Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 01, 1907, Sweiter Theil., Image 5

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Akt-old
Jahrgäng Zu.
Grund Island-, Nebr» 1. November l907. (Zweiter TheiU
—
Nummer 10.
Ubendruhe.
Fdhrendaft nnd Sonnen-wärme!
Kaum ein Lüftchen rings sich regt.
Wie ein Mantel sich die Ruhe
Friedlich um die Seele legt.
Lauilos dehnen sich die Matten,
Es verblaßt der Stämme Glut-h, ,
Nur noch auf der Wi fel Schatten
Voll der Glanz der onne ruht.
Miihlieh geht der Tag zur Neige,
Und die Sonne sinkt zu Thal, «
Farbenprächttg durch die Zweige
Blitzt heran ihr letzter Strahl.
Dann des Abends Schleier breiten i
Dunkler ringsumher sich aus, ;
Und den Einsainen begleiten »
Sie wie liebevoll nach Haus!
Wenn dir das Glück einen Fins»
ger reicht . . . .
vErzählung von Adolf Stati.
i
»Wenn Dir das Glück einen Finger
reicht, greif’ zu,« sang ein Schuster
iunge, welcher unten auf der Straße
vorübevging.
Fräulein Bei-ihn saß am Fenlter,
und die Worte des Gassenhauer-S
drangen zu ihr herauf. Sie lächelte
bitter. »Wenn es Dir einen Finger
reicht —————«. Sie hatte das Glück
kaum von ferne gesehen, um ihr einen
Finger reichen zu können
Jhr Blick flog iiber die Möbel, glit!
an den Wänden herab und blieb auf
dem Teppich haften. Wie alt und ver
sfchossen dies Alles heute aussah, in
dem unerbittlicb hellen Lichte des
schönen Maiiaae5. Noch nie war ihr
der Verfall dieser einstigen Pracht
stiicke so anfaefallm Eine Redensart
fuhr ihr durch den Sinn: Schädige
Eleganz.
Schäbtge Eleganz; jawohl, das
war die Devise ihres Lebens, icit der
Vater-«- geltorben war und sie mit der
Mutter allein zusammen lebte, auf
die kleine Pension angewiesen.
Welch schöner, lebensluftiger Offi
zier doch der Vater gewesen wor! Zu
lebenslultig; das Sparen hatte er
nicht verstanden. Und die Frauen
hatten auch nicht daran gedacht. So
war das Bewußtsein, daß ihr Ver
mögen ganz aufgezehrt fei, plötzlich
und unvermittelt über sie hereingebro
chen.
Schließlich, man hätte sich mit der
Pension irgendwo in einer tleinen,»
billigen Stadt niedergelassen und
dort verhältnismäßig behaglich und
sorgenfrei leben können. Aber das
wollte die verwittwete Majorin auf
teinen Fall thun. Nur sich nicht de
llassiren lassen. nur nicht die gesell-(
lchaftliche Position aufgeben Sol
führten sie unter heimlich-en Sorgen!
und Entbehrungen scheinbar das alte1
Leben fort, fogar die frühere Woh
nung hatten sie beibehalten und nur
einige Zimmer an ledige, junge Leute
vermiethet, »das-sit doch nöthigeinifalls
auch ein männlicher Schutz
Hand fei nnd weil man doch mit den
vielen Räumen nichts anzufangen
kvisse,« wie die Frau Majorin regel
mäßig zu erzählen pflegte, wenn Be
da war.
Wiederum mußte Bertha’ bitter
lächeln Wozu dieses tindische Ver
sieclen spielen, das ja doch Nieman
den täuschte. Anfangs hatte MamH
wohl gehofft, daß die Tochter doch
nach einen Freier finden werde. Sie
war ja friiher immer so umschwärmt
worden, früher, als Papa noch lebte?
und sie für reich galten. Das hatteI
sich freilich bald geändert. Mamat
hoffte wohl noch immer auf irgendj
ein Wunder, aber sie selbst —————-«
Die Thüre ging auf und ein wenig
erregt trat die Frau Majorin in das
Zimmer.
