Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 12, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    Jn den Hieiew
; Amen von Yakgatete Betst-YOU.
HCH «
(12. FortsetzungJ
um zweitenmal diese Worte....
q
II zuckte zusammen. Sie blieb
jen, und es war noch gerade hell
- ag, dasz er ihr Kopfschiitteln
steckt konnte. »O, Ernst", säiiiterie
e nun, »das ist ein Weg, den must
man ohne Herz gehen.«
»Er suchte ihre Hand und hielt sie
fest. ganz fest· »Da-«- Kerz Hebe,
das mit der starken Stimme des Blu
tes sprichst, das darfst Du bei diesem
Suchen nicht entscheiden lassen.« Ein
tiefer, zitternder Untertan, eine große
Zägst um sie lag hinter seinen Wor
Und sie hörte den Ton....
Ernst sah auf sein Häuschen hin
aus dessen Wohnstuhensenster jetzt
Lampenlieht kam. Dort sollte noch
viel werden, dort mußte erst noch
viel werden. Mit sanftem Druck
eutließ er jeit Hedes Haer und fuhr
mit eindringxicher Stimme fort:
»Nimm jenes Wort vom Schwachen
Ists Starken so als Trost, Bede. So
singt dai Wort wohl dem weiblichen
Waden am besten. Vor Jahren
« fast- ieh Dir schon einmal: er ist ein I
Kranken Ertläre Dir das Handean
Seines Vaters aus Schwäche. auss
. einem Manto an Ertenntnißiiihig-(
seit von den Wenhen des LehenSH
Arbeit Streben für vie Schalle, Haus l
nnd Familie... So konnte es kam-s
men, daß an seine Stelle ein Stär-!
irrer trat: Dein Großvater ..... !
Diesen Weg gehe, Hede. und komme!
- zur Ruhe. Das-. menschtich ver-»
ständnißvolle her-I nimm rnit aus den ;
Weg, aber nicht das ovferhereiteherzj
sit der Stimme des Blute-:- . . ." Er;
schwieg· l
E und naco einer ganze n gau ,e »
E Weile tatn ihre behende Stimme zu
ibmls »So will ich alles ansehen so;
E »Und nach einer Pause, als sie J
E schona über den Hos gingen: »Wie Du
mich kennst» « Und nun auch ins
ihrer Stimme der llnterton.
Sie schwiegen Aber als sie nun
vor der kleinen Hinterthiir standen,
riß hede so hastig und voreilig die
THin auf und stürzte ins Haus
« Etwas später fuhr Hede dann mit
dem Grokvater und Paitor Olsen
heim. Frau Pastor war bei ihrem
t Sohne geblieben: denn sie wollte am
T nächsten Tage da fein, wenn die
Wirthschasterin kam. Der Pastor
und Fraude sprachen über Sei-sel
der Gemeindeangelegenheiten, Hede
aber schwieg und starrte in die sin
kende nebelspinnende Nacht hinaus
L und meinte, es sei noch nie ein sol
E ches geheimnißvolles Weben über den
E Wiesen und Ackern gewesen
Im Hause angelangt ging sie so
gleich in ihr Zimmer hinaus, und da
stand sie erst eine ganze Weile und
blickte still umher wie fragend Aber
es war ihr einfaches kleines Zimmer
seit den Möbeln aus ·Fichtenb.olz,
nichts war darin anders geworden
Und während sie noch so dastand
»Und-sie es leise ,,Frcinlein, da ist ein
Brief siir Sie getommen,'« flüsterte
das Stubenmächden. Hede össnete die
Thür. Das Mädchen reichte ihr den
UVrief und raunte ihr zu, indem es so
ein vertraulich schlaues Gesicht mach-:
»Der eine von den Gastwirths
jungen hat ibn gebracht und sagte er
wäre vom Herrn Profefsor Hof
kann«
»Se, na... danke schön. Gute
s Nacht« hede schloß wieder die Thür
hinter dem Mädchen und zündete die
’ Lampe an.
