Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1907, Sweiter Theil., Image 9

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    Q———M«- -..-·-.—W -
Was die Hier-te sagen.
Will lich stolz dein Her erheben,
Blicke zu den Sternen zhim
Angesichts des seht-n Glanzes
Wird dir demuthövoll zu Sinn.
Ueber dir, als lichte Punkte,
Welten ungezählt dort stehn,
Die in immer gleicher Weis-r
Jhte Bahnen ewig gehn.
Und du hier aus unsrer Erde
Nur ein Stäubchen in dem All,
Komxnend und zugleich vergehend
Wie am Fels der Widerhall
Demntlt predigt dir da droben
Glänzend hell der Sterne Pracht,
Wenn sich auf die stille Erde
Senlt heer die dunkle Nacht.
Der erste Schnee.
Novellette von H e r m i n e I o n
W olz ogen.
Er kam nicht, kam wieder nicht.
Wie immer und immer an diesen ein-«
samen Abendstnnden stand Seraiine
am Fenster nnd blickte anf den von
Gasslatnmen hellerleuchteten Platz,
über welchen ihr Gotte gewdhnlich zu
kommen pflegte. Sie erkannte ihn von
Weitem an seinem lebhaften Gange,
an dem breiten Filzhut, an dem lan
gen flatternden Lockennaar.
O mein Gott« wie oft sie so war
tend und sehnend daftcmd er blieb so
riek vorn Hause fort. Die Stunden
im Konservatoriuni hielten ibn nur
Vormittags fern, seine Privatstunden
steten auf die Nachmittan aber er
tam nach denselben eben nicht nach
Hause, er blieb fort, im thsfeehaug,
im Mustsverein, im Theater, irr-Ilion
zerL Dem könne ein Künstler nicht
ausweichen, saqte er immer. Sie wagte
nicht zu widersprechen aber hätte er
ste nicht manchmal mitnehmen, auch
öfter zu bat-se bleiben können?
Gewiß, er ahnte selbst nrcht, wie
schmerzlich sie wartete, wir sie ihn ent
behrte. Und doch tam lein Vorwurf
über ihre Lippen, denn sie wollte ihn
nicht tränken, nicht nott: mehr Von sich
entfernen.
Ell-»Es beri- Ins-n «- Vinki IIVZT sie «
hatte nicht einmal eine Ahnung wo er
blieb.
Es war ein trüber, nkelancholiicher
Tag gewesen. Den ganzen Tag hins
gen schwere. graue Nebelmaisen in der
Luft. Gegen Abend begann es zu
schneien. erst ganz.fein, mit etwas
Regen untermischt. Dann verstummte
die einförmige Sprache des Regen-S,
das stumme Spiel der Schneeflocken
begann. Doch nur leise, in sanftem
Wirbel kamen sie herab, vom Himmel
auf die ichmutzige Erde. Die zwölf
jährige Irr-ra, die einzige Tochter Les
walds und Serafinens, freute sich
über den schönen Schnee --- nun iant
das Schlittfchuhlaufen.
Jeht, es war nicht mehr weit von
Mitternacht, hatte der Schnee aufge
hört und ein bleicher Mondesschimrner
brach durch das Gewölb f Auf dem
weiten Platze lag die weiße, unbe
rührte Schar-denn magisch flim
inernb, wie unberührt vom eriichen
wie ein Wunder, ein Phänomen. Die
dunklen laubloien Baumgerippe hoben
sich gespenstifch davon ab. Auf der
Mitte der Fahrbahn allein war der
Schnee grau und schmutzig. Ab und
zu eine Gestalt, einmal ein Schutz
mann, dann ein Nachtwächter, dann
irgend ein fremder Passant. Aber er
tam nicht. Unendliche Trauer erfüllte
ihr Herz. Nun würde ein langer
Winter lotnmen mit seinen mannig
fachen Zerstreuungen, immer mehr
würde ihr der Gotte verloren gehen,
vielleicht unwiederbringlich.
lind sie liebte ihn so sehr. und ihre
Tochter wuchs doch mehr und mehr
heran, begann den Vater knit Bewußt
sein zu vermissen. Was hatte Sera
fine verschuldet, dafk er sie fo grausam
vernachlässigte?
