Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 12, 1907, Sweiter Theil., Image 8

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ied-hin ds- Geschichte. s
M im Wald verschwand undf
. " - ht gefunden ward. " —Dies ’
s « · che Wort gilt nicht nur von
iOestalten der Phantasie. Auch
«.—. H geschichtliche Persönlichkeiten
«" « s - von diesem Schicksal betroffen
».- s-. und lange Menschenalter nach
Berschtoinden erregen sie das
«und die Theilnahme der
s-« chen Des Uhrmachers Raun
Rachkommen dürfensich in den
's- landen »de Bourbon« nennen.
« nntlich soll Naundorff der offi
« am s- Jnni 1795 gestorbene
n «Louis XV11.« gewesen
die hollandische Regierung schien
nach die Jdentität für bewiesen
halten. Die räthselhaften Men
- nnd Schicksale füllen ganze Bü
- hen von Spezialforschungen,
nd ihrer Natur nach sind die letzteren
« lich wie die geschichtliche Wis
fchaft überhaupt. Jn früheren
is erleichterten die Verhältnisse
Vorkommen solcher Fälle noch
sitz besonders. Aus der jütischen
- i- lebte in den zwanziger Jahren
i vorigen Jahrhunderts eine Zigeu
· « , die ihren als österreichischen
idat in der Schlacht der beiden
List heraubten Gatten auf denSchul
- von Ort zu Ort trug. Sie war
" Kind in Ungarn von Zigeunern
» len worden und wurde spater
lich bestimmt als Magnatentoch
retognoszirt, lehnte aber die Rück
in die Heimath standhaft ab.
gleichen Fülle sind zweifellos frü
mehrfach vorgekommen. ,
Die Geschichte nimmt natürlich be
Tondetö an den Schicksalen politischer
"·Pets-Bnlichteiten ein Interesse. Auf
stund nenerschlossener Archive hat sie
fest wieder mit mehreren solcher
riiher behandelten Fälle beschäftigt.
« mit dem des schwedischen Majors
Maleolm Sinclair, der am 17. Juni
TM aus derRiiclreise von Konstanti
l nach Stockholm in der Nähe der
ehlesischen Stadt Grünberg von rus
fchen Soldaten getödtet worden ist
» ge nach Karl dem Zwölften nn
i man vom Malar her am Bos
· I intime Verbindungen, und noch
riedtichs des Großen schwedischer
L ------ stersohn, Gustav der Dritte, hat
wiederaufzunehmen gesucht.
weniger bekannt: der preußische
; z s marschall Schwerin hat nach vor
igern holländischen Kriegsdienst
· spanischen Erhfolgelrieg ein Jahr
« sent dem Zwölsten in dem türki
chkn Exil zu Bender zugebracht Mit
Mielppmmern gelangte 1720 durch
M Stockholmer Frieden auch seine
2gzcmiliengiiter aus der schwedischen
: senkt die preußische Hoheit und erst
f sithin trat der nachherige Sieger
k
" those Mollwitz und Held von Prag in
preußischen Dienste. Die Mis
des Majors Sinclair galt von
herein fiir so gefährlich, daß man
W bei feiner Entsendung in Schwe
ganz überwiegend an seiner Rück
zweifelte, doch erledigte er seinen
«ng erfolgreich und hatte auf der
Greise über Polen bereits fast das
endigt österreichische Schlesien val
als ihn das Schicksal ereilte.
«n Tod kann hier nur ganz kurz
’ - t werden. Unter türkischer Wache
« er bis auf politisches Gebiet ge
. fühlte sich aber dort durch die
nisi cheSpionage des von Petersburg
ssss en polnischen Kleinadels belä
t nnd zog deshalb den Weg durch
s - vor. Jn Breslau glaubte er
in Sicherheit und erholte sich dort
Tage von der Rei e, was jedoch
einem Verderben ausschlag. Die
der russifchen Regierung gegen ihn
sbotenen Emifsiire hatte in Ga
·- feine Spur verloren, fanden sie
« weile aber wieder und reisten
in die schlesifche Hauptstadt nach
erfuhren sie. daß der Major am
» Juni nach Grünberg abgereist sei,
» aben sich zu dem laiserlichen Gou
eur Grafen Schaffgotsch und wie
k— ihm ihre Vollmachten vor. Der
« « hof war damals mit Rußland
« » Kriege gegen die Pforte verbün
und deshalb nahm der Gouver
keinen Anstand, den rusfischen
zieren einen Verhaftsbefehl gegen
»-r Sinclair mitzugeben doch mit
bestimmten Vorbehalt schonenden
reimt Dank den Empfehlunan
. ·thörden erhielten die Rassen
« « beten Vorspann und hatten früh
Morgen des 17. bei dem Dorfe
unweit Grünberg ihr Opfer er
. Maer Sinclair fuhr mit einem
französischen Kaufmann
knien und beide hielten nn, als
vrulfifeben Offizkere Kapitiin Kut- ;
, tyd Leutnant Lewißti mit fechss
« i- - Soldaten sie zum Halten?
