Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 27, 1907, Sweiter Theil., Image 7

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Tiferoldx
Jahrgang Liz.
Grund Jstemky Reve» 27. September 1907. (Zweiter Thau
Nummer 5 . z
""F«k2ndk." E
Freude, holder Himmelsgast,
lieberall bist du willlommen,
Unterm Strohdach, im Palast,
Gern und dankbar aufgenommen.
Wie ein lichter Sonnenstrahl
Schmeichelst du dich in die Herzen,
Alles Leid und alle Qual
Weißt du lächelnd fortzuscherzen. «
Deines Segess warmer Quell
Kräftigt neu die matten Glieder,
Trübe Augen werden hell,
Blasse Lippen lächeln wieder.
Dieletzte Jagd.
—1......
Pan Maria Rieck - Müller.
Autorisrrte Uebersetzung aus dem
Schwer-Haken
Der zeitige Frühling hatte bei
Ephtaim Granberg droben, dem
Starniisbauerm gewisse Merlmale
mit sich geführt. Es war wieder die
alte Geschichte mit der Waldlrantheit,
wie Albertina, seine Frau, es nannte;
nur noch früher und gleichsam toller
als in anderen Jahren trat sie auf.
Die Sache war nämlich die, daß
Ephraim, sonst ein kluger und über
legter Mann, wie verwandelt war, so
bald im Frühling der Auerhahn sich
im Walde hören ließ
Man mochte um diese Zeit aus dem
has eine noch so wichtige Arbeit vor
haben, er ließ alles stehen und liegen.
Und der junge Knecht mußte unter
dem Oberbesehl der Hausmutter schaf
sen soviel er konnte; denn während
dieser merkwürdigen Zeit der Auer
hahnbalze schien eine unübertvindliche
Unruhe und Narrheit den Bauern zu
beherrschen, die ihn zu allem anderen
untauglich machte, nur zu dem einen
nicht: mit der Büchse iiher der Schul
ter aus den Jagdföhrten umher-zu
streifen.
Sprach man von der Gesetzwidrig
teit oder der Polizei, so hatte das die
gleiche Wirkung wie ein Peitschenhieb
auf eine junge Möhre. Und in diesem
Frühling schien es, wie gesagt, noch
schlimmer als gewöhnlich mit dem
Umherstreisen werden zu wollen. Aber
es schien auch, als risse Mutter Alber
tina endlich die Geduld über dieses
Unwesen. Sie meinte, daß sie beide
schon in den Jahren wären, da man es
jüngeren Leuten überläßt, mitten in
der Nacht den Tag zu beginnen. War
er nicht nach jedem solchen Anfall von
Waldtrantheit wie ein ausgenomme
ner heringi Und selten oder nie
brachte er etwas Eßbareö heim, desto
mehr aber an albernem Geschwäß und
leeren Worten über all diese herrlichen
Vögel, die ihm Sinn und Verstand
raubten.
Jhm Vernunft predigen war, wie
sie wußte, völlig nutzlos. Doch Mut
ter Albertina war eine sehr schlaue
Frau und gewöhnt, ihren Willen
durchzusehen; zudem hatte sie im
Laufe der Jahre die Erfahrung ge
macht, daß man in solchen Lagen am
besten thut, die Schwächen der Men
schen auszunußen So hoffte sie auch
jeßt, einen Ausweg zu finden, um die
Narrheit ihres Mannes zu heilen.
Wie die meisten Leute hier oben war
Ephraim voll Gespenster- und Aber
glauben, und obwohl er es nie zuge
stehen wollte, war er im Jnnersten sei
nes Herzens furchtsam wie ein Hase,
wenn es sich um Sputgkeschichten und
dergleichen unbegreifliche Dinge han
delte. eDarauf nun wollte seine Frau
ihr heitmittel bereiten, daraus ihren
Plan bauen. Doch da sie ihn allein
nicht ausführen konnte, beschloß sie,
den jungen Knecht zu hilfe zu nehmen,
da sie wohl wußte. daß der des Bau
ern wochenlanges Fortlaufen von
Hof und Arbeit ebenso satt hatte, wie
sie selbst. Eh war also zu seinem ei
genen Nutzen, den Mund zu halten
und sich noch dafsr zu bedanten, daß
wenigstens einer hier aus dem Star
näshof tlaren Kopf behielt.