Professor Hosmann wohnte wohl
schon wieder in der Stadt. aber es
« mußte ihm sehr in dem neuen Gast
hause gesallen haben; denk- es verging
kaum ein Tag, da er nicht aus seinem
— Schimmel herausgeritten takn und
dort einkehrte. Mehrmals war Her-e
ihm begegnet und da hatte er jedes
mal so schweigend ernst seinen but
M nie mehr hatte er sie mit so
dem zehrendem Blicke ange
" Erster-use aber war es Lehrge
Use-, als hätte etwas Den-tücht
w in seinen Augen gestanden. etwas
eine Abbitte Es war ihr peinlich
Wen und sie hatte freundlicher, we
" reserviet seinem Gruße gedantt
dich-I Und der Ortes nun ent
eine Befestigung dessen. was sie
hatte. Der impulsive Mann
- W Jehlgriffes wegen um Ber
« i. Er hatte nicht nett-sen wol
« Mc ur, das gleich, als
. Jede erstenmal gesehen
Mi Heil-e die Triebfeder
legten Dandlungjweise
4 Er M dann deutlicher
« hl und bat um Ant
· nd Ue keine Oeffnung sür dag
stiehaudensei und obertich nicht
» M bäte-. »Mit hemm
- M III hede dai W. Und
Eies Mise. lange und wußte
W « MW ichlktltkkch
M W thee Weimwa
Wåämwibusie schzixtb
HM « IS. rt
» Mit-Mit sei wohl
M ein weiteres
Mit den Brief en erlassen
»Sei-MIN
s
So, nun war die peinliche Sache
erledigt. hede tuoertirt noch den
Brief, fährt sich mit dem Taschentuch
iiher das heiße Gesicht und athmet aus
Still sitt sie wieder da und sinnt, die
gefalteten hände liegen im Schoße.
Nein, jenem konnte sie keine hejahende
Antwort geben. Rein. nein . . . Und
das enge Zimmer wird weit, und es
geht ein Singen und Sagen hindurch
von zwei Menschenkinderm die in dem
Wintelchen hier geboren und groß ge
worden waren . . . Ueber die sonnigen
Wiesen und Felder läuft ein wildes
Mädchen mit wirrem Haar, das haar
war noch nicht so geduntelt wie heute,
das war noch ganz roth, und darü
ber weint das dumme Ding und
jliiust hin zu dein Jungen ins Gärt
Zchen des Pastorenhauses. und da
Isidensie heide in der Lande« Er läßt
sseine Schuldiicher im Stich und trö
sitet das Kind und findet das Haar
Lsehr hiihsch . . . Aber dann war es
aus der großen sonnigen Weide . . . .
W—
ja, wie war dai?....L1ede legt die
Hand iiher die Auan und sinnt an
gestrengrer. schökfer.... Ja io
Das wilde Ding war nicht mehr
wild. Es war bitter traurig unter
dem Unglück geworden, das ins Haus
gekommen war. Und es·lag unter
einer alten Weide und schluchzte
Und ein ernsthafter junaer Mensch
stand piiitzlich da und strich über das
rothe Haar hin und redete dem un
glücklichen Kinde gut zu. Und so
gute. leuchtende Augen hatte er .....
Die leuchtenden Augen ..... «: .....
durch Jahre hindurch steht Hede sie
iiher ihrem Leben stehen. Und an
dem einen Tage« da hiiaen sie wieder
so tief nnd leuchtend.... Vom Bod
den her sind zwei Menschenkinder in
den Watd hitreingewandert. Von
Haß hatte das Mädchen eben ge
sprochen, von Haß gegen den Vater.
Da tlsingt eine behende Stimmeanit
»Du tannst hassen, Hede, kannst Du
auch lieben?«..·. Aber das junge
Mädchen verstand die Stimme nicht
in den Augen zu leien.. .. Und doch
wie war der Blinden ein Weitr
chen später so zum Weinen Armuth-.
»O Gott!« Liede schluchzt auf und
schlägt die hände vor das Gesicht
Tann wird sie wieder ruhig, geht an
das Fenster und öffnet es. Die Luft
.tiihit ihr heißes Gesicht, und sie
sneigt den Kopf weit hinaus, so als
Jsollte jemand die Worte, die sie ietzt
Islisstert heiser hören: »Ich habe Dich
schon immer litt-gehabt Ich wußte
es nur nicht« Lange sieht« sie und
starrt hinaus.
; Fern am Horizont hebt sich schon
Lder neue Tag. Grau-gelblich zit
;ternd scheint er da hinten aus der
liehten Furche des Feldes aufzustei
gen.
U
IS.
Jn Hedez Seele klang nun eins
neue Saite mit im Reigen der Taqe.
Und Hede tvar wie ein reif-es Weit-.