sp ten. Sinclair gab seine
en ab, und man fuhr zwei Stun
weitee bis in die Näh-. der kleinen
sehen Stadt Nanmburg, wo die
, hielten und das Gebild ihrer
Meeren untersuchten. Couturier
’ sich lebe, aber Sinclaik be
-I .. - densReiseaeiiihrten mit Bezug
Mfdessen Schicksal, iiir sich selbst
s er freilich mit faltbliitigem
r, daß feine Reise wohl etwas
gehen werde als nach Stock
M führte Lewihli den
» in ein benachbartei Gehölz,
M doit fah Heut-riet einen
Mist-. Dann erschien der
M ertlsrtey Sinclair
- sent-n- hetgeisllem m
W
ran er in der Notheoebr den Getan-«
genen habe tödten müssen. Man fand
die Leiche, im Gesicht völlig entftellt
durch die Säbelhiebe der gemeinen
Soldaten Das Opfer hatte wohl un
kenntlich gemacht werden sollen. Cou-»
turier zitterte febr für fein Leben,
wurde jedoch in glinipflicher Form
nach Dresden geführt und von dem
dortigen rusfischen Gesandten Grafen
Reyfserlingl mit 500 Dukaten »Meist
loften« gegen die Verpflichtung voll
ständigen Schweigens entlassen. Jn
Schweden war die Erbitterung allge
mein, und dieer politische Verbrechen
hat wesentlich zu dein fchwedifchen
Kriege von 1741 gegen Rußland bei-.
aetragen, der freilich nach sehr un link
lichem Verlauf 1743 durch den Zitte
den von Ilabo schinipflich geendet wer
den mußte. Die rufsische Regierung
mit dem Herzog Biron Und Graf
Oftermann an der Spitze betbeuette
lebhaft ihre Unschuld. Für Peters des
Großen Nichte die Zorin Anna Iwa
nowna mag auch das Nichtwissen,
wenigstens mit Bezug auf den Mord
vlan zutreffen Wie indeß kürzlich
der schwedifche Gefchichtsforscher Pro
fessor E. G. Palmen nachgewiesen
hat, besitzt man von dem rufsifchen
Höchsttommandirenden Feldmarfchall
Grafen Münnich einen Befehl vom
23. Sept 1738 an den Jnfanterie
tapitiin Kutler und den Drommet
leutnant Lewitsli, den schwedifchen
Emisfiir aufzuheben und womöglich
zu tödten bezw. zu ertränten, doch
fo, daß die polnifche Bevöllerung
nichts merke. Durch ein ironisches
Zusammentreffen war der Mörder
des Majors Sinclair Leutnant
Lewitzti selbst von volnifcher Natio
na!itiit. Zugleich batte der Leutnani
Wesegwslv den Befehl Zur Beseiti
gung der von Frankreich nach der
Türkei entsandten Emissare Orlit
und Ragotfv, von denen man aber
nichts weiter gehört hat. Die russifche
Regierung schickte dann die beiden
vorgenannten Offiziere nach Sibi
rien, wo tie jedoch zum Obersten und
Majvr befordert wurden und einen
besonderen Gnadensold erhielten.
Peter der Dritte strich ihn. aber La
tharina die Zweite stellte ihn wieder
her So weit die jüngste Bersion über
diesen riithfelhaften Vorgang, die
Professor Palmen nach den Forschun
gen des finnliindischen Generals Otto
Furuhjelm in dein Moskauer Archiv
des Auswärtigen Ministeriums ge
schöpft hat und die wohl dauernde Be
achtung verdienen kann.
