Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 09, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    Am « Heidedort
Roman von Y. von der Em.
(11. FortsehnngJ
· Wie neu, wie köstlich erquickend
wirkte dieser Frühlingstag aus Ma
« ve, gänz anders, als da sie znAnfang
— der oche gekommen war. Jbr schien,
als sei dies eine vertauschte Welt.
Mermanns fuhren aus einein ähn
lichen, grün geftrichenen Stuhlwagen
voraus, nnd Marie sah oft, wie lustig
Heinrich seine Peitsche schwenkte
Die Verwandten stiegen nrn Pfarrs
hanse ab, während die Wagen zum
Ansspannen in den Krug desFleckens
fuhren.
Die Pastotin, Fedor und seine
kleine rundliche Schwester Anna em
pfingen die Gäste; der Pastok ließ-sich
vor dein Gottesdienst nicht sehen; um
« die rstreuung zu vermeiden.
errie, die unbekannte Verwandte,
.—-, . von der FeDor rnit warmer Theil
nahme ge prechen, wurde herzlich be
griisst
Frau» Tran Beermann brachte der
Hase Pastorin eine frische Kalbstenle,
; . nnd Nile hatte für sie einen Korb voll
’ Eier, das wat alles gut im Hanshalte
« s- gebrauchen. Nach freundlichem
Stab-etc- nnd Nehmen zogen sie alle zuri
Pastor Muse, ein würdiger Mann
in mittleren Jahren, in der Erschei
; mg an seinen Onkel Dietrich erin
!nernd, sprach schlicht und um herze-i
dringend, und der ganze ottesdienst
verlies, unter einer aufmerksam lau
fchenden Gemeinde, in erhebender
Beise
Marie meinte, sie sei noch nie so an
Wig gewesen wie hier. Es berührte
die ganze Feier viel persönlicher und
vertraulicher als in der großen Stadt,
so Geistlicher nnd Gemeinde sich we
niger nahe standen. Nach dem Got
» Mdienst fanden sich auf dem Kirchhof
.-» gesehen den eingesnntenen Gräbern
« Leute zu tztrzer Begrüßnrig zu
«sWM·. « -, . . ...· .J
Zuch zur Pastorin trat diese undl
Frau mit einer Frage odereinemi
Erstiegen heran. Endlich tarnen alle
Verwandten im großen Wohnzimmer
UPfarrhanseö zu einem einfachen
T s ·- zusammen Anna besorgte
hanzfranlichee Geschäfti keit die
während Lisbeth hiibich anzu
sich gern bedienen ließ. Auch
Mir griff mit zu und fühlte sich
am heimisch
Als Hinrich ging, das Anspannen
in bestellen sagte Fedor zu Marie, er
wolle ihr den Garten zeigen, und sie
schritten den Mitte weg entlang
Der junge Kandidat sollte als
Klar bei einem älteren Geistlichen,
- der hinter Lünebnrg eine Patronat3
pfarrei inne hatte, eintreten und
mußte morgen abreisen. Jm Gehen
fragte er seine Begleite-tin theilneh
Z wend: »Wie gefällt es dir beim Groß
: Unter-? Kannst du dich auf dem Lande
H seit-gewöhnen?
; »Seht gut! ries sie freudig. »Mir
Us- iß, als umschwebt mich hier meiner
is Mutter Csiist, und Tante meint, daß
ich alle Arbeit, die hier dazu gehört,
-. :;- leicht lerne.«
Sie sprachen dann von der Kiiche,
» nnd Marie meinte, sie fühle sich weit
« inniger erbaut als in der Stadt.
' - »Ich wiinsche mir auch als späteren
Mittagskreis eine Pfarrei auf dem
-« Landes« erwiderte er »Schlichte
Frömmigkeit, wie sie uns das Herz
"" J;eingibt, die nicht fragt und deuteln
Ue nicht tliiger sein will, als Millio
sen andere, und die sich mit bescheide
W Biedersinn paart, findet man am
weißen unter unseren Bauern.« -
HJH Feder, und Großvater ist der
. » Ha hast du recht
» Sie standen am Ende des Gartens?
sfl ; und hatten einen schönen, freien Aus- ’
ExW vor sich. Hinter einem von
»;,» Ysschils umkränzlen Wasserspiegel. aus
s M sich Enten im Sonnenschein tum
-, j selten, erstreckte sich die Biehweide des
stoßen Bauerngehssts, das zur Seite
is ing. Kühe und Pferde suchten hier
. einträchtig ihr srischgrünes Futter.
