Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 11, 1907, Sweiter Theil., Image 5

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    Nebraska
W
Jahrgang Lu.
Graitd Island-, Nebr» U. Oktober 1907. (Zweiter Theil.)
Nummer 7 . T
" FJEEKLLEZHHI
Kennst du die wahren Feierstunden,
Wenn deine arbeitsfrvhen Hände
müde
Jm Schoß zusammen sich gefunden,
Und um dich her es weht wie Sonn
iagsfriedeZ
Wenn alle Stimmen deinscr Seele
schweigen,
Und nur der eine Wunsch in dir, nach
tszh
Jcn Wabd sich leise alle Wipfel nei
gen,
Thau iiißi alle Blumenaugen
zu?
Dann regt fut, etwas, was du nie
empfunden,
Auch nicht in deinem aller-schönsten
Traum,
Es ist die Weihe Bohrer Feierstun-!
n
Die dir zur Heimaih macht den ärm- (
fien Raum.
Sonntag im Herbst. i
Nobellette van Annie Lati
Feldberg.
Sie· hatten die Nachtfahrt zusam
men in einem Coupe 2. Klasse zu
rückgelegt
Nun grüßte ein sonniger löstlieher
Herbstniargen zu ihnen herein.
Seit mehreren Stunden waren sie
auein in ihrem Abtheii.
Eine lebhafte, vielseitige Unterhai
iung hatte sie einander so nahe ge
bracht, dage ihnen die Trenung
schwer wur
Jent im Tageslicht fah er ganz
deutlich, daß sie nicht mehr sehr jung
war. Auch schiin war sie nicht, aber
ihr wollauiendez Organ, ihr lebhaf
ter Geist, ihr feiner Takt zogen ihn
inachtig an
Zwei dunkle, qeheimnißvolle Augen
thaten das thre, um ihn vollends zu
bestricken
Er war kein Don Inan.
Reine Frauen til-ten ihren Zauber
aus ihn aus.
Jn ihrem ganzen Wesen lag jenes
Unbestimmbare daö einer Frau eigen
ist, die sich ihre Reinheit bewahrt in
ihrem Thun und Denken.
Sie jeht verlassen zu müssen, dünk
te ihm ein Verlust.
»Wer erwartet Sie denn zu Hause,
meine Gnädige?«
»Meine Eltern, ein achtzigjiihri er
Vater und eine um wenige Jagre
jüngere Mutter, beide leidend, meiner
Psiege bedütftig.«
»Bitte traurige Aufgabe.«
»Eine- liebe Pflicht. Meine le te
Reise für lange- Zeit war dies-herb
fahrt ins Gebirge. Noch en tieer
Atbernhdlen in frischer, Gottezluft
und fröhlicher Freiheit, dann wieder
zuriick zur sirengen Arbeit und
Pflicht Mit heute ist mein Urlaub
abgelaufen.« « « ·
»Auch ich trete morgen wie-ver mein
Amt an. Aber heute, der letzte Tag,
der Sonntag, soll «mir ein besonderer
Feiertag sein.«
Beide schmieden eine Weile.
»Sehen Sie, wie schön unser Ber
lin ist mit dieser Umgebung von ern
’:en Kiefernmäldern und den lachen
oen, glitzernden Wassern. Das möchte
ich ihnen so gern zeigen. Bitte, bitte,
treten Sie auch erst morgen Jhr Amt
wieder anbei Ihren Eltern. Genie
szen Sie noch einen töstlichen Tag der
Freiheit«
»Wenn Sie so schön bitten, lastn
man kaum widerstehen.«
»Mit-erstehen Sie nicht, meine
Gnädige, ich verbürge mich mit mei
ner Ehre dafür, daß Sie es nicht be
reuen sollen-«
Sie zögerte.
»Sie wenden mich siir leichtsertig
hatten, wenn ich —-—"
« «5tiiemals!" betheuerte er mit
strahlendenr Blick.
