.«
»So schmeiß die aufsässige Bande
hinaus! Jag die Lumpen fort! Wir
finden in unserm Rußiand genügend
bescheidenen Ersatz!«
«Al1es nicht so einfach« liebe Taube:
vom Palais Tarasow oder Deiner
Eauipage aus kannst Du Rußland
nicht mehr beut-theilen Komm eine
Woche täglich auf die Werte und
beobachte. Bei Deinem Scharsblirt
wirst Du dann genug sehen, um bes
ser urtheilen zu tönnent« sagte er
lachend und klopfte-seine schöne Frau
aus die Wangen, trotzdem sie vor sei
nem Ansinnen zuriietschauderte. Fro
dora Karlowna war sein Jdol, das
er mit Schmuck behängte. Nach der
ftiirmischen, etwas setbsiherrlichen
Bergötterung. die er in den ersten
zehn Ehejahren mit ihr getrieben, war
er ruhiger geworden. Seine Schöpf
ungen und sein Klub beherrschten ihn
mehr. Er ließ die Gattin nach ihrem
Wohlgefallen leben, behandelte sie wei
ter mit ttihler Zärtlichkeit, beschenkte
sie nach wie vor und iibersah und
überhsrte vieles, weil ihm das eben
bequemer war. Tarosow war phleg
matisch geworden.
Maria schritt im« ernsten Gespräch
seist-Eh
Wirth: »Bist-sen sitzt der gefür chiete Kritktet Beizer2«
stellt-m «Ja.«
Wirle »Dein gebenÄ Sie das mi fetahelste Essen; der follsticht umsonst
schimpft-U
neben der Popensratn Sie gingen«
noch in die Kritik-n um dort nach dem
Rechten zu sehen. Weder die Wege.
noch die rauhe Kälte konnten heute die
Blässe von ihren Wangen vertreiben.
Jhre Augen lagen tief und waren
dunkel umriindet, und selbst in ihrer
sonsi so kühlen, ltaren Stimme lag
heute ein müder-, schlafser Untertom
Während sie von wichtigen Angelegen
heiten sprachen, schweiften ihre Blicke
in weite Fernen und ihr Gesichtsauti
druck oerrieth, daß ihre Gedanken auch
nicht bei der Sache waren.
Die Popenfrau betrachtete sie er
staunt von der Seite und fragte sich
nach den Ursachen ihrer Zerstreutheit
und ihres iibien Aus-sehens. Auch bis
hierheraus war die Nachricht von
Marias bevorstehender Verlobung mit
dem wunderschönen deutschen Arzte,
der sie einigemal begleitet hatte, ge
drungen. Aber die erfahrene, ältere
Frau sagte sich richtig, daß so keine
lgliitkliche Braut ausschaue Dennoch
iwagte sie teine persönliche Frage, son
zdern fuhr in ihrem Bericht sort:
T »Nein, Maria Sergejewna, das ist
falsch man muß auch solchen Dingen
auf den Grund gehen! Mein Mann
denkt wie ich. Die Leute haben es
bei uns wie im himmei und werden
gut bezahlt und gut behandelt· Und
dennoch wächst ihre Frechheit, ihre
Unzusriedenheit, ohne daß sie, wenn
man sie einzeln befragt, die Ursachen
angeben können. Andere haben es
noch bessert« —- ,.Andere sagen es«,
oder »der Barin (Herr) tann mehr ge
ben, er ist reich genug,« sind die alber
nen Antworten, wenn man sie befragt.
Und wenn wir sie auf Ihrr Anstalten
aufmerksam machen, dann heißt es:
»Das tommt uns zu. dafür brauchen
wir nicht zu danken! Das ist Jhre
Pflichtv
,,Liebe Alexandra Jwanowna, die
Leute haben recht. Jch habe es nie
um der Dankbarkeit willen gethan,
sondern aus Pflichtgefühl. Es ge
schieht noch zu wenig!«
«Ach, Papperlapapp," schalt die
Frau, »sangen Sie nur auch noch so
an« Die hönde sollte man Ihnen
unterlegen, so wäre es richtig! —
Aber mein Gotte will mit dem herrn
sprechen. Wir müssen ein Paar tüch
tige Geheimpolizisten vertleidetin die
Fabrik bekommen und heraustriegem
wer unsere Leute aufhth und wer seit
einigen Wochen die rothen Aufrufe
und die Broschüren vertheilt, die zum
Streit aufreizen.«
Maria fühlte ein plötzliches Schuld
bewußtsein, eine gewisse Verlegenheit.