»Ein Herr hat unten bei der faus
meisfierin nach dem Zimmer ge ragt,
welches hier im Hause zu vermiethen
wäre. Mine th es von der Treppe
aus gehört. Er wird gleich hier sein."
»Hoffetlich miethet er es.« Bsrtha
seufzte auf. Das Zimmer stand ietzt
schon 6 Wochen leer und der Ausfall
des Miethbetrages machte den Frauen
schwere Sorgen.
Ein Klopfen an der Thiir und der
Fremde trat ein. Ein hochgewachse
nee, schlanter Mann von sympathi
schem Aeußeren, nicht mehr ganz
suna, so am Ende der dreißiger
Jahre.
-..Jch habe gehört, gnädige tFran.
daß Sie ein Zimmer zu permiethen
hättentsp hegnnn er mit angenehm
llinaender Was-stimme.
Die Malerin betete das gewohnte
Sprüchlein von männlichem Schutze
nnd der grossen Wohnung herunter.
Der Gast hörte es mit tasdellosee Ans
merisasnleit an, aber Vertha entaing.
der Blick nicht. welcher mit stillem«
Verständnis ilher dse adgenusten
Möbel glitt. Sie cui-there vor und
willen, ob über den Fremden oder
iiber die fortgesetzte fadenscheinige
Lebensliige, wußte soe selbst nicht. 4
»Ich glaube, die Damen werdens
mit rnir zufrieden sein. Jch bin ein!
ruhiger Mensch und Sie werden nicht
viel von meiner Anwesenheit belästigtj
werden« Ueberdies bin ich den gan
zen Tag von zu use fort. Ich
habe ein Cigarrenge chäft, meiane
ist Mahn, Joseph Mayer.«
Die Frau Majorin richtete sich
stolz empor; sie wuchs sichtlich diesem
Plebeser gegenüber, der mit Cigarren
handelte und überdies Maher hieß.
»Wir haben bis jetzt immer nur an
Offiziere verniiethet oder an Juri
sten,« sagte sie stolz.
Aber schließlich wurde herrMayer
doch in Gnade aufgenommen. Noch
am selben Abend zog er ein.
»Es ist schauderhast, daß man ge
zwungen ist, solche Leute zu nehmen,«
seufzte die Maiorin. »Natürlich kann
von einem nachbarlichen Verkehr mit
diesem Menschen leine Rede sein. Er
grüßt uns, wir danken, und damit
»voila tout«."
Uebrigens machte Herr Mayer
durchaus keinen Versuch, sich in die
Familie einzudrängen. Er war wir-l
lich ein ruhiger Miether. Plinltlich
zur gleichen Stunde lcrm er täg’ich
nach Hause. Dann saß er bei der
brennenden Lampe Und las oder stu
dirte fremde Sprachen.
Allmiiblich kam es doch dazu, daß
Vertha mit ihm hier und da ein paar
Worte sprach. Man begegnete ein
ander gelegentlich aus der Treppe
oder Dem Flur und tauschte einige
aleichgiltiae Redensarten
Eines Tages, als Bertha in der
Stadt Besorgungen zu machen hatte,
lenkte sie ihre Schritte in die Straße,
wo Mayer seinen Laden hatte. Es
war eine der betebtesten Passagen der
Großstadt, wo sich zu jeder Stunde
des Tages die Menge aus den Geh
tvegen drängt und wo sich ein Laden
an den anderen reiht, ein Kaufge
fchäft an das andere. Sie mußte
eine Zeit lang suchen, ehe sie den
Eiaarrenladen Kapers fand.
Durch die großen Auslagescheiden
blickte sie in das Innere. Sie fand die
Einrichtung einfach und geschmack
Voll. Das Geschäft hatte offenbar
einen großen Umfang, wohl ein
Dutzend Bertäufer und Vertäuferin
nen hantirten neben dem Pulte und
rechts an der Thüre saß die Kassire
rin, welche die einlaufenden Geld
tieträge mit geschäftsmäßigem Dante
einstrich.
Gerne wäre Bertha- eingetreten,
aber sie fürchtete, Marter zu begeg
nen. Für wen hätte sie auch Cigar
ren taufen sollen.