Seiner Gewohnheit getreu hatte
Ephraim Granberg sich eine gute Wei
le im Walde umhergetrieben. nach al
len Seiten lauschend und spähend, als
endlich das erste lichte Motgenroth
zwischen den Bäumen zu schimmern
begann. Ein wunderbar schön-, ver
heißungävollerFrühlingsmorgen brach
nun an, mit milder, klarer Lust und
allen sonstigen Anzeichen sür glückliche
Erlebnisse. Das that ihm auch end
lich noth, denn die mißlungenen
Sieeiszüge der lehten Tage hatten ihn
in einen äußerst gereizien und erreg
ten Zustand versehi. Es war sast, als
hätten alle Vögel des Waldes sich ver
steckt und ihn zum besien gehabt, denn
obwohl er unaushiirlich das «Knacken«
der beginnenden Auerhahnbalz und
»das »Blasen« des Birthahns hörte,
war nichts Lebendes zu sehen, wenn
er sich der Stelle näherte, von der die
Locktöne kamen. Die Morgennebel
führten Augen und Ohren irre und
machten die besiederten Sänger unlu
stig. Oder war er selbst vielleicht nicht
mehr der Kerl, die Freuden des Wal
des hier draußen mitzumachen? . . . .
Dieser Gedanke war plötzlich über ihn
gekommen wie ein düsterer Widerhall,
der von seiner Frau in der letzten Zeit
so ost gesprochenen Worte, und er hat
te zur Folge, daß Evhraim in diesen
Tagen wie ein Narr von einer Stelle
zur anderen lies, obgleich das Wetter
abscheulich war, und er wohl wußte,
daß kein Wild zu holen war.
Doch nun war endlich dieser herr
liche Morgen gekommen.
Ephraim setzte sich aus eine vom
Sturm gesällte Fichte, deren losge
rissene Wurzeln nach seuchterErder ro
chen. Er fühlte sich matt nach seinem
schnellen Marsch und vielleicht noch
mehr durch die Vorahnung dessen,
was nun unbedingt kommen mußte.
Er strich sich über den grau gespren
selten Bocksbart, während er mit ge
schlossenen Augen, und vorgestrecktem
Hals lauschte. all seine Sinne im Ge
hör sammelnd.
Hunachfr yvrre er nur Das Prepsrn
etlicher kleiner Vögel und das Nagen
eines Eichhörnchens. Doch plötzlich
vernahm er einen Laut, der ihn die
.Augen öffnen ließ und ihm einen
Schauer der Erregung über den Rä
cken trieb. Das war das erste knacken
de Schnalzen mit dem der Auerhahn
sein Spiel einleitet. Jn Ephraims
Pulsen pochte das Blut, sein ganzes
Jch war angespannt wie eine niederge
haltene Feder. Doch als die lockenden
Töne sich in ein-lautes Gluckfen ver
wandelten, da konnte er sich nicht län
ger halten« Nun war endlich das
Glück mit ihm! Und mit vorsichtigen
schleichenden Schritten, die Hand fest
urn die Büchse gepreßt, eilte er zu der
Stelle, von der der wunderbar liebli
che Ruf schallte. Er vergaß in seinem
Rausch völlig, sich darüber zu wun
dern, daß der Auerhahn die Stätte für
sein Frühlingsspiel gar so nah an sei
nem Hof gewählt hatte. Er genoß
nur die schönen Töne, die nun ganz
nahe waren und von einem großen al
ten Hahn herrühren mußten. ’
Da hatte er ihn schon! Auf einem
abgebrochenen Fichtenzweig am Berg
abhang, gerade über seinem Hof. Und
es war wohl der größte Auerhahn,
den Ephraim je im Leben gesehen
hatte. Fast war er bestürzt . . . Aber
im nächsten Moment dachte er daran,
wie still daheim Mutter werden wür
de, wenn er auf einen Griff eine solche
Beute mitbrächte. Und in diesem Ge
danken zielte er scharf und schoß ab.