Sie gedachte der auf ihren Wunsch an
gestellten neuen Beamten, des Arztes
Awdjew und des Lehrers Kouzin.
Von beiden wußte sie, daß sie Revolu
tionäre waren. Sollten diese die
Flugschristen verbreiten? Sollten sie
ihres Vaters Brot essen und dennoch
gegen ihn heheni Sie beschloß, bald
ernstlich mit ihnen zu sprechen. »Las
sen Sie das lieber sein« Alexandra
Jwanowna,« sagte sie laut nach eini
gem Zögern, «ich selbst werde mit Va
ter sprechen. Wir beide hassen das
Spitzelwesen und wollen teine Geheim
polizei aus den Werten! —- haben die
Leute berechtigte Wünsche, so muß
Vater ihnen Gehör geben. Sind ihre
Forderungen unberechtigt, so wird er
sie davon überzeugenst
»Herr Tarasow —- diez Viehzeug·
Aber —-«
-- s-- - I ·- m
»Pl)kcll VII sus: vesusk weulxu
streng. »Als Frau eine-s Geistlichen
ziemt es Jhnen nicht« derart von Ih
ren Mitmenschen zu reden. Und ich
will es nicht hören! Sie sollten das
wissens«
Die Frau schwieg getränkt. So
schritten sie bis zu der Baracke, in der
die Krippe untergebracht war. Zwei
Pslegerinnen versahen die Kinder, de
ren Mütter mit I der Fabrik arbeite
ten. Die Söuglinge schliesen in sau
beren Bettchen. Die größeren saßen
an niedrigen, weiß gescheiter-ten Ti
schn und spielten artig. Jn der klei
nen Küche kochte eine alte Arbeiters
srau die Milch und einen GriesbreL
Maria kostete beides, probirte das Ge
biich dann prüfte sie die Wäschevors
räthe und verglich sie mit ihren selbst
etngerichteten Listen. Alles war in
bester Ordnung!
Zufrieden streichelte sie die Kleinen,
welche sie furchtlos umringten, drückte
den Warterinnen die hände und nahm
auch von der Popensrau Abschied,
weil diese noch hie zu thun hatte
Dann eilte sie hast g über die weiten
höse nach dem hauptgebiiude, wo ih
res Vaters Prioattontor war. J- Die
Mittagjglocke hatte geläutet und mit
ihrem geltenden Klang alle Räume
;durchdrungen. Die Motore stoppten.
Die Riesenräder und Riesenmaschinen
standen still. Nur aus den Hochssem
die ständig im Betrieb waren und wo
schtchttoeise gearbeitet wurde, tauchte
es weiter in schwarzen Wolken.
Im Augenblick waren die Pläde
von den herausstriimenden Menschen
matsen überfällt Von draußen ta
rnen Weiber und Kinder in Kattuns
rbden und Schafpelzen, ost an Stelle
der Schuhe nur Lappen und Bastge
slechte tragend. Sie brachten den
Männern Essen, die nicht in die Kan- s
tinen gingen oder hier wohnten. Ge- s
schret und Gestank erfüllte die Lust.j
Die meisten eilten an der Tochter ihres «
Brotgebexs vorbei, ohne sie zu sehen
oder auch ohne sie zu beachten. Aber]
"oiele betriißten sie ehrfurchtsvoll Uns
manche ttißten demiithig ihren Rock
saunn
Maria blickte aus diese Tausende.
Und ein bitteres Gefühl, aus Weh
muth und Abscheu gemischt, stieg in
ihr aus« »Mein-ag- hatte vie Pape-is
srau gesagt. Das war schlecht! Aber
sie selbsi und sprich die zusammen
dies Treiben beobachtet, waren sich ei
nig gewesen« daß diese schmuhigem
schlecht gewa chenen Horden mit ihnen
theils stump nnigen, theils dumm
schlauen Gesichtern, die meist nicht ein
mal lesen und schreiben konnten, ein
schweres und schlechtes Material siir
Bottsbegliicker abgehen würden. Wie
viel Generationen muszten erst anders
gebildet werden, ehe man eine Volls
mass erzog, welche der deutschen, fran
zösischen oder englischen gleichlam.
War es nicht gesiihrlich, diese schon
aus ihrem Schlafe zu erweckens
Essig m Naht-km Seine Gestqu «
stand vor ihr in seiner ganzen kraft
voll ernsten Mannheit, wie sie ihn hier
gesehm Ihr Herz aber zog sich
schmerzhaft zusammen, wenn sie an
den Spieler Boris dachte, den sie heute
Nacht sahl und unsympathisch ein
Glas Champagner nach dem andern
heruntergießend, im Kreise dieser sau
len Nichtsthuer und Wüstlinge gese
hen. — Wie um sich selbst zu iibers
täuben, stiirzte das Mädchen durch die
vielen Bureaus, die englisch eingerich
teten Mrathungssäla nach dem Pri
vatraum des Vaters.