Ein Offizier lam iiber die Straße
herüber, direkt aus den Cigarrenladen
zu. Sie kannte ihn. Er hatte ihr einst,
wie so viele Andere, die Cour gemacht.
Erröthend eilte sie fort.
Einige Wochen später hatte Bertha
Geburtstag. Jn den Vormittagsstun
den wurde ein Blumenstrauß fiir sie
abgegeben, welchem eine Karte
Mayers mit einigen herzlichen Glück
wunscknoorten beilag. Mine hatte
ihn von dem bevorstehenden Festtag
verständigL
Bertva sreute lich aufrichtig
war schon so lange ·her, daß man ihr
teine Blumen mehr geschentt hatte.
Die Mutter sah die Freude ihres;
Kindes und schwieg; obgleich sie diese;
Zuvorkommenheit S Plebejers, wie
sie Meyer in ihren Selbstgesprächen
tetitelte, am liebsten zurückgewiesen
hätte. Aber der verstorbene Major·
hatte es immer so gehalten, daß dem»
Geburtstagslinde leine Freude ver-«
dorben und kein an diesem Tage ge-s
äußerter Wunsch abgeschlagen wurde.i
Darum iagte sie auch nicht nein, als
Bertha schüchtern in Vorschlag
brachte, Herrn Mauer zum »Five
v’clock Tea« einzuladen. Es war ge
rade ein Sonntag, da hatte er am
Nachmittag Zeit.
Wenige Stunden ssäter saßen sie
beisammen im Salon, sür dessen
schädige Eleganz zBertha heute keinen
Blick hatte Sie laus te den Worten
Manus, der in schlich er, anziehender
Weise von Einem Leben erzählte. I
Es war i m nicht leicht geworden,
er war kein Sonntagskind, dem die
Gaben des Glitt-es von selbst in den
Schooß fielen. Früh verwaist, hatte
er schon als Kind den Ernst des Le
bens kennen gelernt. Aber Schritt
sür Schritt, mit sitt-er, leidenschafts
loser Beharrlichleit, hatte er sich e -
vorgearbeitet Spät erst war es i
möglich gewesen, st selbstständig zu!
etabliren, das not ge Kapital hatte
er sich allmählig von seinem nicht
allzu reichlichen Gehalt als Angestell
ter abgespart Aber ietzt war er
obenauf. Ein gewisser Stolz klang
aus seinen Worten, als er ausführte,
daß sein Geschäft aus festen Füßen
stehe und täglich mehr emporblithr.t
Er stönne sogar schon daran denken,
es zu vergrößern, einen En rasche
trieb einzurichten, der ihn z . rei
chen Mann machen würde. Aber das
wiire zu viel siir einen Einzelnen.
»Ja, wenn ich einen treuen Helfer
und Gefährten zur Seite hätte. «
»Warum heirathen Sie eigentlich
nicht?« Fast wider ihren Willen wa
ren Bertha ldiese Worte entschlüpft.
Sie hätte sie gerne zurückgenommen
»Weil ich noch keine Frau sand, die
ich liebte,« gab Mayer schlicht zur
Antwort... Gleichzeitig tras sie der
Blick seiner Augen, ein Blick, der ihr
mehr sagte, als alle Worte.
Wie eine Vision slog es an ihrem
inneren Auge vorüber. Sie sah sich
als das Weib dieses ernsten, wackeren
Mannes, den sie achten mußte, den sie
auch gewiß lieben würde. Aber gleich
zeitig schob sich ein zweites Bild in
den Vordergrund Jener Ofsizier,
den sie in den Laden eintreten gesehen.