Doch der Schuß mußte völlig fehlge
gangen sein; unverletzt saß der Auer
hahn da und setzte sein Spiel fort,
ohne sich erschrecken zu lassen. —
Ephraim wurde heiß, denn der Vogel
durfte0 ihm nicht entkommen. Noch
ein Schuß . . . ganz die gleiche Wir
kung. Doch diesmal sah er gleichwohl,
daß er den Auerhahn quer durchbohrt
haben mußte. Und et meinte den
Verstand zu verlieren, denn das Spiel
dauerte fort, und das entsetzlicheThier
auf dem Fichtenzweig dort rührte sich
nicht von der Stelle, nicht einmal der
Kopf oder der Fuß bewegte sich.
Das war der Teufel! Kalter
Schweiß perlte uf Ephraims Stirn,
seine Beine zitter en, während er seine
beiden leßten Schüsse abfeuerte, ohne
daß er zu blinzeln wagte. Als der
Vogel trotzdem sitzen blieb, und das
Spiel danach nur noch eifriger, das
Glucksen noch lebhafter, das Ruer
noch lauter zu werden schien, war es
Ephraim, als habe die Erde ihn fest
an sich gesogen, und er wußte nicht,
wie er von diesem furchtbaren Platz
fliehen sollte, an »dem der Teufel selbst
erschienen war und seine Künste trieb.
Er glich auch mehr einem Todten als
einem Lebenden, da es ihm endlich ge
lang, den hof zu erreichen, wo die
Frau gerade mit dem Melttiibel aus
dem Stall lam.
»Ist dir der Tod begegnet, Mann,
oder was fehlt dir?« tief sie nicht we
nig entsetzt. «
»Herr Jesus, nimm die Büchle und
alles, aber frag« mich nicht," stöhnte
er. «Unheil ist im Anzug . . .«
Und er stürzte in’s Zimmer, warf
sich in’s Bett, wie er war, und zog sich
die Decke über den Kopf . . . Er sah
natürlich nicht die merkwürdigen Mie
nen feiner Frau; auch lah er nicht, wie
der junge Knecht aus dem Walde
helmfchlich, viel erhitzter als gen-Ihn
lich. lustig mit den Fingern fchnalzend
und ein verhaltenes, verlchmihtes La
Ichen in den dlttzenden Augen.
Es war aber auch keine alltägliche
Sache, in einem Reisighaufen zu sitzen
und die Auerhahnstimme zu ziehen,
wie er eben gethan hatte, und einen
alten Vogelbalg so mitHeu und Stroh
auszustopsen, daß er einem balzenden
Auerhahn glich. Doch wenn das fiir
ihn und für die Frau auch ein paar
Tage lang eine schwierige Geschichte
gewesen war, so war der Nutzen desto
größer. Denn nach diesem schönen
Frühlingsmorgen schien der Bauer
plöylich abgeliihlt siir die Freuden der
Jagd —- und vom Auerhahn vollends
wollte er lange Zeit nicht einmal reden
hören. Ja, er ging seitdem nicht ohne
Begleitung in den Wald. Als aber
der helle Sommer kam, ging das all
mählich vorüber.
Doch nie wieder kam jene Zeit des
Umherstreifens. Und Mutter Alber
tina glaubte fortan noch unerschiitter
licher an die Berechtigung der Anwen
dung menschlicher Schwachen als
Zuchtruthe. s«
—.---·«
Der Gewissenswurm
Eine Geschichte aus dem Leben von
A. D e u t s ch.
Wir waren uns ganz zufällig in
Triest in einem der ersten Hotels be
gegnet und beschlossen, die Reise nach
Venedig gemeinsam zu unternehmen.