Sie war ihm dreizehn Jahre lang
ein treue-L liebendeg Weib gewesen,
sanft, duldsam, fleißig. wirthschafttich
Sie hatte einen einzigen Fehler-. sie
war nicht jung genug für ihn. Jn glei
chem Alter satt. sie drei-, er vierund
- zwanzig Jahre alt, hatten sie gehei
rathet. Sie war berblülit, er war noch
im schönsten Mannesalter.
Von dieer melancholifchen Be
trachtungen erfüllt, war sie an den
Spiegel getreten. Verblülit? Es war
vielleicht noch nicht fo schlimm. Jhr
Gesicht hatte feinen feinen Schnitt be
halten, ihr Teint war noch nichtwelt
die«dunllen«Au»gen noch imrknzr glän
Zkllu, uul tut Uuur. »Hu-um »m-« Wu« —
zu werden, das war ihr Verhängnis-»
Das gab ihr friihzeiiiq ein so verbtiilp
teH Aussehen, der Schnee des Alters,
der lange Lebens-winken dem tein
Frühling folgt. Sollte lie ihn einsam
und ungeliebi vertrauern, war das
Glück ihres Lebens unwiederbringlicb
dahin? Könnte sie ihn, den sie liebte,
nicht wiedergewinnen, würde er nicht
auch einmal altern? Dort kam er, er
ging abseits vom Wege, iiber das
wunderbar weiße Schneetuch. wohl
absichtlich, sah zum halbverschleierten
Mond empor, blieb wie in tiefen Ge
danken stehen.
Ach, wie wenig Eile hatte er nach
Leute« und dennoch, nsie ihr Herz Sinn
entgegenflogl
Es war noch immer ein schöne-.
Mann. obgleich auch er ein wenig vom
Leben mitgenoman war. Dabei leb
hast« leiensluftig, leicht erregt-or dem
Augenblick hingegeben. eine richtige
tiiinitlernatur. Es ist nicht leicht,
einen solchen Mann zu fesseln.
Eben trat er in den Korridor, jetzt
in die Stube, ganz leise und vorsich
« Yesmska
Staats Anzeiger Und Derng
r — —
Jahrgqu 27.
Grund Island Nebr» 1.'). Mier 1907 (Zweitek Theil.)
« J. , J
T
No. 29.
tig. Serafine hatte die Lampe aus
geloscht, in der Absicht, zu Bett zu
gehen. Der Mond verbreitete eine
schwache Dämmerung Oswald sah
sie nicht, da sie hinter dem Fenster
oorhang stand. Sonderbarer Weise
ging er nicht links nach dem Schlaf
zimnier, wo er seine Frau vermuthen
mußte und wo das Kind schlies, son
dern rechts nach seinem Arbeit-Men
mer, jetzt, mitten in der Nacht?
Er schlich mit der äußersten Vor
sicht. Was tonnte er vorhaben? Sie
trat an die angelehnte Thiir und lugte
hinein.
Oswald hatte die Studierlampe
entzündet nnd sein Pult geöffnet. Er
suchte etwas, eine ganze Weile unge
duldig. Jetzt sah sie, was es war:
ein tleineg Etui aus Pappe, in wel
chem er Photographien verwahrte, be
sonders jene« gelungene, etwas ideali
sirte Ausnahme, wo er ein Notenhlatt
in der Hand hielt und sinnend darauf
bliette. Er legte das Bildchen vor sich
aus den Schreibtisch, betrachtete es
eine Weile und dann stand er aus;
ietzt nahm er die Papierscheere, trat
an den Spiegel, riictte die Lampe so,
daß ihr Licht auf das Glas siel und
schnitt sich vorsichtig eine Locke ab, jetzt
legte er die Loch zu dem Bilde und
lächelte. wie in eine angenehme Erin
nerung versunken.
Mit schmerzlich zuckendenr Herzen
stand Serafine aus ihrem Lauscher
posten. Kein Zweifel, Bild und Locke
waren siir eine Dame bestimmt. Er
war ja so vielen Versuchungen ausge
setzt, hatte Schülerinnen und Kolle
Sinnen, die sich für ihn interessirten.