»Es ist sehr ineorrett von mir ge
handelt «—- aber «—-—«
»Nun, so seien sie einmal ineorrett,
mein gnädiksei Fräulein. achte
und ehre S e deshalb doppe t,«
Nun huschten die häutet der Vor
orte schon an ihnen vorüber.
Galant war er i r behilflich, ich
zum Autsteigen zu r sten. Eine l et
liche Verliärung lag plötzlich aus sei
nen Zügen.
Seine Empfindung stir sie, die so
plöhlich erwacht, wurde von ihr erwi
dert, sonst blieb sie nicht, sonst hätte
sie ihn spröde, lutz abgewiesen. «
Nicht lange daraus saßen sie in er
nem vornehmen öotet an einem klei
nen, toohlgedeckten Frühstiickstisch im
SpeisesaaL
Ihre Besangenheit wich setzt einer
sröblichenStimmunH Man hielt sie
siir ein junges Ehepaar aus der hoch
zeitsretsr. So glückstrahlend sahen
sie auch Beide aus«
Nur zuweilen wurde sie-ernst und
dachte, daß« es noch sehr, sehr leichtsin
.nig von ihr fei, mit einem fremden
Perrn so vertraulich zusammern zu
ein.
Als er dann hat, daß sie sein Gast
fein möge, wehrte sie förmlich ängst
Lich ab und beglich ihre eigene· Rech
meng.
»Nur unter die-set Bedingung
bleibe ich, sonst reife ich mit dem
nächsten Zug.'«
Lachend zeigte sie dann ein letz
tes Zwanzigrnartstüch
»Das kann draufgehen, bitte, rich
ten Sie unsereAuögaben danach ein.«
Sie zog ein kleines Notizbuch her
vor und registrirte gewissenhoft.
»Ber1in. rühstiict 1 Mart.«
Lächelnd ah er ihr zu.
» ten Sie Ihre ganze Reise hier
here net, gnä»diges—Friiulein?«
»Jan)ohl, mein Herr! O. ich Mbe
sehr verschwenderifch gelebt. Papa
war fehr großmüthig, er hat meine
Reisebörie sehr gut bestellt. Bis auf
dies letzte Goldstück hohe ich alles ge
trissenhaft ausgegeben!"
»Was wollten Sie mit dem letzten
Goldstück machen?«
»Ein Glücksloos taufen«, Lächelte
sie, und ein Schelmenblitz leuchtete in
ihren Augen auf.
»Wie sie jetzt neben ihm schritt, so
chic und einfach elegant, die großen
Augen weit geöffnet, um all die neuen
Eindrücke aufzunehmen in- ihre Seele-,
die sich ihr boten, da bereut-e er nicht
sie zuleeiben aufgefordert zu ha
ben. » «
,.Zu Fuß werden wir nicht weit
tommen, bitte.« -—— Nun stiegen sie in
eine Droschle, und hinter ihnen stand
Freund Amor und spann seine Fäden
zu einem unzerreißbaren Netz.
Jeden Blick sing der Schelm auf
und verstrirlte ihn zu einer Masche
seines Machwerls, das er im Eisen
kahncoupe begonnen und nun zu
Ende führen wollte.
Unter dem Geläut der Kirchenglo
clen fuhren sie durch die sonnigen
Straßen der Reichshauptstadt in de
nen es begann von Menschen im
Sonntagsstaat zu wimmeln.
»Das ist Berlin am Sonntag. Jn
iser Woche sieht es ganz anders aus.
Tas ist das stende, arbeitende Ber
lin, heute stre t es hinaus ins Freiek
»Wollen wir nicht in das Mu
seu«m?" fragte sie, als sie dort vor
übersuhren. -
»Nicht heute. Die Zeit ist zu kurz.«
Wie er das sagte!
Sie erschauerte unter dem Ton und
mied seinen Blick. Es war, als ob
er Besitz von ihr ergriffen, als ob nur
sein Wille gelten würde von heute an,
als ob sie ganz willenlos ihm ergeben
sei. Es beschlich sie eine Angst. Sie
schalt sich, daß sie doch recht unoo ich
tig war; sie hätte ihm hoch wide-kirc
ben sollen und ihre Reise fortsetzen.
