Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 05, 1907, Sweiter Theil., Image 8

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Kriminal- Roman von Auguste Gtoncn »
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, (10. Fortsetzung) (
read s autesreundlich zu dem
- tgen enschen aus, der so
Lebend vor ihm stand. »Ein ech
me·nte Theimer gerührt lä
Jed, » a bleibt mir woh! nichts
s tes übrig, als meinen Russen wo
v »sich gleich mitzunehmen Jaaber,"
r er sich plötzlich besinneno fort«
»Um ist er denn eigentlich hier?
; ist wohl verunglückt? Er ist so
gewesen, trotzdem er ruhig gez
»Im hat, als ich bei ihm war.«
Er ist in einem anderen Sinn ver
Heft — und deshalb ifter Hier-«
rands Ernst erschreckte den
, der sich soeben für Alex-in so
»Mit hatte. »Er ist wohl unter
dslos eingebracht worden Z« fragte
»Er hat gestohlen,« sagte Dnrano
·«-·Gejtohlen? Ah, das glaube ich
," entgegnete oer andere.
»Mutter glauben Sie es nicht?«
E Ich habe ihn zwei Monate im
-e gehabt, und bei mir liegt viel
das einen, der siirs Stehlen
n hat, reizen muß. und es ist
ir. solange dieser Alexin bei mit
r, nichts, aber auch gar nichts weg
"- innrem Jch bin davon überzeugt,
·sp feine Zunge schlechter ist als sein
,--ra!"ter.« ·
--,,Oedet nicht etwa jetzt nur das
seid aus Ihnen?« sotschte Du
i
s- ; »Mein, ich vm thzeugl Davon
ß dieser junge Mensch erzentrisch
» nnd weiß daß et viel verrücktes
redet, aber daß er gemein han«
ki, das glaube ich nicht Er könnte
J is ·cht jemand niederschießen, aber
s- Dieb wirde er nie sein.«
«Riederschießen,« wiederholt« Du
nd und senkte, fiir eine Weile in
k; qchdenken verharrend, die Augen,
stand er auf. »Sie denken jetzt
·- « sgut von diesem Wasili Alein Er
s. i in der That gestohlen, hat es
rdies seh-on selber und zwar in
Meiwiirdig naiver Form eingestan
» den. Freilich will er es im Rausche
«L. han haben, aber als er Nutzen aus
J ern Diebstahl zog, da war er ganz
Icher nüchtern)
The mer sah bestürzt auf den Be
W, der ihm rasch sympathisch ge
Reden war und der jetzt so hart von
W migliicttichen Russen redete Und
til- Durand schwieg, schaute Der
We Mann ihm traurig in die Au
und entgegnete: »Da muß Alexin
Munlen sein, seit ich ihn so Knall
Herd Fall entlassen habe. «
XII-rund zuckte die Achseln.
»Dort-e ich hier noch etwas zu thun?«
We Theimer.
s »Nichts mehrck Durand reichte
, Iehr- dabei die Hand.
s Dann ich siir Alerin nichts thun?«
II »O ja· Er steht ja einstweilen erst
H Wsuchungk
Theimer legte zwei Zehnankdew
. n aus den Amtstisch. »Die Ge
«- wißt-ist ist vermuthlicks fiir Alein
VÆL geeignet, « sagte e. r
»Es
HIWieder zuckte Durand die Schul-»
Z »Was hat er denn gestohlen?«
Theirner, als er schon an der!
r stand.