FMnier Felder geradlinig in ver
nen Färbungen, und in der
dunkle Waldslteisen hinterein
’ , die Himmelsbläue von der
:1 - trennend. «
Die beiden jungen Menschen fühl
Y sich von der Schönheit des Früh
I ergriffen.
se begann wieder: »Sollte man
M möglich halten« daß es aus un
heerlichen Erde so viel Kampf
« Neid nnd Mißvergniigen gibts
" its müßte man annehmen,
Christen denen so viel Gutes be
’ ward, sich bescheiden in Liebe
Den-Warten daran erfreuten.«
· sage mir, woher kommt denn
sviel Elend und Unglück in die
. dein . menschlichen Unver
kiede Marie, nnd von der allen
. «- knnemhnenden Selbstsucht
W genießen: M das Leben
« s« hu mchenøtkiseåeiöglichiåtabee
It U W « n n et
seni ex sei- Mees vuv W
andere braun nnd klein«-«
J.
»Ja,« erwiderte sie mit einem ernst
sinnenden Zuge in ihrem frischen Ge
sichte, »wir haben unseren freien Wil
len und laufen uns doch damit ost
recht fest! Aber man ist nicht immer
allein schuld daran, nicht wahrs«
z »Da wir alle irren, kommen oft
viele Umstände zusammen.«
»Ja, das ist so. Ach, wenn man
nur immer das Rechte wüßte?"«
,Wer danach strebt. findet es.«
Mit leiser Verlegenheit fuhr er fort:
»Eine, die auch das Rechte s"r sich
nicht sieht, iß Vase Lisbet . Du
scheinst mir verständig versuche doch
sie zu beeinflussen, daß sie die kleinen
Eitelieiten fahren läßt und schlicht
und recht in der großen Wirthschast
ihre Pflicht thut. Sie darf sich nicht
von der kindlichen Lotte voranarbei-s
ten lassen, das muß ihr gegen die Ehre T
geben« « ’ ;
«Lisbeth ist hiihich und freundlich,
aber, ich kenne sie noch zu wenig. Wie
sollte ich es wagen, ihr Rath zu ge-«
ben.«
»Es werden sich schon Gelegenheiten
finden. Versprich es mir, dich zu ihr
zu halten, dann gehe ich ruhiger sort.«
Er bot ihr die hand, nnd sie legte
die ihre mit warmem Druck hinein.
Er war doch sehr gut und brav.
Er hielt einen Augenblick ihre Hand
und sah sie vertrauensooll an. »Sitz
beth hat ein warmes herz, sie ist aber
noch unverständig.«
Sie hörten hastige Schritte hinter
sich, blickten sich um und gewahrte-i
Hinrich, der mit sinsterem Gesicht ans
sie zusam. »Die Wagen sind da,«
Imnrrte er, «mnß euch ja an der Welt
EEUPe suchen«
; er net voran, uno vie oeioen an
Tderen folgten rasch
; Um Fenster der Wohnstube das
inach dem Garten hinausging, saßen
plaudernd die drei anderen Mädchen
FLisbeth hatte sich etwas zurückgelehnt,
sie war ungewöhnlich roth und ver
folgte mit zusammengetnifsenen Au
Jgen das Paar im Garten.
: Jhre Schwester, die taum sechzehn
Jiihrige Lotte, ein kleines. mageeeö
Ding mit dünnen gelblichen Zöpsen
und einem Kartoffelniischen prahlte
gegen Anna mit dem was sie könne
und im Hauswesen leiste: »Mutter
sagt oft, aus mir würde noch mal ’ne
tüchtige Frau für ’nen großen Bau
ern, aus Liöbetb niemals.«
»Wil! ich auch gar nicht. Lieber
nehm’ ich einen Dienst in der Stadt.«
»Na, so wass« rief Anna erstaunt.
»Wirtbin auf ’nem großen hof ist das
schönste, was ich mir denken kann.«
»Guck mal, toie dein Bruder mit
der fremden Base thut, « kicherte
Lotte. »Nu’ schütteln sie sich sogar
die hände «
Lisbetb biß sich auf die Lippen nnd
wandte sich mit feuchten Augen ab.
»Da kommt Hinrich!'« rief Anna.