Mit dem erwachten hellseheriichen
Empfiaden ging sie aus ihrem Mäd
chendasein in die reicheren Gärten
des Menschenlebens hinaus nnd
stand oft fo voll Glücksverlanaen da,
und oft so erichauernd in bannen
Zweifeln und mit Zagen in sich
schauend. Und auch wieder war
hede wie ein Kind, das mit staunen
den Augen vor den fröhlingsgriinen
Bäumen siebt, die es den lieben lan
gen Winter über kahl qeiehen bat.
nnd es kann nicht begreifen, daß Das
dieselben Bäume sein sollen, dann
aber ist es elig darüber. Ja, to er
ging ez he auch, jeder neue Tag
lehrte fie, daß die Menschen in ihrer
engen Welt, diese armen. arbeitenden
Alltagsmenschen, oft ganz andere
waren, als sie bisher in ihnen gesetzen
hatte. Eine, an ihr llngliick ge
wöhnte, abgestumpft-e Seele, hatte sic«
gemeint, sei die im Dorfe wohnendes
kleine Maurerfrau, die Gram unt
einen le·ichtsinnigen. zeitweise dein
Tranke ergebenen Mann trug undl
dazu die Last der Erisicnzforge fürs
die Familie. Und das war doch eine;
so übermenschlich ringende Seeler
Der Mann hatte in seinem Trunks
den Kirchhofszaun denn-litt. und
da stand nun die kleine Frau wei
nend im Amtszimmer vor dein Groß- ’
vater. Der hörte sich das Elend an
und ab auf seine Weise seinen Rath
und wit. »Sei sünd ja doch so ’n
fliedis Fruc meinte er. »fchmitteni
doch den unnützen Kirl rut.« Aber
die kleine Frau entgegnet-: »Nei, nei,
ist hetv em doch so gern lieden mö
gen. Nu isdat Krüz kommen, und
ntt inIt iek dat tragen. . Jst hew dat
doch vorm Altar schivuren.« Der
Erst-data sagte gar nichts mehr,
aber er drückte der rau einen Tha
ler in die Hand, un sie, bede, ging
ihr nach und sah, wie sie nach
ichepeni Umherbltcken in die Kirche
schlich. de versteckte sich« daß ihr
Indien d Frau nicht ste, und da
« Rand sie hinter ein-tät silicken Vergä
.aunnamBegenn a mit . -
stunden Blick eine Welt weit feiner
den..».. Und da war die Tochter des
Ist-Ehren steigert vie Essen-s
der mit-ebenen alten Mutter stei
P
nert. Das Mädchen war in der1
Stadt im Dienst gewesen und war
nun mit einein tleinen Schreibalz in
die hiitte des Vaters eingekehrt
hebe hatte eine Scheu gehabt. die-T
tleine Tagelöhneewohnung zu betre-,
ten, und vor Tagen noch. als Minnal
in der Dorsstraße dahergetommem
war. batte sie mit befangenem. unbe-;
bat-lichem Eint-finden über sie weg-i
gesehen Jetzt aber suchte Her-«
Kleinzeug von Karl Adto heraus(
und trug es selbst bin. »Um
Fräul’n'·. stammelte das Mädchen
und stand mit verlegenem, rotbem
Gesicht da. Hede reichte ihr die
Hand. »Na, Minna, wie gebt es
Dir. was macht’s Lütting?« —-- »O,
Fräul’n, was sund Sei gut«. stam
melte das Mädchen. Dede trat an
den Korb. der in der Miste des Ofenö
stand, und legte ein Geldsiiia ans das
tuntgewiirselte Bettzeug »Ptlege
es nur recht«, meinte sie. Da ran
nen plötzlich Tbeänen iiber die Wan
gen des Mädchens. »Ich muß es ja
doch bier lassen und muß in die Stadt
und Geld derdienen.« schluchzte ej
und drückte’ die blaubimte Schürze
vor das Gesicht hede btiitte aus das
fchlasende Würmchen im Korbe und
dann aus die schlucbzende Mutter.
,.Minna,« bat sie leise, -,.lomrn zu
uns aus- Gut. Du kannst nähen und
bist anstellig Berge Wäsche , und
Zeug liegen bei uns zum Ausbrisern
Kannst Dein Kind mitbringen. Die
Räbstube liegt ganz ab und ei stärt
niemand« . .. Minna griff nach hedes
Hand und drückte sie an die Lippen
»Wie gieri, Feäul'n. Das möt irst
ein erläwe. wie dat ant Hart kippt,
so ·n Wurm tau erlaten.« Jgn der
hoben Erregung hatte Minna die
Heimathfprache benugt nun aber re
dete sie wieder hoc-deutsche »Ich wäre
schon gekommen und hätte nach Arbeit
gefragt, aber Sie haben so über mich
weggefeben, Fräul’n. da mocht’ich es
nicht« Freier fah das Mädchen nun
Hede an. Aber nun blickte hede zu
Boden in einem beschämenden Ern
vsinden Sie hob wieder den Kopf:
»Man-i willst Du es taufen lassen,
Minna? Ich bade noch tein Pathe-i
tind und möchte aerne eins baden.«
—«- »O, Fräuln ja. Es ist ein
Junge. Das bringt Glück, zum ersten
Male beim Jungen Gevatter zu
fiel-ein« So glücklich fah Minna aus.
