Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 05, 1907, Sweiter Theil., Image 6

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    Der Jlluim mit den vielen Jiumm
Rriminolsdfioman von Auguskc Groner.
(1. Fortsetzung)
»Und Helene?«
- IDie bleibt besser zu Hause. Zu
viel Musik ist nicht gesund für solch
ein junges Mädchen «
' Egon erhob sich, um in fein Zim
mer zu gehen, und auch Käthe ver- (
ließ das Gemach. !
Als Nora sich allein sah, ballte sie »
die kleinen hübschen Hände und stieß
entni ihren Stuhl zurück Dann:
at ge in den Erter und überblickte
die große silberne Schale aufwelcher
sie Egons Frühstück so wunderschön
hergerichtet hatte.
Es befand n ch fast alles noch genau
’ so darauf, wie sie es hat2e herein
bringen lassen Von den appetitlich
, belegten Brödchen, die er so geloth
tie er nicht ein einziges genommen.
’ ur ein Gebiielstiicl, mit dem sie gar
ni is zu thun gehabt, hatte er ge
i
i
wie s
»Und letzthin hat er soi ele Brod-;
« chen gegessenf murmelte ie junges
rau »Aber freilich, Hedwig hatte
gestrichenk
- Auch sie ging in ihr Zimmer und
Abereegte, welche Toilette sie für das
Obendliche Konzert wählen sollte.
t Schwarz, natürlich immer noch
ichwatzl Dieses endlose T Juerjahr
war ja leider noch immer nicht vor
l kbetz aber wenigstens konnte sie schon
ski solchen Gelegenheiten durchbeb
Fchene Stoffe und Jettschmuet tragen.
l Sie wählte also ein mäßig ausge
ittenes, reich mit Flitter gestickte-T
wurzes Spitzenkleid und ein aus
E platten hergestelltes Kollier, das
Weiße ihres Teints noch mehr her
i vor-hob Sie wußte, daß sie in diesem
i Kleide reizend aussah, und Egon war
sMaler, feine Augen konnten schauen.
spedwig aber, diese unerträglie eHed
Issig Moxtland die hatte einen chrel
Eisen geh die war jetzt noch unwohl,
Epite nicht einmal zu Tische kommen
k können, die würde also auch das Kon
k Fett nicht besuchen
Frau Nara v. Werner, die hübsche
peiulative Wittwe war, wie gesagt,
wieder reckn gut gestimmt.
Als gegen sieben Uhr der Landauek
Kommerzienrathes in die geräu
neige Vorhalle des Hauses fuhr stand
grau Rora schen auf dem untersten
tiegenabsatz Und wartete ungeduldig
ewf das Herahkommen Käthes Und
cgonä
Da kam Hedwig Movrland die
Treppe herunter, sah schon wieder
Eins wohl aus und plauderte recht
haft mit Herrn v. Werner, der ihr,
während sie sich die Handschuhe zu
Mspfth den Operngucker trug.
Hedwigs artiger Gruß wurde von
eau Nara auffallend ungnädig ermi
was die junge Dame zwar igno
ritte, indessen von Frau Rathe und
deren Schwager wohl bemerkt wurde.
Die beiden wechselten einen Blick und
ein Lächeln.
: Die Fahrt wurde fast schweigend
" rückgelegt, denn bald befand sich der
gen unter vielen anderen rasseln
Eden Gefährten, und überdies llatfchte
Lsder Regen allzu laut auf das Leder
M das die vier über den Häuptern
M, aäs dglß eine Unterhaltung zu
s n o ne nftrengung möglich ge
Icfen wäre.
. Auch in der Lage wurden zunächstk
mer wenige Worte gewechselt, denn;
als man sich gesetzt hatte, begann so-I
fort die erste Nummer des Konzertg.!
: Die beiden Frauen saßen aus den«
Bordersitzen der Lage. Die Erzieherini
hatte dicht hinter Frau Käthe Plah
»Sei-unmen, und im entgegengesetzten;
f« inrei des hqivvunnm Raum-s saßg
JEgorh Er konnte von da mit trauri-;
» m, sehnsüchtigern Blick das liebe Ge-Z
- i derer ftudiren, der, seit er sie
pjyzum ersten Male gesehen, seine ganze
7"Seele gehörte, und der er das dochs
Niemals zu erkennen gegeben hatte.E
chon v. Werner war eben sein sehrs
Ulqu und ein sehr guter Mensch.s
ists Mann-— das wußte er —- ionntei
let niemals mehr fiir ein Weib Bedeu-!
