Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1907, Sweiter Theil., Image 14

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    In den Zielen.
Roman von Margarete Yokssigmden
hede war an eine der geöffneten
Laien getreten und blickte mit leuch
tenden Augen üker die-schönen masti
ven Wirthfchafts- und Stallgebäude
des Gutes und sie steckte den Kopf
hinaus und fah die weiten Weide
und Ackerflächien liegen· Und es war
kein iiberfchuldeter Besitz mehr. Sie
wandte sich zurück und stand stolz
und freudig lächelnd vor dem kleinen
Kaufmann, der ja noch sehr gut die
traurigen Zustände Steinfeldes ge
kannt hatte. «Steinfelde ist ein schö
ner Besin, nicht wahr, Heer Teppen?«
Der kleine-« Mann schlug mit der
rechten Hand gegen die Brutt: »Be
Ielfwsöre das, anädiges Fräulein. Bei
uns Kaufleuten in der Stadt heißt
es entweder: auf dem Gut ist wag
.»lok, oder: auf dem Gut ift nichts los.
A til-ers sagten wir das letztere »von
teinfelde. ietzt das ertte.«
Höher noch leuchteten Hedeö Au
gia. »Ja, unser Steinfelde.«
»Den Fraude versieht es«, meinte
Fee kleine Mann. »Hm", machte er
Faun verlegen. »Wissen Sie ..... «
St stockte und räuspette sich aber
Mcls: »Wissen Sie nichts von threm
Herrn Bater?«
» »Nein, nichts!'· Höher richtete sich
, Hede auf. Der abweisende Ausdruck
- ihrem Gesicht wurde unendlich
« »Na, Teppen«, tief jetzt Fraudez
Stimme unten.
»Komm fchonl" tief der Kauf
duckt-mL zurück undl vekließ den «-!iZtJertL.l
- fest-s- --- »
ch unser- uuhq our-u. ocpr ktuuu
ein Flimmern in ihren Augen und
Schamröthe in ihrem Gesicht. O,«fre
verstand jenen. Das Räusperrh Zö
gekn, Stottern verstand sie; denn sie
wußte. was »man fagte", hatte es
aber nicht recht glauben wollen:Der
Milchtutfcher hatte ihr die Mittbei
hing gemacht, daß man ihren Vater
, irr-«der«Stadt gesehen haben wollte.
Sie steckte wieder den Kopf zur Bo
denlute hinaus und ließ sich vom
Winde das heiße Gesicht kühlen.
,Gott, ach Gott,« murmelte sie und
starrte auf das moosgriine Ziegeldach
des Herrenhauses, als sähe sie schon
Unheil darüber schweben. Nun
wandte sie sich wieder zurück und ging
Iangsam über den Boden. »Man tau,«'
Jst-or sie dem sie anglotzenden Bur
en.
« Auf dem Hofe stand noch Teppens
Wagen. Hede ging in den Pferde
solt nnd machte sich da zu schaffen,
»Es-sie Teppens Stimme auf dem
des-He hörte. Und da· gerade als er
sen-f den Wagen klettern wollte. stand
sie-eben ihm. »Besten Sie es auch
gehört Herr Teppen, daß unter Va
« in der Stadt sein foll?« Hastig
sechste die Worte heraus. Die Lider
hatte sie gesenkt. Das Gesicht war
Wroth
»Ich habe ihn gesehen, gnädiges
Zitfiiuleinf entgegnete der Kaufmann
e.
»Danke,« murmelte Hede mit heise
« ret Stimme.
»Aber es ist ja nichts dabei, gnä
W Fräulein. Jn den feinsten, vor
Msien Familien gibt es ja so et
F -«--sliisterte«Teppen mitleidig.
· Hin Ruck ging durch hedes Gestalt.
ins-Kommen Sie gut heim, Herr Tep
z""-,ken".« Sie grüßte durch eine Kopf
I sei ng und schritt dem Hause zu.
· oilkp In Kaki Adolf ins Ins-l
zimmer Der Kleine saß aus seineme
Schautelpferd und sang ein tapferes
f Retterliedleim und die alte Knut
i hockte strickend auf einem Schemel.
I Hede zog den Jungen ·an sich und
l Kiste ihn stürmisch. Zwischendurch
fragte sie mit zitternder, bebender
Stimme: »Wirst Du auch ein tapfe
rer Mann werden, Karl Adole . . .