Unsere neuen Reisegefährten waren
Herr Sternfeld, Gutsbesitzer und
Bauunternehmer, aus Temesvar, seine
reizende Tochter Eveline und sein
weltmännisch gebildeter, weitgereister,
am Ende der Zwanziger Jahre stehen
der Sohn Leo.
Der Zug, welcher uns nach dem
Lande unserer Sehnsucht bringen
sollte, war nur schwach besetzt, und
bald hatten wir in einem Koupe zwei
ter« Klasse, ohne störende Fremde,
Platz gesunden und es uns recht be
quem gemacht. «Die Unterhaltung
wurde rasch animirt, wir hatten uns
lange nicht gesehen, wir lachten und
scherzten und waren voll froher Er
wartung der schönen Di·nge, die wir
in dem uns noch unbekannten Lande
wohl bald zu sehen bekommen würden.
Nur eines war störend. Herr Stern
feld senior blies unaufhörlich seine
Rauchwölichen aus seinen ewig glim
menden Zigaretten zur Decke unseres
Wagens, so daß der kleine Raum bald
ganz verqualmt war. Das war um so
unangenehmer, als man das Fenster
nicht öffnen konnte, da, es ar Ende
Januar, die Sonne zwar re freund
lich durch Ovi- Scheiben blickte, jedoch
trotzdem eine eisige Boretina vom na
hen Karst wehte und die Lust weilen
weit start asgetiihlt hatte.
Herr Sternfeld, der unser Unbeha:
gen bemerkte, zuckte bedauernd die Ach
seln und ließ folgende Epistel ’vom
Stapel: »Ach, verzeihen Sie, meine
werthen Freunde, ich sehe mit Be
dauern, daß der Rauch Sie genirt,
aber gestatten Sie mir, aus purer
Menschenliebe, daß ich dem Dampf
roß, das uns vorgespannt ist, noch
weiter Konkurrenz mache. Jch reife
nämlich, wie man zu sagen pflegt,
furchtbar schlecht. Kaum fide ich im
Koupe, ja kaum rieche ich den ver
dammten Kohlendamps, quälen mich
die rasendsten Kopfschmerzem die-bis
zum Ende der Fahrt nicht mehr wea
zubringen sind. Alle Pilleix und Pul
verchen habe ich fruchtlos versucht, nur
eines half, so bizarr es auch klingt
das unaufhörliche Zigareitenrauchen
meiner gewohnten Sorte. Nach dem
eigentlichen Grunde habe ich nie ge
forfcht, mir ist es genug, daß ich auf
diese Art, ohne Schmerzen zu empfin
den, reisen kann. Deshalb habe ich
auch immer genügend Vorrath. Ich
würde rasend werden, wenn ich wäh
rend des Fahrens aufhören müßte, zu
rauchen. Da sehen Sie, die eine
Schachtel ist schon leer.«
Damit nahm Herr Sternfeld die
letzten Zigaretten aus derselben und
legte sie neben sich. »Mein Sohn je
doch hat noch eine gefüllte,« setzte er
schmunzelnd hinzu, und auf eine viel
sagende Geberde seines Vaters griff
Sternfeld junior in die linle Brust
tafche und reichte die noch verklebte
igarettenschachtel seinem Vater. Der
o fnete sie und umfing mi einem lie
benden Blicke die wohlgezählten Hun
dert. Dann, die Schachtel sorgfältig
fchließend, legte er fie neben sich auf
den unbesetzten Platz.
Heiter floß die Zeit dahin. Wir nä
hertenuns der Zollstation Ventimigs
lia. Eben besprachen wir lebhaft die
Unannehrnlichleiten der Zollvisitation,
olö Herr Sternfeld, zu seinem Sohne
gewendet, sagte: »Ach, Leo, sei doch so
gut und stecke die Zigaretten wieder zu
dir, versteuern werden wir die hundert
Stück nicht, es wäre doch lächerlich,
sich damit aufzuhalten. Die leere
Schachtel wirf immerhin zum Fenster
hinaus, wer weiß, ob diese welschen
Spürhunde nicht irgendwelche Schlüsse
daraus ziehen würden. Vorsicht scha
det nie!«
Leo that, wie ihm befohlen ward.