HEin Fahr-rad. « «
JEin FahrtadI —- Nun das hat er
; nur gestohlen, urn es zu Geld zu
sMchen denn benutzen kann er es
YÆL Er ist kein Fahrerk
"«Wissen Sie das bestimmt?«
1" Er hätte fiir mich des öfteren Ge
Mfisiahrten machen sollen und hat
- nicht thun können. Bermuthlich
II ihn seine Krantheit davon abge
» ,das Rad-fahren zu lernen. —
, n Sie es mich wissen lassen
s " Alexin frei wird?«
Men Sie sich dann seiner an
ni«
s Ja. Vielleicht ist er nurfo tief
" szsniern weil ich ihn davongeiagt
III-. Jedenfalls hat sich beziixrlich
- THE-er viel fiir mich aufgeklärt und
JJ s mit seinem Namen keinen Ha
, so will ich es noch einmal mit
M versuchenk
-«»-,...Dntand hätte dem wechherzkgen
gMnne noch mittheilen können, daß
Mxiw schon ehe er das Rad hatte
est-laufen können, seinen Hunger auf
TM kosstspielige Art gestillt hatte, und
— AII dies aus ein zweites Verbrechen
, aber er unterließ einstweilen
-· Mittheilung. Eine Frage jedoch
« « et noch zu stellen, die Fragens
« Disse, da Alexin rnit einer
- Dame ver ehrt habe
her wußte Theimer jedoch
s auszufegen, et sprach aber die
« bang aus, daß die Briefe, die
während der Zeit erhalten
, welcher er in mern Hause
gewesen war, von einer
. nd adtefsirt geweer seien.
. IIPWF der Briefe wußte ee
Essig-biet Mexin hatte nur
« m Uns-hing neben sich lie
t. nnd dessen chiffritte
M Theimers Aufmerksam
so ins Anspruch genom
erst die Marle nicht ge
W, f —
i »Und Alexin hat niemals solch
einen Brief oder auch nur solch ein
Konveri bei Ihnen vergessen?« fragte
Dur-and.
Das oerneinie leeimer mit aller
Bestimmtheit dazu bemerkend, das; ja
eben das Geheimniß, welches der-Rasse
aus seinem Herkanmen,« seinem Vor
leden und seinen verwandtschaftlichen
und anderen Beziehungen machte, ihm
Alexin schließlich unheimlich erschei
nen ließ.
Als Theirner gegangen war, lief-,
Diirand die beiden Räder in das Zim
nsee bringen nnd Frau Winter. welche
schon lange anwesend war, herein
rufen.
Durand hatte schon Vormittags
das Rad besichtigi, welches Alex-in ge
stohlen han« Es war ein elegantes
Rad, stammie aus einer Ziiricher Fa
brik. und es war ihm ein wenig aus
fallendes flaches, schwarzledernes
Idschchm angeschnallr, nicht unter
dein Sitz, wie dies bei manchem Rade
der Fall ist, sondern an der Lern
siange. Auch diesem Rade fehlte die
Nummer.
Frau Winter betrachtete die beiden
Räder lang und aufmerksam, aber sie
lonnie krick-i aussagerh welches davon
oder ob überhaupt eines davon dein
Doktor König gehört habe. »Ich weiß
nut, das-, an seinem Rad kein solches
Tascherl war,« sagte sie endlich.
»Nun also," meinte Dur-and »der
ist also dieses Rad sicher nicht das
innian .
»Ich bitt’, Herr Doktor. Das Ta-"
icherl ist aber ganz neu," wars die alte
Frau schüchtern ein. »Da lönnki
wohl sein, daß sich’s der Herr Dotter
von der Reise mitgebracht hat. Es
schaut ja ganz sreindliindisch aus,
und er hat ja mehr solche Sachen mit
gebracht."
»Da haben Sie recht, liebe Frau.«
gab Dur-nd gemiithlich zu, löste die
Tasche vorn Rade und untersuchte sie
aus das genaueste. Sie war ihatsöchs
lich ganz neu. Sie war jedoch nicht,
wie ihre Titnnheit vermuthen lief-»
leer. Aus ihrem Boden lag etwas,
das Durand auf den ersten Blick für
ein Federwesier hielt, das aber ein
Schlüssel war.
Es war ein merkwürdigen ein un
gewöhnlicher Schlüssel Sein Bart
steckte in einer Scheide, die sich bei
einein Druck auetiiber legte und den
Bart herausspringen ließ. Dieser
zeichnete sich aber keineswegs durch ad
sanderliche Form aus. Es war ein
ganz gewöhnlicher Hausichliissei.