Hede dritte-te ibr die Hand, ein war
mes Mitgesiihl Lag in ihren Augen«
L diese wunderieligen Tage-. wie wer
ideten sie rnit ihrem reinen Glanz.
mit ihrer aedeimnißvollen Macht des
Lebens Alltäglichteit.
Ernst leen steckte ganz und garin
seinem ernsten Beruf. Der alte Seini
tiitsralb hatte sich ins Privatkeben
zur( ezogen iund nun zrsdlitterte
sich me Praxis auf die übrige-I
Arr, e des Städtchens, da gab es
auch- iiir Ernst zu schaffen. Er tara
nicht oft nacb Steinfelde und wenn et
aeichab. waren es nur turze basiige
Minuten. Dann sprach er von seinem
Beruf, er sprach zu Großvater Frau
re, Hede aber fah er an. und sie Ver
stand ihn. Mit ichweigender - rea
digteit warteten sie beide ihres oben
Festtagez, und einmal nur, ganz ba
siig beim Abschiednehmen dxängtesich
Ernst etwas von dem über die Lippen,
wovon sein Herz voll war. »Ein Jahr
nur noch, hede.« iliisterte er. Sie
niette und sah ibn mit iteablenden
Augen an, aber als er gegangen warf
wurde es ihr zu eng im haufe. Sie
lies; ihrem Pferde den Sattel aus
legeu und ritt hinaus.
Das war ein Ritt mit verhängten
Zii la-, und das herz tlovste
Ta t dazu: sie kam erst zu sich, als e
schon auf Tuchentiner Gebiet hielt.
Jm langsamen Schritt ließ sie das
Pferd nun geben nnd lentte ei aus
den Landweg, der schräg durch die
Felder tiibrte. -
Sie traf die Gräfin und Otto Det
los im Wobnzimmer, etwas idäter
tarn auch noch Erita hinzu. Detlos
rear in üblee Stimmung, und die
Gräsin meinte sehn-send zu hebe:
»Sieh Dir mal den Standesberrn da
an. Das will nun der Graf Otto
Detlos von Tnchem here aus Suchen- »
tin, Waldbausen und Stechow sein.'«s
Aber Detlofs Gesicht wurde nicht
um einen Schimmer heller. »Na, iet
ginge bier lieber in Jagdstieseln be
rum, als aus Sternburg in Lock-U
schaden« muckte er und tuer sich mit
der band iiber das turzgeichoeene
blonde Haar.
»Aber, Sohning,« die Gcäiin fah
ihn kopfschüttelnd an.
»Na, es ist ja wahr, So ’t-. greu
lichek Zwang. Mußt nämlich wissen.
hebe, auf Schloß Sterns-arg ibt es
much Ritter-seit und Minne änger.
IDie gnädige Tante ist ·«ue fürchterliche
Wognekvetehteein, und jährlich ein
mal lommt io ’n Lohengkin oder
Sie tied angefahren und singt im
Mu staat der Steentmrg vor zusam
mengettomnteltem Auditorium. Alles
dreht sich um Musit und Damen
dienft, und das acht Tage lang. Und
ich tami diesmal keine Krankheit vor
schützem muß hin . » muß hin.« Det
lof blickte ganz verzweifelt darein.
»Na, ei gibt doch auch ein paar
Zagtdtage dazwischen, Betts« tröstete
u a. - s
»hessentlich.« brummte Detlof.
»Na, entschuldigt mich. Ich will mal
eiiber in die Gutitcmzlei. Adieu,
de. Ehe ich mich der Stetnbutget
« agsetziehnng Guttat-weih
omtue ich noch zu Großvater Staude
aus« ch habe ihm das VII ist-er ta
ti Wiesen« und Be mitth
Moft Muth Er drückte hebe die
"Hand, verneigte sich vor den Damen
nnd verließ dai Zimmer.
gFiibrst Du »nicht mit, Erita?'
fragte hebe.
Erita schüttelte den Kopf: »Es
kostet zu viel Toiletten.« ,
»Es ist besser, meine Töchter mei
den derartiges," bemerkte dieGriifin.