Aber es war so verlockend, ihm zu
folgen!
Wie schön lag dieWelt um sie. Mit
trunkenem Blick schweigte sie in den
Herrlichteitem »der stolzen Schönheit
Berlins.
»Wie beneidenswerthSie sind, hier
leben zu können«
Sie beneidete ihn wirllich. Wie
kräftig, srisch und männlich er neben
ihr saß! Voll Thattrast und Lebens-·
nnitht Sie seufzte unwillkürlich
Nun brach er das Schweigen, das
sie beide umfing, in welchem eisriger
denn je zuvor Amor seine Maschen
tniibstr.
Sie gehörte nicht zu den schwatzen
den Frauen, das gefiel ihm.
Sie sprach nut, wenn sie etwas zu
sagen hatte.
»Nun noch ein gutes Dinek und
dann hinaus ins Grüne! Das heißt
wenn Sie nicht müde sind-«
»Nicht eine Spuk!
»Noch der Nachtsahrt wäre es tein
Wunder «
»Sind Sie edi«
»Meine Lebensgeister waren nie
reger als heute, an diesem wunder
karen Tag, der oohne Ende sein
sollte!«
Ein Geständniß wie sie es glühen
der nicht wünschen tonnte, so heiß, so·
begehrend drang ei ihe ins O.hk
Sie saßen mitten unter den Gästen
und doch so allein, so weitvetloten, so
seitdswengessenN so berauscht eines von
des Andern Niishe
Sie erschrak. Gestein hatte sie ihn
noch nicht gekannt, motgön würde sie
nur die Erinnerung haben. Für ihn
ein Abenteuer, sitt sie alles ——— alles
—- eiii Leben sitllendt
füAengstlicher zoa sie sich in sich zu
MWas sollte ihn auch länger sesselni
Jung war sie nicht mehr, aucks nicht
schön dachte sie, und niemals hatte
sie sich glühender gewünscht schön und
beaeheenswetth zu sein als heute, be-«
qehrenswerth sük immer, nicht nur
site heute, sitt einen Tag, einen son
nenducchleuchteten heobstsonntogt
Sichet war ee junger als sie, et
sah so aus, so mitten in vollsterMan
ucsbliithe und sie schon halb ver
bliiht — — —
Nun lächelte sie doch mitten in— ih
ien skeptischen Gedanken.
Er sah sie an, strahlend, glücklich
Fröhlich zogen sie hinaus insFreie,
mitten imVoltsgewühL sie beide, fest
haltend aneinander, verbunden durch
ein Band, das Amor gewebt in ges
schäftiger Eile.
Sie bewunderte die weiten, silber
strahlenden Seeslächen, in denen der
dunkle Wad sich spiegelte wie eine
totette Schöne, die ein buntes
Gewand sich angele t, die Welt zu be
zaubern, ehe sie A chiesd nahm.
»Wie »schön ist der Herbst!« jubelte
sie. »So hab-: ich es nie empsuden
wie heute!«
Ein dankbaren strahlender Blick
traf ihn. "
Er erwiderte ihn so beredt, daß sie
erhebend ihren Blick sentte und ra
scher vorausschtith :
. Kühn wollte er ihr folgen, sie ckn
der band sesthasten und ihr sagen:
»Laß uns zuhmrnen den . schönen
Herbst genießen, den beginnenden
Herbst unseres Lebens.«
Sonnenuntergang über Baum
winseln Abenvhimmel, in den bu :
ten herbsttinten sich wiederspie elP
in stillem, melanchoiischem Wavldseess
»Wenn ich allein hier wanderC
dann packte mich die Sehnsucht, »so
anszuschreiten mie jetzt, »so zu
Zwei-en!«
« Sie antwortete nicht. Morgen
Fürde er wieder allein sein, er und
ie.