Jn weitem Bogen flog die leere
Schachtel durch das Fenster auf den
Bahndamm, während er der gefüllten
sorgfältig den alten Platz an seinem
Herzen anwies.
Der Zug fuhr nun langsamer, ein
Ruck — und wir vernahmen die Rufe:
,,Ventimiglia! Zollrevisionl Alles aus
fteigen!« Nun gings los. Weit und
breit war kein Gepäckträger zu sehen.
Mit Mühe und Noth schleppten wir
also unser Gepäck eigenhändig in den
Visitationsraum und stellten uns ord
nungsmäßig vor den verschiedenen
Koffern und Köfferchen, Taschen und
Plaidrollen auf, während die Beamten
ihre Thätigkeit mit furchtbar wichti
gen Mienen begannen. Es war wirk
lich ein wenig unheimlich. Dazu trug
der große, leere Raum, durch den ein
empfindlich kalter Luftzug strich, und
das unangenehme Gefühl, die Behälter
öffnen zu müssen und fremde Hände
in unserem intimsten Eigenthum her-:
umwiihlen zu sehen, wohl auch viel
bei·
PO« IIL «, «,» k!«- L.-)
Zeus Uterus-W sum-« lecu »u
Ungemiithliche der Situation beson
ders zu wirken. Er war merklich blaß
geworden. und wahrhaftig, er zuckte
mit den Augen und seine Hände spiel
ten nervös mit den Kofferschlüsseln.
»Um Himmels willen! Was haben
Sie denn?« fragte ich höchlich erstaunt.
»Man sollte glauben, Sie wären sich
einer Schuld bewußt und zitterten vor
der Entdeckung!«
»Thue ich auch,« gab er leise zurück.
,,Sehen Sie. ich bin ein sogenanntes
Weltkind, das sich blutwenig aus
Bangen und Gewissen macht. Aber
seit heute fühle ich, daß es etwas gibt,
was uns deutlich mahnt, wenn wir
ein Unrecht begehen wollen. Nennen
Sie es die Stimme des Gewissens, die
mein Herz so rasch und stürmisch klo
pfen macht, mein Auge trübt, meinen
Puls beschleunigt, meine Hände zittern
läßt! Und dies Alles wegen der lum
pigen Zigaretten, die da in meiner
linken Brusttasche wohlverborgen ru
hen und die ich nun, meinem Gewis
sen zum Troge, justament nicht ver
zollen werde.« —
Eben nahte sich uns der Zollbeamte,
um die schon unzählige Mal an jeden
einzelnen gestellte Frage: ,,Haben Sie
oerzollbare Gegenstände?« auch an
meinen Nachbarn zu richten. Dabei
muß ihm wohl das merkwürdige, bei
nahe verstörte Aussehen Sternselds
aufgefallen sein, denn er ließ sich,
trotzdem Herr Sternseld verneinte,
sämmtliche Koffer und sogar die in
diesen befindlichen Kasten öffnen und
unterzog alles einer gründlichen Un
tersuchung. Freilich ohne Erfolg, wäh
rend er mein Gepäck auf meine Ver
siserung daß ich nichts Verzollbares
hätte. sofort mit dem erlösenden
Stempel versah.
Bald saßen wir wieder traulich ver
eint im Koupe und machten unserer
Entriiftung über die unliebsame Un
terbrechung unserer Fahrt laut Luft,
während unser glücklich davongelom
mener Schmuggler sich langsam von
dem ausgestandenen Schrecken erholte
und nun, mit einer zornigen Gebärde
die verhängnißvolle Schachtel seinem
Vater reichend, begann: ,,Hol’ der
Teufel die Heimlichthuerei. ich mache
das nicht mehr mit! Die Angst, die
ich hatte, das Herztlopfen, die Beine
zittern mir noch jetzt, ich hatte ja keine
Ahnung von meinem so lolossal em
pfindlichen Gewissen, von dem Wurm
in meiner Brust!«
Doch Papa Sternfeld fchmunzelte
pfiffig: »Desto besser werden mir die
Zigaretten nun schmecken. Du weißt
doch, Leo, gefchmuggelter Tabak, das
ift der ·richtige.« Und mit diesen Wor
ten öffnete er die Schachtel, um sofort
einen Schrei des. Entfetzens auszustr
ßen. Die Schachtel war leer —- Leo
hatte die gefüllte zum Koupefenfter
hinausgeworfen.