»Ist gut, der bringt sie auseinander,
der ist immer am rechten Fleck. «
Am anderen Fenster saß der Pastor
mit seinem Onkel Dietrich bei einem
Glas Wein. Die beiden Männer ver
standen sich gut und verbandelten ost
ernste Fragen. Der alte Kruse hatte
im Winter manchmal die Kirchsabrt
seines Hustens halber versäumen müs
sen, nun war- Pastor Kruse erfreut,
den werthen Alten wieder bei sich zu
eben
»Wie siebt’s in deiner Gemeinde,
Pasior, sind wieder-Beichtlinder von
dir in die Stadt gezogen?«
,,-Leider mehrere, die großen Städte
sind wie Magnetdech
»Was die Leute m dem Hauen und
Rennen im stickigen Dunst und zwi
schen engen Mauern nur wollen«-»
sagte der alte Mann kopfschüttelnd
»Wer arbeiten mag, hat hier doch
auch sein gutes Brot; ahei sie jachtern
alle hoch hinaus und haben in der
Stille und am Kleinen nicht genug.
Verdienen sie in der Stadt hie und
da einen Groschen mehr, so schürten
sie den Verdienst bald durch die Gur
gel oder verthun ihn in Firlefanz.«
»So ist der Zeitgeist jetzt, der züch
tet den Größenwahn,« seufzte der Pa
stor. , is
»Ich habe schon manchmal gedacht,« ;
hob Großvater bedächtig wieder an,
pman sollte hier auf dein Lande irr
Jugend-auch mehr Spaß gönnen, hie
kund da ’ne harmlose Lustbarkeit ver
anstalten. Was meinst du dazu.
Bastar? Dann bliebe das junge Voll
lieber da, wo es hingehört.«
»Bielleirht hast du recht, OnlelDiet
rich, Jugend ist unruhig, wäre si«
nicht. käme sie nicht voran. Geht We
ins Wilde, mugsie oft schmerzliches
Lehrgeld zahlen
»sechs-ihn sind nöthig- bringen Geld
ins Land, verschlingen aber Menschen
- kraft. Gesundheit und Glück, wie so
’n alter Feuergöhe ——-«
»Woloeh.« eran e der Pastor.
»Meine-D sagt: s näde es dem
Menschen, wenn er die ganze Welt e
tcan und lttde d aden an ei
ner sech« ach W
Hinrich trat ungesiüm ein und rief
die Wagen seien da.
Der Ausbruch erfolgte, und, die
Seelen erfüllt von den verschiedensten
Eindrücken und Gedanken sulkr man
beim.
. .
14. Kapitel.
Hinrich ließ sich einige Zeit nicht
aus Großvatersv Hof sehen, unmnthig
that er seine Arbeit. Ebenso Los-s
hangerisch ging Lisdeth umher. -
Die Bestellung des Ackers drängte
jetzt. Die drei Brüder Beermann
waren mit Knecht und Jungen und
allen sechs Pferden täglich draußen,
um zu pflügen. zu engen und zu säen.
Jn- ganzen Dorfe herrschte geschäfti-;
ges Treiben. Es schien, als seien sit-s
gleich mit der Natur diese ihr so nahel
stehenden Menschen aus dem Winter
schlas erwacht.
Auch der alte Dietrieh Kruse be
stellte mit Peter sein Land; ihm war's
immer eine rechleFreude, wenn die
Feldarbseit anging, und es dünite ihm.
als werde er allemal wieder jung
wenn er den ganzen Tag in der sei
schen Lust zu thun hätte·
«""Rite nahm eine große Frühjahrs
wasche vor, man konnte jetzt so schön
bleichen, und sie sreuie sich. an Marie
eine zitchtige Hilfe zu haben.
Die Bäume singen allmählich an
lzu blühen, die Butterblumen waren
da, gelte Gösseln weideten im Gras
garten. und die ersten Kilken kamen
aug. Nun war ja auch der Mai da,
der Monat, in dem ein großes freu
diges Werden durch die in dieser Ge
gend spät erwartende Natur geht
Marie stand aus der Diele mit
Jette am dampfenden Waschsasz. wäh
rend die Tante am Herde das Mitta -
essen besorgte. Ei war ihr noch ni t
gelungen, vertraulich mit Lisbeth zu
reden, so gern sie auch das Feder e
gekene Versprechen halten wollte. Es
schien. als weiche die Base ihr aus,
vom ansiin lichen Entgegentommen
war keine -pnr mehr. Es mochte
wohl in der eiligen Arbeitszeit liegen,
sie hatten jetzt ja auf beiden Bösen
alle hände voll zu thun. Marie war
einige Male Abends mit Großvater
oder Tante zu Beermanns gegangen,
hatte Hinrich aber nicht gesehen. Er,
der in der ersten Zeit ost dagewesen,
war seit Sonntag sortgebliehen. Seine
Bruder kam-en doch manchmal, wes
halb ließ er sich nicht sehens
Großvater kam nach Haufe, er ging
an den Brunnen, utn sich zu wafchen,
uSndllPeter brachte die Pferde in den
Sta .