Und wenn sie nun vielleicht da drin
nen hinter dem Lckdentisch gestanden
wäre und ihm die Cigarren hätte
reichen müssen ————
»Die Liebe kommt mit der Ehe,«
entgegnete sie, und ihreStimme tlanq
ihr selbst eigenthiimlich srenid und
hart. »Ich bin überzeugt, dnß Sie
eine passende Gefährtin finden wer-;
den, wenn Sie sich in Jhren Kreisen
umschatten Vielleicht die Tochter
eines Geschäftsfreundes, die den
Handel versteht und gerne hinter dem
Ladenpulte stehi.«
Wider ihren Willen waren die letz
ten Worte sasi ironisch herausgekom
men. Sie vermied es, Meinersanzw
sehen. «
Eine Viertelstunde schleppte sich
des Gespräch noch hin, dann empfahl
sich der Gast. Die Mutter hatte
eine nöthigen Gang zu achen, wie
der saß Werth-X allein in dem ver
fchossenen Salt-Und starrte auf die
Straße hinab, bemüht, nicht zu den
ten.
Da llangen plötzlich die langgezo
genen Töne eines Leierkastens an ihr
Ohr. Er spielte einen Gassenhauer
aus einer modernen Operette: »Wenn
Dir das Glück einen Finger reicht,
greis« 3u.« ·
Da schlug ssie die Hände Vor das
Gesicht und weinte.
—
fTrauben gefällig?
Eine Jugenderinnerung von L. va n
E n d e e r s.
Draußen schimmert ein klarer
Herr-sung- Weiche Lust täuscht iiher
das Vergehen sund dasWelten hinweg
und schmeichelt noch einmal schöne
Sommertriiume wach.
Jn dem großen Waarenhause
scheint es um so dumpser und stich
qer. Ein ,,bitliger Tag« hat die
Menschen schaarenweise hereingelockt
nnd die Atmosphäre wir-d schwer und
schwerer. Sie legt sich körperlichsiihl:
bar aus die Nerven, man schluckt sie.
man kann ihr nicht entgehen.
Da mitten in dem Brodem kommt
ein Dust herüber — ein köstlicher
Dust nach sritchem Obst. Junge,
hübsche Vertäuierinnen stehen vor den
Kistchen und Kisten, aus denen
lsriiunlich-goldige Trauben so ver
lockend herausguelem daß kaum je
mand an ihnen ohne Erleichterung
seiner Börse vorbeigehen kann —
,,Trauhen gesällig?«
Welcheine Kraft solch ein Duft
hatt Auf seinen Wellen trägt er alte
Erinnerungen, Bilder aus längst ver
suntenen Zeiten erweckt er —
Eine alte Stadt —- hohe Häuser
seh-en auf das bunte Gewimmel des
engen Ærttplatzes, auf die Körbe
mit Obst und Gemiise. Auf die behä
biaen feilschenden Frauen mit schwe
ren Körben an jedem Arm, auf die
vergnügten Töchter in hellen Kamm
tleidern, die mit zierlichen Obsttörb-’
chen ein wenig »Marttgehen« spielen»
und sich Rendezvous mit ihren-Freun
dinnen auf dem Markt geben. Ueber
dem all liegt ein Summen und
Schwirren von all den begrüßenden,
lachenden, handelnden und scheltenden
Stimmen, unentwirrbar wie der ei
genttyiimliche Geruch aus all den Kör
ben. Ueber den Markt und die Häu
ser sieht ernsthaft die altersschwärzs
liche Stadtkirche, die schon vor tau
send Jahren auf das Getriebe zu
ihren Füßen niedergeschaut hat.
Die Gebäude am Markt sind hoch
und nicht mehr neu, aber häßlich und
still-IT Nur ein Haus zeigt einen
mächtigen alten Erker; unter einem
Rosenhaum stehen die Worte:
»Dies,haus, es steht in Gottes- Hand,
Zum Rosen-baum ift es genannt,
Gott schütze es vor Feuer undBrand.«
Gerade vor dem Erker, unten auf
»dem schmalen Trottoir, sind Körbe
voll des herrlichsten Obstes ausgesta
pelt —- blaue und gelbe Trauben,
Aepfel und Birnen duften da. Und
clauter den Körben Zsißt Traubengritt
n.
Wie eine gradlinige, etnsthafte
Nürnberger Holzfigur erscheint sie
sunter dem mittelalterlichen Ausbau.