»tieber kurz oder lang wird Dettof
wohl doch unter den Töchtern oee
Landes wählen, dann wird sich unser
Leben viel bescheidensr gestalten
rniissen.«
,,Meines so als Matfrtiutein,«
lachte Erita. und dann ptauderte sie
aus der Schule. daß da aus der
Sternburg schon eine Komtesse fiir
Otto Dettof in Bereitschaff gehalten
werde. »Aber ganz reizend ist sie,«
bemerkte sie entbusiastisch.
Die Gräfin griff dieses Thema
auf, und während die Damen so
ptauderten, wurde hede immer
schweigsamer. Eine Unrube bemäch
tigte sich ihrer, sie erbob sich baldnnd
verabschiedete sich.
Langsam ritt sie durch die Felder.
Das Weibnachtifest stand vor der
Itsiir und wenige Tage nur noch,
dann tam sitsbeth zum erstenmal nach
eineinbalbjiibriger Abwesenheit in die
Heimath. Bei Eritas Ausplauderei
hatte hede an die Schwester denten
miitsen und daran, wie Elsbetb so
leidenschaftlich arti der Heimatb weg
verlangt hatte, ehe Otto Detlof wie
der da war. Jrnnrer langsamer ritt
bede. Ein Schatten lag in dem tlas
ren Wintertag.
Der Schatten btieb nun, und ge
wobnsech wenn hedes Denken frob
und hell Ernst Olsen zuflog, gewöhn
lich dann stand der Schatten gleich da.
»Ur-me Elsbetb,« itiifterte sie dann
traurig. Aber wenn nur erst die
Schwester da wäre, sie wollte sie in
die Arme nehmen und wollte sie ient
besser verstehen· Ungedutdig zählte
Hede die Tage bis zu Eisbeths An
tunft. Als es nur noch zehn Tage wa
ren, fing sie an laut zu zählen. Mut
noch zehn Tage, Großvater, dann ist
Etsbetd da,'« sagte sie, nachdem sie
dem Alten gute Nacht gewünscht hatte.
Und an den folgenden Abenden:
»Heute sind es nur noch neun Tage«
»Heute nur noch acht.« und so
fort. Dann endlich hieß es: »Mot
gen Abend ist Elsbetbschon bei uni.«
Und Fraude nickte dazu und sagte:
Punkt zwölf Uhr müssen wir biet
wegfabren.« Erfreut sah hede auf:
»Du tomrnst mit?« — »Ja, was
dentst Du denn-? Jch freue mich doch
auch. dosz sie kommt, und ich denke,
sie wird nun wieder gern dableiben
wollen. Singen muß sie nun doch
schon tönnen wie eine Nachtigall."
Hede lachte. «
Arn nächsten Tage aber fühlte sich
Großvater Fraude gar nicht wohi.
Er klagte, daß er in der.Nacht tein
Auge hätte zu thun können, solch Rei
ßen hätte er in den Gliedern gehabt
und Schmerzen in dem labrnen Bein.
Und nun hatte er so tief!iegende Au-«
gen und eine so gelbliche Gesichts
farbe und fiibtte sich nach seiner Aus
sage arn ganzen Körper wie zerschla-s
gen und blieb im Wohnzimmer am
Ofen fisen Ais Hede aber fragte, ob
fee Ern Olsen um seinen Besuch bit
ten sollte, wurde er aufgeregt nnd
schalt heftig: er sei tein pimpetiges
Frauenzimmer. Dabei hatte er aber
wieder so etwas Unruhiges an sich
und so glänzende Augen. Solches
batte Hede lange nicht an ihm be
obachtet. Sie ängstistz sich und gab
Friedrich dann doch seht, an dem
teinen Dottorbäuichen vorzufahren.
Ernst Otsen war» auf Patientenbesu
chen abwesend, doch die haushiilterin
wollte ihn denn-beschüan
Auf dem« Vahnhof traf hede ge
rade zur rechten Zeit ein. Das Ein
laufen des Zuges wurde schon signalii
sitt, und sie schob sich, soweit als
thunlich. durch die Gruppen der zu
den Feiertagen heimwärts reisenden
Studenten. Mit glänzenden Augen
starrte sie dem je t hörbar und sicht
bar werdenden »uge entgegen. Er
stampfte iekt herein und stand. Die
Kondetdiiren wurden auf rissen.Ei«n
Durcheinander der Men chen. hede
hasteie hin und her und spähte scharf
aut. Die Schwester war aber nir
ends zu entdecken. Doch jegt wurde
re eingesprochen. Ein älterer Herr
verneigte sich vor ihr und nannte sei
nen Namen. Es war der Universitäts
prosessor Falt, Detan der medizini
schen Fakultät, der jeßt Hede berich
tete, daß Elsbeth, die soeben mit sei
ner ebenfalls in Berlin studirenden
Tochter eingetroffen wäre, arn Aus
gang warte. Dede dantte und schritt
nun neben dem Professor her.