Und gut, Karl Adolf?« . . . Fleißig
E. spie der Großvater?«
I start Adolf nickt-. « »Ja ja Hed«
i Nun aber brummte er indem er mit
t dein Aermel iiher den Mund fuhr:
i «Junaens küßt man nicht so viel,
. hebe«
, Hede gab ihn frei und verbot nun
E, Her alten Knut in einer ihr fast ganz
kftemdem dittatorischen Weise, den
g Mir-en heute spazieren zu führen.
CS sei zu kalt.
i» »Wa« es geht ihm ja auch hier nichts
itz;"·«.tb«,« meinte die Alte, die zufrieden
me, nicht aus der warmen Stube
ums zu miissen.
ais-Mit kam heransgestiirmt die
Witteider gegen haustieider zu
Muscherr. Sie war athemlos und
Mk Es knar ein Mensch hinter
her.« berichtete sie. »Er rief
du«-— wollte rnit aus den Wa
« - oder so was, aber Friedrich fuhr
M da konnte er nicht mit. «
. Weder zschlan »Wie
»du Mann aus« fragte sie mit
szsz M wMYmv doch Sah
. ki- .
M nicht« meinte Elsbetlx -
spon- eim Wisse- rothes-]
O schlimmf tummelte heh- !
M Mk DIE fragte Gib-its
»Nicht-U Hede verließ das Zim
mer. Draußen auf dern Flur stüßte
sie sich schwer aus das Treppengeliin
der. Tausend Gedanken wirbelten in
ihr durcheinander, und Zorn loderte
da und eine tiefschm«erzliche Flamme
brannte daneben.
Aber es mußte etwas geschehen.
Hede raffte sich auf und ging in
das Amtszimmer-. Der Großvater
saß in seinem Sorgenstuht, hatte die
Hände gefaltet und die Augen ge
schlossen. Er schlief und bewegte
murmelnd die Lippen. Hede biß die
Zähne fest aufeinander, daß ihrem
Munde kein Wort entschlüpfte, und
schlich leise wieder hinaus.
Ueberlegend, was zu thun sei, blieb
sie draußen im Flur stehen. Nun
eilte sie die Treppe hinauf und begab
sich in das Mödchenzimrner, das im
Giebel lag. Von hier aus sah man
aus die Chaufsee, die in die Stadt
führte
Hede stand und starrte hinaus. Nur
ein Wagen fuhr dort.
Hinter dem Wagen ein wandern
der Mensch. Jeßt nahm er den Hut
ab . . . Jeßt blieb er mitten auf der
Chaussee stehen . . . Jeht stürmte er
in langen Sätzen vorwärts · . . Jeßt
blieb er wieder stehen . . . »Das wird
er sein. das ist er!" stöhnte Hide. «
Sie riß das Fenster auf und spähte
angestrengt hinaus.
Der Mann auf der Chaussee stand
regungslos. Sein Gesicht war dem
Giebel des hause-Z hier zugewandt.
»Er ist es!« . . . Hede fiel auf die
Knie nieder-. Mit satternden händen
s- t- s- ·! ----:s-..
glllg UUV SUCH-Hut nur-. Un du«-»sa
Saite ihrer Seele.
Hede stand wieder aus den Füßen.
Die Arme um das Fenstertreuz gelegt.
starrte sie aus die Männergestalt. Die
wuchs, wuchs zu einem schetmenhasten
Gespenst in die Höhe, stand groß und
drohend da . . . Und im Brausen des
Windes menschliche Stimmen . . .
Der Großvater fluchte, seine Peitsche
lnallte . . . Und ilagende Töne . .
Elsbeth und Karl Adolf jammerten
und weinten . . . nUd da stand Karl
Adolf. Seine hellen. klaren Augen
blickten so scheu. Und er war doch
ein Kind und ohne Sünde . . .
»Nein! . . . Nein!« bebe schrie es
laut hinaus und streckte abwehrend
die hände gegen jene große, drohende
Gestalt . . .
Jhre eigene Stimme und die Be
wegung ihrer Hände brachten sie zur
Besinnung. Mein Gott, war sie wahn
sinnig? . . . Sie fuhr sich mit der
Hand iiber die heiße Stirn.
Drüben stand der Mann noch im
mer.