) «Könnt' bald aufhören," rief Tante
Nile »das Essen ifi fertigf
Aber da waren noch ein Duhend
Stücke durchzuwafchen, und Marie
fagte zur Magd, sie wollten sich spu
ten, die Wanne erft leer zu schaffen.
Da that sich die lleine Seitenthiir
auf neben dem Wafchplak, und Hin
rich trat hafti herein.
Er begriff elbft nicht, daß er da
war hatte er frch denn nicht Sonntag
gelobt, ihr aus dem Wege zu gehen?
Was wollte er hier? Ganz in Gedan
len, aus alter Gewohnheit, war er
hergelaufen, wie er eben vorn Felde
karn, und nun stand fee da arn Wasch
fak und fah ihrn mit ihren großen,
blanten Aug-en freundlich entgegen.
Und fie, fie freute fich, daß er wie
der da war. Es war doch ganz na
türlich, daß er Großvater besuchte,
daß er ihretwegen den Hof bettete
oder es lasse, war ihr noch niein den
Sinn gekommen
»Na, tüchtig bei der Arbeit? fragte
er und trat zu ihr heran.
Er nnd da, wie er vom Säen
lam. r leere Sack hing ihm noch
um die Schultern, fein krauses Blond
haar tlehte auf der braunen Stirn.
Es war eine schwere Arbeit stunden
lang in gleichmäßigem Schritt durch
den lofen Acker zu schreiten und mit
ftarlem Arm, in kräftigem Schwung,
das Saattorn auszuwerfen heiß und
müde war er geworden, aber er machte
sich nichts daraus. Der Boden klebte
an feinen dicken Stiefeln, das md
war atn breiten fonnenrothen lfe
nur locker zugehunden, er duftete nach
dein Erdboden» nach Frühlingöluft
und Gesundheit.
Sie blickten sieh ein paar Gesunden
in dieAugen und fpiirten ein dunkles
Gefühl, als hätten fee sich noch nie fo
recht ungesehen
Eine kleine Verwirrung umme
dend, erwiderte sie: «Glaudst du, daß
du allein fleißig bist? Sie begann
wieder die Hände zu rühren.
Sein Blick haftete auf ihren fefien
weißen Armen; da sie gewöhnt war,
lange Aermel zu tragen, zeichneten sich
die gebräunien Hände auffallend von
den fan bis zur Schulter entblößien
weißen Armen ab. Eine unbändige
Luft partie ihn, feine Hand um diesen
runden, weißen «-Oderarm u legen,
und ehe er fein Begehren ich recht
kiar gemacht, umklammerien die fünf
braunen Finger feiner starken Hand
gössiädchens weichen Arm mit feftem
r .
Erschrocken nnd heiß errsihend,fah
sie zu ihm au .
»Ich kann ch meine Bafe mal an
fassen!« fagie er tradqu
Sie hob ein nasses "fchestiick und
fchlu eiihrn mit· aufbli enden Au en
um ie Ohren. Aerger ich rief ro:
«Und ich kann meinen Vetter doch mal
was-den« Die kleine Magd quiekte
vor Vergnügen
Er traf und sprudelte vom beißen
Seifenwa r und wischte sich das
G: i mit dem handriieten
. diesem Augende strat der
Großvater heran. »Mit dich auch mal
—
sehen, meinv its-Ei Aber ich weiß,
hasi tüchtig rbeit, wie wir alle.Wie
vielMorgen haft du schon ausgesät?«
»An die zwanzig, Großvater.«
»Na wird’s aber Ess;:nözeit. Mutter
wartet zu Haus« grüß sie.«
Hinrich suchte noch einen Blick von
Marie aufzufangen, sie sah aber auf
ihre Wäsche nieder.
Als er hinaus war. trocknete sie sich
die Hände. band eine reine-Schürze
vor, strich sich übers Haar, und dann
setzten sie sich alle zum Mittagessen
nieder. Das Mahl quse meist
fchweiasam verzehrt, waren sie doch
alle müde von der Arbeit und hungrig.