«Hat der Ihrem Herrn gehiirtikM
fragte Durand, Frau Winter den
Schlüssel vorm-essend
Sie schüttelte den Kaps.
»Salch einen Schlüssel hat« ich nie
bei ihm gesehen«
Das war das Resultat des noch
maligen Verhörs der Frau Winter.
Aehnlich wenig zu Tage fördernd war
die Einvernalnne von Aleting Quar
tiergeberin. Diese, eine einiache,gut
müthtge und etwas beichränlte Per
son, konnte nur angeben. daß der
Rasse seit EndeJanuar bei ihr wohne,
daß er, wenn er nüchtern war, sich de
scheiden und stiedfertia zeigte, und
daß er, wenn er Ger hatte. was etliche
Male der Fall gewesen war, in .Saus
nnd Braus« lebte und wohl auch im
mer seine Schuhen abzadltr.
Wie er, der zuletzt kein-e eigentliche
Beschäftigung hatte. zu dem Gelde ge
kommen war, das er slatt verans
gabte, hatte er niemand anvertraut.
i Jn der Nacht vorn s. auf den 4.
IMärz war er gegen ein Uhr, mit
einem Rausch und dein Rade, heimge
kommen, hatte einen Anfall ehadt
und trat asn 4. März erst gegen bend
ausgegangen Das Rad hatte er rnit
genonunen. Seitder war er nicht
mehr in seine Wohnung zurzielgetehrtc
Die Frau hatte sich deswean teine
Gedanten gemacht, denn er war schon
knichp tin-i- jibkk Nacht socigeotikmi
Brleie und Besuche hatte ee nie em-·
psangen.
Mehr und anderes konnte Alexins
Quartiekgebetin über ihn nicht aus
sagen, tonnte nur noch-»als sie ihm
gegenübetgestellt wurde -— bestätigen,
daß dieser Mann es sei, der bei ihr
gewohnt hatte. .
Nach dieser Konsrontatiom wäh
rend welcher der Rasse sich wohl ver
drossen, aber doch auch gleichgültig
benommen hatte, wurde die Frau
entlassen.
Nun befand Durand sich zum zwei
ten Male, und zwar diesmal allein,
dem Revolvermanne ge niiber.
Dieser hatte sich von einem Anfall
schon so ziemlich erholt und stand nun,
die schmächtige Gestalt leicht vorge
beugt, erwartungsvoll da.
Dur-and rückte sich einen Stuhl zu
recht und bedeutete Alein, daß auch
er sich seyen könne.
»Nun, haben Sie sich’s überlegt?'
begann Durand. «
»Was denn?« fragte der junge
Mensch verdrossen.
«Ob Sie die Wahrheit sagen wol
len?m
» ch sagte sie bereits.«
« ie ganze Wahrheit?«
»Ich sagte über-alles aus« wonach
man net-h seagtef
I
W
»Man muß Sie also nach mehr
»fragen.«
! »Bl«c! «
« Der Russe nahm eine bequemere
Stellung an. Durand, bedenkend, daß
eres mit einem tranken Menschen zu
thun habe ließ ihn gewähren,- fragte
sich jedoch im stillen, ob die Sorg
1csigleit, deren Ausdruck er da vor
sich fah, wkrllich vorhanden over ob sie
nur gut gespielt sei
»Ich frage Sie alsr,« fuheet spri,
»woher das Geld stammt das Sie in
der vergangenen Nacht ausgegeben
haben.«
Alein senkte den Blick. Er wandte
auch das Gesicht zur Seite Wenn et
damit das tiefe Rotf- verbergen
wollte, das sich über feineZüae ver
breitet-, gelang ihm dieses Vorhaben
nicht.
»Reden Sie,« ermahnte ilfn Du
tand.
Aber Alein vertan-te in Schwei
gen.