Jhr Kleid ist von Wind und Wetter
verblichen, sahlbraun wie die Erd
schichten oder wie bräunlicher Baum
schwamnc. Braun ist auch das Gesicht
—von ausgeblaßtem Braun die Au
gen in den tiefen Höhlen; sie zeigen
schon den weißlichen Altersbogen.
Als Washrzeichen steht das Trau
bengrittchen an jedem Martttage vor
dem alten Hause, Winter wie Som
mer. Den Kundinnen heißt sie, je
nachdem, Aeppelgrittchen, Trauben
grittchen, Kirschengrittchea Ihren
Vornamen aber kennt jede. Immer
oüster wiegt oder zählt Grittchen ab;
nie sieht oder hört man sie lachen wie
die anderen Höterinnen.
Ich kenne das Haus und den Erter
und das Traubengrittchen wohl —
ocnn ich habe unzähligemal aus den
Fenstern des zweiten Stockwerts über
den Erler weg aus das Grittchen und
das ganze Gewimmel des «Marttes
gesehen. Wenn die alte Thurmuhr
mit ihr-en dumpfen Schlägen Zwölf
vertünsdigt und hell die Mittagsglocke
einsetzt, so kommt eine Aufregung da
unten hin, als ob man miit einem
Stock in die friedliche und gesetz
mäßige Thätigleit eines Ameisen-hau
sinH hineinstöberte. Alles setzt sich
in Bewegung, Menschen, Körbc,
starren. Eine halbe Stunde später
verkünden nur noch Blätter und Gse
musereite, was gewesen, usno ane
Frauen mit Besen treten das Regi
ment an. Der Marktplatz liegt dann
zweiTaae lang in idhllischer Ruhe
da, und die Kinderschaaren aus den
Häusern finden einen sicheren Spiel
platz für ihr Lörmen und Tummeln.
Die Obstsrauen siedeln mit ihrem
Kram nach einer anderen Seite über.
Wenn die Sonne gar zu arg scheint,
iperren sie wohl einem einen Regen
schirmaus, der sie auch bei schlechtem
Wetter schützt, regnet’s, so decken sie
Wachstiicher über ihre Körbe. Und ist
es kalt, so ziChen sie ein Tuch über
das andere bis an die Na-senspitze,
stellen die Füße in einen Korb und
holen sich öfter wie sonst ihr Koffer
-töpfchen, das irgendwo in der Nach
barschaft aus dein Herde brodelt.
Traubengrittchen ist die Aristotsra
tin des Platzes. Sie ißt des Mit
tags in dem Hause, dessen Wahr-zei
chen sie vorstellt, sie trägt des Abends
ihreKörbe in das ,,Magazin« dort
hin. Da unten ist ein lebhafter Ge
s ·Ttsbetrieb, und es kommt nicht
darauf an, ob noch eine Person mehr
Mittags da ißt. So geht Trauben
grittchen in der Küche an dein weiten
osfenen, steingeplätteten Flur, aus
dem die Wendeltreppe mit dem schön
geschnitzten Löwenpfosten in dämme
rige Höhe führt, aus und ein, als ob
sie dahin gehöre. Als Ertenntlich
keit bringt sie anserlesenes ·Ql)st...
Des Abends ·verschwindet sie nach
dem Abend-essen sang-— und klangle
in ihre Höhle Die ist in einer ziem
lich obsturen Gasse; niemand durfte
sie da aussuchen.
s Da sollte sie wie ein alter Geiz
drachen hausen und Schätze aufsparen
»für einen Groszneifen. Das war ihr
einziger Verwandter, ein leichtsinnsi
ges Huhn, das sehr wohl wußte, wie
es die Spargroschen des Grittchens
vergniialich anwenden sollte. »
Bre lcywor aus Ihn... Um Haue
er studiren sollen, geistlich werden.
Aber dann hatt-: angeblich seine Ge
sundheit es nicht aushalten können,
ud er brachte es nicht weiter als zum
Schreiber bei einem Nechtsanwali.