Einem unverbürgten Gerücht zu
folge soll der Tyrann von Venezuela,
Cypriano Castro, neuerdings erklärt
haben, alle Schulden berappen zu wol
len. Sollte das vielleicht ein Trick
fein, um dgs Anbinden neuer Bären zu
erleichtern.
st- stt It
Der König von Siam tauft auf fei
ner Europareise ungewöhnlich viel
Schmuckfachem darunter auch einen
Fingerhut für 875,000; ob die Frau
Königin den wohl oft bei ihren Flieh
arbeiten benutzen wird?
zwei-" Glückliche,
Stizze von Käte Lubowski.
Jm K«onversations-Lexiton stand
das kleine Nordseebad Billbüge zwar
noch nicht verzeichnet, und die Wenig
sten wußten daher von ihm. Und
doch war es eines Aufenthaltes wohl
I werth. Das farblos bleierne Bild, das
an windstillen, sonnenlosen Tagen so
Heicht aus Meer und Strand entsteht,
belebte hier saftiges, bis zu den Wo
gen herunterreichendes Grün. Darum
wirkte die Stille und Einfachheit die
ses sich langsam entwickelnden Ortes
auch niemals erschlaffend.
—- —— —- Jn dem langgestreckten
Speisesaale der »gol«denen Welle« sa
ßen sie beim Abendimbisz. Die gold
braun gebackenen Flundern wechselten
mit dem appetitlichen Gurlensalatab.
Es wurde tüchtig zugelangt und we
nig gesprochen. Nur die beiden Her
ren, die sich an dem angestellten Tisch
chen gegenübersaßen, benutzten jeden
Augenblick, in dem sie nicht von den
Gräten gestört wurden, zu lebhaftem
Plaudern. Der weißbärtige Mann
war der Professor der Geschichte,
Steinmetz, und der andere — mit dem
Zug deutlicher Abspannung im Ge
sicht-— ein junger Arzt, Namens
Bertenstein. Er hatte eine Tropen
reise hinter sich und trotz des regel
mäßigen Chinins immer noch mit der
Malaria zu kämpfen. Er behandelte
sich selbst. »Hitze, Arbeit und Frauen
meiden, dann wird’s wieder,« hieß
sxine Tiagnosr. Und danach konnte
e: nirgends besser leben als hier.
»Morgen kommt sie,« sagte der Pro
fessor jetzt in die Stille hinein, »also
nur noch sechzehn Stunden. Sie lä
cheln, junger Freund. Wohl Ihnen.
Viel Süßigkeit zwar... aber auch
riel Schmerzen werden Jhnen erspart
bleiben, wenn Sie dieses Lächeln nicht
rette-men.
--. - i «- -
»Kann cS Ulcyl llllcq clllc Syc Uyllc
beides geben,« warf der junge Arzt
ein und dachte dabei an die reiche, äl
tere Bankierstochter, die ungeduldig
auf feine Erklärung wartete.
Steinmetz zwinterte verlegen mit
den großen, hellen Kinderaugem
»Nein, nein,« tiefer dann mit un
gewohnter Energie, ,,verirren Sie sich
nicht. Sehen Sie, ich bin ein alter
Mann, aber wenn ich sie —————ver
zeihen Sie, daß ich nicht »meine Frau«
sage, aber sie hat noch so etwas Bräut
liches an sich ————— plötzlich ver
löre, wäre es aus mit mir...«
Seine Stimme wurde schwach. Er
verstummte.