Hede schloß das Fenster. Eine Fe
stigteit kam über ste. Nochmals sah
sie prüfend hinaus. »Er ist es,'· mur
melte sie mit einer Stimme, deren
Festigteit ersticken wollte irn heißwal
lenden herzblut —
Cr war es. Es war hans Jürgen
Angermam
So schlimm, wie Elsbeth wähnte,
sah er- nicht ans. Den Bart hatte er
stehen lassen, der war zwar struppig
und roth, aber die Kleidun war,
wenn auch abgetragen und chäbig,
doch ganz und sauber. Aus seinen
äußeren Menschen hielt er noch etwas,
der mußte stimmen zu der Rolle, die
er in ein paar kleinen Kneipen Ber
löna ins-lis- W men- » der arme4
ner Sippe um Gut und Geld gebracht
und dann ins Elend hinausgestoßen
worden war. Ein Märtyrer war er.
und die biederen kleinen Leute nickten
und drückten ihm die Hand, und die
jenigen, welche gleich ihm zu jenen
sragwiirdigen Existenzen gehörten, die
durch Kartenspiel und gelegentliche
Agentenstelle oder sonstwie Subsistenzk
mittel deckten, nickten leid- und ersah
rungövoll: »Ach, das kennen wir.«
Und ab und zu kam ein Voltshealiicker
oder ein Altruist oder irgend so ein
Mensch, der über dem Durchschnitt
der Menschen sieht, und setzte diesen
Märtyrern seine großen Jdeen vor.
Die betrachteten sie dann im Ge
sichtswinkel ihrer eiaenen kleinen Lei
densaefchichte und züchteten sie in der
Treibhauöhitze ihrer Phantasie. Und
das Zuchtprodukt war das himmel
ichreiende Unrecht, das ihnen wider
fahren. Ach, was waren sie sär Dul
der. Dazu kam der- Allohol und sie
wurden sinnloö in ihrem Haß ’aeaen
die Besibenden und vergaßen, daß sie
selhsi Besitzende gewesen waren und
mit allen ihren heiß wünschen-den
abenteuerlichen Nlänen nichts anderes
wollten, als Betitiende werden.
Jn so loderndem Zorne aber war
Jürgen Angerman ausgezogen, sein
Recht zu suchen. -
Drei Tage weilte er schon in der
Stadt, aber seine Füße hatten ihn
nicht hier hinaustragen wollen. Heute
hatte er seinen letzten Nickel in Alto
hol angelegt, und da war mit dem«
Rausch wieder der helf-« der Dulder
über ihn gekommen. So war er hin-·
ter den- Wagen, in dein Elibeth saß,
hergestürrnt, wähnend er sei sein. So
war er, wilde Reden ausstoßend, an
langen Sätzen iiher die Chaussee ge
laufen. Sein Recht wollte er, das
Gut seiner Väter wollte er haben,
seine Kinder wollte er besitzen. .
Aber die freie Weite . . . das Son
nenlicht . . . die herbe heimathslust
mit dem Erdgeruch . . . der scharfe
Wind . . . Seine an Gaslicht nnd Zi
garrenqualrn gewöhnten Augen wur
den starr. seine an Schentstubenlust
gewöhnten Lungen weiteten sich. Der
Rausch verflos. Jahre versanken . . .
Von dein alten Dach des Gutshauses
dort wehte erdrückende Wahrheit her
über. Eine betäubende Stimme er
zählte von Besitz, Genuß und Ver
lust.
Er stand und stand, und sein Fuß
wollte nicht vorwärts.
Auf der Chaussee tam eine weih
liche Gestalt daher.
Jn Jiirgen Angermans Augen
sprang ein zitterndes Licht aus.
Die Gestalt tarn näher und näher.
Nun blieb sie wenige Schritte vor ihm
stehen.
«Hede?« fragte er zögernd nnd
blickte vor sich nieder. —
Sie nickte stumm.
Die Heimathlust tiihlte beiden die
heißen Stirnen.
Jürgen Angerrnan erkannte plötz
lich eine Wahrheit in sich. »Ich . . .
ich mußte einmal her . . . Jch hatte
Sehnsucht,« stieß er heraus.
Jn Hede wallte das Vergl-litt iiher
alle die Bitterkeit und Festigteit, und
nur die große, große Angst vor dein
Herzeleid, das mit diesem Manne iiher
die Gntsschwelle schreiten würde, ließ
sie ihres Vorsaßes eingedenk sein.
Aber es tam nicht hart und abweisend,
4-- s-— c:-«--t- ..-h cc-I--nh HO- Eisf
(- IUIII UllILIII UIOU just-Ists q--- --,
Lippen. .