Das Grittchen selbst sprach nie
mals von seinen Familienverkiiiltnib
sen. Wortlarg stand sie hinter ihren
Körben und brummte ein unverständ
liches ,,mm s— in —'«, wenn ihreK·un
dinnen die Waare zu thener fanden
und ihr borhielten, daß ihre Konkur
rentinnen, das Branchen mit den fi
delen Schnapsiiuglein und die dicke
Frau Henning mit den frechen Ran
gen, mehr Zweiskhgen und Birnen ge
ben als das Grittchem
Sie lächelte dann höhnisch. Und
alles, was rechtist, ihre Waare war
auch immer am besten. da konnte sie
schon die theure Zeit sein. Wer einmal
bei ihr kaufte, tam doch wieder
So stand sie einen Tag wie alle
Taae am Hause und auf dem Platze-,
blickte strasend herüber, wenn wir gar
zu sehr beim Spielen tobten oder uns
sanftem und schien uns Kindern nn
veränderlich wie das Haus und der
Erter und der Markt selber und das
ganze Leben. -
Aber eines Tages fehlte Trauben-«
grittchen. Als sie auch«des Nachmit-:
tags nicht erschien, wurde die Haus
frau unruhig und entschloß sich. selbst
einmal nach dem Rechten zu sehen. i
In der engen Gasse herrschte helle!
Aufreaung. Nachbaröfrauen hatten(
ein Stöhnen gehört und waren nach
etlichem Zögern —- denn das Eriti
chen war auch hier ebenso abweist
und ungesellig wie auf dem Markt-—
in die ärmliche, kahle Stube gedrun
gen und fanden da die Bewohnerin
halbtodt. Gefesselt und geknebelt lag
sie im Bette. Koxnmode und Schrank
war umgewiihlt, kein Heller mehr zu
rückgeblieben.
Das konnte nur jemand gethan
haben, der mit den Verhältnissen voll
kommen vertraut war. Aber eskam
nie heraus, wer sich so an Grittchens
Schätzen verstindisgt hatte. Sie wollte
vor Schrecken nichts gesehen Und ge
hört haben, nicht erkannt haben, obl
der Thäter jung oder alt war. Auch!
das Geri cht konnte nicht mehr aus ihr
herausbelommen.
Das war einmal ein glorreicher
Tag für die Weißfrauengasse.. Was
Da nicht alles beredet und erzählt und
vermuthet wurde! Wie der saftige
Bissen gewendet und beschnattert
wurde!
Noch ioochenlang redete man von
nichts anderem Zuletzt kam dann
Tranbengrittchen aus dem Hospital,
wohin man sie aebracht hatte, packte
ihre Siebensachen zusammen; ließ sie
ans eine Karre ausladen und ver
schwand in ein Revier, wo sie noch
nicht der Mittelpunkt des Interesses
war.
Niemand half ihr dabei, denn ihr
Neffe hatte sich unsichtbar gemacht,
ungefähr um Die Zeit, als sich das
Attentat .an Grittchsens Ersparnisse
abspieltei
-- .
Am Lage nach Dem umzuge iasz
das Traubengrittchen wieder auf dem
Markte, trotz Wind und Wetter, trotz
ihrem Alt-er, trotz allen Ermahnun
aen und Anerbieten. Sie maß noch
tnapper, zählt-e noch geiziger, als
wolle sie das Verlorene so schnell wie
möglich wieder einbringen.
Aber lange dauerte das doch nicht
mehr. Jhre Hände zitterten, daß sie
Waage und Obst oft zurück in den
Korb sallen ließ. Beim Herausgehen
des Geldes irrte sie sich —- fogar zu
ihrem Nachtheil —, und die Gassen
jungen des Marktes, die sich früher
niemals in die- Nähe Von Grittchen
gewagt hatten, dehnten jetzt ihre
Schallsstreiche auch aufsie aus, wenn
sie am hellen, lichten Tage hinter ih
ren Körven einschilief.
So konnte es nicht mehr weiter
gehen. Das Grittchen wehrte sich
noch.