Gerade unter der Bahnhafsuhr
standen zwei junge Damen Die e: ne
lächelte jetzt und nicktr. Hede strthe
Diese schtante Gestalt in dem dunkel
blauen Reisetleide. Udaj nein.
nicht, «msgttch.» Aber doch-« e
waren Etibeths Augen« Elidethi
Gesicht» Jm nächsten Moment hiel
ten sich die Schwestern in den Ar
men. »Ich hätte Dich nicht erkannt.
Elibetting.« flüsterte bede. Elsbetli
aber lächette, es war aber nur so ein
halbes Lächeln. Auch etwas, wodurch
re der Schwester fremd erschien Der
rofessor verabschiedete sich mit seiner
ochter, und Dede und Elsbeth schrit
ten hinaus zu dem ihrer harrenden
Wo n. Und Friedrich risz seine
erblauen Augen auf, starrte Els
beth an wie ein Weltwunder unt
brummte »Sei dat maglich« in srck
hinein. Dann riß er aber seine Pelz
vom Kopfe und begrüßte das
gnti tge Zeiiutetn sehr respektvoll.
Un so wie es hede und Friedrich
ergan n war. erqing es etwas sviiter
auch amsell Mkcherh der alten Knut
und den Mädchen. Alle strikten sie,
ehe sie Eltsetb erkannten. Und in der
Küche gab es Dändezusammenschla
gen und Kopfschiitteln und siaunende
nnd bewundernde Ausrufe. »Nein,
was ist Fräulein Elsbeth doch siir
eine vornehme Dame geworden,« sagte
die Mamsell immer wieder.
Vor den Augen ds Großvaters
aber sand diese Dame gar keine
Gnade. Nachdem er sie herzlich abge
tiisit hatte. faßte er sie bei den Schul
terri, drebte sie rechts um und lints
um. musterte sie vom Kon bis iu den
Füßen, wies auf das tief gescheit-Ue
Haar bin und meinte lachend: »Na
vertell mi man eins. min leiw Tir
nina, wo best denn Dine lütten Oh
ren loten?'«
»Na, aber Großvater,« ftotterte
Eisdetb und wurde roth.
«Ja, Elsbetting. Du siehst gar nicht
nett damit aus,« sagte hede und hatte
das Empfinden, als ob es zu der be
absichtigten schwesierlichen Vertrauti
liest nicht kommen werde. .
Und dieses Empfinden wach-, als
die Schwestern durch das Dorf gin
gen, um Pasior Oliens einen Besuch
abzustatten. Elsbetb hatte sortwäbs
rend etwas zuspiitteln »Gott, nein.
wie dorsintslutblich kommt es einem
doch ietzt bier vor, wenn man erst
Berlin sehen bat,« meinte sie. »Diese
tleinen Juden sollen Häuser sein. Das
rin leben Menschen... Aber was die
Leben nennen. Essen, Trinten,Tdier-:
siittern. Acker bestellen« Urlbetii
warf geringichiisend den Kopf zurück.
»Um Thiere füttern und Acker be
stellen dreht sich ja auch mein Tige
wert,« sagte Heide leise.
»Na ja, andere Interessen gibt's in
den! Winkel ja nicht.« noch mebr
Spott hatte Elåbetb in der Stimme.
Nun aber fuhr in Lede Zorn auf.
»Der Winkel ist doch Deine Heimatb
biet bist Du doch ausgewachsen bait
Du sie denn nicht lieb?"
Entsetzung folaU
T ftauische sum-.
Was ich hier iiber dieses Thema
mitteilen will, erfuhr ich während mei
ner Reise in Tibet teils durch eigene
Anschauung, teils durch Erzählungen
von Eingeborenen und durch meinen
Tsolmetscher, der felbst ein Tibetaner
ift. Jch gebe es ziemlich teitiklos wie
der und will nur bemerken, daß sich in
Tibet wie überall die Festlichteiten und
Gebrauche nach der sozialen Stellung
und dem Wohlftande der Beranftalter
abstufen und daß sie je nach der Ge
gend des Landes gewissen Verschieden
heiten unterliegen.
Das Haus, in dem ein neuer tleiner
Tibetaner das Licht der Welt erblickt
bat, gilt für die Zeit eines Monats
als unrein und es wird nicht besucht,
außer von den nächsten Verwandten.