Es packte sie schon jeyt wie Sehn
sucht nach diesem Waldwinstel, dem
melancholischen See, über dem die
Herbstsonne unterging. "
Nachtwntel stieg auf. «
Der Mond begann seine Bahn zu
ziehen, über all den fröhlichen Men
schenckinaerrn die heimwärts gingen,
die Brust geschwellt vom reinenAtheni
der herbstlichen Natur. .
Ein stolzes, reinesGliick behegie die
Seelen der Beiden, die ihn ausgeioftet
in seiner ganzen Herrlichkeit diean
licht-vollen Sonntag im Herbst. «
· anriinstig tiißte er ihre Himb, ein
—- zwei -—— Frei Mal.
»Auf Wiedersehen —-—,« sprach sie
erglühend, lächeind ans ihrem Coupee
heraus. ·
»Auf baldige-T "baldiges Wieder
iehen!« erwiderte er dringend uns
driickte die Hand aufs Herz, wo er ein
tiärtchen mit ihrem Namen karg.
; Ein letzter, giückstrahlender, beseli
gender Blick.
) Ein stummes Grüßen, ein lzuver
)sichniches »Auf Wiexdekfehew
s
Die Fliegen.
» Das tleine holländische Städtchen
Zuidernn hat ein Steueramt. Das ist
ja an und fiir sich nichts Befonoere5,
und naturgemäß gehören zu einem
Steueramt auch Beamte, die den Auf
trag haben, die Rechte derStaot wahr
zunehmen unb genau zu iontrolliren,
was an Waare eingefühtt wird. Ei
gentlich mußte, zum größten Aerqer
Aller, die ihreWaaren in vie Stadt
bringen wollten, alles versteuert mer
ben. Auf den Eiern, auf der-Butter,
aufFleisch und Geflügel, aqulletn,
was eßbar und trintbar ist, lag ein
Zoll. Die Steuerbeamten von Zuwe
:nn übertrafen an Gewissenhaftiateit
und Pflichttreue allean der Welt eri
ftirenden Steuerbeantten, und ihrbes
fonderer Stolz gipfejte darin, sich
nicht oupiren und Zollpslichtiges ohne
Zoll einfchmuggeln zu lassen.
An einem fchönenSommertaa hatte
van Snyten die Kontrolle. Er saß vor
der Thür des Steuerhiiuscheng in dem
schmalen Streifen Schatten, den das
Häuschen watfz bie.Brille ohne die
ihn tein Mensch tannte ——— denn er
war turzsichtia und ein Steuerbeanp
ter muß gut sehen können —-beschlug
alle Augenblicke von der Wärme,
baß er sie abwifchen mußte, um ot:
»Blättchen von Zuiderhn« zum found
fo vielten Male von Anfang bis zu
Ende zu lesen und dabei die Pasimk
tcn zu beobachten.
Van Snyien war ein peinlich ge
nauer, unbestechlicher Beamter, der
allem griindlichst auf den-Grund ging,
d. h. der bis aus den Grund der
Körbc, Kiepem Säcke, Taschen forsch
te:er musterte die Spaziergänger da
rauf hin, ob ihre Taschen nicht ver
oächtig vom Körper abstanden; er
llo te an die Räder der Wagen, um
zu ehen, ob sie nicht wohl waren; er
ließ die Sitztissen hoch heben, nahm(
mit den Augen das Maß desWagenH,
um zu ergründen, ob nicht etwa ein
doppelter Boden bei dem Gefährt an
gebracht fei
Wie er nun so saß und sich die Zeit
durch die wiederholteLettüre des Tag-!
biiittchenö zu türzen suchte, sah er»
einen Bauern herankommen, der einen l
großen Korb trug. Bau Snyten«
schob seine Brille zurecht, erhob sich
langsam und stand mitten aus der
sonnigen Straße, gerade als der
Bauer vor dem Steuerhäuschen an
gekommen war
,,Halt!« rief van Snyten, »was
haben Sie in Eem Korb?«
,,Honig, Herr Steueriontrolleur.«
,,Kommen Sie in’s Bureau, damit
ich nachsehen tann.«
»Es ist .Honig,« betheuerte der
Bauer. »Sie brauchen nicht nachzu
scben, Honig ist nichts Versteuetba
re5.«« «
»Ich glaube nur meinen eigenen
Angen,« antwortete van Snyten kurz.