»Es wird sich nicht immer ein An-"
saIT zu gelegenersteit einstellen, wenn
Sie diese Frage beantworten sollen,«
sagte Dur-and tübl. »Woraus war
ten Sie denn also?« -
Wieder teine Antwort
»Die eher und williaer Sie die
Wahrheit sagen, desto besser wird es
siir Sie sein, anderensalls -—«'
Spättisch lächelnd sagte der Rasse:
»Ich fürchte mich nicht«
»Bisher nahrnen Sie jenes Geld?«
wiederholte Durand, erbob sich nd
that , s ob er geben wolle. s lles
Freund iche war aus seinem Wesen
gewichen. .
Der Rasse zeigte setzt Ilengstlichteit
Er spürte vielleicht, - daß er einein
Frager gegenüberstand, der ein gewis
ses Wohlwollen siir ihn hatte· und
irberlegie es sich, daß nicht jeder Ver
hörende so sein dürfte.
Auch er hatte sich iiih erhoben.
»Bitte, bleiben Sie," bat er.
Die beiden Männer standen sich
jetzt tnanp gegenüber, und ihre Blicke
ruhten ineinander.
»Wie schen er blickt,« dachte Du
tand.
»An dem Rade befindet sich ein
Täschchen.« begann der Nusse nach
einer ziemlich langen Pause.
»Ja, Sie haben davon schon ein
rnal gesprochen.«
»Darin fand ich das Geld.«
»Das haben Sie recht ungeschickt
erfunden,« klang es eisig an sern Ohr.
»Es ist doch so,« bebartte Alexin
trohig aus seiner Aussage
Dutand lachte laut aus. »Meinen
Sie wirtlich, daß es einen Menschen
aus Erden gibt, der Jhnen das
glaubt?«
Alexin zuckte die Achseln
»Was wollten Sie von Tottor Kö
nigi« fragte Durand ohne irgend
welche Pause; er wollte eben Alexin
damit überrurnpelru
Dieser schrat denn auch wirklich
mertlich zusammen und brauchte
lange, ehe er eine Antwort beisammen
hatte, und diese lautete ganz unver
schämt. »Das ist meine allereigenste
Angelegenheit,« sagte er.
»Mensch reden Sie, reden Sie die
Wahrheit!« drang Durand aus ihn
ein. »Der Besitz des Geldes und des
theilweise entladenen Revolvers wirst
einen bedenklichen Schatten aus Sie.«
»Man kann rnir rrohdern nur die
Entwenonngje des Rades beweisen,«
sagte srech r Ausse.
»Und beweisen, daß Sie vor kurzem
Gebrauch von Jbrern Revolver ge
macht haben,« setzte Durand ruhig
hinzu. .
»Bist turzem2« Alexin lächelte
spöttisch.
»Dariiber liegt bereits ein Sack
verstiindigenurtheil vor.« -
»Mir ganz egal,« meint der Russe
gleichmiithig
War er wirklich so völlig ruhig?
Oder spielte er snur so ganz ausge
zeichnet den Gemüthsruhigens
Durattd tonnte es trotz scharfer Be
obachtung nicht ergründen.
»Wollen Sie die Richtigkeit dieses
llrtheils bestreiten?« fragte er. »
»Ich bestreite es nicht. Aber was «
besagt das?« «
»Unte: Umständen gar nichtö,« gab
Dur-and zu. « «
·- · ist-D
»Ist-M CUDL Zch llllln Jcl essen 4uge
auf Sperlinge fchossen haben.«
»O ja. Zuwe len iftes aber günstig,
wenn man Zeugen hat bei solchem
Schießen auf —- Sperlinge. haben
JSie Zeugen?«
; Wafcli Alein war Unruhig gewor
Fdekn was Durand natürlich nicht ent
s ging
-««Haben- Sie Zeugen dafür?« sagte
er noch einmal.
»Ich verweigere jede fernere Aus
tunft,« antwortete der Ausse, stellte
sich an das Fenster und starrte in den
düsterem glashedeckten Hof hinaus.
Durand guckte die Achseln und
brach das Verhör ab.