Etuug haben. Sein Leiden bestimmtes
'- zu einem frühen Tode. Wozu
I" ·tte er also Hedwig verrathen sol
: ., daß er sie liebte? Die Gewissen
lhtfti leit, der Stolz und die eigen
IsÆm iche Scham edler Kranler schlos-«
Hm ihm den Mund.
) So war es gekommen, daß der
spie-, Viehgebild-te auch als Künstler
kpchsFesehene Egon v. Werner es
Ema gewagt hatte, um die Diebe
Gumnanie seiner Nichte zu wer
’ Und ei war ihm lieb, daß da
m noch keiner, als Frau Käihe, hin
- fein Geheimniß gelomemn war.
»den freili , deren brennende Wün
er lan iannte,sdie hatte es wohl
» ins-irr daß Hedwig ihm nicht
« .i ltig sei, aber die iaxirte sein
« den anz falsch, die hielt fiir
.· gewö« nliehe Berliebtheit, was
— eine große, tiefe Liebe war. Es
J ihn diese Auffaiiung sogar,
es war ihm doch auch wieder an
das Nara nicht ahnte, wie
Ists-, die ihm ihr Wissen heute
’«ie» weis Mit-E ers ist-? IT
« « , um e e r
· Isde arti nnd edet dacht-.
Wie er sich Itzt fiill in feinen Winkel
drückt und ,ie Musik auf sich wirken
und feine Blicke auf Hedwigs feinem
fAnilitz ruhen läßt, ifi er immerhin
glücklich. Du lieber Gott! Alles kann
Ider Mensch nicht haben. Er war ja
ohnehin noch bevorzugt. . Biele«,Mil
lionen Menschen besigen nicht, was
ihm geworden, war: vortreffliche El
tern, eine gute Erziehung, reiche Ta
lente, großes Vermögen und offene
Sinne für all die Herrlichkeiten der
Welt.
Das denkt er, während auf dem
Podium drüben die reizvolle Ali-·
stimme verklingt, welche ein feurigeg
glttsizilianisches Liebeslied gesungen
a .
Ein paar Akkorde noch auf dein
Flügel, dann bricht ein tofender Bei
fallsfturrn los-.
Auch die beiden Frauen waren ganz
mit der fich wieder und wieder vernei
genden Sängerin befchäftigi, aber
Egvn hatte alles ringsum vergessen,
sich jäh erhoben und war zu hedwig
getre—i·en. » — — .
-.. - . «
f »Wasist Jhnen?« fragte er voll
Angst Seine schon ein wenig isere
ISiimrne wurde aber antcheinen von
Jder jungen Dame gar nicht gehört,
denn der ärm war so groß. Hedwig«
Moorlan wendete ihm ihr bleich ge
wordenes Gesicht nicht
I Da legte er seine Hand aus die
Iihrige Sie war eiskalt, diese Hand.
ngon fühlte es durch den handschuh
Legt endlich wendete hedwig ihrn
ihre ugen zu. Ganz verwirrt war
ihr Blick, ihr hübsches Gesicht starr
Fund verzerrt.
Da neigte er sich tiefer u ihr hinab
,und redete beruhigend aui1 sie ein. Sie
seufzte schwer und nickte ihm mit
seinem müden Lächeln z.u
J Frau Käthe hatte nichts gemerkt
aber Nora wendete plötzlich den Kon
zurück
. »Was giebt es denn schon wieder?
Jst dem Fräulein aberma!s übel ge
worden?«
Man antwortet ihr nicht.
Sich rasch zurücktvendend, fragte
jetzt auch Frau Käthe: » st Jhnen
nicht wohi, liebes Fräulein Sollen
wir fortgehen?"