Eines schönen Tages mußte sie sich
doch ergeben und siedelte als Pfründ
nerin ins Hospital über. Da hat sie
noch zehn Jahre lang gelebt, eigen
sinnig und einsicdlerisch eine braune
Nürnberg-er Holzfigur zwischen all
den behaglichen, schwatzhaften alten
Weibchen, die da die Nöthe des Le
bens im sicheren Hasen vergessen...
Als ich wiederkam, nach langen
Jahren, und die Stadt besuchte und
aus dem Markt nach den Erinnerun
gen aus alter Zeit suchte, kannte ich
das Haus mit dem Rosenhaum am
Erter kaum mehr wieder. Moderne
Schaufenster hatten sich in ihm ein
genistet mit häßlicher Zementverzie
rung, die schon wieder bröckelte. Denn
der ganze alte Markt hatte viel von
seinem früheren Nimhus verloren.
Wenn die neue Marlthalle fertig ist,.
Fjrd er eine ganz vergessene Größe
ein. .
Große Schirme spannten sich in;
einer Ecke noch iiiber ein paar Obst
händlerinnen-—--nicht mehr viele wa
ren’s, denn die Trauben kauft man
! jetzt auch schon im Waarenhause. Al
« les schien großstädtischer geworden,
.eleganter, nichtssagendser.
Ob diese Kinder der Großstadtl
«spiiter auch einmal Erinnerungen
haben? Ob ihnen auf den Wellen
eines Dustes Märchen aus alten
Zeiten zufliegen?
Die Ieise in alten nnd neuen
Zeiten.
Nicht jeder vermag einzusehen, daß
die Seife unbedingt zur Reinlichleit
des Körpers nöthig ist. Es gibt näm
lich auch Leute, die die Behauptung
aufstellen, daß sie zur Zerstörung
ihrer Haut beitriige. Wie wir wissen
ist sie eine verhältnismäßig junge
Erfindung, aber trotz alledem hat
man keine Veranlassung zu dem
Glauben, daß die Völker des Alter
thums und des Mittelalters nicht
auch sorgsam auf die Reinlichleit ilk
rer Person bedacht gewesen sind. Die
Egnpter, Griechen und besonders die
Römer gaben sich große Mühe, ihren
Körper reinzuhalten. Das Basdwar
eine wichtige Einrichtung in jenen
Zeiten, als zwar die Setfe noch nicht
bekannt war, wohl aber Oele und
wohlriechende Zusammensetzungen da
zu dienten, um den Körper zu sal
bcn. Wenn die Seise bereits in der
Bibel erwähnt wird, so meinte man
damit wahrscheinlich Thonerde oder
Holzasche oder Alialien, die im übri
gen niemal für den Körper angewen
det wurden, sondern zum Reinigen
von Wein- oder Oelsässern oder Mar
morstatuen. Jndessen wurde fiir die .,
Haut der Saft,von gewissen Man-I
zeu, welcher Schau-m bildete, zumj
Waschen benutzt, was bis auf den
heutigen Tag bekannt ist. Während
Sei-se bei Homer noch nicht erwähnt
-w«ird, der indessen schon Bezug auf
kosmetifche Stoffe fürBäder nimmt,
beschreibt Plinius ganz asusfiihrli
eine Substanz zum »Schönmache
.des Haares, die aus gutem Talg und
der Asche der Buche zusammengesetzt .
ist. Die moderne Chemie lehrt unz»
daß die Seise eine Zusammensetzung
von Fett oder Fettsäsuren mit einem-«
Alkali ist, und es ist daraus klar,
daß zu Plinius Zeiten Seife im Ge
brauch war, welche sich nicht wesent
lich von der Zusammensetzung unse
rer Produkte unterschieden hat. —
Als eine Industrie war indessen dieE
Seifenbereitung im großen Maß-sterbe
bis zu den Zeiten des 17. Jahrhun
derts nicht bekannt. Seit-dem wuchs-v
alxer ihre Produktion ungeheuer, wo-«
bei man sie jedoch nur zum Reinigen
im Thierreiche oder für gewisse indudi
ftrielle Zwecke, nicht aber für Men
schen benutzte. Es ist allerdings
wahrscheinlich, daß die Seife früher;
auch nicht für dieHaut des mensch--«
llichen Körpers geeignet war, da sie-.