Sie, Serasine, hatte darum manche
qualvolle Stunde durchlebt, aber einen
ernsten Grund zur Eifersucht hatte sie
nie gehabt; er schien ihr treu, wenn
nicht immer ganz mit Herz, Seele,
Phantasie, io unterblieb doch eine
grobe Pflichtverletzung Und jetzt, wo
auch er graue Haare oeram:".
Ja. auch er hatte graue Haare;
man merkte es wenig, weil er blond
war. Serafine, zartfmntg wie sie
war, hatte nie davon gesprochen.
Und er hatte es vielleicht noch gar nicht
gemerkt, rastlos, lebhaft und etwas
lutzsichtig wie er war
t Aber jetzt, jetzt mußte er's bemer
en.
Nein, er bemerlte nichts-, sonst hätte
er nicht so selbftzufrieden gelächelt, so
strahlend, so jugendlich! Jetzt setzte
er sich hin, drehte die Photographie
um, ftiitzte den Kon auf, dachte nach,
gewiß um eine hübsche, stimmungs
volle Widmung zu finden. Eine
plötzliche Eingebung lant ihr, sie stieß
die Thür aus und trat ein.
Erschrocken sprang er aus. Er hatte
gewiß, um nnbeobachtet zu bleiben,
diese Nachtstunde gewählt.
»Wie, Serafine, du ichlässt nicht?«
murmelte er. «
,,Nein,« sagte sie, »ich schlies nicht,
ich habe auf dich gewartet, um —- dir
zuzusehen Du wirst mir das ver
zeihen, ich bin ja kein neugieriger
Dienstbote, ich bin deine Fran! Und
lo wollte ich dir Eines sagen . . . .
hast du denn schon gemerkt, mein Lie
ber. daß auch du schon graue Haare
hast?« · .
»Jch?« rief er ungläubig.
»Ja — du. auch du, sieh nur hin,«
nnd sie nahm die Locke, in deren hel
les Blond sich aussällige Silbersiiden
mischten und hielt sie ihm unter die
Augen.
»Wahrhastig!« stammelte er, »graur
Haare!«
Sonst und ruhig fuhr sie sort:
»Wenn du die Locke siir eine Dame
bestimmt hast, welche siir dich, den
Künstler, schtoärmt, so hat es nichts
auf sich. Wenn es aber anders sein
sollte -— denn wozu wolltest du die
Sache sonst vor nie verbergen? —- so
i
W-L-- «---»e Etu
Ins-F Un- Ztuubu kJuus -------- U-.»-f
iönnte sonst ——-- dariiber lächeln!'« ·—
Er hatte die Hände vor’s Gesicht
geschlagen und seufzte: »Graue Haare
—- graue haare!«
Seine Eitelkeit war zumeisi getros
fen, sie sah es, und Thränen traten in
ihre Augen.
»Juki uns doch einmal ossen spre
chen, Oswatd," sagte sie milde, doch
entschieden, »ich bin dir zu früh ge
altert, es ist eine junge, ganz junge
kame, fiir welche deine Locke bestimmt
it.«
»Ja.« sagte er dumpf.
»Ich begreift ja alles,« suhr sie mit
schmerzbebender Stimme sort, »du
bist eine rechte Künstlernatur, du
brauch Jllusionen. Aber denken soll
test du doch daran. Oswald, daß auch
du tein junger Mann mehr bist, daß
der erste Schnee des Alters uns
Pflichten auferlegt, daß du eine ber
anwachsende Tochter hast« auf welche
du Rücksicht nehmen mußt. wenn du
auch «- mich nicht mehr liebst.«
Er fuhr auf. Seine Herzensgiite,
seine bessere Natur schien siegen zu
wollen.
»Ich liebe dich noch, Serasine, ich
schätze dich über alles.« Es kommt
nur so manchmal über mich Ivie ein
Rausch . . . . Wenn du verzeihen
wolltes .«
Sie legte die Hand aus seine Schul
ter. »Wenn ich, ich weiß es ist so,
zu alt bin, um von dir als Weib ge
liebt zu werden, so laß mich deine
Freundin sein. Wenn solch ein Tau
mel dich überkommt, sag’ es mitl«
Er erhob sich mit entschiedener Ge
bärde.