Marie mertte heute nichts von dem,
trag um sie her vorging, mechanisch
stihrte sie den Löffel zum Munde.
Jhre Gedanken lehrten immer wieder
zu der kurzen Begegnung mit hinrich
zurück. Theils freute sie sich, Hinab
getrumpft zu haben, theils that et ihr
leid. War ihm die scharfe Lange auch
in die Augen gedrungen? Das bi elte
arg. Ob er ihr böse war? »Sie tte
ihn gar nicht mehr ansehen mögen,et
was wie Befchämung war iiber sie ge
kommen. Aber Strafe mußte sein.
Welche Derbheit, welche Mal-ein siez
sa anzupaclen. Sie lonnte so wasl
nicht leiden. —- »
Die Wäsche hatte einige Tage in
der Bleiche gelegen, war fleißig be
gossen und vorn Hofhunde bewacht
worden. Nun meinte Tante Rächer-,
es wären da noch Spinnenflecke und
Stellen von abgefallenen Bliithen, die
müßten noch einmal durch recht heißes
Wasser.
Marie stand am heed und hob den
Kessel mit lochendem Wasser, um das
Iseug zu überdrühen. das durchgema
Jschkn im Tubben lag. Da lippte r
Esiesseh und ein starker Schuß r
Flöhendheißen Flüssigleit strömte
über ihre-kirrte band, so das sie vor
Schmerz auffchrie.
« Die Tante sprang herzu, ette
nahm ihr den Kessel ab, und arie
lzvb jammernd die verbriihte Linke,
über die sich große Blasen hie-zogen.
»Armes Ding!« rief Tante Nile,
»ges; gleich mal zu Trina, die isi ein
ganzer Dotter, die weiß für so was
am besten Rath, aber ein bißchen helf
ich auch.«
Es wurden getiebene Kartoffeln
auf die Hand gelegt, die tühlten und
lindeetem «
..
I »Hier in noch so vier zu thun,
- ante.«
»Die Arbeit machen tvir fchon al
lein, Marieten, du tannft ja doch nicht
mehr zufaffen. Leg dies Tuch um
deine Haut-.u
Da ging Marie mit einein feltfai
nien Gefühle von Beklemmung nach
Berrmanns hof hinüber.
Es war heute das erfte Mal, daß
sie allein das Anwefen betrat. Die
hunde tannten sie fchon und tatnen
wedetnd heran, sie aber lehnte einen
Augenblick am offenen Thor und ließ
den Blick unrherfchtveifen.
Jhr fiel jeht erft ein, daß hier ihre
liebe Mutter geboren und daß sie von
hier entflohen fei. Wie sie das nur ge
kannt-hattet Unter dtefen alten Ei
chen, die sich eben mit gelblichetn Grün
til-erzogen, war die kleine Dorette
groß geworden. Welch fchöne, ehr
würdige heimath!
Marie fühlte, daß auch ihr dies
Dörfchen fchon eine Heimath gewor
den fei. Vielleicht als Erbe ver
Todten? Oder als Troft und Zu
flucht? Der dritte Stock in Gold-im
merit haufe, in der unruhigen Leip
ziger Straße, wo sie ihr junges Leben
zugebracht und kürzlich fchtoer gelit
ten hatte, flößte ihr nicht das Gefühl
ein« dort hinzugehoren und dahin sich
attezeit zurückfehnen zu müssen. Jrn
Gcgeniheih rnit Schreck dachte sie an
das Vaterhauo. aber hier wünschte
sie zu bleiben, hier fühlte sie sich
wohl und geborgen, hier in der Hei
math ihrer Mutter.
In der Mitte auf dem weiten hofe
ftand das alte Bauernhaus5 wie
manche feiner Bewohner mochte es
You überdauert haben! Der- ganze
au, mit dem gebräunten Gebältund
dein vorfpiegelnden Giebel, wie selt
fcun verschieden von allen Häufern der
rohen Stadt. Die rohgefchnicten
Hierdetöpfe darauf hatte Großvater
ihr als Niederfachfens Pahrzeichen
gedeutet. Das gewaltige, rnitMoos
tibetsogene Sirt-Weh- die nachgewa
telten Backfteinfiicher der Wände, das
zurücktretende Dielenthor und dienen
veren verfireut liegenden Baulichteiten
nenfaßte sie rnit liebevollern Blick. Ei
war alles viel geräumiger und statt
licher alt beim Großvater. Acker
geräth ftand auf dem Ho »und Vieh
ztried sich umher. Jm limpel der
Quhle fchnatterten Gänse und Enten,
zan dem Rande des Ziehhrunnens
E stand ern mächtiger Dahn und trähte,
ein hiihneroolt scharrte ar- Dli r
pia , und junse Zettel fchniiffe ten
nnr r . Sie ging ins haus.