,,Wollen wir nicht noch einmal an
den Strand gehen,« fragte er wohl
nach zehn Minuten. »Ich kann diese
Nacht doch nicht schlafen.«
Doktor Bertenftein nickte Zustim
H mlmg.
Ueber dem lichten Strandgrün
träumte das Lächeln des Mondes.
Mattsilberner Glanz lag auf dem
dunkelgesäumten Wellentleid des
schlafenden Meeres. Und die tiefe
Liebe des Alten zeigte sich mit der
Glorie der KinderseligteiL
»Morgen,« sagteer wie träumend,
»morgen,« um sich gleich darauf vor
seinem Begleiter zu entschuldigen. »Es
ist nämlich das erste Mal, daß wir In
den fünfzehn Jahren unserer Ehe von
einander getrennt wurden Jch sollte
der- Nerven wegen an die See Das
verursachte schon petuniär einige
Schwierigkeiten Aber es ließ sich
doch noch gerade einrichten. Für Zwei
war es eine Unmöglichkeit Sie ent
sagte eben. Jn vier Tagen hätten wir
es überwunden gehabt. Denken Sie..
da stirbt eine alte Tante und vererbt
meinem Liesel ————— wollte sagen,
meiner Frau ————— eine Vase aus
der Zeit Ludwig des Vierzehnten. Das
Glück schickt ihr ferner einen Liebha
ber, der zweihundert Mart dafür
l-ia·hlt· Nun kommt sie natürlich zu
mir . . .«
Jn Doktor Bertenstein glomm eine
begreifliche Neugier auf. Er sagte
sich: »Wenn ein Mann nach fünfzehn
iähriger Ehe seine Frau noch in dieser
Weise liebt, muß sie ein Wunder an
Schönheit sein...«
Und, ohne daß er es ahnte, sprang
kin tleinerFunte aus dem Flammen
herd des alten Schwärmers zu ihm
herüber. Auch er erwartete nun mit
leiser Ungeduld dieses Morgen.
,,Diirste ich vielleicht das Bild Ih
rer Gemahlin sehen?« bat er.
Der Andere blickte ihn verächtlich
an.
»Ein Bild!! ein Bild von ihr?
Jung-er Freund, was sollte mir das,
es würde mich höchstens ver-stimmen.
Wiedergeben läßt sich das eben nicht.
Oder haben Sie schon Ie gehört, daß
es Photographen von Herzensgüte und
Seelenanmuth gäbe?«-—— —
———————Die stille Nacht senkte ein
unertlcirli s Bibriren aller Gefühle
in das z des Arztes. Alles Gold
verlor in diesem zunehmenden Schat
ten seine Kraft. Die Wärme des al-v
ten Mannes verursachte ihm ein
Schamgefühl und starke Sehnsuchts
nach der Schönheit des Weibes. Er
emfand die Kur, zu der er sich selbsti
verdammt hatte, doch als recht schwer.is
Das Auge des Meeres kam ganz T
zur Ruhe. Die Nacht gebar den Mor- J
gen. Um drei Uhr Nachmittags sollte
Frau Professor Steinmetz ankommen.
Dr. Berienstein hatte sich in der lau-»F
gen, stummen Nacht ausgedacht, daß
er abseits auf dem Bahnhof das Wie
dersehen belauschen und dadurch seine
brennende Neugier befriedigen wollte."
Aber er führte es doch nicht aus. Vei
längerem Nachdenken erschien es ihmF
als ein Mißbrauch des geschenkten i·
Vertrauen. «
Er erstand einen Strauß zartblauer
lSeelilien und schickte ihn mit seineri
Karte in das Logis des ProfessorTHE
Gegen fünf Uhr machte er sich selbstis
auf den Weg. ———-— Wie er in dem.
ausgesucht eleganten Anzug dahin-,
schritt, lenkte er die Aufmerksamkeit’?
der Kurgäste auf sich. Er war auch :
roirklich eine auffallend schöne Er
scheinung. . . 7
Die Wirthin des Professors öff-?
nete ihm und nickte zu der gegenüber- if
liegenden Thür hin:
»Sie sind drin « Einen Augenblick
zauderte er. Dann klopfte er an. i
Nach dem überraschten, fast gestames
melten ,,Herein!« ließ er ihnen nochksk
diskret ein Weilchen Zeit, ehe er ein
trat.