»Geh nicht dahin," slehte sie und
zeigte mit der hand aus das Guts
haus. »Großvater ist unversöhnlich
. · . Es würde ein Unglück geben . . .
Elsbeth wartet, daß Du als reicher
Mann tommen sollst —- Karl Adolf
weiß nichts von Dir . . . er wiirde
sonst so viel zu fragen haben. Es ist
besser so . . . Wenn er größer ist,
verständiger . . . Selbst alles verstehen
tann . . . Gehe nicht ins Gutchaus
...Ersparees Dir...uns...Es
gibt ein Unglück.« Sie streätt ihm
die gesalteten Hände entgegen. Sie
hätte in ihrer Angst vor ihm nieder
tnien mögen. «
»Ich will gar nicht ins Gutshaus,«
sagte er heiser. Es tam jetzt etwas
Wildes iiber ihn. »Der Alte!« schrie
er und schüttelte drohend die Fausta
Das Nächte in Hede die Stimme
des Herzens zum Schweigen. »Chos
oater laß in Rahel« ries sie heftig.
Er sah scheu in die stolzen Augen
feiner Tochter, und es kam etwas
Demüthiges iiber ihn. Aber das
schüttelte er trotzig ab, um nun auch
vor ihr seine Märtyrerrolle zu spie
len. Doch unter den tlaren Mädchen
augen erstickte das Lügengewebe.
»Laß uns iiber die Felder gehen,
um das Dorf herum, zu Pastor Ol
sen,« schlug Hede vor.
Sie gingen nebeneinander her. Erst
schwiegen ste. Dann sing Jürgen An
german an zu reden: »Der Großvater
weiß nicht, wie es in der Welt drau
ßen aussieht, Hede,« begann er und
redete hastig und immer hastiger von
der Welt draußen: Diese Welt war
ein großer Betrüger. Die zwanzig
tausend Mart, die er von der Lebens
versicherung nach dem Tode seiner
Frau erhalten hatte, hatte ihm dies-.
böse Welt hinterlistig abgegaunert.
Allerlei Erfindungen, die Reichthum
und Gewinn versprochen, standen da
wie sveckgesüllte Mausesallen und
lockten den Menschen das Geld ans
dct Taichr. So Witten auch Feine
zwanzigtausend Mart hingegangen.
Kläglich, weinerlich fast tlang seine
Stimme: »Und nun bin ich arm, bet
telarrn . . .« Seine Augen waren
thränenseucht . . . Armer willenlofer
Jürgen Angerman, einmal ists die
Welt, einmal ist’s die Sippe . . .
Jn grenzenloser Pein hatte Hede
zugehöri. Alles, was an Stolz und
Ehrgesiihl, und alles, was aus der
Anschauungswelt des Großvaters in
ihr lebte, bäumte sich aus und war
doch mit Ketten des Herzwehs geses
selt. Sie blieb stehen. Jhr Gesicht
war glühendroth. Jhre Augen Daf
teten am Boden. »Wenn Du.« fing
sie an zu stottern. »Wenn . . . wenn
ich Dir mit einhundertundfiinfzig
Mart helfen kann . . . hier . . . hier
. . .·' Sie steckte ihm ein KUvert in die
Hände. »Graszvater hat mir das
Geld zu Weihnachten geschenkt« setzte
sie ausathmend hinzu und hob nun die
Lider und-sah ihn an.
Seine hande, die das Geld hielten,
zitterten. Sein Gesicht war roth.
Seine Augen glänzten, aber es war
ein unsteter Glanz. «Dante,« sagte
er heiser und steckte nun das Geld ein.
«Jch nehme ei nur leihrveise . . .
Schick es wieder . . .« «
hede hatte sich abgewandt und war
vorwärts gelaufen. Aber sie zwang
ltsatn alles in sich nieder, blieb
ehen und wartete, bis er wieder an
ihrer« Seite war. Jhre Stimme klang
trocken und gezwungen, als sie seht
sagte: ,Wir wollen rnit deren Pastor
Olsen sprechen, ob Du nicht durch
seine Vermittelung eine Stelle als
Outiinspettor bekommen lannst.'«
W
Jükgeu Aug-man hielt das« Gen-!
in seiner Tasche sest umtrampsi.l
Sein Schritt wurde langsam und
langsamer-. Jeßt blieb er stehen.