Die Viehsiände zu beiden Seiten;
der Diele waren leer, die Kühe auf der E
Weide, die Pferde zur Arbeit. Tran .
schaffte am herve. «
»Sieh nur« Tante,« sagte Marie
und wies der Frau die Brandt-losem
Ach, du arme Deetwi Na sei mqn
zufrieden, komm in vie Stube, habe
da «n schönes Mittel. Brennt wohl
gräßlich?«
In »der Stube saß Licbeth am Jen
ster und nähte ein onus d. Ma
rie ing zu ihr be an. ,. rum be
lud-L du mich nicht molk
« ir haben immer zuthun.« Lis
beth wandte den Kon und sah um
Fenster hinaus. Ihre Mutter egte
ein kühlendes Oel auf die Brandt-la
sen, gab unter Verhaltungsmaßregetn
der Nichte ein Fläschchen und iiks zu:
iiia zu ihrer Arbe
»Dari ich mich etwas zu dir setzen,
List-ethi«
»Bitte.«
Marie nahm einen Stuhl. »Hast
do trink Nähmaschinei Jch habe zu
Hause eine von meiner Mutter-, die
alles siir uns und auch siir andere
nähtek
»Mutter xfindet eine solche siiidtische
Mode bei uns iitersliissig Jch soll
nur selber meine Hände rühren.'· .
Weshalb hitst du nicht draußen?«
»Weil ich nicht mag."
ör mal Lisbeth da ist einer, der
sich etriibt daß du nicht des er deine
Pflicht thust«
Das Mädchen fuhr dunkelrotb aus.
»Wer ist das?«
»Unser Vetter Fedor.«
«Hat er dir das am Sonntag ge
sagt, als ihr so lange im Garten
waret?« Sie lauschte nihenilos.
»Ja, erst sprach er schöne sromme
Worte and dann bat er, ich soll mich
zu dir halten, was ich ja gern titue
wenn du nur willst-— «
»Und daraus gabst du ihm die
Hand-P
Marie bejahte.
Ein Ausleuchten ging über Lisbetbs
seines Gesicht, und sinnend erwiderte
sie: »Er hat mir auch viele gute Leh
ren gegeben, aber-ich iann und will
kein aernweib werden Nein, ich
will nicht! Aber dich, wenn du es gut
mir mir meinst, dich will ich lieb
Len. Du bist doch anders als ai-:
hier-X
Sie sprana aus und wars ihre
Arme Marie um den Hals. Diebeii
den Mädchen hielten sich eng antsaszi
und siihltien sich in herzlicher Freund
schasi verbunden.
.Man muß aber doch zugreisen,
Liese,« begann Marie wieder. »Sieh,
ich habe in der Stadt alles allein ge
than, wir konnten nie ein Dienstmäd
chen halten«
»O, das wollte ich gern; ich ioche
auch manchmal. Wenn ich eine nette
Kiiche hätte. wie see sie im Pfarrhauses
haben, und eine kleine Wirthschast, .
wollte ich vorn Morgen bis zum
Abend rühren, aber Bauernarbeit mag
ich nicht. « I
Lisdeth wurde abgerusen und Mais
rie ging. Sie trai vor der Thiir Lotte,
die in einem kleinen-Trog Grünzeug(
hackte und stampste
Gortsetzung folgt-)
Pekingsparis per Auto.
Kühne Autornobilfahrer haben das
Wagniß einer Fahrt von Peting nach
Paris unternommen. Es liege-n fest
interessante Berichte darüber vor. Jn
der Mongolei erregte das Erscheinen
dek ersten Autornobils bei der einhei
nrischen Bevölkerung überall Neu
gierde. Von Urga aus hatte sich die
Kunde schnell weit im Umtreis ver
breitet. Der Bevölkerung des Zula
tals hatte sich eine große Erregung be
mächtigt und sie strsmte haufenweise
im hofe der russifchschinesischen Bank
in Ur a zusammen, wo die geheimnis
volle taschine zu schauen war. Auch
der Tartarengeneral, der die chinesi
sche Garnison befehligt, versäumte
nicht zu erscheinen. Er erkundigte sich,
ob die Europäer eine aus Autonrobilen
fahrende Truvpen hätten und war von
der verneinenden Antwort sehr befrie
digt. Der chinesische Gouverneur bat
sogar um die Gunst, eine Spazierfahrt
irn Autornobil machen zu dürfen. Das
gab einen höchst sonderbaren Aufzug.