»Da hast du die Locke zum Anden
len an diese Stunde, Serasine. Der
Taumel ist vorbei. und ich hoffe, er
wird nicht wiedertommen. Ein Weib,
das so gut, so hingebend ist wie du,
bleibt immer jung und schön. Dieser
erste Schnee in meinem Haar, er soll
dir zum neuen Frühling tverden!«
»Wenn die Liebe jung macht, Os
wald, so bin ich noch jung. Freilich,
der Schnee von unseren Häuptern
wird nicht mehr schinelzem aber auch
ich will mich bemühen, dir den Glau
ben an den Frühling zu geben!«
Sie versank, die Locke an die Lip
pen drückend, in seine Umarmung.
—.-—-..--—-——
Schummerstunde.
Von F. Wilde.
Es war sehr behaglich im Arbeits
zimmer des-H Gerichtsraths Töten-Der
Fiamin strahlte eine wolilthuende
Wärme aus«-, und das Feuer, das so
emsig inisteric und tnasterte. gab mit
seiner rothen Gluth dem dämmerigen
lfrjemach eine trauliche Stimmung.
Der Gerichtsrath benutzte diese
Siestri nach Tisch, um sichs auf seinem
Tsiivan bequem zu macken und sich
Bis-Um cl;m------«-szs«.nllon ItsxnmnwrQ
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stiindchen mit so rechtem Genusse bin
zugeben.
Er gehörte zu der Kategorie Men
schen, denen Ruhe, Gewohnheit und
Bequemlichteit das halbe Leben ans
rnachen. Deshalb hat-te er sein Do-·
inizil sern vom Getriebe der Welt
stadt aufgeschlagen: im stillen, westli: »
chen Vorort in einer ganz abaelegenenH
Ltillenstraszr. s
Dörae war Junaaeselle aebkiebe113
ans Ueberzeuaung siir die Vorzüge
dieser Jsotirrina. Aber er aehörtel
nicht etwa zu der schlimmen Sorte,s
die sich mit allerlei Schrnllen und
Grillen herumplagt, er liebte das Les.
ben -—— nur außerhalb des Hauses.
Zum Herbst erst hatte er seine Vor-:
orttnohnuna bezogen, und da die
lzweite Etaase der Villa leer stand«
konnte er aanz seinen Wünschen ge
recht werden. Für den Winter brauchte
man wohl auch keine Mitbewohner
mehr zu befürchten.
Jn dieser sicheren Zuversicht drehte;
sich der Gerichtsrath nach der Wand!
um mit einem tiefen, schlafbcdurstigen i
Seufzer. « . s
Fünf Minuten später aber schnelltes
er aus dem ersten Halbschlummek em- I
por. Er erschrak derart über sich
seibst, daß er sich »a tempo« hochrich
tete und die Augen ausriß.
«Donnern)etter —— sputt e5?!«
Wie die wilde Jagd tobte es übers
seinem Zimmer; Rams -— ramgt llnd’
dann tarriolte im Galopp ein Wagen
hin und her
Der Gerichtsrath stand mitten inr
Zimmer. Mit angehaltenem Atbem
starrte er zu der modernen Deckentäse
lang empor, unk: weil ihn diese unae
ahnte Ueberraschung vollständig außer
Fassung brachte — drückte er auf den
Fllingeltnops · «
Die Hausbälterin tam ans Zeiten
spitzen hereingeschtichen.
» »Was ist da oben los?« brüllte er
lljk clllgkgclh
»Die neuen Miether find heute
Moraen eingezogen,« antwortete sie
tleinlaut, ,,eine Dame mit zwei Jun
den«
»Na, das fehlte uns ja gerade,«
lachte er lurz auf, und winkte seiner
Haushtiltexin ab. Dann durchmaß er
mit großen Schritten das Zimmer,
und je lauter der Lärm wurde, ie
mehr wuchs seine Erregung·
An Schlaf war natürlich nicht mehr
zu denken.
Der Gerichtsrath drehte also das
elettrische Licht aug, kleidete-, sich zum
Auggehen an, un ohne den Kasse-e
abzuwarten, verließ er das Haus-.
Aber er schwur sich« diesem Getole
beiseite-i einen Riegel vorzuschieben
Oder —— eine von den beiden Parteien 4
ninßte das Feld räumen.
si- e- -0· !