Als er auf die Straße trat, war er
recht verwundert, denn es herrschte da
eine ganz gewaltige Kälte, und ein
heftiger Schneesturm trieb die weni
gen Menschen, welche sich unterwegs
befanden, zur Eile an.
Durand fand das Berdeck des Wa
gens. in welchem er hergekommen
war, nnd das des milden Wetter-Z
wegen offen gewesen war, jetzt ge
schlossen und die Pferde durch Decken
geschlini. Der frierend ljn und her
trippelnde Kutscher empfing ihn mit
den Worten: »Ist das ein abscheuli
ches Wettee!·«
Vollkommen mit i m einverstan
den, ".te Dnrand un nannte ihm
Fqu inter- Adresse.
Er fand sie daheim und hatte eine
kurze Beiprechung mit ihr, dann fuhr
er nach Diesing.
Jn- wenig mehr als einer halben
Stunde hatte e: sein iel erreicht.
Er beeilte sich, auf ein Zimmer zu
lommen, oerwahete ra ch den gefun
denen Schliissel und lleidete sich dann
schnell um.
Es war nämlich schon nahezu acht
Uhr geworden, und um diese Stunde
pflegte nun in der Ville- Müblheim
zum Abendessen zu gehen.
Als et jedoch nach beendeter Tei
lette in das Speisezimmet trat, fand
er dieses noch leer. Der hell erleuchtete
Raum fals. überaus treulich aus, aber
pxötzlich war er nicht mehr traulich.
Tag empfand Dueand, der, um den
prächtig überschneiten Pakt zu be
trachten, nn eines der dtei Fenster des
großen Raume-s getreten war. Er
hatte das reizvolle Winterbild nne
wenige Momente lang betrachtet, als
er davon abgelenlt wurde.
— Lin-m- Winterqarten her Fee in. den
cdclscillai MUUOccc, Uck slcls Golds
nrnsz Stimme hören.
,,«L«.erzchen," sagte sie zärtlich, .dn
mußt wieder die alten Lebensgewohn- ;
heiten aufnehmen. Du mußt wenig-;
stens mit unseren Hausgenossen wie-z
de: lzusammentreffen nnd auch sonst
wieder alles thun, was du sonst ge
than hast. So überwindest du die«
erste und traurigste Zeit noch am ehe
sten. Wir wollen ja alles thun, um
Dir dein Leid zu erleichtern.«
Daran antwortete eine milde,
sanfte Stimme: »Ja, du Liebe, ich
spüre es selber, daß ich mich nicht län
ger abschließen dars, denn ich würde,
bliebe ich so ganz meinem Grübeln
überlassen, wahnsinnig werden«
Durand war nicht der einzige, der
dieses traurige Zwiegespräch mit an
gehört hatte nnd der davon bis ins
tiefste Herz hinein ocn Mitleid er
fiillt war.
Gerade als sich Edwinens Stimme
vernehmen ließ, war vom Korridor
her Colmar in das Zimmer getreten.
Er hatte wohl sogleich die Stimme
Edwinens vernommen, denn er schloß
leise, ganz leise die Thiir hinter sich
und blieb mit weit oorgebeugtem
Kopfe lauschend stehen. lFr tonnte
Turand nicht gewahren, denn der
stand in der tiefen Fensternische, und
zwischen ihm nnd Collrnar wallte ein
Spitzenvorbang nieder. Durand aber
sal: ihn eintreten, sah, wie auch er den
bergbewegenden Worten lauschte, nnd
sah noch mehr. Er sah, daß dieser
überelegante herr, den er, freilich ohne
eigentlichen Grund. für einen ganz
oberflächlichen Men chen gehalten
hatte, noch vikl mehr von Lenaö Leid
ergriffen wurde, als er selbst.
Colmars feine hände ballten sich
wie in tiirperlichem Schmerz, und
seine Zähne bahrten sich in seine Lip
pen. Und diese Lippen waren, wie
sein gan s hübsches, interessantes
Gesicht. beich geworden.