Der Gouverneur erschien in seine
buntseidenen Prantgetviinder gehüllt
und bestieg ioiirdevolt das AutomobiL
hinten vendette vergnügt sein Zöpf
lein. Dann tamen Soldaten, Hirten
und andere Reiter, umgaben das Au
tomobil und . unter wildem Geschrei
feste sich der Zug in Bewegung durch
bie Straßen der Stadt. Manches
Roß trug zwei Reiter. Eine vom rus
sxschen Cornite in der russisch-chinesi
schen Bank veranstaltete Festlichteit
beschloß den Aufenthalt in Urga.
Dann ging die Fahrt weiter. Vor
bei an dem heiligen Berg Bogdmola
und dern Grabmal Tschin is-Chans.
des Gründers des ersten ongolens
teiches. Aber die 200 Meilen, die die
Autonrobilisten von Urga bis nach
K·achta, der ersten Stadt auf sit-tri
ttst-m Liedes-.- gyxktktisslkgsu Mem
neuren ihre wein-tauchten uno ihre
Ausdauer aus die hörteste Probe. Sie
waren nach im Angesichte Urgaö, als
das Automohil sich aus die tinte Seite
neigte und nach hinten zu in einem
Sumpf versank. Das rechte Hinter
rad drohte zu zerbrechen; alle Anstren
ungen, durch die Kraft des Motors
ss ich aus dem Morast herauszuarbeiten,
waren vergeblich. Aus den nahegele
genen hätten tamen die Bewohner
neugierig herbei. tonnten aber nicht
helfen. Endlich zeigte sich eine Kara
wane, die aus Ochsentarren Holz be
fördertr. ' Die mongolischen Führer
waren gern zur Dilse bereit. Sie lu-!
den die Stämme »ab und benutzten sie
ais hebei. Drei Stunden arbeitete
man mit großer Anstrengung. End-l
lich, als man drei Ochsen mit Seiten
vor die Maschine gespannt hatte und
ein hausen herbeigeeilten Volks frei
willig mitwirtte, tonnte man das Au-!
tsmadil nach hinten aus dem Sumpsi
ziehen.
Da teine Straße vorhanden war«
mußten die Fahrer die Richtung mirs
demtåompaß suchen. Jetzt ging est
über einen Hügel, der aus der andernt
Sen- caichüsn im, vsß die Preuss-(
nicht auszurei en schien, die Maschine
zu balteng und diese jeden Augenblick
in den Abgrund zu fiiirzen drohte.
Dann galt es wiederum, durch große
Btöcke, die auf dem Wege la en, ge
schickt hindurch zu steuern. m Nach
mittag geriet -.n sie dann wieder in
einen trügerif en iorfartigen Sumpf
und zwar diesmal so tief, daß die
-Achfen der Räder, der Benzinbehiiltee
und der feine Differential-Mechaniss
musim Schlamm steckten. Fest schien
ie La e der Reisenden fat verzwei
felt. « ie befanden sich allein in der
riesigen Ebene, inmitten der Binsen,
Jrisdiifche und Sumpfoflanzen, leine
menschliche Hilfe war nahe. Sie der
mindern die Belastung des Automoss
bilg, aber es versinkt immer mehr· Sie
suchen die Räder durch Graben zu be
freien, aber immer wieder verschwin
den diese im Schlamm. Schon legen
die ermüdeten Reisenden verzweifelt
die Werkzeuge aus der Hand und wol
len sich zur Ruhe ausstreckem da
kommt ein Zug eines auf der Wande
rung Pegriffenen Mongolenftamms.