Nathtelvast ist noch heute. das
Schicksal jener vier russischen Groß
siirsten und Großsiirstinnen brann
schweigischen Stammes, die in der
jütischen Stadt Horsens aus den
Wunsch des allmächtiaen Petersbur
ger Hofes von der däniichen Regie
rung bis zu ihrem allmählichen Ab
sterben internirt waren. Das leste
dieser unglücklichen Wesen starb os i
ziell 1807. Sie waren Geschwister
des 1764 ermordeten Zaren Jwan des
Sechsten und Kinder von Friedrichs
des Großen Schwager, Herzog Anton
Ulrich von Braunschweig, der mit der
mecllenburgischen Schwestertochter je-«
ner Zarin Anna, der Groszsürstin
Anna Leopoldowna, vermählt war.
Bekanntlich aber wurde die Familie
arn 6.Dez· 1741 von Peters des
Großen Tochter Elisabetli enttbront.
Man zeigt die vier Grabhügel in dein
Garten des stattlichen Stoßt-ärger
hauses in der genannten jiitischen
Stadt, der Vollsmund iedoch glaubt
nicht an diese Gräber und bat darüber
völlig andere Meinung Neuerdings
ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
die Behauptung erhoben worden, daß
die helden von des Pdiwsovben
Schelling bekanniem Gedicht »Die
letzten Worte des Pfarrers zu Prot
tingbolni aus Seeland« eine der beiden
Großsürstinnen war. Sie wäre von
einem russischen Emissar von horiens
unter dem Vorgehen der Thronbestei·
gung sortgelockt, dann zur Trauung
aesiibrt und hieraus in der bekannten
Weise erschvssen worden« Jn seinem zu
Beginn des voriaen Jahrhunderts
spielende Schmugglerroman «Matsa-·
lune« bat der diinische Novellist Carit
Etlar (Johannei Brosbölll sich gleich-.
salls rnit dein Schicksal dieser in hor
senz internirten Großsiirstin beschäf
tigt. Er läßt die schöne und geistreiche
ältere dieser Prinzessinnen unmittel
bar vor der geplanten Befreiung von
russischen Emissären zu unbelanntern
Schicksal entkiibrt werden. Der als
tinabe in Jiitland erzoaene Dichter
bat augenscheinlich diese Behauptung
aus mündliche Ueberlieferungen auf
gebaut-« Wer das Schicksal der aus
Italien unter denselben Vorn-Finden
aus ein russischeö Kriegsschiff geführ
ten und dann verschwundenen Fürstin
Tarakanow in der Zeit Katharinas
der Zweiten erwägt, wird diese Ver
sion keineswegs unwahrscheinlich sin
den können.
Sputlos verschwunden ifi endlich
det 25jälnz Lord Beniamin Volksvka
der 1809 mit Depefchen von Wien
nach London reiste, in Verleberg fei
nen Reisen-sagen in der Dunkelheit ei
.nen»Moment verließ und dann nies
’mals wieder gesehen worden ist. Man
bat einige von feinen Hasseligieilen
später in einer Spelunle der weltli
fchen Kleinstadt gefunden. Napoleon
unterhielt damals in ganz Deutsch
land zahlreiche Spinne, und für die
Erlangung einer hoch zu lohnenden
diplomatischen Depesche wird ej die
fen wohl auf eine Gewaltthat nicht
weiter angekommen sein.
«I en endgiltigen Abschluß werden
die ragen nach diesen verschiedenen
verschwundenen Persönlichkeiten wohl
l
siibethaupt niemals finden. Die Ge
jfchichte ist die vornehmste der Wissen
schaften, aber gerade sie bestätigt bei
tieferem Eindeingen das melqncholi
fche Faustsche Wort: »Und sehe, daß
wir nichts wissen tönnen." Wie zu
Beginn seiner tuhmvollen Laufbahn
Leopold Nanle gegenüber den Ten
tenzhiftotiietn sein Programm in die
schlichten Worte faßte: »Ich will ver
suchen, zu sagen, was gewesen if.«
Wenn ein solcher Meister so kesignikt
denkt, wie sollen d nn die kleinen For
scher zur Wahthei kommen?C M
dionss Schleich.
Stizze von Zoe von Reuß.
Sein Name war sein Verhängniß
Wie kann man auch Dionhs
Schleich heißen? Ein Widerspruch in
sich und ein notorischer Unsinn, wenn
man den Träger des Namens betrach
tete. Der tleine Tapezisr aus dem
Hinterhause besaß nicht die Spur von
einem Dionysos Er taugte weder
zum Bacchus noch zum Tyrannen von
Snrakus. Seinem berühmten Na
mensvetter sah er nicht ähnlich, denn
er war die Bescheidenheit selbst.