Idamals allzu ätzende Eigenschaften
kbesaß. In der Neuzeit ist es immer-J
Imehr geiungem die Seife von schäd
lichen Wirkungen zu befreien. In
Iganz reinem Zustande ist sie aller-—
I dings auch heute noch so theuer, daß
der dadurch herbeigeführt-e Bot-theilt
sijr die Hygiene wieder hin-fäng ,
wird, weil die einfachen Leute fie:
znicht bezahlen können und daher ztx
»geringeren Sorten greifen. Nach dem
»Lancet« sollte die Seifenfabrikation
unter staatliche Aufsicht gestellt wer-fl
den. I
Als Büssctschadcinichts zart-m ;
Nach dem heutigen hohen Werth
der Schädel und Hörner von Biisffels"
berechnet, hat eine Straße in de
Siansaser Stadt Wichita wahrschein
lich das kostbarste Pflsaster, das der
zeit irgendwo zu finden ist.
Das ist die Seneca Street, unld ’"
Geschichte ihres Pfliasters, oder einel
großen Theil-es desselben, ist mutig
würdig genug, daß sie nicht der Ver?
gessenheit anheimfallen sollte.
Zur Zeit, als die erstenAnssiexdlth
in diese Gegend kamen, war dexk
Landbau hierherum so giut wie Uns-;
möglich Und wurde nur im gering-;
fiigigstety Msaße getrieben. Dahinzi
»aegen befaßten sich die Neusantömms
’ linge mit Vorliebe damit, Büffelhörn
’ner zu sammeln; denn sie ließen sich
»in-nen, daß sie solche in Wichita ver
kaufen könnten. Unter Denjenigen
welche damals Biiffelknochen nacll
Wichita fuhren, war z.B. auch der
jetzige Senator Hemenway von Jn
diana, der eine Heinrstätte iin Kan
sas-er Countn Harper « besaß. Viele
der Schädel und Hörner wurden nack
Neusengland gesandt und zu Knopf-ers
und anderen Artikeln verarbeitet. J
Aber die Nachfrage war keines-wegk
so groß, wie das Angebot, und die
Mühe brachte keinen hohen Preis
Schließlich häuften sich die Knochen
dermaßen an, daß die Ortsbehördee
verlangten, die Ueberbringer solltet
sie wie-der fortnehmen. Diese zoger
es aker vor, sie einfach in jeneStraßs
abzuladen, welche damals ein ge
sn-öhnlicher Land-weg war.
So wurde weithin die Straße mi
diesem Zeug gefüllt. An vielen Stel
len- ragten die Hörner zu Zeiten auf
dem Schlamm heraus und wurden fiiiv
die Pferde recht unbequem, wesholl
Wagenfiihrer die Straße möglich-i
niieden Welche Fülle weggeworfener
Reichthan ’
——-—.--s—————
Der Schatz im Klavier.
Ein Schuhmacher aus Eppin;
kaufte vor wenigen Wochen bei einen
Althändltt in London ein altes Piant
fiir billiges Geld. Er ließ das Jn
strument nach Hause schaffen und be?
stellte sich einen Kla-vierstimmer, des
ilnn den alten Kasten wieder in Stanl »
setzen sollte. Der Mann ging an diss
Arbeit und fing an, dem greulich
tönenden Instrument nach und nackt
reine Töne zu entlocken. Plötzlicizxl
llirrte etwas im Inneren des Jnstruf
ments. Der Stimmer sah nach, warf
es war, und entdeckt-e zu seinem unis.
des jetzigen Besitzers größtem Erstauf
nsen einen Beutel mit 14 »Guineen, de:
augenscheinlich von einem früheres
Inhaber in dern Piano verborgen uns«
dort vergessen worden war.
—
D ickfellig.
Hausfrau (z-ur Köchin): »Mutte?
es gefällt msir nicht, daß Sie Mk
Schatz in der Küche empfangen.«' F
Köchin: »Ach, gnädiae Frau, H
ist doch so schüchtern; in den Sahi
kommt der Ihnen tm Leben viel-Mk -