Jetzt hatte sich die Gouvernante
schon gefaßt »Gniidige Frau, bitte,
verzeihen Sie mir die Störung. Mir
ist schon wieder wohl. Jch iann ganz
gut bleibenf
t »Ich hätte Sie nicht überreden sol
ilen, mitzutommenf erwiderte Frau
.Werner »Sie sehen ja ganz elend
aug, liebes Kind Sagen Sie es doch
ungenirt, wenn Sie fort wollen. Mein
Schwager bringt Sie gern heim. Wir
zwei werden durch Jhr Fortgehen ja
nicht gestört.«
Nora hörte voll bitteren Aergers
diesen neuen Vorschlag an. Er wurde
indessen nicht angenommen, und es
Fand auch keine fernere Störung mehr
tatt
Zwei Stunden später war man
wieder zu Hause Fräulein Moorland
bat sich sogleich zurückziehen zu dür
fen, und auch die anderen gingen bald
daraus nach ihren Zimmern UFrau
Käthe wollte noch an ihren ann
schreiben, der verretft war, und Egon
fchützte Müdigkeit vor.
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Noch in ihrem blitzendem schleppen
den, ja geradezu schreienden Trauer
tleide rauschte Nara den breiten, einer
Halle gleichenden Korridor entlang.
bis sie an ihrer Thür angekommen
war. Da wendete sie sich plötzlich um
und streckte drohend den Arm nachher
gegenüberliegenden Thür Hedwigs
aus.
Jm nächsten Augenblick war sie in
ihrem Zimmer verschwunden.
Aber an Schlaf dachte sie nicht.
Rubelos lief sie umher.
Endlich, es war schon nahe an Mit
ternacht, fing sie an, ihren Schmuck
abzulegen.
»Welch ein Unwetter!« dachte sie,
am Fenster stehen bleibend und auf
den Vorgatten hinunterschauend.
Wenn die Laterne nicht ganz deut
lich das jun e Laub beleuchtet hätte,
welches sich oeben an den Bäumen
und Sträuchern zu entwickeln begann,
Lhätte man es nicht geglaubt, daß eine
Aprilnacht sich über die Millionenstadt
gesenkt, hätte man vielmehr ruhig an
nehmen können, « daß ein November
sturm über Berlin dabinrase, so tief
beugten sich dir Bäume unter der Ge
walt des Windes, so schonungglos
wurden die Stämmchen der Sträucher
hin und her schleudert. Jn breiten
Sirdmen scho die Flutb an den brei
ten Tafeln der Fenster nieder, und
aus den Qefsnungen der Dachrohre
stürzte, ällen gleich, das von diesen
gesamme te Regenwasser.
»Das wird morgen gut aussehen,«
dachte Frau Nara.
Da hörte das Brausen des Stur
mes bläulich aus. Auch der Regen
Hieß nach. Frau Nara schüttelte ver
wundert den Kopf.
Gleich danach aber fuhr ihre hand
unwillkürlich nach dem FensterriegeL
hastig riß sie ihn empor. Sie hatte
soeben etwas Absanderliches wahrge
non-indem
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Zeit sah sie noch deutlicher, M«
unten vorging. Eine Gestalt bewegte
«
; sich itn Borgarten rasch auf das Git
I terthiirchen zu. das durch einen Druck
. auf einen verborgenen Riegel zu öff
» nen war.
F Nora wußte sofort, wer diedaun
ten war. So hoch gewachsen war nur
« eine imHause, nur eine hatte so schim
»merndes, helles Haar.
k Roras Hände preßten sich ineinan
kder, während sie, die Stirn an das
s lalte Glas gedrückt, hinunterstarrte.
) Das Kleid mit der einen Hand
f hochgerafft, mit der anderen das
I Pförtchen öffnend, huschte Hedwig auf
s die Straße hinaus. Die langen Trolk
deln des schwarzen Pelzlragens, den
sie trug, warf der ietzt wieder ein
iseszende Sturm wild umher, und je t
löste er auch eine ihrer langen Fle -
« ten.
; Hedwig achtete nicht darauf, He eilte
die Straße hinunter.
»Wohin sie wohl geht? Ob sie eine
Zusammentunst hat?« fragte sich No
ra, und ihr Herz klopfte wild dabei.
Da lam Hedwig schon wieder zu
rück. Sie hatte also nur einen Brief
aufgegeben. Der Briefkaften befand
sich an der nahen Straßeneckr.
