Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 22, 1907, Sweiter Theil., Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    —
Vas Verlöbnis.
Ytovelkexte von R einholo LI· r t
ma n n.
Es war nur ein Zufall, das-. der
tandgerichtorath hell-via lzeute um
zwei Stunden friiher als fonft nach
hause zurückkehren konnte. Die
Eintrag der Kammer, der er präst
dirte, hatte eines unerwarteten Zwi
lchenfalles wegen abgebrochen werden
müssen. Und er freute sich diese-S
Ungefährs, wie ein Schüler sich nn
vertxoffter Fersen freut. Denn es
wurde ihm jedesmal fröhlicher zu
Sinn. wenn er die Schritte feineni
heim zulenten konnte, der beiden her
«I.igen Kinder wegen, die ihn da er
warteten, und vielleicht auch noch aus
einem anderen, nur halb oder gar
nicht eingeftandenem Grunde. .
Eine Hausfrau, vie ihm liebevoll
entgegengeeilt wäre, gab es in feinen
vie: Wänden freilich nicht mehr. Die
feinem Hernzen einft am nächsten ar
ftanden, war unmittelbar nach der
Geburt des zweiten Kindes aeitorlsern
und jahrelang hatte sich Rudolf Hell
wig in aufrichtiger Trauer um die
Dahinaeschiedene von alten Freuden
der Welt fern gehalten, nur der Er
innerung an sie und der Sorge um
die mutterlos zuriidgeblicbenen Kin
der lebend. Aber die Zeit, die mit
ieiim Finger sanft und unmerklich
fast alle Wunden schließt, batre auch
an ihm ihr wodlthätiges Wert gethan
Aus der herben Trauer war allgemach
ein welnniithig liebevolles Gedenten
geworden, und der Vierzigiähriae
hatte wieder gelernt, frch an goldenem
Sonnenschein und an fröhliche-n
Menschenlachen zu erfreuen. Dar
über, ob diefe Wandluna vielleicht in
irgend einein Zusammenhange ftcind
mit dem Eintritt der neuen Erziebe
rin. die er vor ztrei Jahren feinen
Irindern gegeben, hatte der Landgr
rirbtsrath bisher kaum nachaedacht.
lir wußte nur. daß eg in feinem
Hause viel heller und heiterer gewor.
den war, seitdem Fräulein Helene
Mödius darin walten. eaft feine
Kinder unter ihrer liflene törperlich
und seelisch aufgebläht waren wie
zlrszi lange recuachläfsigte Pflänzchen
nnter den Händen eines geschickt-In
Gärtners, und·daf; er si.t; seit der
Anwesenheit des schlankem blonden
Mädchens mit dem feinen, ruhigen
Eil-ficht und dein immer gleichen, kni
tiaen Wesen kaum nott) ein einziges
Mal der unausfiillbareu Litcte bewth
geworden war, die der aroße Würger
ver sieben Jahren in sein Leben ge
risiern
Vern see-mer« mn oer rann-nn
itxsanzigjiihrigen Erzieberin war nach
genau so wie am ersten Tage, ach
tungsvoll und freundlich, aber ohne
jr:e unziemliche Vertrauiiditeit. Litnr
das-. sie nicht mehr wie im Ansana
einzig von den Kindern und von den
kleinen Anaelegenheiten deg Hans
italis, sondern auch von vielen ande
rse- Dingen mit einander sprachen, die
«dern Landaerichtsrath gerade Im
Herzen laaen, und das-, er sich all
emach gen-baut hatte-, bei jeder Ent
dtließunq, siir die ihm das unbefan
gene Urtheil eines Andern von Werth
to.1r, zuerst itire Meinuna einzuholen
lfben heute gab es Verschiedene-L
raz e qrrne mit ihr besprochen hätte,
und ur aus diesem Grunde war er,
ohne sich's selber einzugestehem der
sriiheren heimtrer froh. Behend .vie
ein Jüngling eilte er die Treppe em