»Jnspettor ist nichts siir mich, bede,«
stieß er heraus. »Jn Berlin gibt es
vielerlei Erwerb. Mit den hundert
undsiinszig Mart lann ich irgendwie
das Glück versuchen . . . Das Glück
...Ja...ja..." Ersahmitun
rubvollen Augen umher. l
»Den Pastor Olsen würde Dir
gern belsenf meinte Hede
Da brach es mit Zvnischem Lachen
in Jürgen Angerman aus: »Helsen
aha . . Eint Litanei blasen »
a·i"5 könnt Ihr hier aus dem(
Lande Euch gefallen lassen Wer inl
der Großstadt gelebt bat, thut s nichtl
mehr. Grüße ihn Ich muß machen, I
daß ich nach dem Babnhos komme !
In zwei Stunden gebt ein Zug nach«
Berlin . . . Adieu.« Er hielt ihr die
Hand hin.
Hede schüttelte ein Frostschauer.
.Adieu,« sagte sie leise. Aber die
Hand reichte sie ihm nicht.
Er lachte wieder, laut, heiser. zis
nisch, zog grüßend seinen hul,
wandte ihr den Rücken und ging mit
langen Schritten querfeldein. Schnel
ler und schneller ging er, zuletzt lies.
er, lies der lockenden Welt entgegen,s
von der ein Reslex in seinem Lachen
gezittert hatte ———————
Hede stand wie betäubt und starrte "
der Männergeltalt nach, die sich sil
bouettenbast gegen den sonnenroihenl
Winterbimmel abhob und kleiner und
tleiner wurde. Und alles brauste in
ihr zusammen und schrie in dem einen «
zornigen Wort hinaus, das über die
tablen Felder dahinzittette: »Feig
ling!« Dann hob sie den Fuß nnd
jagte atbemlos dem Pastorhouse zu
»Ja wer kommt denn da?" meinte
Pastor Olsen und sprang aus, als
die Hauzglocke so ungestüm laut
schellte. .
Jn dem kleinen Flnrraum herrschte
schon Dämmerung aber durch die
Thür, die der Pastor hinter sich auf
ließ, sandte die im Wohnziminer
brennende hängelampe einen Licht
streif. Der lief über die rothen Flie
sen und ging an dem großen, Un
förmiichen Kleiderschrant in die Höhe.
Da stand hede Angertnan. der Licht
schein traf gerade noch ihre Augen.
Die blickten srernd in heißem Flackerm
Beide Arme hob sie jetzt. »Ich hasse
ihn!u schrie sie auf» und schlug nun
die Hände vor das Gesicht und
schluchztr.
»Was ist denn? . . . Ja, was ist
denn, Kind?'« Olsen ergriff ihre rechte
Hand und zog sie in das Wohnziin
mer.
Da saß hede lange. lange in der
Svsaecke und schluchzte fassungslos.
Der Pastor und seine tleine Frau
sahen sich rathlos an. Was konnte
das still-freudige, gleich-nähme Wesen
Hede Angernrans so aus den Fugen
gebracht haben?
hede tarn zu sich, hob den Kon und
stieß heraus: »Bater war da . . . Jch
habe ihn gesprochen.« Und sie berich
tete weiter, und alle Gefühle von Mit
leid bis zum Haß sprangen auf und
ließen die Worte baldstocten, bald sich
überstürzen und trieben Blässe und
Röthe über ihr Gesicht. Und zulest
blieb es wieder das große Weh, das
sie in sich verschloß und mit heimtrag,
und die solternde Furcht vor dem Wie
derkommen des Vaters und vor dein,
was dann geschehen würde, stand da
neben. - —
Jm Psarrhause aber saßen die bei
den Alten und sprachen noch lange
miteinander. »Die arme hebe,« sagte
Frau Pafior.
Olsen nicktr. »Ja, die arme Hedr.
Jener wird weiter sinken und wird
wiederkommen . .
»Ach Gott« Frau Pastor fah mit
ängstlichen, großen Augen ihren
Mann an
Der niate nur.
So sprachen sie hin und her, und
als Frau Pastor zur Ruhe ging,
meinte fie: »Das muß ich doch mor
gen an Ernst mitfchreiben. Was wird
der sagen?«
12.