Der Bauer ging mit in das Haus
unis stellte seinen Korb aus den Holz
tischk Ban Snyten nahm jeden Topf
heraus, band die Hülle ab, steckte den
Finger dann zum Munde, um
durch Lecken zu tonstatiren, daß es«
sich um Honig, um wirklich guten
Honig handle.
Durch den Gruch angezogen, wa
ren in wenigen Seinnoen die Flie
g-:n, die bei der Sommerglutb reich
lich im Steuerhäuschen vorhanden
waren, über« die geöffneten Honig
töpse her, und«im Umsehen klebten
die Thierchen mit Rüsseln unstein
chen aus dem Honig .
»Na, da ist eine hübsche Beschre
r:mg! Wie sieht mein Honig aus!
Den wird Niemand wollen! Den ver-»
Laufe ich im Leben nicht mehr,« rief«
der Bauer erregt. i
»Das geht mich nichts an,« ant
wortete der Beamte trocken. ;
»Na, wen gel)t’s denn sonst etwas
an?« erwiderte der Bauer. «
»Meine Pflicht ist die lKontrolle
auszustihren». ich habe tontrollirt,
und nun räumen Sie gefälligst mög
lichst rasch das Steueramt.« «
Brummend ging der Bauer von
annen und begab sich aus den Markt
Fr stellte seine Töpfe in einer Reihe
du I
mertungen los:
»Oh. was für ein wundervoller
Honigl«"ries eine Frau
»Das ist wohl ein neuer Fliegen
fänger?« fragte eine zweite.
»Ob« vielleicht ein Fliegentom
pott?« meinte ein Dienstmädchen
»Liebe: Mann, möcht-en Sie nicht
ein behäbiger Bürge: vor.
,,Wieviel kostet das halbe Kilo Flie
gen?« fragte ein schnippisch-es, junges
Ding.
Als der Martt aus war, hatte der
Bauer nicht einen Topf Honig ver
kauft und konnte seineWaare wieder
mitnehmen.
Aber das sollte nicht so ohne Wei
teres von ihm geschehen, denn das
Bäuerlein war wüthend, und in heller
Erregung begehrte er beim Vater der
Stadt, bei dem Bürgermeister von
Zuidernn, Einlaß.
Eine Magd führte «den Bauern in
! einen Warteraum. «
F Geduldig setzte sich das Bäckeriein
ian eine holzbani und wartete.
T Das Oberhaupt des Städtchens
hatte nämlich Besuch und saß mit sei
uen Gästen gerade bei der Mahlzeit.
»Da konnte er sich natürlich nicht stö
ren lassen. Nach dem Diner gingen die
’.i)errschaften in den Salon,· um Kaffee
zu trink- n, uno da fiel dem Vater der
Stadt ei n, daß ein Bauer ihn sprechen
wolle. Er ließ den Mann hereintom
men.
»Was wünschen Sie, mein Lieber?«
»Herr Bürgermeister-, ich tomme zu
—Jhnen, um mein Recht zu sordern.«
»Was ist Ihnen für Schaden zuge
siigt worden? Sprechen Sie rasch.
Jth habe nicht viel Zeit.«
»Ich brachte Honig auf den Marti,
wundervollen Honig... nicht, daß
ich das sage, um mich selbst zu lo
oen... alle meine Betannten werden
Jhnen . . .«
Bei ihrem Anblick gingen die Be-;
die Fliegen für ssch verkaufen?«schlugi
i
,,’·lka, weiter, Thattachen, That
fsichen!··
»Auf dem Steueramte visitizte ein
Beamter meinen Korb."