Er stellte sogar sein Licht unter den
Scheffel und wollte nicht einmal zu
geben, daß er ein tiichtign Handwer
ker war. Eine triibe Jugend hatte ihn
dahin gebracht, das Leben viel zu ernst
zu nehmen. —- Sein pathetischerName
aber, der auf alle Lippen ein ironi
fches Lächeln zip-na, der wie ein Blei
gewicht an seiner unscheinbaren Per
sdnlichkeit hing·.. der Name hatte
ihn noch abfonderlicher gemacht, als
er schon von Natur war.
Am liebsten saß er hinter seinem
Arbeitstiichy zeichnete, pinielte und
schnipselte seine Schablonm wagte
auch :nal einen eigenen Entwurf —
und war unermüdlich im lieben, denn
er konnte es nicht gut und sauber ge
nug betommen. Jm Uebrigen war er
ein Original, denn trotz seiner 30
Jahre hatte er noch teinen Ball he
fucht, noch teine Liebschaft gehabt,
sich eigentlich fiir Welt und Weiber
überhaupt nicht interessirt.
Und nun war in diefeinSonderling
ein ganz ungestümes Verlangen er
wacht. Als er neulich im hauöflur
von der blonden Emmi beinahe um
grrannt wurde, den Hauch ihres Mun
des den Duft ihrer Kleider spürte, da
war es über ihn gekommen»
Wie ein blöder Thor hatte er vor
sich chhin gebliekt währendsie auf dem
ersten Treppenabsatz stehen blieb, ihr
Kleid so zierlich hoh, daß er die feinen
Stiefeletten gewahrte, und mit schel
mischem Lächeln fragte« »das-e ich
Jhnen weh gethan?«
zAber Fräulein,« hatt-z er veriegen
gestottert und war-maanetiich an
gezogen —- die Stufen hianuigeeilt,
um kühn nach ihrer Hand zu areiien
Sind Sie nicht das schöne Fräulein
Emmi, das oben bei den Briefträgers
leuten wohnt ?«
»Sind Sie nicht Dionns Schleich?«
fragte sie Zurück und kicherte hinter
ihrem Muff.
Betroffen saher sie an. »Ich bin
selbständiger Tapezierer und habe da
hinten meine Werkstatt. « —
Aber so viel Oenteretse durfte er bei
den Weibsbildern nicht voraussehen
Trallernd flog die hübsche Blonde die
Treppen «hinauf, während er ihr wie
verzaubert nachbliritr.
Er toar nicht mehr er.
Saß er hinter seinen Schablonen
oder hinter seinem Farbtaitem immer
fah er die blonde Sirene, wie sie im
Sturmschritt an ihm voriiber wollte
Wie einen elektrischen Schlag empfand
er ihre Berührung, und was er irn
Leben nie gewagt, in feiner Phantasie
hielt er sie fest und küßte sie leiden
ichaftlich.
So konnte dgs nicht weiter gehen.
Wäre er ein so flotter Kerl wie
der hübsche Schlosser drüben —- er
würde nicht lanae Zaudern! Mit dem
hielt es die Blonde wohl. denn sie
wars einmal eine übermiithiae Kuß
band hinüber-. Oder galt die Knieband
vielleicht aar ihm? ———- Die Mäd
chen wollen ia alle gern unter die
Hande! Durste er’5 am Ende waaen?
Luni ersten Male in seinem Leben
faßte er Muth, zum ersten Male gino
er entschlossen aufs Ziel los . .. zum
ersten Male machte er ein Liebesg
stöndniß.
Dass er abblinen würde. hatte er
wohl geahnt. Wenn sie ibm weniqs
stens vernünftig Bescheid nesoat hätte!
Aber sie lachte die aanaeStraße bin
nntesr, lriimmic sich beinahe vor La
chen und vorzelte lachend in die haus
ibiir, oerade an die Schulter des büb
schen Schlossers, der dort breiispurig
seine Ziaarre tauchte.
Er hörte nur noch, wie sie seinen
Namen herauslicherte, seinen korni
schen Namen!