Die Erzieherin hufchte in den Gar
tn und schlich in das Haus.
era flog an die Thür des Zim
mer-s, öffnete sie ein wenig und
lauschte.
Hedwig kam schon die Stiege kr
auf. Sehr vorsichtig ging sie.
Natürlich pflegt man bei solchen
und ähnlichen Gängen vorsichtig zu
,fein. Frau Nora wußte das aus Er
fahrung. Sie gingjck auch zuweilen.
und zwar ganz besonders in letzterer
Zeit, solch heimliche Wege.
Jekt befand sich Hedwig Moorland
auf dem Absah der Treppe, welche in
das erste und einzige Stockwerk des
sehr vornehmen Werner’schen Fami
lienhauses hinaufsiihrte. Durch dieses
Stockwerk zog sich ein breiter Kont
dor, der bei Nacht vorn Lichte einer
Ampel beleuchtet wurde. Dieses Licht
fiel je t auf die leise hinhuschende
Gestal . , , ,
Einen Augensnec iparer starrte
Hedwig entfeyt in Frau Naras hohn
volles Gesicht
»We- waren Sie denn?" fragte diefe
scharf· ·
Hednng Movrland, ganz fassungö
los-, starrte sie noch immer an. Endlich
stammelte sie: »Ich hatte etwassim
Salon vergessen.«
Diese Ausrede war so ungeschickt
als möglich. Nur die größte Verwir
rung tannte sie erfunden haben. Der
hohnvolle Blick ihrer Feindin fagte es
hedwig und es fagten es auch Noras
hohnvalle Worte.
»Da regnet es alfa auch im Sa
lon?« fragte Frau Nara mit unbarm
berzigem Lächeln. und dabei zeigte sie
auf den Pelz, zwischen dessen Haaren
ziemlich viele Negentropfen eingeftreut
waren, die irn Arnpellichte deutlich
aufblitztem
Die Gouvernante biß die rZähne
ufamrnen, dann aber richtete re sich
in plötzdiich erwachendem Zorn hoch
auf un fragte: »Weshalb belauern
Sie mich? Jch habe nichts Unrechtes
gethan."
Frau Nara lächelte verächtlich »Das
wird sich zeigen, mein Fräulein!« ent
gegnete sie. »Uebrigens habe ich Sie
nicht belauert. Jch habe es einfach
zufällig gesehen, wie die Erzieherin
meiner Nichte ihre nächtlichenSchleich
wege ging.«
»Gniidige Frau!«
»Am ruhig, mein Fräulein. Diele
Bezeichnung ist ganz richtig gewählt.
Auch haben««"Sie kein Recht, empfind
lich zu fein-nach den zwei sonder
baren Vorgängen des heutigen Tage-.
Ein Mädchen mit einem dunklen Bor
leben muß sich vieles gefallen lassen,
wenn es sich nicht lieber freiwilli aus
einein hause uriickziehen will, rin
man in gen-i en Dingen ein wenig
emp indlich ist. denfalls paßt ein
Mii Ihrer rt ganz und at
nicht zur Erziehung eines unfchu i
Kinded, wie es helene ift. Also,
k aulein Maorland, überlegen Sie
sich meine Worte.«
Leise, aber in leidenschastlicher Hast
hatte Nora gesprochen.
Hedwig-hatte sie nicht unterbrochen.
Sie war jetzt nicht mehr zornig. Jhr
Kouif und ihre Augen atten sich ge
sent , und ihr Gesicht rückte wieder
Schrecken und Verwirrung aus.
Si stand sie noch, als Frau Nora
schon in ihrem Zimmer verschwunden
war. —
2.Kapitel.
Der nächste Tag war ein Sonntag.
Er brachte einen blauen Himmel und
Sonnenschein mit. Nach solchenWasch
tagen, wie gestern einer gewesen, sieht
die Natur so blitzblant aus, daß man
noch mehr als sonst seine Freude an
ihr hat. Es war daher nicht ver
wunderlich, daß halb Berlin diesen
ersten schönen Apriltag zu Aussliigen
benützte.
" Auch Frau Rathe hatte rasch den
Plan gefaßt» eine alte Berwan te, die
in Wannsoe wohnte, zu besuchen.
Sie erklärte dies beim Frühstück.