Alle hoben die Kövse, sprangen
empor und verneigten sich vor ihr.
Maria wars durch die Glasscheiben
einen Blick in die Zeichensiile, dann
llopste sie an Tarasows Thür. Sein
Diener össneie. Jm Nebenraurn sa
ßen seine Privatselretärr. lag seine
diinische Dogge, die sich schläsrig
streckte, dann ausstand und ihr entge
gentam.
»Der gniidige Herr ist in den Ma
gazinen mit den Herren Verwalternz
aber er muß sogleich hier sein, gnädi
ges Fräulein!« meldete der alte deut
sche Diener, das treue Faltotum Ta
rasowö, der Maria schon als Kind aus
den Armen getragen.
Sie trat an den Schreibtisch und
ließ sich in den Sessel davor sinken.
»Gut, Schulze, ich warte gern noch
ein wenig,« sagte sie. »Was gibt es
sonst Neuesi« Jhr Blick flog iiber
den Schreibtisch und blieb aus einem
rothen Zettel hasten, den sie ergriff.
»Da halten gnädiges Fräulein
schon das Neueste in der hand,« ent
gegnete er zornig, »solch versl . . . Un
sug. Als heute srüh die Dworniti
(hauslnechte) die Fabriien ausschloss
sen, um auszukehren, waren die gan
zen Böden mit den Hehbliittern be
deckt, die auch den Arbeitern, wenn sie
im Stockdunlel sriih hier antreten, in
die hand gesteckt werden. Zum Glück
können die wenigsten diesAuswiegeleien
lesen! Da das aber nun schon seit
einer Woche geht,’dasz die Drurtschrisi
ten in die verschlossenen Iahritriiume
sliegen, ist der herr mal in die Ma
gazine, weil er denlt, daß sie von dort
aus vielleicht hineingestiegen sein könn
ten!« i
«
«Das sind sie aber nicht!" sagte jeht
Tarasow von der Thür her. »Ja den
Magazinen ist alles in Ordnung· Wir
haben genau untersucht. Jch fahre
noch heute zum Polizeimeisteri —- Ach,
Töchterchen, Du, das ist nett! Ich
tomme mit Dir sogleich mit! —- An
spannen!«
Der Diener eilte fort.
Der Kaufmann schloß seinen eiser
nen Geldschrant ah, instruirte die
Setretiire und gab telephonisch noch
verschiedene Anweisungen in die ein
zelnen Ahtheilungen. Dann trat er
zu Maria, die ihn schweigend beo
bachtete. »Ja. ja, mein Goldtind,
man hat seinen Augen Es diirsen
nur nicht immer noch Exiratriintuns
gen dazutommem Für heute hahe ich
genug. Erst sollt Ihr, dann mein
Partiechen im Klub mich aus andere
Gedanken bringen! Teufel, zum Po
lizeimeister muß ich ja auch noch!«
Marias-schloß den Vater oon die
sem Vorsah ahzuhringen Sie nahm
aber vorlsusig nur seine harte kurze
band und legte sie schweigend an ihre
Wange. »Mein Papinta,« sagte sie
zärtlich.
»Mein Seelchen, mein Menschen«
meine Wonne, meine Freude!« erwi
derte er ebenso ersreut und weich wer
dend iiher ihre ungewohnte Liebko
sung. FAher Du siehst blaß aus« fehlt
Dir etwa-, mein Liebest«
»Nein, Papinta!«
«Doch. doch,« sagte ermnd tiißte sie
hastig aus die StirnP »Gut-h nicht,
daß ich solch Bari-at bin und iiher
meinen Geschäften meine kleine Maria
vergesse. Ich weiß, wo der Schuh
drückt. Jch weiß, warum Du den
Fürsten abgewiesen hast« Die Mama
und der Jensei, der Andruschenta, ha
ben es mir verrathen. Aber warum
der Kammer, meine Aelteste kann sich «
den Mann leisten, den sie sich
Mit-sehst
«Bater. Paointch was sprichst Qui
Laß mich, laß —- --« slehte das Mäd
chen gequält und sprang aus.
»Na woi sovi, Duschenka, lass, wir
sprechen im Wagen davon!« sagte er
gutmiithig polteend und ME: et
»schreckt.
» Gottsehung solgy