Das verlöschende Tageslicht fielt
durch die Bußenscheiben des Spitz-!
erlers. Hier auf dem Luther-stahl saß
eine dunkle Gestalt, die man nur noch
in den Umrissen erkennen konnt-e. aber
die feine Silhouette des Kopfes hob(
l
sich deutlich von der Velvetportiere ab.
Tag machte das glänzende blonde
Haar, das selbst noch imletzten Däm
gietrlichte einen schimmernden Glanz
c: te· "
Zwei Knaben von vier und sechs
Jahren saßen auf dem Erlertkitt
Das heißt, sie saßen nicht. lagen auf
beut Leib iiber große Bilderbücher ge
beugt und plapperien um die Wette
tdic Vergehen auswendig her. Die
blonbe Frau atn Fenster half ihnen
ein. wenn sie mit ihren Reimen nicht
zurechtlamen
,.Mammi,« sagte der Aelteste, der
gerade in tiefsinnigster Betrachtung
vor einem Affenbildniß kniete, »ich
wünsche mir zu Weihnachten einen
Affen mit rotheni Käpsel und Beweg
tichen Fingern und Pfoten!«
»Und- ich,« rief der Jüngste, .,einen
Bus, einen Autobus. Mit dem will
iclk den bösen Onkel unten überfah
:en.«
»Mc«mmi« versprach heute alles.
Sie war froh, daß die Jungen einmal
ruhig auf einem Fleck saßen und dem
Herrn Gerichtsrath das Schlimmer
stiindchen nicht wieder zur Höllenqual
machten.
lsr hatte bereits schon dreimalseine
Hniighiilterin heranfgeschielt und drin
gend um Ruhe ersuchen lassen.
Ihr war es Peinlich genug gewesen,
sie hatte um Nachsicht gebeten, und
was in ihrer Macht stand, die wilden
Rangen zu bändigen, that sie gewis
senhaft, nur reichte ihre schwache müt
terliche straft nicht immer dazu aus.
; Jetzt stürmten die Jungen wieder
Ein Galopp davon. Es hatte aellingeli,
nd da sie neugierig waren, und so
zlteu ein Mensch zu ihnen lam, muß
.en sie den Ankömmling in Ausgen
schein nehmen.
Gleich darauf traten sie mit einer
Dante ins- Zimmer.
,,«.I.Itamini —-— Frau «).Iiiiller,« erläu
terte der Aeltesle.
»Liebe Frau Hosrail«),« saqte die
Dame und qinq ans die blonde Frau
zu. die sich voni Fenster erhob-en hatte-,
»Im wvure Futen freundlichen Besuch
ersnidern.«
Frau Möller, die lfiaenthiitneriu
»du-r Villa. wohnte in der Stadt und
fuhr sonst nur in geschäftlichen Ange
legenheiten hinan-J. Und, wenn sie auch
heute ihren Besuch in eine andere Form
kleidete, so hatte sie doch einen be
stimmten Zweck irn Auge.
Nachdem man iiber die ersten glat
ten Reden hinweg war, riictte denn
auch die Hauseigenthiimerin mit der
Sprache heraus.
»Ich wollte noch gleichzeitig eine
Bitte an Sie knüpfen, eFrau Hofrath,«
reihte sie geschickt an die Lobeghymne
iiber das entzückende Speisezimmer
Mobiliay ,,vielleicht lassen Sie Jhre
Bübchen Mittags ein wenig ausge
ben« —
»Das tann ich Jhnen leider nicht
oersprechen,« antwortete Frau Hofrath
Hörle —- um eine Nuance tühler —
sie hatte sofort die diplomatische Wir
thin durchschaut »das Wetter ist
jetzt zu unbeständig. Aber ich werde
mir Mühe geben, die Jungen bei mir
festzuhalten, damit der Herr Gerichts
rath sein Schummerstündchen genü
aend ausschlafen kann.«
»Gott, nun sind Sie mir böse,« ent
setzte sich Frau Möller. »Das sollen
Zie nicht! Jch will doch nur «ieinen
Unfrieden zwischen meinen Miethern.