Aus allen Himmeln gestürzt und
doch äußerlich ruhia, setzte er sich an
die Arbeit. »Laß sie spotten und la
chen,« dachte er mit leisem Seufzer,
»sie wissen ja nicht, daß dein Vater
ein Künstler war und nur den einen
Wunsch hatte. auch seinen Junaen zur
Kunst zu erziehen; daß er Glück und
Ruhm voraussah, als er dem Kinde
den hochtsnenden Namen gab! Sie
wissen nicht. daß er so frile aus dem
Leben mußte. dasz der blosse, schwäch
liche Junge gezwungen wor, sich allein
durchzuschlagem und daß er innerlich
ein Künstler wurde, wenn ou · nach
ans-en nur ein armer haner er.«
Er beschloß, fortan noch zurückhal
iender zu sein —- den Frauen ganz aus
dem Wege zu gehen. Wozu brauchte er
sie? Hatte er nicht alles, was sein
Herz erfreute? Die herrlichen Bücher
und Kunst eitschrtsten aus des Vaters
Nachlaß, eine schöne Miinzensamm
lang, die Raritäten im Glasschrani,
die er mit Eifer zusammengetragen!
Aber das Gefühl, das einmal er
wacht war, wollte nicht mehr ein
schlummern. Jmmer deutlicher tam es
ihm zum Bewußtsein, daß seine.
daß ein Leben verfehlt sei, wenn er
Schäke nur ein todter Kram und«
nicht Anschluß an ein junges Men-«
ichenherz siitlse
Da —- — als er eines Morgens
schivertniithig in das Schneegestöber
blickte, tlopste das Glück mit leiiem
Finger an seine Fensterscheibe. Es
war nicht so zierlich wie die blonde
Emmi, es hatte runde hiiftem frische
Baden, und unter dem nusgestreiften
Aermel wurde ein voller, weißer Arm
sichtbar. »Könnrn Sie mir vielleicht
den Hofschliifsel vorgen, Herr
Schleich? Der Wind bat mir die
Thür zugeworfen.«
»Gem, liebes Fräulein,« beeilte er
sich, zu sagen, denn er tannte sie ge
nau. Täglich fah er sie am Brunnen
scheuern, immer ein fröhliches Lächeln
um den Mund, immer frisch und roth
wangig, während er im warmen Zim
mer frei-.
Daß sie blendend weiße Zähne und
ein fein gebogenes Näschen hatte, sah
er heut zum ersten Male. »Wenn Sie
mir den Schlüssel wiederbringen,
Fräulein, dann kommen Sie hiibsch
durch die Thür,« lächelte er mit einem
Anflug von Kerlheit, -,,l)ier draußen
ist’B ja talt."
Aber das that sie nicht, sondern
nach fiinzf Minuten tldpfte sie aber
mals ans Fensier und bog sich neu
gierig vor, um ins Zimmer zu sehen.
»Wie phantastisch es bei Ihnen aus
sieht! Was haben Sie fiir schöne blaue
Krüge! Das sind wohl Delster? Und
genau solche Trube wie meine Graf-,
mutter in Prerow hat! Und was filr
schön geschnitzte Stühle!«
»Das ist Tiroler Holzschnitzerei,«
erklärte er stolz.
»Sehen Sie, ich dachte mir immer,
daß Sie ein Künstler wären.«
»Ach nein, Fräulein,'· lächelte er
wehmütbig, »ich bin nur ein ganz ge
wöhnlicher Tapezierer.«
»Wer Ihnen das glaubt! Wie lä
men Sie denn zu dem schönen Namens
Karl und Fritz kann jeder beißen.
Aber Divnhs ——— das iit griechisch.
Das klingt so apart.«
»Geiällt anen der Name?«
forschte er. ,
Sie niclte und wurde ganz zutrau
lich: »Meine Mutter hat mir auch
einen vornehmen Namen gegeben —
Antoniel Sie wollte etwas Besseres
aus mir machen, und der Reiter hatte
mir eine Freistelle im Seminar ver
sprochen, weil ich so gut lernte ———
da starb Mutter.«
,,Und hier bei der Tante haben Sie
es nicht besonders gut?"