por und öffnete mit seinem Schlüssel
die Korridortiiiir. Noch während er
ans dem Gange mit dem Ablegen
seines lieberroetee beschäftigt war,
gtaubte er Heleneng Stimme zu«
fix-ren. Sie tarn aus einem der vor
deren Zimmer, wo sie sich sonst nur
anszutkalten pflegte, trenn sie einen
Besncher zu empfangen hatte, und in
der Annahme, daß dieser Besuch ihm
gegolten bade, näherte sich der Land
gericttsrath der Thur. Sie tvar nur
angelehnt, und er tonnte durch den
Spalt bequem einen Blick in’s Zim
mer nerien. Aber was er da fah,
ertiillte ihn mit ,sren,tenioser Be
itiiriung. Die iuna- Erzieherin stand
mitten in dem Gemache und hatte
ilsren blonden Kopf an die Schulter
eian Mannes gelehnt, dessen Arm
zärtlich ihren schlanten Leid umfaßt
lsi-.lt· Elias sie halblaut-mit einander
sprachen, tonnte der Landaerichtsratli
nicht ver-stehen« Aber es war Tun
aukti nicht darum zu thun. sie tu tsc
lanielen denn er siihlte viötiliett einen
so siechend-n Schmerz in der Gesend
res— Versen-, und es war ihm so zu
Mutte. mir er kein anderes Lierlanaen
ba.tr, als das, sich so raich als mög
liels vor iedem iremden Blick tu Ver
b:x»r.«·.s, und dafz er eiliq wie ein ans
den Faßt-sitzen davon schleichender
Tit-is dke wenian Schritte bis tue
Tltilr seines-z «tlrt«-eitszimmers zurück
leale. ,
Ta set-or er hinter sich den Riegel
vor nnd ließ sich schwer in den Eis-til
ovr«de.n Sckireibtitch n.et«:r. Eine
teie Trauriqteit hatte sich seiner be
mächtigt und er war io aanz ank- der
Fassuan gebracht, das; Minuten tier
aingem ehe er sich mit voller stlarreit
Rechenichaft zu geben ver-merkte ilker
die Ursachen dieses seltsamen Zus
itasides. Taktik-en daß es nie-is
anderer- iei als Eiferiucht gepaart
mit der Jllerschmerzlichsten Etuisa
s-:t,ima, trinnt-. er sich ieinent Jrrttntm E
met-r hinaeberr Und nur das eine
tcrmte er nicht begreifen, daß dieiez
lsinviindung ihm nicht ithon viel
iriider getomenen war. Denn er tzatte
ja tson allem Anbeginn gewußt, daß
—
’ i
FJclene Miit-ins einein Andern gehöre.?
Nicht nur der glatte Goloreis am
tltiiigfinger ihrer liiilen Hand hätte
es ihn- verrathen müssen, sondern sie
selbst hatte ihm am Lage ihres En
gagements gesagt, daß sie Verlobt fei,
dasi aber wahrscheinlich noch eine ge
raume Zeit bis zu ihrer Verheira
thiinq vergehen werte. Er hatte da
mals teine weitere Frage nach der
Person ihres Bräutigams oder nach
der Ursache des Aufschub-I an sie ge
richtet, und in der Folge war von
ihrem Läerlöbniß zwischen ihnen über
'hauvt nie mehr die Rede gewesen
Sie hatte nie einen Herrenbetuch ein
Psangein und irm ihre Correspon
drnzen hatte er sich natürlich nicht ge
tiinimert. Weshalb hätte er sich auch
siir diese Dinge interessiren sollen,
da es ihm doch zu leiner Stunde in
den Sinn gekommen war, daß es
Liebe sein könnte, ivas er siir die
bionde tfrzieherin seiner Minder ein-.
pfand! Nun aber wußte er’s. Der
einzige Augenblick hatte ihm Klarheit
gegeben über die Natur seiner Ge
iiihle, und zugleich niit der Erkennt-—
niß, das-, es sür ihn leine Hoffnung
a.b. sie ie zu erringen, war ihm oie
.7teivißheit ausgegangen, daß sein Le
ben rnit dein Augenblick, da er sie ver
lor, lichtloser und freiidenärmer sein
würde, denn je lzuvor.