Der Fuhrer isi im Zweifel, ob er die
Rettung unternehmen und sich den
oerbeißenen Lohn von 50 Rubeln ver
dienen kann. Unierdefz kommen ein
zeln viele ander Reiter an. Sie
schleppen vom S tlel aus Baum
stämme hinter sich her und treiben
»Ouier heran. Endlich, nach vier
Stunden, isi die Maschine etwas ge
» heben, »sie bewegt sich, schwebt«. Dann
xwerden die Ochsen dorgespannt, der
iMotor angelassen, das Gelnatter er
jichreclt die Thiere, sie ziehen an. was
! das Zeug hält, und bringen das Auto
;modil aufs Trockne Die Mongolen
inibrten es dann aus der fumpsreichen
Ebene heraus indes hügelland von
Daturbada. Es war eine poetische
Fahrt durch die vom Mond defchienene
Landschafi mit den Mongolenreiiern,
»die ihre Lanzen schwangen.
Am nächsten Morgen wurde die
Reise vorsichtig wieder aufgenommen
und man erreichte den 1000 Fuß brei
ten Jro-Flufz. »Da man lein holz
zum Bau eines Floßes fand, so mußte
man die Maschine demontiren und
von Ochsen durch das Wasser tragen -
lassen. Das dauerte zwei Stunden
und auch hier zeigten sich die Mongosk
len freundlich und hilfsbereit. Noch
andere Schwierigkeiten erwarteten die
Reisenden. Bei den Höhen oon Isi
dii wurden sie durch große Sanddlöcke
aufgehalten und mußten die Straßen
mit Hatten fäubern. Bei Kiachta
überraschte sie ein schlimmer Sand
sturni, der das Automodil fast umzu
wehen drohte. Am Abend kamen sie
dann in Macht« an, iiber und über
mit Schlamm und Staub bedeckt,
todtmiide. aber froh iiber den schönen
Sieg und von den russischen Bei-ör
den freundlich begrüßt.
Von Kjachta gingl die Reise regel
mäßiger oor sich. nter strömend-im
Regen fuhr man ab, die Stadt schlief
noch. Jn Troiztosfowöt machten die
Bewohner eben die ensterliiden auf.
Jn den verlassenen traßen sah man
nur die und da die Kosalengruppem
die ihre Pferde träniien Dann ging
es durch eine Landschaft, die schon die «
Anfiin europiiischer Kultur otrrietli:
primitoe Straßen, an denen in Ab
ständen rothe ruf ische ostftatioi
nen stehen, Windmii lea au den Hit
eln, niedrige troiiaartig bespannte
ostiutschen, deren Jnfassen neugierig
das Automobil musterten. Jn den
Dörfern, die um die Kirchen mit ihren
grünen Kuppeln liegen. fliehen die
Kinder und Thiere erfchretit vor dem
dabinfabrenden Ungeheuer-. Alles ist
schon ganz russisch; als das Metamo
dil iider die Selenga bei Novi Sien
insi auf eine große Ruderbarie ge
setzt wird, kommt das erste Dampf
schiff in Sicht. Abends um 6 Uhr
setzen die Reisenden von einem bewal
deten hitgel aus die weißen Häuser
von Werchne - Udenät an der trans
siibrischen Bahn. Von bier aus wer
den fie über den Bailtkfee nach Ir
kutsb der hauvistadt von Ostsibirien,
zu kommen suchen.
,
Die Romanschreiberin Marie Co
relli hat aus das ftiirtere Geschlecht
abermals einen heftigen Angrifs ver
übt. Das geschieht den Männern ganz
recht. Warum hat sie niemand gehei
ratet nnd aus andere-Gedanken ge
drachtt ,
I I H x
Troß der größten Anstrengungen
des staatlichen Arbeitsnachweisecrmtes
und der Former von Kansas herrscht
dort immer noch ein heiingstigender
Mangel an Erntearheitern. Haben
die Herrschaften schon ihr Glück mit
Trading Smng versucht?
II I .
Der hannoversche Anzeigee berich
te von- einem Radrennem »Das
tundenmatch Rosentöcher - Dresden
nnd UeittverthiPtauen ergab einen
Sieg des Dresdners, der in der Stun
de 71,850 Kilometer zurücklegte.« Die
Sachsen sind nicht htosz helle, sondern
auch schnelle. «
O O I
Ein Yantee. der zur Bewunderung
eines Echos in England aufgefordert
wurde, sagte! »Ihr scheint mir-von
Echoö in diesem Lande überhaupt
nichts u verstehen. Jn meiner Som
mer-eß eng in den Rockn Mountains
dauert es acht Stunden, bis Jhr das
Echo Eurer Stimme hört. Wenn ich
Mit gehe, stecke ich den Kopf zum
Her hinaus und rufe: ,,Zett zum
usstehen!« und das Echo epeett mich
am nächsten Morgen-«
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