«Ueber Arbeit will ich nicht tlagen,«
ientgegnete sie zögernd, »an Arbeit bin
)ich gewöhnt. Aber mein Leben ist so
,freudlos und einsam. Selbst mit
meinen Sonntagen weise ich nichts
anzufangen. Die Mädchen hier im
Hause führen so sreche Reden. die
’jungen Burschen sind zudeinglich·..
oder roh! Jch laufe immer Spieß
ruhten, wenn ich an ihnen vorbei
muß.«
»So geht es mir ja genau,« fiel er
ihr lebhaft ins Wort und fügte im
Stillen hinzu: »Wir beiden armen
S ächer scheinen gut sür einander zu
pa en. wenn wir uns auch äußerlich
nicht gleichen, du« ein so frisches,
warmbliitiges Kind —’—— ich ein so
bleichsüchtiger, müder Geselle.«
Wie eine lustige Schnoeflocke war
sie davongehuscht, und er hatte fein
Fenster geschlossen. Fortan träumte
er von einein stillen Glück, nicht von
einem überirdischen mit Paradieses
Wonnen, sondern vst einem solchen
das in zwei netten Stäbchen und ei
ner blitzt-lauten Küche Platz hat.
I O I
Wie ein Lausfeuer geht’s im
Hause herum: Diontis Schleich hat
hat«-grosse Loos gewonnen! Wer es
härt, ist platt vor Staunen. Nur die
Gemüsehändlerin bewahrt ihre Ruhe
nnd sagt: «Jott in Himmel! Es wird
hischens en Zehntel feint«
»Und davon vielleicht blon der
dritte Theil,« lacht der hübscheSchlos
ser. »Natürlich wird er nu wieder bei
Fräulein Emmi antloppen, und da die
sich «rade mit ihr’n Sergeanten ver
tna t hat, nimmt se ihn schließlich
dach. Wenn’t Jeld alle is, is de Liebe
a e.«
»Da tennft du den schlecht, mein
Sohn,« äußert sich« der Kohlenmanm
der nebenbei ein Philosoph ist« »der
taust sich gelehrte Bücher und allerlei
altmodischen Krempei. Da legt er
seine Kavitalien drin an.«
Aber Dionhs Schleich verstandsein
Kapital besser anzulegen. Er hielt
die kleine Ante-nie fest, die noch nichts
von seinem Reichthum wußte, und
fragte ohne Umschweise. ob so ein
hübsches, fleißiges Mädchen wie sie
wohl einen so langweiligen Kerl wie
er sei —- ein bißchen liebhaben
lännte»..
;- Sie stellte ihren Waschtorb hin und
sa ihm so herzlich in die Augen« das-,
er ai neue Bündnisi rasch durch einen
Kuh besiegelte. Zum ersten Male
sol te sie ihm in sem geheimnisvolles
St bchen und ward ganz roth, als er
ihr seine Schöhe zeigte.
· Zwei Straf-en weiter gründeten sie
ihr heim m einem herrschaftlichen
i
fGartenhause mit einem schönen Ku
pserichild über dem Vorteil. »Wie stolz
sich dein Name auf dem blanten Fir
menichilde ausnimmt!« rief die junge
Frau strahlend. »Aber weißt du. wenn
mtr so recht zärtlich ums Herz ist,
dann klingt mir Dionys zu fteii,...
dann sage ich: Männe!«
Wie gern ließ er sich Männe nen
nen!
staueneirraimpatton und
tschi-ps
Ftiirzlich las ich in der Zeitung
tkkin’n Artikel von Bedeutung.
Dachte gleich in meinem Sinn
Sirnitz da liegt doch was drinn.
O die schönen alten Zeiten
Sind gerückt in ferne Weiten,
Wo noch Mütterchen zu Haus«
Bildete die Tochter aus.
Lernte kochen, ichmoren, braten,
Und zu »dem« und »jenem'« rathen.
Töchterchen lernt’ alles gern,
Heute ist dies -—— »unmodern«!
Oeute wird gemalt, geklimpert.
Viel in Poesie gestiimpert.
Tagebuch wird flott geführt.
Wie man sich hat amiisirt. —
Doch tommt mal der Freiersmanm
Hält um Mädchens Oandchen an,
Wird zwar »Gutes« ihm erzählt
Von ,,der«, die er sich erwählt.
Doch hat er sein eig’nes heim,
Führt sein trautes Weib er ein — —
Jst auch seine Liebe ties,
Geht die Sache ostmats schief.
Schmoren, braten heißt es dann,
Und sie denkt mit Schaudern dran:
Ach, wie sang’ ich’s doch nur an!