Ein Gewitterdirnrnel hängt tief her
nieder. Auf dem Acker geht ein Pferd
vor dem Pflug. Es zittert und bebt
am ganzen Körper oot dem drohenden
Wetter da oben, vor dem ersten Blin
schlag der herniederfahren wird, seine
Augen zu blenden und das Erdwan
aufzuwiihlen . . . Es ist tein dumpfen
fturnpfer AckergauL es ist ein edles
Thier und hätte stolz und freudigi
durch weite blühende Lande gedenj
diirfem Ader es geht den Acker hin- s
auf und hinunter, sieht den illa-up
sieht die Sielen und zieht den Pflug
hinter sich her . . .
Und hede Angerrnans Pflug ist
noch schwerer geworden. »
Bald nach, jenem Wintertag, an
dem sie rnit dein Vater das Zusam
mentreffen gehabt, war Großmutter
Fraude an Jnfluenza erkrankt, hatte
aber der neuniodischen Krankheit, rote
sie so sagte, gefpottet und hatte sich
nicht in acht genommen. Ein Ma
- und Darmlatarrh war hinzuge
reten, da hatte sie sich zu Bett legen
müssen und sollte sich nicht mehr er
heben. Jbr lebenslänglicher Wunsch,
nicht zu überaltern und vor ihre-n
Tode nichtlange bettlägerig zu sein,
war in Erfüllung gegangen. Sie war
im Alter oon fiinfundsechzig Jahren
nach zweiwschigem Krankenlager ge
storben. Alle die Erdensorgen, die sie
noch gehabt hatte, hatte sie aus Hede
geworfen, zu allererst die Sorge sür
den zurückbleibenden Lebensgefiihrten.
So war Hedes Pflug schwerer gewor
den.
Der Großvater verschloß seinen
Gram in sich und zeigte nicht viel, aber
er war körperlich hinsälltger. Mein
Gott,« schrien die Menschen die ihn
sahen. »Herr Fraude sind Sie das.
oder sind Sie es nicht«
»Na, man wird alt." lachte er und
fiel auch wohl in seinen Schtvatzton
und meinte: »Haben Sie mal erst
vierundFebzig auf dem Rücken und so
ein niederträchtiges Bein. Wolln
dann mal sehen, ob die Weste nicht
’zu weit sein wird. Ja, das woll’n
wir doch mal seb’n·«
»Ja, ja, Sie sinds noch,« lachten
die anderen nach solchen Worten.
Gottng folgt.)
stussische sites-sein
Die Londoner Tiines veröffent
lichen folgendes Schreiben von Max-im
Gorti:
»Ja Moskau befinden sich nun alle
Leute, Männer und Frauen, die auch
nur im entferntesten Verdacht stehen,
an dem Ausstande im Dezember 1905
betheiligt gewesen zu sein in gericht- -
licher Untersuchung Ich wünsche nun
der Oeffentlichleit zu zeigen. wie dieta
Fälle von der Polizei und den Ge
richtsbehörden zustande gebracht wer
den. Als ein Beispiel nehme ich den
Fall des Nikolaus Schmidt, über dsn
ich genau unterrichtet bin, und di:
Thatsachen dieses Falles. die ich aus«-J .
forgfältigste festgestellt habe
Nilolaus Schmidt ift ein Universi
tätsftudent, aber zugleich ein fehr rei
cher Mann, der Besitzer der erften
Kunftmiibelfabril in Moskau.
Seine wohlwollende Art, die Arbeiter
zu behandeln, auf der einen Seite und
deren freundschaftliche Gefühle fiir ihn
verfchafften ihm in den Augen der
Moskauer Polizei den Ruf, daß er
Ereisinnig und politisch unznvertiifsig
ei.
Am 17. Dezember 1905 um 4 Uhr
Morgens brach eine Abteilung Polizei
und Kofalen in Nilolaus Schmidts
Wohnung ein. Als Schmidt eine Er
l!iirung- hierfür verlangte. wurde ihm
ein Befehl zu feiner Verhaftung vor
gewiesen, worin angeordnet war, daß
Schmidt fofort in das TaianslisGe
fängniß gebracht werde. Zugleich
wurde eine Durchfuchung der Woh
nung vorgenommen, wobei aber leine
oerdiichtigen Papiere vorgefunden
wurden. Schmidt wurde hierauf fort
gefiihrt, aber nicht in das Tajansti
Gefängniß, sondern zu der Presnensi
li-Polizeiflation. Dort empfing ihn
der Polizeiagent mit den Worten:
»Wir wissen, daß Sie einer der Leiter
der revolutionären Bewegung find und
daß in Jhrer Fabril Gewehre und
Munition aufbewahrt sind. Liefern
Sie sofort Alles aus oder wir werden
Sie erfchiefzen.«
Der Verhaftete ftellte in Abrede,
daß er irgend etwas mit der Revolu
tion zu thun habe; aber durch Ein
schiichterungen und Drohungen ge
zwungen, stimmte er zu, eine Weisung
fiir die Arbeiter seiner Fabrik zu
fchreiben, welche ungefähr folgender
maßen lautete: »Es wird gemeldet,
das; Jhr Waffen in Eurem Besihe
habt; wenn dies wahr ifi, liefert fie
aus; die Polizei droht fonfi, die
Fabrik zu zerftören.« Diefe Messung
wurde aber offenbar nicht über eben.