Der Professor grüßte ihn mit jun
gen, strahlenden Augen Jn der Mitte
des Zimmers stand eine wohlbeleibte i
Dame und blinzelte dem Nahenden
in hülfloser Verlegenheit entgegen. Z,
Sie mochte wohl fünfzig oder noch ein«
raar mehr Jahre zählen und hatte ein,
Doppelkinn Die kleinen freundlichen;
Aeuglein lachten sonst sicherlich urver-;
gnügt aus dem rothbackigen Apfel-«
gesicht, das der Augenbrauen ent-;
behrte. Ein schmuckloses, Unmoder
nes Kleid bemühte sich, die Fülleihrer .
Glieder zu umschließen.
»Das ist sie, « sagte der Professor
stolz. »Ko«nnen Sie mich jetzt ver
stehen?«
Als Doktor Bertenstein endlich wie-i
der draußen stand, war der überlegene
Ausdruck, den sein scharfgeschnittenesi s
Gesicht sonst niemals verlor, ver-z «
schwanden. Etwas wie Rührung ar-.
beitete darin.
Die lächelnde Enttäuschung des
Welttindes schwieg. Nicht der alteZT
Mann Ida drinnen war—————- wie
er einen Augenblick gemeint hatte— «
————der Blinde gewesen, sondern er
selbst
Graue flatternde Schleier sch«?oben-H
sich aus seinem Leben. Er wurde den;
Kern gewahr Langsam erwuchs ihm;.-.;
ein feierliches Gelbbniß. Er wollte-»
rastlos versuchen, ob er fiir sein küh-Isj«;;
les, berechnendes Leben nicht auch das-E
Glijck guter Menschen gewinnen
könne. "«
Die Schnelligkeit des Lachfes.
Ueber die Geschwindigkeit schwim-.T
nccnder Fische sind bisher nur wenig-:
zuverlässige Beobachtungen angestellt
worden, was auch begreiflich ist, weils
dieFische selten eine längere Zeit ins·
einer geraden Richtung sich fortbewe- .
gen Jetzt hat Professor Metzger an-?
den Weserlachsen eine solche Feststel
iung vorgenommen Diese Fische man-ll
dein im Herbst von den Laichplätzenxj
in der Weser stromaufwärts und le
gen in 24 Stunden etwa 40 Kilo- »
meter zurück. Bei einem durch eine T;
Plombe gezeichneten Lachs wurde, wie -
die »Allg. Fischerei-Zeitung« mit
theilt, ermittelt, daß der Fisch in 82-«
Stunden 186 Kilometer in der Weserv
aufwärts geschwommen war.
F J
Jn Mittel-Amerika wollten sie vor
einiger Zeit den ewigen Frieden pro- k.
klamieren. Jetzt verlautet, daß ein,
allgemeiner Krieg zwischen den Erd-E
beben - Republiien bevorstehe. Diel
Leute sorgen wenigstens für Abwechs
lung. IT .
si- sc is- s »
Ein Apotheke-r im Prohibitions
s·aate Kansas erzielte aus seinem Re- k.
zepturgeschäste während eines Jahresi.xsl
845 und aus dem Verkaufe Von
Spirituosen »für medizinische Zwecke«ssj
VII-tm. Da brauchen die Georgianer ·«
aliDs noch nicht zu verzweifeln —
di- st- di
Die Stindard Oil Co wird sich-— ,
entweder nach einem anderen Stan- -"«
dard oder nach einem anderen Stand
ort umtun müssen
si- Ilt II IF
Vielleicht nehmen jene Engländer, E
die das ganze Jahr hindurch vorf
Sympathie siir die Leiden anderers
Voller triefen, sich einen Moment«
seit, um den Blick nach Belsast zu rieb-?
en