Nach Ablauf diefer Zeit findet eine
festliche Zeremonie statt, in der die La
mas, die Priester des Landes, eine be
deutende Rolle spielen. Der Tauf
ling — m«an tann ihn beinahe fo nen
nen —,- wird von einem Lama unter
Asstsienz mehrerer anderer mit Saf
rcnwasser unter Gebeten gewaschen,
erhält seinen Namen und wird stan
desamtlich gebucht. Er erhält von fei
nen Großeltern eine Ausstattung an
Kleidchen und Wäsche, von Freunden
M Verwandten kleine shmbolischeGe
scheute, wie geweihte Seidentiicher,
Sächchen mit Reis und andere Dinge.
Das haui wird mit einem in Safrani
wasser getauchtenYakschwanz besprengt
und wird sodann wieder rein und be
suchjsähig. Nur wenn das Babh ein
Knabe ist, findet hierauf ein fröhliches
Fest statt. bei welchem große Mengen
von Tschang, einem süßlichen Ersten
gebriiu, getrunken werden.
Die Kenntnis des Lesens ist in Ti
bet ziemlich weit verbreitet und wird
den Knaben meistens, in der mächtige
legenen Klosterschule beigebracht;Mäd
chen müssen diese Fertigkeit. falls sie
sie überhaupt erwerben fallen, zu Dau
se erlernen. Wenn ein Knabe zum Be
rufe eines Lama herangebildet wer
den soll —- und faft ein Drittel der
rniinlichen Bevölkerung wird dies, —
so kommt er bereits vom sechsten Jahre
ab in ein Kloster, in dem er fortan zu
wohnen bat. Wie nach katholischer
Sitte, haben die Msnche und Leutptie
frer das Geliibde der Armut und
Keuschheit sowie der Mäßigleit im Es
sen und Trinken abzulegen; befolgt
allerdings wird es, wie ich selbst erfah
dren konnte, nicht immer.
Sebr früh naht in Tibet die Zeit, in
der Eltern an die Verheiratung ihrer
Kinder denken müssen. Daß Knaben
oder Männer, wenn man fie so nennen
will, im 14., Mädchen im 12. Jabre
heiraten, ist nichts Seltenei. Die
Werbung bringt ein älterer Verwand
ter des männlichensandidaten vor,und
was dieser und der Vater des Mäd
chens dabei sprechen, essen und trinten
müssen, ist genau vorgeschrieben Die
Verlobung wird in beiden häusern ge
feiert, jedesmal aber auf Kosten des
männlichen Teiles oder dessen Familie.
Auch bat die Familie des Bräutigams
der anderen Familie während der gan
zen Brautzeit Tschang zu liefern; die
Menge wird bei der Werbung seft e
seht. Diese beiden k ste, an die ach
manchmal auch die ewirtung aller
Dorsbewobner schließt,wird als Thal
tschang bezeichnet, was etwa »Aera
hing-hier« bedeutet. Der Werber bat
dem Brautpaar allerlei Geschenke zu
machen, die genau aufgeschrieben wer
- den. heiratet dann einmal eines sei
ner Kinder, so hat der derzeittge
Brautwerber die Geschenke in glei
chem Maße zu erwidern und tritt dann
seinerseits als Brauwerber auf. Wie
bei allen Jestliehteitem werden auch
hier Lamas zugezogen, die natitrlich
ddfiir entlehnt werden und deren Zahl
daher mit dem Reichtum des Bräuti
garns Schritt häln Man erzählte mir
boii einer hochzeit in Gartot, bei der
siebzig Lamas zugegen waren.
Die Hochzeit selbst findet längstens
ein Jahr nach der Verlobung statt.
Am Morgen des ersten Iesttages er
richten einige Freunde des Bräutigams
vor dessen Haus einen Turm aus Ger
stenstein-Ziegeln, der mindestens die
Höhe der Eingangstiire erreichen muß
holzschalen mit Butter und Kriige mit
Tschung werden in Rischen und auf
Stufen des Turmes aufgestellt. Die
betreffenden jungeti Leute werden so
dann bom Vater des Bräutigams ein
laden, mit seinem Sohn zu tanzen.
Dieser Tanz, zu dem wieder zahlreiche
Belannte eingeladen werden, kann mit
Unterbrechungen drei Tage dauern.