Peiene und Dora wollten sich ihr an
chließen, und hedwig Moorland bat,
sie stir den Nachmittag zu heurlauben,
gabeFrau Esther sie zu sich gebeten
a .
Frau JeanetteIiirben eine schon
re t hejahrte Wittwe. war die Ber
traute und Wirthschasterin der seit
tur rn verstorbenen Generalin o.
Bözen gewesen, durch die Hedwig der
Kommerzienriithtn empfohlen worden
war. Es wunderte sich da r im
Wermr’schen hause niemand ·her die
H
häutigen Besuche Hedwigs bei Frau
Mörder. Es war ergo auch heute nie
mand außer Frau ora von Hedwigs
Erklärung unangenehm berührt. Die
schöne Wittwe ließ einen gehiissigen
Blick iiber Hedwigs Gesicht gleiten,
sagte aber kein Wort.
Bald nachdem man das heute nicht
übermäßig gemiithliche Frühstückein
genommen hatte, fuhr die Kommer
zienriithin mit Nora und Helene fort.
Auch Egon v. Werner machte sich
zum Aussehen fertig. Er war immer
noch eine hübsche, anziehende Erschei
nung. Er gewahrte dies selber, als
er sein Spiegelbild eine gute Weile
lritisch musterte, aber er lächelte sich
schließlich spöttisch an unwickte dann
einem Stelett zu. das bescheiden, wie
es einem'»Gewesenen« zukommt, in
einem Winkel des Ateliers stand.
Eine Weile später verließ er das
Haus. Er mußte den Kragen feines
eleganten Paletois aufstellen, so scharf
war die Luft.
Bald langsam, dann wieder so
eilig gehend, als könnte er nicht er
warten, an sein Ziel zu kommen, ge
langte er vor einen der vielstöckigen
Zinspaläste der Friedrichstrafze, und
ein paar Minuten später befand er sich
in dem vornehm eingerichteten Ordi
nationözimmer eines bekannten Arz
tes, mit dem er iiber eine Stunde ver
handelte.
Der Arzt hielt noch an der Schwelle
seine Han fest und sah ihm tiefernst
und tieshesorgt in die Augen. ,,Habe
ich wittlich recht gethan, daß ich es Dir
sagte?« fragte er unruhig.
Egon erwiderte freundlich seinen
Blick. »Gewiß," entgegnete er. »Du
hast mir damit, sozusagen, noch etwa
sechs Monate geschentt. Als ich hier
hertam, nahm ich an, daß ich noch in
diesem Frühjahr werde fort müssen.
Du saf nun, daßxes erst im Herbst
sein wird, und Du bist ein berühmter
Diagnostiter, auf Dich tann man sich»
verlassen. Jch werde also die bewußte .
Nordlandsreise noch machen können
Auftdiese freue ich- mich wirtlich.«·«
»Du wrun diese immerhin lange
Nethe also wirklich machen? meinte
Do or Brenner einwandern i
»Röthst Du mir davon ab?·«
Der Arzt zuckte die Achseln. f
Nonnen die Meinigen dabei durch;
mich in Wigelegenheiten tommen?«
»Nein Aber Deine Lebenszeit kann ;
dur? die Anstrensungen die bei sol-?
eise nichtz u vermeiden sind, im- i
merhin ein wenig getiirzt werden« H
»Was liegt daran! ch werde dafiit «
noch Jnteressantes ge ehen haben.·' ;
»Daß Du es so heiter thun
lannst!« J
»Was hätte ich davon, wenn ich mirs
meine legten Wochen selbst verküm-!
mern wollte? Man kann sich alles sos
gut eintheilen. Siehst Du, als tleine
Bube habe ich, wenn mir die Mutteks
etwas ganz besonders Gutes ·gab«s
kleine Bissen davon gemacht, und habe s
diese mit besonderem Genusse nach
nnd nach verzehrt. So geht es mir
derzeit auch. Das jetzt siir mich be
sonders Gute ist das Restchen meines
Lebens Jch weiß, danl Deinem Wis
sen, sast ganz genau, wieviel ich noch
Idavon zu verzehren habe Jch werde
Yes mir auch in kleine Bissen einthei
ten und jeden davon mit Lust verzeh
. ren.«
»Du bist ein P ilosoph!« i
. »Vielleicht! Je nsalls quäle ich
i mich nicht nuhloT «
; »Wie geht es übrigens Fräulein
Hedwig?« fragte, um abzulenken, der
l Arzt.