Wäre er uin zwanzig Jahre jünaer
genesen so würde er sich vielleicht
noch an eine schone Illusion gellainsix
inert und aus irgend eine wunderbare;
Wendung ,-,u seinen Gunsten gehofsti
hohen. Nun aber lonnte er die Dinae’
nicht anders ansehen als mit den«
Augen des gereiften und verständigen;
Mannes, iinb er war nicht einens
Moment darüber ini Zweifel, dass erl
so wenig ein Recht als eine Aussicbts
hatte, sie dem glücklichen Andern abs-;
ivendig zu machen. i
Ernst und schweigst-im saß er eine
Stunde später seiner anmuthigen
Lsausgeiiossin am Mittagsiische ge-:
geiiiiber. Er richtete keine Frage rn;
sie, are-r wenn er erwartet hatte, daß»
sie ihni aus freien Stücken von dein
Besuche ihres Verlobten erzählen
its-erde, so sah er sich getäuscht. .
Während des ganzen Nachiiiittags«
istieb er. scheinbar in das Studium
dicker Attenbündel vertieft, in seinem
Arbeitsziniinen Aber es mußte ihm
doctz iosohl nicht recht ernst gewesen
seit-. mit der Arbeit, da er Die Schat
ten des Abends in’5 Gemach schleichen
tief» ohne den HIbel der elektrischen
Beleuchtung anziidret)en, und da er
schon ganz irii Dirnteiei saß, als ein
ioohlbetanntes, bescheidenes Klopfen
ihn aus feiner Versuntenheit ani
" silylcll .lcs3. uccckkllsclsl Voll Oel »Hi
lternisz im Zimmer, blieb Helene nahe
der Schwelle stehen« Es waren nur
einige geringfügige illnaeleaenheitem
iiber die sie seine Entscheidung hatte
einholen wollen, und als er sie mit
trenig Worten gegeben, wollte sie sich
wieder-zurückziehen Als-er er war in
diesen langen traurigen Stunden zu
einem Entschluß gekommen, und er
wollte nicht schwachmiithia zögern, ihn
zur Ausführung zu brinaeu.
»O«-estatten Sie mir noch ein Wort,
mein liebe-; Fräulein«, begann er mit
etwas unsicherer Stimme· die erst
nach und nach die gewohnte Feitioteit
gewann, »ich brauche Jhuen nicht erst
zu versteh-ern in wie hohem Maske ich
mich Ihnen srir alles Gute, das Sie
in diesen zwei Jahren meinen ver-.
waisten Kindern erwiesen, zu Dank
verpflichtet siihle· Lller es sind Um
stände eingetreten, die mich leider zu
gewissen Veränderungen in meinem
Haustoesen nsthiaein und wir — wir
trerden uns darum vielleicht schon in
allernächster Zeit trennen iniillen.«
Er tonnte nicht sehen, welkten Ein
druck seine Mittheiluna auf iie wachte,
denn er sah bei der herrschenden Tun
keilxeit von ihr nichts als den llisiiisz
ihrer seinen Gestalt. Ihre Stimme
txt-er klang kaum anders als sonst, da
sie nach einem kleinen Schweinen
sagte:
»Der Herr Landmrichisrath dran-H
eilen nur den Zeitpunkt zu hestimnken,’
Zu welchem ich das Haus in verlassT
sen habe. Aber vielleicht dars ich mir
die Frage gestatten, ol- ein qHer-«
schritten —— ——« l
»Nein —- nein!« wehrte er lasiiq
at. »Ich sage Ihnen sa, dass is«
mich mein feel-en lang als Jhren
Schuldner betrachten werde. Aber
ich spss ich werde mich vielleicht in
daher Zukunit wieder verheirathen
und ich —--«
»Es bedarf leiner weiteren Be
nriindunq, und da icls niemals mehr
als meine Schuldialeit .1et!:an, habe
ich auch keinen Anspruch ruf Dant.