Kommt der Gotte dann zu Tisch,
O! Versalzen ist der Fisch.
Und der Braten, statt piiant,
Schmeckt er scheußlich angebrannt-—
Drum, ihr lieben Mägdelein.
Lernt im Haushalt flißig iein.
Und ihr werdet’s nicht betlaaen2——
Liede geht nur durch den Magen.
Tentet doch wie hübsch und nett.
Wenn auf eurem Küchenbrett, «
Jn der Speiietammer schön
»Selbitgen:achte« Früchte stehn.
Kommt der Winter mit Gebraus,
Habt ihr alles da im Haus
Und der Gotte wird allein
Stolz nur auf sein Frauchen sein!!
Gertrud Bormann.
Das eine Pariser-l- Iverth is.
Jm Pariser »Peiit Journal«
schreibt ein Statistiker: Man behaup
tet, daß es in Frankreich fein Geld
mehr gebe; aber es liegt oder läuft
vielmehr auf den Straßen herum.
Man berechne unr, was tsie Kleidung
und die Schmuckfachen einer eleganlen
Frau werih sind: Schuhe 80 Fr»
Skriimpie 25 Fr» Hemd 100 Fr»
Florfeit 200 Fr» Unierbeinkleider 200
Fr» Unterrer 300 Fr» Kofiiim 800
Fr» Pelz 5000 Ir» Ohrringe und
Ringe 6000 Fr» Perlenhalsband
20,,000 Fr» Handschuhe 20 Fr» Hut
200 Fr» Kamme 800 Ft.·, Schild
patinadeln 60 Fr» Hutnadeln 1000
Fr» Geldiiifchchen 300 Fr, im gan
zen 35,085 Fr» die man auf Schritt
und Tritt in den Läden, in den Kirs
chen, in den Ansstellungen treffen
lann. Man könnte sagen, daß ich
Ausnahmen anführe; nehmen wir
also die Regel, die Frau aus dem rei
chen Bürgerfiand. Schuhe 25 Fr
Siriimpfes Hemd 25, Lorfeit 60,
Beinileider HO, Unterroci120,Ko-s
ftiim 200 Pelz 600, Schmuck 1500«
Handschuhe 5, hut 80, Kamme 50,
Hutnadeln 30, Geldtiiichchen M, im
ganzen 2800 Fr» die man auf Schritt
und Tritt trifft. Und dabei sind die
falschen haate und die falschen Zähne
noch nicht milgerechneis
Ottern Hieb stirbt site.
Dieses deutsche Rechtssprichwort ist
man versucht gegenüber folgender
Thatsoche anzuwenden. Der stanzösi
sche Minister des Aeußern hat vor
Kurzem einen Diplomaten zum »Prii:
sidenten der Phrenäentommission«
ernannt. Das ist nicht etwa ein Phan
tasieposten, sondern die Pyreniientow
mission besteht wirtlich; sie besteht so
gar schon recht lange, nämlich —- seit
dem 17. Jahrhundert. Sie ist um die
Zeit errichtet worden, als die Seht-to
lnde in Frnntreich«eingesiihrt wurde,
als« König Ludtvig der Vier-zehnte sich
von der Bevormundung durch Maga
rin frei machte, und sie ist eine Zeit
genossin des großen Conde und des
:·Artagnan. Jhr Zweck ist« die Frie
densvertriige zu vervollständigen und
die seit 1650 schwebean französisch
spanischen Grenzstreitigteiten iu ent
trirrem und im Hinblick aus diesen
Zweck besteht sie aus gewiegten, ersah
rungsreichenDiplomatem Seit wei
einhalb Jahrhunderten ist die vmz
mission in Thätigteit Sie arbeitet;
Sie entwirrt Grenzen. Zweisellosl
ist sie mit diesem Entwirren noch
lange nicht fertig, denn was sollte
sonst die Ernennung eines neuen Prä
sidenten. Man muß wirklich hoch
achtung vor der Beharrlichteit und!
dem Sitzsleisch dieser Diplomaten tut--l
ben. Die Pyrenäentommission wird
wahrscheinlich »das iebende Geschlecht
und seine Kinder und Kindebtinder
-iiberdauern. Und Ludwig der Vier
zehnte hat unrecht gehabt, als er er
tiärte, es gäbe keine Pyrenäen mehr;
die Pyrenisensrage lebt iininr noch,
unsterblich wie die zu ihrer Erledi
gung eingesetzte Kommission. Eisern
Vieh stirbt nie!