»Das war seine Pflicht,« entgegnete
der Bürgermeister.
»Unte: dem Votwand, nach-zusehen,
hat et jeden Ton aufgebunden. Die
Fliegen find über den Honig herge
fallen, sind daran llebengebliebem
nnd Niemand hat meinen Honig kau
fen wollen« ,
»Na... und was soll ich dabei
thun?«
»Ich bin nicht reich, ich lann nicht
all n Honig verlieren; ich will, daß
die Stadt mir den Honig ersetzt...
der Beamte, der mir die Töpfe aufges
bunden hat, ist schuld daran.«
»Der mußte nachsehen, ob Honig in
den Töper war.«
»Ich verlange feine Bestrafung«
»Er hat nur feine Pflicht gethan.«
»Dann geben Sie mir eine Ent
lchiidigung.«
»Liebe: Freund,« sagte das Ober
haupt »der Stadt, »je länger ichl über
denFall nachdenke, je mehr komme ich
zu der Ueberzeugung, daß der Be
amte durchaus nichts Strafbares ge
than hat und demzufolge auch nicht
zu bestrafen ist.«
»Das ist mir ganz gleich. Für mich
handelt es sich darum, wer mir meinen
Honig beza.hlt!«
»Die Stadt hat Ihnen gar nichts
zu bezahlen, denn durch unser gutes
Zuideryn ist Jhnen tein Schaden zu
gefügt worden." «
«»Mein Honig ist aber verdorben,
ich kann ihn nicht verkaufen... uno
beanspruche Schadenersatz,« entgeg
nete der Bauer hartnäckig.
»Ich sehe nur ein-en schuldigen
Theil bei der ganzen Sache,« sprach
der Bürgermeister ernsthaft, »und
zwar halte ich einzig und allein die
Fliegen für den schuldigen Theil.«
»Fliegen haben kein Geld,« wider
sprach der Bauer. .
»Ja, aber die Fliegen haben doch
den Schaden angerichtet, an die mits
sen Sie sich halten, lieber Mann;ich
erlaube Ihnen, alle Fliegen, die Sie
sehen-,-·s todtzuschl-agen, - und zwar
wann und wo es Ihnen möglich ist.«
»Na, ich danke fiir diegiitige Er
laubniß! die nutzt mir auch gerade
etwas!« rief der Bauer.
»Einen weiteren Ausweg weiß ich
nicht,« sagte der Bürgermeister, der
sich auf seinen witzigen Richterspruch
nicht wenig zugute that, dem Bauer
den Rücken wandte nnd seinen Gästen
verständnißvoll zulächelte.
»Schön, HerrBiirsgermeister,« sagte
der Bauer, in dessen Augen es merk
würdig leuchtete, »ich will mit der
Entscheidung zufrieden sein, wenn
Sie mir das schriftlich geben.«
Um den lästigen Bauer los zu wer
den, willigte das Oberhaupt derStadt
em.
Und sofort setzte er in Gegenwart
kser Gäste mit seiner schönsten Schrift
eine Urkunde auf. Jn mehreren Pa
ragraphen war ausgedrückt, daß der
Bauer das Recht habe, Fliegen todt
zufeblagen, wann und wo er sie immer
todtschlagenskönne Zum Schluß kam
noch das schöne-, rothe Amtsfiegel un
ter das Schriftstiick.
Der Bauer las es bedächtig durch,
saltetie es zusammen und steckte es zu
frieden in seine Tasche.
,,So,« sagte er, ,,nun ist ja Alles
wieder in schönster Ordnung.«
Aber dann wandte er sich nicht zum
Gehen, sondern blieb steif wie ein
Stock stehen.
»Was wollen Sie denn noch-« rief
der Bürgermeister ärgerlich.
»Ich? Jch warte auf eine Flieg-:.«
Noch hatte der Bauer das Wort
.,,F-liege« nicht ganz ausgesprochen,
als sich eines der kleinen Thierchen
auf der feisten Wange des Oberhaup
tes der Stadt niedergelassen hatte,
und in demselben Augenblick hatte der
Bauer auch schon dem Herrn Bürger
meister eine so kräftig flinke Ohrfeige
verabfolgt, daß die Fliege todt auf
dessen getrofifener Wange klebte.