Dann gehen die Tänzer, der Bräuti
gam ausgenommen, die Braut einho
len. Vorerst wird dort wieder, getanzt
und gezecht, hieraus wird das Mäd
chen, beritten wie alle anderen, unter
Musik und Jubel nach ihrem neuen
heim geleitet. Das Komitee der
jBriiutigamsfreunde iiherbringt auch
,die Mitgisns die selten in darein Gelde
besteht meistens aus Stoffen. Schmuck
Getreide und Vieh. Auch die Mitgift
wird genau aufgezeichnet, denn im
Falle einer Scheidung musz sie zurück
gegeben werden. Nun ist die ganze
JHockreitszaesellfchaft wieder im Hause
i des Bräutigams beisammen Ein al
jter Verwandter lieit dem Bräutigam
allerlei Segenssvriiche und Mahnun
jgen var dann beten alle Anwesenden
lant einen bestimmten Spruch und nun
List die Trauung vollzogen. Aber noch
läßt man die jungen Leute nicht allein;
das Fest das nun wieder gefeiert wird.
Fdauert bis zum nächsten Morgen; nach
» Sonnenaufgang hat die Braut mit ih
ren Freundinnen einen reliiösen Tanz
jaufzufiihren nach dessen Beendigung
sdie Gäste heimgehen Jetzt bleiben die
yNeuvermiihlten einige Tage sich über-:
ilassem dann aber miiisen sie bei allen
lBetannten Besuch machen. Hochzeits
reife gibt es nicht; dazu eignet sich das
Land zu wenig.
Monoganiie ist die gewöhnlichefsorm
der Ehe. Sehr selten hat ein Mann
mehrere Frauen, und zwar in der
Form, daß er die jüngeren Schwestern
seiner Braut mit übernimmt. Dis se
werden ihm aber nicht angetraut. son
dern spielen eine untergeordnete Rolle.
Auch tdnnen sie heiraten, wenn sich siir
sie ein Verderber findet. aber die Feier-«
lichteiten bei einer derartigen Hochzeit
sind gering. Die Polhandrie ist eine
charakteristische Erscheinung in Tibet,
aber auch nur in der Gestalt, daß die
ledigen Kinder des Gatten unterardne
te Rechte aus die Frau haben. Im
mer gilt in diesem Falle der richtige
Gatte als Vater der Kinder. Als Ur
sache der Polhandrie wird die Absicht
angesehen Uebervölterung zu verhin
dern, da das wenig ertragfahige Land
nur eine beschräntte Anzahl von Men
schen ernähren tann. Aus demselben
Grunde werden auch viele Söhne zum
Priesterftande bestimmt. Auch verteilt
sich das Familien-Vermögen nicht so
rasch. wenn mehrere Söhne sich nur in
einer Linie fortpflanzen
Ueber die Scheidung bestehen leine
bestimmten Vorschriften: es entscheidet
hier die öffentliche Meinung Wenn
ein Mann seine Frau unbedingt los
werden will, muß er die ganze Mitgift
zurückgeben Will die Frau ihren
Mann verlassen. so bekommt sie nichts
mit und-muß sich-im Etternhaule mit
der Funttion einer Dienstmagd begnii .
gen.
f
!
Der Totenkultus ist-bedeutend: de
Leichen werden, wo es die Umftän re
erlauben, verbrannt. Besonders som
fiiktige Konservierung kennt man nicht,
wie sich ja dies bei der herrschenden
Ansicht don derSeelentvandernna leicht
erklärt. Stirbt in einem Hause je
mand, so bringt man ihn in die Haus
kapelle, die überall vorhanden ist, und
die berbeigelsolten Lamas beten tage
lang ununterbrochen fiir das Seelen
heil des Verstorbenen. Dann wird die
Leiche in kauernder Stellung in einem
bemalten und entsprechend gesormten
Sarg zur Berbrennungsstiitte gebracht.
Diese Stirge gehören in den meisten
Fällen der Gemeinde oder einem Klo
ster und werden immer wieder verwen
det. Stets wird als Brennitois holz
verwendet- niemals der sonst viel ge
btauchte trockeneMist von Pferden oder
Pakt Wodlbabende Leute lassen sich
auch aus Ceder- oder Sandelbolz ver
brennen, meist aber ist es Wart-holder
oder Fichtenbolzp da Holz im Lande
iiberbauvt ein sebr seltener Artikel ist,
kostet ein Leichenbeaönanis viel Geld;
auch müssen die Lamas entlobnt wer
den« die bei der Bestattung unbedingt
dabei sein müssen. Etwa drei Tage
wäbrt die Totentlage im Sterbeboute,
dann wird die Asche unter Gebeten ins
Wasser gestreutx ein kleiner Teil jedoch
wird vulveritiert und mit Staub zu ei
nem Teig vermengt, aus dem man
- kleine Götterbilder verfertigt. Nach
einer oder mehreren Wochen wird so
dann dai haus von Larnas wieder mit
Sasranwasser besprengt, um die Dö
monen zu vertreiben, die an dem To
dessalle schuld tragen.
Dr. E. Zugmayer.