j »Weißt Du woraus ich gestern ge
kommen bin?« sagte Eg ganz un
;vermtttelt und Brenners Frage über
gehend
«!Icuti?«
Das ich eiferfiichtig bin.«
Du Ursache daz u?«
» ch habe Ursache, aber kein Recht
dazu. Du weißt doch, daß Hebwig
nicht einmal ahnt, was sie mir isi.«
s »Ich weiß das. Aber ich weiß auch,
» daß keine Empfindung nach Recht und
Logii fragt. Jede macht es wie die
)Liebe: sie kommt und sie ift da. "
»Du lachst also nicht iiber mich?«
»Fällt mir nicht ein Du thust mir
nur leid. Aber was ist denn vorgeht
len, das Dich eifeisiichtig macht?«
»Ja Hedwi s Leben ist ein Mann
getreten, ein ann, der sie ängstigt.«
»Da hat also die Sache ihrerseits
mit Liebe nichts zu thun.«
»Es aeniigt mir schon, daß ich von
seiner Seite diesen Fall annehmen
muß. Jch leide unter dein Gedanien,
daß sich ein anderer Mann überhaupt
mit ihr beschäftigt.«
»Was siir ein Mensch ist es denn?«
weiß ei nicht«
,, tennsi ihn nichts«
»Nein! Aber ich siihie,- daß er Macht
iiber hedwig hat. Sie ist seit gestern
ganäanderi als sonst.«
ieht sie geängstigi austi«
:Geradezu gequält. Gestern hat sie .
den Mann zweimal gesehen Jch habe;
wenigstens Ursache, anzunehmen, daß
weimai g.eschah Wenn ich ihr
Joch helfen iönntei Aber ie war ja»
immer zurückhaltend, und eit gestern
isi sie verschlossener denn je vorher-'
»Sie hat aiso ein Geheimniß in
ihrem Leben!«
«Ja. Und ich möchte ihr so gern
beistehen, abej es scheint, sie will keine
Hilfe und — was bin ich ihr denn,
aß ich ihr beistehen Erstei« H
»Bist Du nicht ihr Freund?« «
»Sie wird mich iaum als sol nl
betrachten· Jch habe michihr ja ges is
sentlich fern ehaiten. Es wäre mir
peinlich wee e,n wenn sie meine wah
ten Ge hie errathen hätte. Wenn
einer so gar nichts mehr werth ist,
wird ein Gesiiifh das einen noch voll
ständigen Men chen erhebt, zurLächer
lichteit, vielleicht sogar zur Mit-etlich
teit.«
»Das ist eine iiberseine An
nahme.«
,,Vielleicht ist sie sogar tranihait.
Weiß ich denn, was etwa noch nicht
tranthast an mir ist? Jch weiß nur,
daß ich die, mit denen ich lebe, sogar
vor meinem Athem behüte Wie sollte
ich also sie, die ich so leidenschaftlich
liebe. mit meiner Liebe belästigen?
Jch habe immer die Angst gehabt daß
sie sich dann vor mir fürchten tönnte
daß ihr meine Gegenwart sur Last
würde, und so habe ich mich stets
ziemlich fern von ihr gehalten. Weißt
Du— ich hätte sonst die Grenze nicht
einholten können, die ohnehin nur so
undeutliche Grenze zwischen Freund
schast und Liebe. Aber jetzt ist genug
darüber ,eredet, noch dazu zwischen
Thiir un Angel. Jch will jetzt die.
Reiseroute studiren. « Helene freute
sich schon unbändig auf diese Fabri,
und ich glaube, Hedwia freute sich
nicht weniger darauf. Sie schwärmti
schon seit ihren Schulmädchenjahren
»von der Mitternachtssonm.«
s »Das kann ich mir denken « sagtei
Doktor Brenner lächelnd »Ich glaube
isogar, daß diese Reise eigentlich einzig
Hund allein deshalb gemacht wird, um
«Hedwi s Sehnsucht nach der Mitter
nachtsslo onne zu erfüllen. He—habe
ich recht?«
Ueber Egons Gesicht huschte- eine
leichte Rothe. »Recht hast Du,« gab
er lächelnd zu, drückte dem Freunde
noch einmal die Hand und ging. Es
war jetzt wieder Ruhe is ihm· Der
Sonnenschein that ihm nicht mehr
webj und er zog jetzt teinen Vergleich
mehr zwischen sich und all den gesun
den Leuten, denen er begegnete. Er
hatte sich ganz und gar in sein Schick
sal gefunden.