Der Herr Bürgermeister von Zui
deryn wollte wäthend aus den Bauern
losfahren.. . der aber meinte listig:
»Nichts fiir ungut, Herr Bürgrr
meister, ich habs doch schwarz« aus
weiß-das war die erste Fliege«
ietzt gehe ich aufs Steueramt und
sehe zu, ob ich dort auch eine oder
gar vielleicht zwei Fliegen todtschla
gen kann-« adieu auch die Herr
schaften . . ·«
W
Der Roman etnesitsheringw
Unter seltsamen Umständen wurde
in New Columbus ein verlorener
Berlobunggring wiedergefunden, des-«
ien Verlust seiner Zeit die Braut
leute entzweit hatte. George Well
hatte sich mit der Tochter einer ange
sehenen Familie verlobt. Die Hoch
zeit sollte stattfinden und im Städt
chen sah man der Feier mit großem
Interesse und herzlicher Antheilnahme
entgegen. Der Bräutigam hatte be
reits die Fahrtarten zur Hochzeits-»
reise nach Europa gekauft nnd wolltet
seiner Braut den graoirten Eheringl
überreichen. Diese war jedoch ein
wenig abergläubisch und wollte den
Ring unter keinen Umständen vor-der.
Zeremonie entgegennehmen. Well
steckte also das Kleinod in seine We-.
stentasche, und siehe da —das tücki-;
scheSchicksal that es nicht anders: er;
verlor den Ring Alle Winkel wur
den durchstöbert, die NachforschungenI
nach dem Ring nahmen kein Ende,t
aber er war und blieb verschwunden i
Die junge Braut war untröstlicht
Das Geschehniß schien ihr einet
schlimme Vorbedeutung zu haben, i
böse Ahnungen kamen über sie, und
ali- der Ring zur Hochzeitsstundet
noch nicht gefunden war, lIz sie denl
Bräutigam vergeblich warten, und die:
Verlobung ward gelöst ;
Bier Monate später ging der Bräu- .
tigam durch seinen Garten. An einem
Gemiiseheet erregte ein Kohltopf seine
Aufmerksamkeit der verkummert und
dürftig zwischen seinen Genossen da-«
hinsiechte. Well bückte sich, um das
Gcwächs auszureißen. Als er H
Wurzel fah, war Her Grund des vez
tiimmerten Wachsthums erklärthak
um die erdige Wurzel schmiegte siO
ein metallener Streifen —- der’·verl;
rene Ring. Well trug die PflanI
mitsammt dem Verlobung-Bring zsx
Mutter der Braut. Man überzeug:
sich, daß es der gesuchte Ring werT
So wurde man schnell wieder ein;
und die ver-zögerte Hochzeit wur!
gefeiert. T.
-- ---.-.-.-. —
Ein Gewittermesser.
Ein Apparat zur Auszeichnung ve«
Gewittern nnd zu ihrer Antiindigurj
auf größere Entfernungen ist v
dem kumschen Physiker und Elektxi
techniker Prof. Poposw geschaf«e«
worden. Der Verstorbene war ei
Borläuser von Wrconi. da er i
sich allein schon eine Empfangsstatm
fär drahtlose Ttlegrasphie eingericht
h-atte, ehe noch Marconi mit seinet
ersten Versuchen hervorgetreten wa?