Und trsmtx —- -oann soll ich aehenf"
»Jch«dars wohl annehmen, das-, auch
Sie den Wunsch hat-en, sich bald m
verheirathen Und trenn Sie mir aus
ltsrnnc unserer alten Betrmntichait
eine osiene Frage gestatten wollen —«
»Iosern ich in der Lage hin, sie iu
beantworten, wird es gewiß gern ge
schehen« ,
»Jhre Verlolsunngzeit wahrt nun
fchon so lange. Und es liegt wohl
nicht sern, zu vermuthen, das-, Grifnde
materieller Natur an der Illerzögerung
lihres Abschlnsses die Schuld tragen.
Wenn es so ist« möchten Sie mir dann
nicht erlauben, mein verehrtes Fräu
lein« Ihnen ein wenig zu Ihrem
Gliicke behilflich zu sein? Sie haben
meinen Kindern zwei Ihrer besten
Jugendiahre geopfert,. da ist es nur
recht und billig, dasz ich Sie nach
dem Masz meiner Ftriibte zu einschif
iiinen suche. Sie wi en, ich bin
wohlhabend —- Sie mißt-erstehen dies
Anerbieten nicht, wie ich hosse.«
—
s
lfr war erstaunt, daß ihre Erwi
dernng so lange auf sich warten ließ,
un: es setzte ihn in nicht geringe Ver
irsirrung da sie endlich ganz leise
tanin vernehmbar sagte:
»Ich weiß Jhre Großmnth nach
dein vollen Werthe zu würdigen, err
Math, aber ich tünnte sie schon
halb nicht annehmen, weit — weil ich
Sie während dieser ganzen Zeit un
verantwortlich belogen habe «
»Ja um Gottes willen inwie
ferns«
»Dadurch, daß ich Sie in dem
Glauben lief-» ich sei verlobt. Jn
Wahrheit bin ieti es niemals gewesen,
und nur die trüben Erfahrungen, die
ich in früheren Stellungen machen
mußte, haben mich bestimmt, zu mei
neni Schutze dies Märchen zu er
sinnen."
Eine heiße Freude stieg in Hell
wigg Herzen auf. Aber dann dachte
er an die zärtliche Steue, deren Au
genzeuge er beute Vormittag gewesen.
»Da Sie sagen, daß es ein Mär
chen war, muß ich Vehnen wohl glait
ken. Der Herr, der cie heute be
suchte« ioar also nicht Jhr Ber
tobter?«
»Nein. es war mein Bruder, der
nach einem langen Aufenthalt im
Auslande hierher zurückgekehrt it.«
Wie eseltrisirt war der Landges
richtsratb aufgesprungen.
»Ihr Bruder? Und Sie sind gar
nicht berloths Aber das ift ja eine
wunderbare Neuigkeit! Das ändert
natürlich alles. Jch bitte Sie von
Herzen, meine Worte als ungespro:
aden zu betrachten, um meinen Kin
dern ihre geliebte mütterliche Freun
din zu erhalten«
»Es thut mir leid, Herr Rath —
uin der Kinder willen von ganzem
Herzen leid — aber ich möchte die
Kündigng doch lieber annehmen
und Sie bitten, niich schon morgen
aue meiner Stellung zu entlassen."
»Aber warum denn? Wenn ich Sie
doch darum bitte? Sind Sie mir so
bbse?'«
»Wie tänie ich dazu? Nein, ich
werde mich der in Ihrem Hause ver
lebien Stunden immer als der glüct
lichsten meines Lebens erinnern. Aber
ich —--— ich tann nicht bleiben.«
Es war sicherlich gegen ihren Wil
len geschehen, das-, ihre letzten Worte
von den mühsam zurückgehaltenen
Thränen fast erstickt wurden. Dein
Landgerichtsrath Hellwig aber gingen
an diesem Tage zum zweiten Male
die Augen auf, ittid in seinem Jii
nern wurde es mit einem Mal so
licht, daß er auch die äußere Finster
nis-. nicht mehr ertragen mochte.