W
»Minna, was macht denn der
Chausseur in der Küche?«
«Madam, der( t niir ein bisserl
Benztn zum Hart chuhpuhen brachtt«
site instit-nee- sueeaemstifqes
Gestiftet
erzählt die Briisseler Gazette: Wenn
in ver belgischen Cisenbahnverwa1
tung ein Beamter befördert wirb. e
nieszt er sofort gewisse tleine Ver · -
fiigungen, die durch eine geioissensafte
nnd itrengetktitette geregelt werden.
So hnt ein zum Abtheikungschef be
sörderter Bureauchef Anspruch aus
snene Fenstervorhänge von besserer
Qualität, auf einen größeren Teppich,
auf einen bequen;eren Stuhl, ja sogar
auf bessereTintr. Er hat ferner An
spruch auf eine Standuhr aus schwar
zem Marmor-, die nebst zwei anderen
Ckgenitiinden den Aarnin seines Bu
rcans schmücken muß —,,muß«,weii
ers von Anits wegen vorgeschrieben ist.
Nun hat man aber vor einiger Zeit
die Vureaug niit elettriichen Uhren
ausgestattet: außerdem wohnen jetzt
die Abtheitnnggiheics häufig in einer
Art mit istlasioiinben versehener Kä
fige, von wo aus« sie ihr ganzes Pers
ional überwachen tönnen. In diesen
Käfigen giebt es natürlich teine Ka
inine. Was ist hier zu thun? Das:
Sobald .ein »Zum Abtheilungschef er
nannter Bittenuchei seinen Käfig be
zieht, erscheinen Arbeiter, bie an den
Wänden des Käfigs ein Brett an
zubringen haben, das in aussehen
knan wie ein Kantinfim5. Aus die
sem imitirten Karnin stellt ingn dann
die niarmorne Uhr und die beiden da
zu gehörigen Gegenstände. Nun erst
weiß jeder Mensch, daß der Mann im
Käfig ein Abtheilungschef ist. ?
Eiienbahn-Betrieb herrscht die grö te
Unordnung aber Ein Bureau waltet
musterhaft unb »von Amts wegen«
die tadelloiefte Eiitette, nnd ber hei
lige Bnrautratieinus giebt seinenSes
gen dem-.
—-—-...
Betrat-tang- "
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Vagabund tsich in einem Spiegel
beschauendx »Das it’ doch mertwiäs
dig, da trag’ ich jetzt ein’ Zylinder
von ’neni Baron, etn’ Rock von ’nem
Bankier, ’n Paar Hosen von ’nern
Hausherrn und mit alledem zusamm’
schau’ ich doch wie a Linnp aust«
Ins einem Münchener Getebitttbans.
»Wie konntest Du nur bieten Bier
buber, diesen leichtsinnigen Menschen.
der so viel Bier trintt, als Kassirer
engagiren —- tvenn der einmal durch
brennte . . . !«
» »O, der geht nie ron München
weg!"
Sein Stieb
Dame welche einem Herrn etwas
auf dem Piano vorgetragen hat):
,,Spielen Sie auch, mein herri«
herr: »O ja. Jn meiner Stamm
tueipe Stat, im Dilettantentheater
den ersten Liebhaber und in der Lot
terie zwei Zehntel.«
Unter Kote-ein
Direktor A.: »Er-gen Sie mal,
Herr Kollege, too itt denn das Feuer
in Jbrer Fett-seit eigentlich ausgebro
chen?«
Direktor B·: ,,Bedaure, Ihnen ba
riiber keine Auskunft geben zu tön
nen.«
Direttor A·: »Aha, Geschäftsge
heimniß!«
Nicht wankend ss mache-.
Anna: »Du, ich babe gehört, daß
Ase-ein Bräutigam tolossal verschuldet
i t -«
Einma: »Weiß ich; aber etabe bat
ist fiir mich ein Grund nie r, ibn II
heiratheni«'
Anna: »Wieso denn?«
Einma- ,,Weil es- etn Beweis dafite
Zins-aß alle Welt Vertrauen zu ib
at.«
Lauheit des Ists-Mis
XZN
f
,,Sondetbak, seitdem wir ein Auto
mobil besitzen, sind es unsere entfern
tessen Verwandten und »wunde, die
wir am häufigsteu befu M«