Der russsische Physiker beschrieb dies
Neuheit auch in einer russischen Zei
fchrift, aber feine Leistung blieb ut
bekannt. Den eigentlichen Aus
gangspunkt für diese Versuche bilde
jener Gewittennesser, dessen erste
Exemplar auf dem Dach der Wettet
warte des , Agrononrischen Jnftiitut
in St. Petersburg aufgestelltwuv «
Der Elektrotechnische Anzeiger gi·
davon eine fachmännische Beschre«
bung nach der Darstellung von th;
lsicki. Auch Dieser Apparat hat bereit
eine Frsittröhre (Cohaerer), «die de
michtigste Bestandtheil der Apparat«
fin drahtlose Telegraphie geworde
isi. Ueberhaupt kanns man es nat
der Konstruktion dieses Gewitter-met
srrs wohl verstehen, daß er seines
Erfinder auf die Jdee der drahtlose
Telegraphie gebracht hat. Wenn de
Apparat von elektrischen Wellen, d
von Blitzentladungen ausgehen, er«
reicht wird, so erfolgt eine Aufzeick
nung auf einer in Drehung befint
tirhen Trommel, und gleichzeitig läu
tet eine elektrische Glocke. Der Klöx
pel «der Glocke schlägt dabei an d«
Frittröhre Dadurch wird dersStromz
’treis wieder unterbrochen und de
Apparat fiir eine neue Blitz-auszeic»
nuna aufnahmefähig Es ist dur(’
diese Vorrichtung der Nachweis vo
Gewittern gelungen, die etwa 5
Kilometer entfernt waren.
q
König und Anat-thun
Der junge König von Spanienbe
wahrt auch in schwierigen Lagen sei
seclisches Gleichgewicht, das bewei
solgender Vorfall, der sich in dies
Pnreniien abgespielt hat. Alsonso de
Dreizehnte lieht das Jncogniio. Die
ser Tage schlenderte er mit der Köni:"
’gin »durch die Straßen eines in de’
Nähe von San Sebastian gelegene
Städtchens, während sein Chausfeul
an seinem Automobil eine kleine Re
paratui vornahm. Unterwegs tratde
König in einen Tabailadem m
Zigare tien zu tausen, und bat eine
anderen Kunden um Feuer. Diese
aber wurde plötzlich kreideweiß: e.
hatte den König erkannt, und als Al
fonso den Mann genauer ansah, er
kannte er seinerseits in ihm eine
Anarchisten, Die infolge des Madride
Atteniatg irrthiimlich verhaftet wor
den waren. Da begann der Königz -
lachen, hielt den Mann, der Mien
machte-, davonzulaufen, zurück un
bat ihn munter, die Polizei zu ent
schuldigen, wenn sie von Zeit zuZei
auch unschuldige Anarchisten verhafte.
dafür lasse sie ja oft genug schuldig
Anarchisten entwischen.. . Sprach’å
nahm vorn Mieder der Königin ein
Rose und schenkte sie dem Raucheral
Dank dafür, daß er ihm Feuer gege
den habe.
-——.—.-.-s---—
Die versäumte German-ein
Eine kleine Wagnererinnerung ha
Emilie Ollivier tiirzlich zum Bestei
gegeben. Ollivier kannte Wsagnq
unt 1860, und er erzählte, daß ekth
damals nie treffen konnte, ohne das
Waner ibrn mir seinem start deutse
accentnirten Französisch erklärte
»Ich suche einen Bankier.« Einmal
als Ollivier seit mehr als sechs Mo
naten Wagner nicht mehr gesehen
hatte, begegneten die zswei einande
Ruf dem Bouleard. ,,’Eh bien,« fragt
Ollivier lächelnd, »haben Sie Jihtet
Bankier gefunden?« ,,Ja,« ertvtdert
Wagner-, dann aber, nach eini en Au
genblixlen der Uieberlegung, Fügte e
hinzu: »Aber er will niir kein Geiz
leihen...« Wieder schwieg Wagne«
eine Weile nachdenkan dann sagt i,
er sehr energisch: Der Schafstvpt
verläumt die einzige Gelegen«heit,be"«
rühmt zu werden«
,.
II
Eine Kohlennot für den kommendetss —
Winter wird von dem Kohlentrust it,
Aussicht gestellt. Wenn der Trusi e!
sagt, wird es wohl so kommen, es s«
denn, der Trust beschließe inzwischee
anders. «’