Aber er sollte bald aus seiner Ruhe
aufgescheucht werden. Gerade bog er
in die Behrenstraße ein, als er« Hed
wig erblickte.
Sie war nicht allein. Ein Herr
ging dicht neben ihr her.
Egon mußte sogleich an Helenens
Bewertung denken, die bezüglich des
Fremden, von dem gestern Hedwig
beim Konservatorium eingesprochen
worben war, den fliegenden Holländer
als Vergleich herangezogen hatte.
Der Gedanke war nicht iibel gewe
sen« Der Wagnersche held hätte that
sächlich etwa so aussehen tönnen, wenn
er irgend einmal irgendwo in moder
ner leidung ausgetaucht wäre.
Der Begleiter Hedwrgs war ein
schöner Mann von dunklem. südlichem
Gesichtotypus und fchlanter Gestalt.
Er sah, wenigstens auf den ersten
Blick, vornehm und interessant aus.
Freilich-wenn man ihn schärfer be
trachtete, verlor er. Egon betrachtete
ihn sogar sehr scharf, und deshalb be
merkte er, daß dieser Herr wohl tadel
los getleidet war, daß er aber trotz
dem nicht wahrhaft vornehm wirtte.
Sein schönes, scharf geschnittene-is Ge
fLicht hatte einen unangenehmen Aus
ruck. Der Mann mußte großer und
Picht gerade edler Leidenschaften voll
em.
Langsam kamen die beiden Egon
entgegen. Er war stehen geblieben, um
sie so lang als möglich beobachten zu
tönnen·
Es sollte dies länger möglich sein,
als er selber angenommen hatte, denn
auch die zwei blieben stehen. Ter Herr
redete eifrig auf Hedwig ein. Er
mußte eine eigene Gewalt über sie ha
ben, denn immer wieder zwang er
ihre Augen, z ihm aufzuschauen
Und was er zu r sprach. mußte sie
erregen, das ertannte man aus dem
wechselnden, aber immer gespannten
Ausdruck ihres Gesichte5, das ausfal
lend blaß war.
Einen Au enblick später aber war
hedwigs Gercht wie mit Blut über
gossen. Der Fremde hatte seine Hand
auf ihren Arm gelegt.
Egon, dessen scharfe Augen das
alles sahen, dallte unwillkürlich die
Hände, dann ging er vorwärts-. Noch
war er von hedwig nicht bemertt
worden. Nur der here hatte ihn mit
einem eigenthiimlich suchenden Blick
angeschaut. eßt ging Egon dicht an
den beiden v rbei. Ershörte ein paar
Worte des Herrn.
»Und Du wirst wieder mein sein,«
sagte der und sah dabei scharf in die
Augen der jungen Dame.
J
I
W
«Niemalst« entegnete sie erade in
dem Augenblick, in welchem gon an
ihr vpküoek ehe-w, um Hut ruft-te
Aber sie fah ies gar nicht, ihre Augen
waren mit starrem Ausdruck auf ihres
Bealeitets Gesicht gerichtet
Nur wenige-Schritte war Egon ge
gangen, da eilte eine weibliche Gestalt
an« ihm vorüber, in der er zu feinem
Staunen und zu seiner Freude Hed
wig erkannte. geht fühlte er sich wie
der leichter. ie schreckliche Eifer
sucht, die sich bei des Fremden Worten
in ihm auf ediiumt hatte, fiel wieder
in sich zu ammen. hedwig wollte
nichts mehr von jenem wissen! Dieser
Gedanke war ihm Trost. Er ging
rasch hinter ihr her, nachdem er
«umgefehen und bemerlt hatte, daß er
HFremde in entgegengefetzter Richtung
Iziemlich eilig sich entfernte.