denn fünf Minuten nachdem ie ge
schrieben worden, begann eine furcht
bare Kanonade in jenem Theil von
Presni. wo Schmidts Fabrik gelegen
war. Die Polizeistalion von Prezni
k-- ask-« Qlls Dust-so- moIZIDZICDOIs--I «
·-«’-«H tttttttttt s
».., ................ ,
in der Stadt toie ein bewaffnete-Z La
ger aus und war angefüllt mit Kata
ten, Artillerie, Jnfanterie und Poli
ziften. Alle waren furchtbar betrun
ten. Als Schmidt in die Station ge
bracht worden war, sprangen die Po
lizisten auf ihn los mit dem Geschrei:
«,,Du hund, du haft den Zar morden
wollen? Wir werden dir das Richtige
zeigen.« Sie bedrohten ihn mit dem
Tode, aber einer von ihnen ftiefz
Schmidt in den Nebenraum und schloß
ihn ein. Von dem Fenfter aus fah
Schmidt, wie feine Fabrit mit Bom
ben befchoflen, von den Soldaten ge
pliindert und in Brand gefteat wurde.
Anftofzend an die Polizeistation be
fand fich ein Wittwenheim. Auch die
ses Gebäude, in dem vertriippelte, alte
Weiber untergebraeht waren, wurde
von den Truppen mit Schüssen durch
löchert.
Unterdessen war die Polizeiftation
von den Revolutioniiren in ihrer Ver
zweiflung angegriffen worden. Da
durch wurde die Lage Schmidtt ver
fehlimmeri. Am dritten Tage feiner
IEinfchliehnng erhielt Schmidt den
Befehl. sich anzutleiden und herauszu
tommen. Jm Hofraum wurde er in
den Wagen des Mllitiirfpltals gewor
fen und unter der Esiorte eines hal
ben Duiend Soldaten des Semenonp
Regimentes weggefiihrt. Nach Ver
lauf einer halben Stunde wurde
Schmidt aus der Stadt hinaus zu ei
nem Plase gegenüber dem Friedhof
gebracht und aus dem Wagen genom
men· hier war etwa ein Regiment
Jnfanterie und Kofalen aufgestellt, tn
dessen Mitte sich eine Anzahl von Ar
beitern aus Schmidts Fabrik und
viele andere Gefangene befanden. Die
M
Betrunienen trieben rohe Spähe, der
höhnten die Leute und schlugen sie fo
gar. Ein Ofsizier des Semenowschen
Regiments ging aus Schmidt zu, er
hob die band und versehte ihm einen
Schlag in’s Gesicht, indem et ihn zus
gleich in roher Weise beschimpfte. Ei
nige Minuten später sah Schmidt, wie
zwei Arbeiter seiner Fabrik bei Seite
geführt wurden —- eine Salve trachte,
dann noch eine zweite. Die Soldaten
liesen hin, um die Leichen anzuschauen
Zwei Stunden lang wurde Schmtdt
auf diesem Platze festgehalten und
mußte den Schreckensszenen der Grau
samleiten zusehen. Als sich ihm end
lich die Gelegenheit bot, bat er einen
Ossizier, ihm doch zu sagen, warum
er hierher gebracht worden sei und ob
es ihm möglich sein werde, einige Ver
stigungen zu treffen. Oberst Min
lam hinzu und sagte ruhig: »Dazu
ist keine i)eit, ein Testament zu ma
chin; es isi zu spät. Sie werden gleich
erschossen werden. Wenn Sie aber
Jhre Mitschuldigen nennen wollen,
werden wir das Weitere sehen.«'
Erschiittert durch all das, was er
gesehen hatte, und durch die Schrecken,
die er mitmachen mußte, nannte
Sehmidt mehrere seiner Freunde —
die ersten besten Namen, die ihm durch
den Kon fuhren und einfielerh
Hieraus brachte ihn Oberst Min selbst
zurück in die Presni-Poli3eistation,
ordnete an, daß Schmidt tn einen ab
gesonderten Raum gesperrt und mit
Papier und Feder versehen werde und
gab ihm eine Stunde Zeit, eine Aus
sage niederzuschreibetr. Nach einer
Stunde erschien Oberst Min wieder,
las die Aussage, die Schmidt geschrie
len hatte, und brachte ihn in das Ge
dauoe ver geuemten polizei.