Ein schwerer Athemz«ug, den er that,
klang bis zu Durand h·niiber, und
dann ging Colmar wie r leise aus
dem Zimmer hinaus. Es mochte ihm
dieses erste ·Zusammentreffen rnit
Lena na dem Verschwinden ihres
Bräutigam recht peinlich sein.
Es war ja auch Durand peinlich.
Dennoch tam es ihm auch wieder ge
legen, das unglückliche Mädchen, das
er nur aus den Schilderungen Edwi
nens kannte, nun auch persönlich len
nen zu lernen. Deshalb blieb er nnd
ging den Schwestern, welche jetzt hin
ter der offenen Glasthiir sichtbar wur
den, langsam entgegen.
9. K a p i t e l.
Am Abend des 6. März saßen
Miibldeim und Durand rauchend in
des letzteren Arbeitszimrner
,,Gut,« sagte Durand, »gut, es ist
in Königs Wohnung eingebrochen
worden es ist daraus alle rlei abban
den getommen und es bat irgend je
mand oon dorther die Rettung-tadell
schast angerufen. Diese drei Tbatsa
chen sind nicht binwegzuleugnen, aber
wie sit auf Wahrheit beruhen können,
tdnnen sie auch ebensogut nichtj als
eine wohlberechnete Täuschung lein.
tiinbruch Diebstahl, Ueber-full —- wie
ost ist das alles schon singirt worden.
um damit eine andere Handlung zu
rzerdecken. Kann nicht etwa mit Kit
nigs Einwilligung all das geschehen
sein, was geschehen ist?« Durand
streifte nach dieser Fraae seine Zigarre
ab nnd schaute gedankenvoll aus den
tief verschneiten Pakt hinunter.
Der Kommerzienrath sah aufgeregt
und unmutbig aus, als er entgegnete:
»Es peinit mich, daß Sie immer
wieder auf den Gedanken zurücklow
men, daß König alles vieileicht nur in
Sze ne Fesest hat, um sich von meinem
Kinde rei zu machenk
«Vielleicht weniger zu dieiem Zweck,
als« um sich jenes schone Weil-, das
ihn vielleicht vor ein Entweder —
Oder stellte in letzter Stunde noch zu
sichern-"
«Doch nicht eine Stunde nach seiner
Berti-bringt«
»Wissen wir, ob sie nicht schon vor
her ihren Einfluß aus ihn geltend
machte, und er nur aus ionventionel
len Griindent —«
»Herr-, Sie geben mir viel Unanst
nehmet zu bötenck
Entschuldigen Sie. Herr v Mühl
lieim,« entgegnete Durand ruhig, »es
ist nothwendig, daß-Zwischen uns in
dieser Sache volle latbeit tierische
Sie müssen meinen Gedankengang
genau rennen, um mir sagen zu tön
nen, das und das fann König gethan
haben und das und das nicht. Sie ver
sinkst-up
»Ja a, Freunderl was mackft denn du da bei der tinnrnden Wasser
leituna2« »
»Laß mich! Ich dichte an einer »Lde auf den Niagarafall«.
tehrten ja seit einem Jahre intim mit
ihm und müssen ihn daher besser len
nen als irgend jemand. —- Jch habe
nämlich in Erfahrung gebracht, daß
ihn von all seinen Bekannten eigent
lich niemand genau kennt. Man weiß
im Grunde gar nichts Sicheres über
feinen Charakter, seine Beziehungen,
seine Lebensweise. Seine Berufsw
noflen tennen feine Seele ebensowenig
wie »s- nun-wie etwa sein Rad, das
hier übrigens, wie sie mir mittheilten,
auch niemand erkennen wiirde.«
Beide Herren mußten über diesen
Redeschluß läche!n, und der Kommer
zienrath sagte: »Meis; ich denn, ob
König mir, ob er uns sein wirlliches
Wesen gezeigt hat? Er ichien mir ein
ruhiger, gemiithlicher Mann zu sein«
der nur heiß und leidenschaftlich wer
den konnte, wenn es Fragen del-Kunst
oder gar Meinungsdifferenzen da
rüber galt. Wir zweifelten niemals
an seiner Ehrenhaftigteit — aber frei
lich, wenn ich fo recht nachdenke, weiß
ich eigentlich keinen triftigen Grund
fiir unser feiteg Vertrauen anzu
geben«
»Kiinig hatte wohl zufällig nie
mals Gelegenheit, seine Ehrenhastig
teit durch etwas anderes als allenialls
durch Worte zu beweisen, und Worte
allein beweisen eben gar so wenig,«
warf Durand ein, als Mühlheim
ichwba
Dieser nieste. «Mertwiirdig,« sagte
er, »jeht komme ich erst darauf, daß
ich mein Kind einem mir in Wahrheit
äieälich fremden Menschen anvertraut
a .«
Der Kommerzienrath sah bei dieser
Entdeckung schier bestürzt aus.