Schnell sprang er auf und drehte den
.neben seinem Schreibtisch befindlichen
Hebel der elettrischen Beleuchtung
Die junge Erzieherin hatte sich dessen
inicht versehen, und sie hatte darum
f
nicht seit gehabt, die Thränen zu
tilaen, die hell aii ihren Wimpern
zitterten· Nun wollte sie mit einer
raschen Bewegung dag Zimmer der
’lassen, aber Hellioig war schon an
iihrer Seite.
»Fräulein Helene — Heim liebe
Helene, wollen Sie auch dann gehen,
wenn ich Sie bitte, meinen Kindern
fortan nicht nur eine mütterliche
Freundin, sondern eine wirtlicheslliutx
ter zu sein? Was ich Ihnen von mei
ner bevorstehenden Verheirathung ae:
sagt habe. war ja nur eine Notbliige
wie die Jhrige --- oder vielmehr eg
war teine Lüge Tenn ich möchte
mich ja so gerne wirtlich verheiratlen
-« es bedarf dazu nur eines einzigen
Wörtchens aus Ihrem Munde —— nur
eines ganz tleinen, winzigen Ja.«
Es brach so unvermuthet, so über
wiittigend iiber sie herein, daß sie nicht
im Stande war, ihm zu verbergen,
was in ihrem Herzen vorging. Und
wenn sie sich auch verschiiiiit zu strau
ben versuchte, ais er sie in seine Arme
nahm« so war es doch tein Widerstand,
der ihm seine bealiietende Gewißheit
ihrer Liebe in rauben vermocht hatte.
ttud sie mußte es wohl geschehen las
sen, daß er ihr den heuchleriscken
Lierlobungsring abwa, uin ihn. ruch
dem er ihn an seine Lippen gedrückt,
wieder auf den schlanten Finger iu
streifen.
»Nun bist du wirklich eine Braut,
mein süßes Liebt Und deine fromme
Liige ist siir uns beide iur bei-Jugen
den Wahrheit geworden!«
——.-—-—— --
Gedanken-spinnen
Mein nnth viel Begehren reiten-en,
Inn das Entbehren in lernen·
Man hält fich lnnge fiir einen
Sironi, bis man merkt, daf; rnnn nur
eine Welle ifi.
Wer klagt, daß die Rose Dornen
i-.ibe, ift ihres anig nicht werth.
Manchen Msnfchen geixt immer ne
iaoe dann der Dampf aug, wenn ihr
Geleife frei wird.
Erst wenn inan feine Kinder er
,iehen foll, merkt mein, wie ungezoan
nmn felber iki.
Msoh
Der kleine Geschäft-month »
Hiinfzchen bekam für jedes Dutzend
Stecknadelm bog er von der isrde
aiiffammelie, fiinf Pfennige von feiner
Mutter, damit das Bahn nicht darauf
trate. ——- »Mnrie«, fasse Hiingchen nir
Amme, ,,Iveifzi Du, was ich thun will,
wenn ich zwanziq Pfennig beisammen
babek
»Nein,« war die Antwort
»Dann werde ich mir ein Packei
Siecknadeln kaufen, fie alle auf die
Erde werfen und dann wieder auf
famnieln,« erwiderte der junge Fi
nanzmamn
—
Phantasien im cübecker Raths
koller.
Von Georg Strecken Berlin.