Möchte auch keinen oon beiden etwa
verlieren.«
Frau Hosrath sagte mit überlegenem
Lächeln: »Beruhigen Sie sich, Frau
Möller, ich werde in den nächsten Ta
aen bei dein Gerichtsrath vorsprechen.«
»Ja — ja! Thun Sie das,« rief
die Wirthin erleichtert, »das wird das
beste sein. Und nicht wahr, Sie neh
men es mir nicht übel?« Damit er
lwb sich die freundliche Gegenbesuche
rin.
III Z II
Frau Hosrath Hörle trug heute zum
ersten Male seit dem Tode ihres Man
nes eine helle Blase. Ein weißes, duf
liges Seidengeloebe, dessen Garnirung
aus kostbaren, alten Spitzen bestand,
die sich weich um die Korsage schmieg
ten. Den hohen Stehtragen schloß
eine Nadel aus Brillanten, das war
der einzige Schmuck, den sie trug.
«Mammi, warum hast du dich so
geputzt?« fragten ihre Jungen und be
Iounderten die schöne Mutter, deren
Wangen sich bei der Frage der Kinder
leicht rötheten.
»Ich gehe zum Herrn Gerichts-«
rath!«
»Ja dein bösen Onkel?« riefen sie
und hatten noch allerlei aus dem Her
gen. aber die Mama rauschte eilig zur
Tbür hinaus. - —
Gerichts-roth Dörge wollte soeben
feine Siesta beginnen, als die Haus
bälterin mit geheimnifzvoller Miene
hereintrat und Frau Hosrath Hörle
meldete.
Er ließ die Dame in den Solon
führen und beschäftigte sich dann einen
Moment mit seinem äußern Menschen.
Dabei nahm er ich Muße, zu überle
gen, was er ihr agen wollte.
Erst »einmal« sah er sie flüchtig im
Zwielicht, als sie mit den Jungen Vom
Spaziergang heimkehrte. Da hatte er
scherzend zu den kleinen Herren ge
sagt: »Ich werde euch die Ohren ab
schneiden, wenn ihr so tobt,« und
wunderte sich, daß so sanfte, verstän
dig dreinschauende Knaben solche Pla
gegeister sein könnten.
Er wunderte sich auch, daßdie Frau
Mama kein Wort der Entschuldigung
hatte, sondern nur mit lühlem Gruß
an ihm vorüberging. Und nun kam
sie zu ihm!
Als er in das Zimmer trat, stand
sie am Fenster und blickte in das weiße
Winterwetter hinaus. Die ersten
Schneefloclen fielen langsam zur Erde.
Gerichtsrath Dörge reckte sich un
willkürlich höher, so groß und impo
nirend erschien ihm diese Frau, die sich
jetzt umwendete und ihm einige
Schritte entgegenkam.
Trotz der Dämmerung konnte er
doch ihre Gesichtszge genau studiren,
er nahm sich gern die Mühe —- sie war
lohneud. Und während die blonde
Frau ihm nun gegenüber saß und in
ihrer vornehm lässigen Art ihr Ansic
gen vortrug, hört er gar nicht, was sie
sprach, sondern nur, wie sie sprach mit
ihren schmalen, rothen Lippen, hinter
denen eine Perlenreihe weißer Zähne
blitzte.
Erst als sie pausirte, ergriff er das
Wort: »Es thut mir sehr leid, ver
ehrte gnädige Frau, daß ich Sie mit
meinen Klagen inkommodiren mußte,
aber ich bin ein total überarbeiteter
Mensch, der in seinen vier Pfählen
wenigstens feine Nerven ausruhen
möchte Sie werden mich nicht verste- ,
hen und sich bereits über den altenl
griesgrämigen Junggesellen lustig ge
macht haben.«
,,O, ich kann Sie wohl verstehen.«
antwortete sie und lehnte sich in dem
Sessel zurück, in dem sie saß, »aber
Sie werden nicht begreifen, wie schwer
es für eine Frau ist, zwei so tempera
mentvolle Kinder zu erziehen. Solange
mein Mann lebte, war mir diese
schwierige Aufgabe erspart. Nun
bleibt sie mir ganz allein überlassen.«
Es hatte für den Gerichtsrath einen
eigenartigen Reiz, mit dieser schönen,
blonden Frau hier in seiner Dringlich
teit so intim zu plaudern, und die
trauliche Dämmerstunde erhöhte diesen
Rei·3. Er empfing niemals Damenbe
suche, über die leichtsinnigen Jahre
war er hinaus, aber jetzt begriff er,
daß eg von ihm ein unverzeihlicher
Fehler gewesen, sein gemiithliches Heim
so ängstlich zu isoliren, während doch
das zarte Grün des modernen Empire
salong einen entzückenden Rahmen ab
gab für den blonden Kon dieser ter
zenschlanten Frau.