Auch Durand lächelte trüb, als er
sagte: »Wir müssen uns immer »ziem
lich fremden« Menschen anvertrauen,
Herr v. Mühlheim Sind und bleiben
wir selber uns doch bit zum Grabe
auch »ziemlich sremd«, wie sollen wir
denn erst andere erkennen? Wie wol
len wir wissen, wie andere sich in die
ser und jener Lebenslage« benehmen
werden« da wir doch nicht einmal für
unser eigenes Verhalten einstehen
tönnen, sobald Leidenschaften ins
Spiel kommen? —- Sie brauchen sich
also gar leinen Vorwurf zu machen,
verehrter Herr. Und wir haben ja
auch noch gar kein Recht« an der Eh
renhaftigkeit des Mannes zu zweifeln,
dem Sie Jhr Kind anvertrauen woll
ten. Wir reden vielleicht von einem
Tone-it .
· - -« s-- »
Ucuquclm sllyk Ilcq llccollb Ullkk clc
Stirn. »Bei Gott, ich wünschte fast,
daß er todt wäre,« sagte er, »denn
wenn er’s nicht ist, dann ist er ——-—«
»Ehrios —- toollen Sie sagen,« un
terbrach Dueand seine heftige Rede
»und schüttelte den Kopf. »Aber auch
in diesem Falle muß et noch lange
znieht ehrlos sein.·'
i »So? Wenn er eine so erbärmliche
Komödie entführt um meines Kindes
ledig zu werden?«
,,Liige nicht eben in dieser umständ
lichen Komödie der Beweis, daß er
Fräulein Lena schonen wolltest Daß
er das Odium des Verlassenieins von
ihr xknhalten wollte?" .
»He-hören Beweis von Liebe! Und
aus diese hin heiter sich doch mit
meiner Tochter beklobt."
«Zuweilen ist eine Leidenschaft der
Sinne mächtiger als eine Herzens
liebe.«
»Sie nehmen olio on, daß diese
Rodja —«,
»Vielleicht. Jedenfalls hat König
sieh itit Nadjaö Schönheit bedeutend
interessirt. Das beweist lein Ausruf:
»Es-ais Die ift ichönl« und der Um
stand, daß er, wie Jena Winter be
mettte, ganz mettnmtdig dabei aus
gesehen hat-«
Cltiche Stunden vor der Verlobung
mit meiner Tochtee!« wart der Kom
mårzientath bitter ein. »Es ilt schänd
iI .«'
»Ich finde darin noch nichts
Schändliches,« entgegnete Durand lä
chend. »Sie urtheilen iiber Königs
Thun nue so schroff- toeil Ihre Toch
ter damit in Verbindung steht. Han
kelte es sieh hier um zwei anz fremde
Personen, so würden Sie öMannes
Entzücken heim Anblick eines so präch
tigen Frauengesichts begreiflich fin
den. Persönliches Empfinden macht
immer· ungerecht.«
»Sie haben recht," gab Mühlheinr
offen zu. »Aber —- sollte es sich so
verhalten, wie wir einstweilen anneh
men, sollte er sich in letzter Stunde
darüber klar geworden sein, daß et
von jener Radja nicht lassen kann,
dann konnte er doch einfach mit ihr
durchgehen.«
»War er gar nicht eitel?«
»Wer ist das nicht?"