Dort begann nun der Gouverneur
von Moskau gemeinsam mit dem
Obersten Min und dem Chef der ge
heimen Polizei den durch Furcht und
Schrecken nerviis erregten jungen
Mann zu verbören. Dieser ertliirte
aber nun, daß sein Geständnis durch
Androhungen der Tortur und des Tos
des erzwungen worden fei. Diese Er
klärung wurde aber durch die Bemer
tung turz abgeschnitten: ,,Bedenlen
Sie. daß wir viele Mittel haben, um
Sie sprechen zu machen.«
Das Verhör Schmidks dauerte fast
ununterbrochen acht Tage lang, mit ei
nem fortwährenden Wechsel der ber
hörenden Beamten. Nach acht Tagen
war das Verhör endlich beendiat, und
Schmidt wurde wieder ins Gefängniß
gebracht. Natürlich war er nach Al
lern, was er durchgemacht halte, in ei
nem furchtbaren Zustande. Seine
Aus-sagen trugen das Gepräge eines
gefühllosen Deliriitms. Am lö.
Januar wurde Schmidt vor das Un
terfuchungsgericht gestellt-, wo er an
getlagt wurde, an der Organisirung
des dewafsneten Ausstandes gegen den
Zaren theilgenornrnen zu haben. Er
wurde nun wieder ausgefvrdert, ein
Geständnis abzulegen. Schmidt er
klärte nun, dasz Alles, wag er früher
ausgesagt hatte, unwahr und durch
Drohungen erzwungen war.
Schmidt ist nun verurtheilt· Der
iunge Mann ift durch die Tortur in
einen Zustand der UnzurechnungZ-s
föhigteit dersedt. und dieser Zustand
bot dem Gericht die Rechtfertigung
nicht nur gegen ihn, sondern auch ge
gen seine Freunde, die er unfreiwillig
denunzirt hatte, die Antlage zu er
heben. Der Fall Schmidt ift nicht der
einzige in seiner Art. sondern es giebt
noch viele ähnliche Fälle.
M. G o r l i.
Jn der Gesengebung von Tennessee
entstand große Aufregung darüber,
daß der Sprecher einen Bierhamrner
brauste, als er die Vollsvertreter zur
Ordnung rief. Es ist allerdings nicht
schön, wenn man ein so nützliches
Werkzeug feiner ursprünglichen Be
stimmung entzieht·
O L It
Es gibt Leute« die deannsch he
gen, daß alle Autasahrer dem Beispiele
ihrer belgischen Berussgenossen folgen
und die Reise naeh dem Südpol antre
ten möchten.
. « i is
Oklahoma schwankt, oh es Mistletoe
oder Alsalfa zum Staatsemhlem wäh
len soll. Aus jedenfall AlsalsaL Wer
wird eine Schmaroserpsianze imWap
pen führen!
I O K
Der Kasseetrust trifft umfassende
Vorkehrungen, um das Publikum nach
bemährtem Monopol - Rezept gründ
lich zu röstem
I A d
Ein Beruf, von dem man wegstrebt,
ist überhaupt ieiner.
« ·- i
Wenn man etwas gewithnt ist, scha
det es nichts mehr. sagen die Leute
und merlen nicht, dass gerade das Ge
wöhntsein das Schädliche ist.
II f O
Leute« die uns .die Wahrheit patent
halten, sind nicht unsere Freunde.
Solche aber, die uns die Wahrheit sa
gen, halten wir zumeist sitr unsere
Feinde. Daraus schließe ich, daß et,
genau genommen, überhaupt teine
Freunde gibt.
c I O
Es ist ein Vergnügen, in ver sehigen
Zeit zu leben, sagt Sachsens König
Etn Vergnügen mass ja sein« jeht zu
leben, wenn man nur bei den heutigen
Lehensmittelpretsen immer wußte, wo
th. X