Er wollte seinen Fehler wenigstens
heute gutmachen. Er wechselte also
seinen Platz. Die steife, gemessene Ent
fernung paßte nicht zu diesem impro
bisirten Plauderstiindchen.
Und dann bat er in einem Tone,
der ihm selber ganz fremd klang: »Er
zählen Sie mir ein wenig von Ihrem
Leben. Jch bin ein alter Knabe und
habe manche Erfahrung hinter mir;
für Freud und Leid habe ich ein vol
les Verständniß.«
Da erzählte sie:
Sie hatte einen Vetter ihrer Mutter
grheirathet, einen Oesterreicher, Hof
rati, in Wien. Er war sehr vermö
gend und machte ein großes Haus«-.
Auf Wunsch der Mutter sei diese Ver
bindung eigentlich zusannnengelom
men, aber sie hätte es nie zu bereuen
gehabt.
»Man darf nicht verlangen,« fügie"
sie nachdenklich hinzu, »daß uns das
Leben alle Wünsche erfüllt. Jch bin
ein bißchen zu ideal veranlagt und
sehnte mich nach Glück, in dessen Frie
den man ausruhen kann. Das fand
icii nicht im Lauten Treiben der Weit.
Aber ich hatte ja die Kinder! Und nach
meines Mannes Tode habe ich mich
run allem zurückgezoqcn und bin nach
Deutschland zurückgekehrt.«
Dann reichte sie dem Gerichtsrath
ihre Hand und sagte herzlich: ,,Lassen
Sie uns- nun Frieden schließen«
sfr konnt-e nich-i anders-, er mußte
diese scbmaleHand einen Augenblick
in der seinen halten und ohne ein
Wert der Erwiderung die Lippen da
rauf pressen.
Als er wieder aufblickte, leuchteten
seiiie’"«liigeti, die sein Gesicht um Jahre
verjüngten, und er sragiets »Werden
Sie mir gestatten, gniidiqe Frau, Sie
Zu besuchen? Jch möchte mit meinen
Plagen-eistern mal persönlich ein Hahn
rupsen.«
»O, die Buben werden Augen ma
cheu," gab sie lachend zurück, und
reichte ihm. noch einmal ihre Hund« uni«
L
Abschied zu nehmen.
Der Gerichtsrath schüttelte sie kräf
tig und-sagte mit warmer Betonung:
»Auf aute Kameradschaft also."
Sie wiederholte es ebenso innig.
undi hre Augen, Vom tiefsten Blan,
die einen so seelenvollen Ausdruck
hatten, senkten sich in die seinen, daß
ibm das Blut siedend heiß in die
Schleifen schoß.
Und sein Herz pochte den Takt dazu.
Q- sls II·
Zu Neuiaksr erhielt Frau Möller
einen eingeschriebenen Brief vom Ge
richtgrath Dörge· Es war eine Kün
digung noch vor Ablauf des Konstati
jahre5.
Sie gerieth außer sich vor Muth-—
Daran war natürlich nur die Hörle
mit ihren verzogenen Biilaen schuld.