· »Jn welcher Art war er eitel, oder
Zagen wir besser, empfindlich für das
Urtheil der Welts«
»Er hielt riesig viel daraus, in sei
nem Fache als Autorität anerkannt zu
sein und -·— für malellos bezüglich
seines Charakters zu gelten-«
»Nun also! Aehnliches hat man mir
auch schon in verRedattion gesagt,
und da Sie es bestätigen. gewinntes
fü: mich großen Werth."
»Was erlliiren Sie sich daraus?«
»Daß er, falls er noch lebt, durch
aus sür gestorben gelten will; denn
ein Ermordeter lann ein Eheverfpres
chen eben nicht einhalten.«
»Aber —-—«
»Erlauben Sie mir eine Frage.«
« »Bitte.«
»Hat Fräulein Lena oder haben
Sie sich zuerst süe König entschieden?«
»Allerdings — ich zuerst,« gab
Mühlbeim zögernd zu.
»Sie haben vielleicht Ihrer Tochter
vorgestellt, was für einen angelehenerc
Namen sie als hie Gattin dieses Man
nes tragen wird.·· »
»Das that ich. Aber Lena schwärmte
sehin sür ihn, ehe sie ihn noch gesehen
)ate.'«
»Weil sie seine geistreichen Schriften
lannte.«
.Gewis-, —«
»He-rege Damen schwärmen in dieser
Beziehung sür manchen geistig hervor
ragenden Mann. Wenn dann der
Vater solch einen Mann ins Haus
bringt, und dieser Mann solch eine
sein erzogene und auch liebliche junge s
Dame kennen lernt und von dem Be
hagen eines vornehmen Hauf-wesent
umfangen wird, kommt er — be on
ders wenn er vom Vater noch dazu
ermuthigt wird — leichi aus den Ge
danetn, als Werber auszutreten.«
»Den — rr Durand, was wol
len Sie dami sagen?«
Der »Zamrnerziienrath war plößlich
quc stets gut-»san«
Durand ließ sich jedoch dadurch
nicht abhalten, in seinen Auseinanderi
set-Jungen fortzuiahren »Ich sage da
mit, daß ein ganz achtbarer Mann
auf solchem Wege leicht der Bräuti
gam eines liebenswerthen Madchens
werden tann, ohne daß auf irgend
einer Seite überaroße Lieb-: dabei-ent
schieden hat« Nehmen wir nun an,
daß dieser Bräutigam mit einer alten«
Leidenschaft fertig«zu sein gemeint
hat und diefe — vielleicht von ihm
selber ganz unerwartet ——- wieder auf
loht, oder daß eine junge Leidenschaft
ihn plötzlich ganz und gar in ihre Ge
walt belommt —- wag lann der thun?
Einer Lena v. Mühlheim, mit der
man sich soeben öffentlich verlobt hat,
lann man nicht sagen: Es ist alles
wieder zwischen uns aus —- nein. das
tann man Ihrer Tochter, Herr Kom
merzienrath nicht sagen. Wenn man
sich ihr entziehen will, dann muß man
einfach unter irgend einem Vorn-and
verschwinden.«
CFortsrtzung solgt.)
»F!l. Schmidt soll ja einen Pro
blem - Roman geschrieben haben!?« —
»Ja!« — »Um was fiie ein Problem
handelt es sich denn?« — »Wie sie ei
nen Verleger s üe ihn finden lann.«
i i- i
Der Bahnmagnat harriman soll
wiederum einmal eine ganze Eisenbahn
verschiuckt haben —- daö Unangenehme
an solchen Prozeduren ist, daß die
Verschluclten nicht der ander die Ve
lfchwerden zu tragen haben.
I I s
« Man lobt manches Menschen Ehr
lichkeit, und ei ist ihm das zum stehlen
Erreicht-are nizr — zu wenig.