Erft ganz nahe dem Werner’schen
Haufe holte Egon die Erzieherin ein.
Er selbst hatte das so eingerichtet.
Recht unbefangen redeteer siean, und
es that ihm weh, daß sie dann so rasch
ihre Fassung wieder gewann und ihm
im Hinausgehen erzählte. daß sie bei
Frau Körber gewe en fei, diese aber
nicht daheim getroffen habe und daher
sogleich mit der Straßenbahn wieder
zurückgefahren fei. Er wußte fa, daß
sie jetzt log, daß sie diefe Ltige schon
vorbereitet gehabt hatte. Frau Körber
wohnte jenseits des Thiergariens in
der Hardenbergftraße und hedwig iam
doch soeben von der Behrenftraße her.
Egon zog sich sofort auf sein Zim
mer zuriick. Aber während er iider
feine Karten und Bücher gebeugt da
fafz, batte er beständig hedwigs Bild
vor sich. Freilich tauchten daneben auch
das Gesicht des briinetten Fremden
auf. Es war das ein ganz-merkwür
,diges Gesicht. So viel Ausdruck hatte
es! Die Augen darin waren es, von
mattmetiallifchern Glanz und aus
sehend, als hätten sie tohlschwarz wer
den sollen, seien aber nur so merk
Iriirdig grau geworden. weil der Na-.
tur der Farbstoff ausgegangen war.
Egon fühlte ietzt noch feinen Blick
auf sich umhertriechen. —
Hedwig Moorland aber schrieb aX
ihrem Zimmer einen langen Bei ,
dann legte sie die Feder aus der
hand, trat ans Fenster und starrte
ins Leere hinaus
»Wie dumm und fchlecht war es,
das-, ich ais Lügnerin in diefes aus
tcml« murmelte sie vor sich hin. » est
ift es zu spät, die Wahrheit zu sage-.
O Huberh Herbertt Wie sehne i
mich nach Dir und danach, das i
von hier verschwinden tann als die,
ais die man mich hier tennt!«
Ausschluchzend drückte sie ihr blasses
Gesicht in ihre Hände.
(Fortsegung folgt.)
Wenn der Grveer für sein Petiti
leum jetzt mehr fordert, so schelte nicht
ihn-wohl aber jene Jury in Texas, die
die Standard Oit Co. verdonnert hat.
Its« M If
Aus Aberglauben verbrennen die
ZChinesen alle ihre Briefe. Wenn es M
ium Liebesbriefe handelt, ist es n·
iAberglaubem sondern Klugheit.
Of VI O
Jn irgend eine Sache tief eindrin
gen, ist schon recht; man muß aber
trachten, mit den Beinen darin zu ste- «
ben, und dars nicht mit dem Raps da
rin stecken bleiben.
O O O
Einer etwas unwahricheinlich klin-·
genden Nachricht aus Berlin ufolse
will der Kaiser Wilhelm sür zigarre
die deutsche Bezeichnung Rauchrolle
einführen. Wird sich das der Stimm
stengel gefallen lassen?
I II O
Der Nähfaden-Truit hat die Rolle
Faden um einen Cent erhöht. Jung
gesellen ist das gleichgiltig, solan
Sicherheitsnadetm Drahtsttfte und
dergleichen nicht teurer werden.
O If c ·
Nach jedem Kuß, sagt ein Arzt in
iclevetand, soll man sich mit einein
Jantiseptischen Mittel gurgeln. Etwas
kumstiindlich fiir ein Liebespiirchem das
Habends bei niedrig getchraubtem Gas
tin der guten Stube sitzt.
« i i i
Die Dummheit verachten die Menschen
s r
i
i
i « -
Nur leider etwas parteilich,
sDemh wenn sie ihnen von Rasen is
Jst sie sogar sehr derzeit-lich
TtIfMtlh
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Apotheiekx ber, heu- Ptonisot, nicitmn sind Sie denn so erhisiik
Elect: «A , denken Sie sich. fett hqb’ ich einem Jungen für 80
Cenis Medizin gegeben, da legt du Bengel einen Quart-c her und rückt
qui. Leider habe ich den Strick nichf mehr erwiicht.«
Apotheim »Na, da lassen S' nur gut sein, da heben wir jq immer
noch 15 Cent- verdieni!«