Am nächsten Tage rüstete sich Frau
Möller zur Absahrt, unt der Wittwe
den Standpunkt gehöria klar zu ma
chen, alk- ein zweiter Brief vom Ge
richtsratlj eintraf —— diesmal eine
Drrretsache, ein-e einfach-e, goldgerän
Derte Karte:
Frau Hosrath Hörle
Gerichtsrath Dörge
Verlobte
Das Pferdsvon Poe Art-jun
Wie erinnerlich, so schreibt man
Jus Yokohama, fand bei der Ueber
zabe von Port Arthur eine Zusam
rnenkunft zwischen General Stößel
und Baron Noai statt. Bei dieser
Denkwiirdiaen Unterredung schenkte
der Besieate dem Sieg-er eines seiner
Liehsinadspierde. Noai wollte es erst
nicht annehmen, ließ sich schließlich
aber doch dazu bestimmen. Dieses hi
storische Pferd soll nun dazu mithel
fen, die japanische Pserderasse aufzu
refferu, welchem Ziele die Japaner
ietzt, nach den Erfahrungen des Feld
;uges, erhöhte Aufmerksamkeit zu
wenden Baron Noai hat es einem
reich-en Pferd-eziichter Namens Tomo
bumiSaeai aeschenlt, der seinen Stall
äu dem Städtchen Atesati Fu der
Tn Jst-«
UND-«
.«.’: rez- Ws IT s
qurusu oupuuv Hut. Olc Statut«-J
ner von Lllasaki sind stolz darauf, das
historische Pferd in ihren Mauern zu
haben cie hielten eine Versamm
lung iin Rathhause ab an der auch
der Gouverneur von Tottori theil
nahni, und nahmen eine Resolution
Jn, in der sie ihre hohe Befriedigung
iiber das Geschenk zum Ausdruck
prachten Das Pferd führt jetzt den
wanischen Namen Kotobuli, den ihm
noch Baron Noai beigelegt hat. Das
Wort bedeutet »Gliict« oder ,,langes
Leben« und ist einer der vielen syno
nmnen Gliickwiinsche Ostasiens.
—
Fataler Druckfehler-.
Sie hatten sich durch die Zeitung
tennen gelernt, auf der kurzen Hoch
zeitsreise aber gleich liebgewonnen
trotzdem er weniger ihr als sie ihm mit
mancher Bemerkung über Gefeh nes
iinponirte. Jhni war übrigens alles
recht s— nur nicht das Essen in den
Gasthöfen
Als sie in ihrem Heini landeten,
ioar sein erster Wunsch. ein von den
Händcheii seiner Frau bereitetes Mit
tagsmale zu genießen. Und das Mahl
tani —-- aber es war kein Genuß!.. .
Er konnte das auch nicht verwinden
und machte mit umwöltter Stirn die
Bemerkung: »Ja, liebes Weibchen, in
der Annonce, die uns so schön zusam«
nienaesiihri, las ich doch, Du hättest
die Kochschule absolvirt!«
Zitternd und bangend erwidert die
junge Kraut »Das war ein Druckfeh
ler. Jus habe die Hochschule absol
oi1t!«
Eint Verwandte Go ihrs-.
Der »N. Fr. Pr.« wird berichtet,
das: eine Verwandte Goethes in
Eiersbach bei Zittau ansiissig ist. Es
ist dies die Kaufmannsgattin Griiner,
gebotene Goethe, welche, wie durch
einen Zufall erst jetzt bekannt wurde,
ihren Stammbauni direkt bis zudem
Dichterfiirsien einporzufiihren in der
Lage ist. Der aus der Volkniars-s
l,ainer Schirrbausniiihle bei Art-ern
ic: Thüringen siammende Urgroßvater
oer Frau Griixier war ein Sohn aus
oer ersten Ehe des Vaters des kaiser
lichen Ratle Johann Kaspar Goethe,
des Vaters des Dichters, und somit
ein Stiefbruder des kaiserlichen
iiiathes und ein Stiefoheim Johann
WOUACHQ U)0cll)c5.
Der neue Schah von Persien hat
sich dazu verstanden, seinem Volke
:ine Verfassung zu geben. Doch wie
Väterchen in Rußland behält er sich
por, diese Verfassung nach seinem
Gutdiinten auszulegen.
sie st- It
Ost hat, wer über andere am mei
sten tacht, am wenigsten zu lachen.
si- -e g
Jn Chicago hat man nichts gegen
die Ausführung von Salome. Chicago
hat auch anderweitig schon bewiesen,
daß es sich »vor nischt ekelt«.
V- Ik II
Frau tzu ihrem Gatten): »Wenn
Du missen würdest, wofür die Rech
nung ist, würdest Du wohl nicht so viel
Aufhebens davon machen.» -—-— Mann:
»Nun, wofur ist sie denn?« — »Für
das WeihnachtsaeschenL das ich Dir
gemacht habet«
:- -i- »
Wenn einer seinen Platz nicht aus
füllen kann, behauptet er stets, er ge
höre auf den anderen Plas.