Mondbeglänzte Zaubernachtt Der
tlare Bolltnond gießt in der warmen
Nacht sein magisches Licht über Lübeck
aus uno in dem flitnmernden Schein
sieht die Stadt wie eine versteinerte
Mär der Vorzeit aus. Die malerisch
auggezaelten Giebel der ttraltenhäuser
heren sich scharf von dem silbernen
Nachthitntnel ab. So recht eine seit
zum Träumen!———Da fallen mir plötz
lich Hauffs ,,Pht1ntasien im Bretner
Ratbsteltek« ein« und mein Hirn
durchkreuzt die Frage: »Es-b es sich im
Liibeeter Rathsteller wohl auch so
schön träumen läßt? Nun, wir wol
len es versuchen!« sage ich mir ent
schlossen.
Ich beschleunige meine Schritte;
denn eben hallen dröhnend und lange
nachsurrend zehn Schläge durch die
stille Nacht. Jch eile an dem Marien
lirchhof vorüber und ftreife mit einetn
bewundernden Blicke den kolossalen
gothischen Ziegelbau der Marienlirche
mit den beiden Thurmphramiden Da
lieat auch schon das gewaltige Rath-.
haug vor mir mit seinen dreizehn
ichlanken minaretartigen Thürmchen.
Das Mondlicht vlitzt durch die beiden
großen treisrunden Oeffnungen Der
malerischen rothen Ziegelmauer, die
ohne ersichtlichen Grund hoch über das
Dach emporragt. Stolz prangen in der
hellen Beleuchtung die Wappenfchilder
mit dem Doppeladler auf goldenem
Grunde und mit den lübeckischen Far
ben: roth-weiß.
Vom Bogengange des nördlich gele
genen Flügelg steige ich über die breite
vielituiige Treppe hinab in denRathg
leller. Dicht unter der hochgeschwun
genen Wölbung sind auf breiter Tas
fel die Wappen aller deutschen Staa
ten vertreten. Der Vorrauni ist breit
und tief wie ein Ballsaal fiir einige
hundert tanzende Paare
Jtn Rathsleller zu Liibeck findet
knun leine so, abgeschlossene kleine Zel
len wie in dem Bremer Rathstellert
dafiir aber hat man die Wahl unter
gemiithlichen, ziemlich großen Rau
nten, die alle eigene Namen führen.
Unter diesen abgefottderteniitiiumen iit
die »Rose« besonders interessant.
Man zeigt dort noch die Plätze, wo
die berühmten Liilecler Rathsherren
essberhard von Moor, Gottschalt von
Altendorp und Bruno von Worein-:
dort- ihre Kannen leerten, ehe sie den
verwegenen Kampf mit Däneutarl be
gannen. Jsm Jahre 11369 eroberten
die Hanseaten unter ihrer tapferen
Führung Ropenhaaen Helsingfiir, Ni
tisping und andere wichtige Städte auf
Seeland ,Sie waren dabei, ihren
Vorsatz, das dänifche Reich aufzulös
sen und zu theilen, in’«s Werk iu
setzen, wenn nicht die Dieichgverweser
t.': Geistliche und 255 Weltliche) um
Frieden gebeten hätten. Jm Frieden
zu Stralfund 13170 mußten die Dä
nen Schonen an die Hansa abtreten.
Fidnig Waldemar von Dänemart
ftand in voller Abhängigkeit von der
Hanfa -— Wo seid ihr aeblieben, ihr
Liibecter Volkshelden und du« Liibectg
Oeldenruhm der einst ganz Eurova
iiberitrahlte! —
ch ireie in einen anoeren inqum
ein. der nach einer an oer Wölbung
befindlichen Lilie den Namen »Bitte«
fährt Der Wirth zeigt inir voll Stolz
deii Lielilingsplatz des Oberhaupt
iiionns Tideinann Stren. Ich schlage
schnell die Chronik des Rufiis zu Det
ni(i: dem Zireiten auf und finde hier
init dem Behagen der Renaissancebil
dung die Heldenthat Tidenianng ver
zeichnete
1427. Die Schlacht ini Notsund.
»Die sechs Seestädte Liibccl, Honi
barg, Stralsund, Rostock, Wigniar
und Liineburg wollten sich versuchen,
egen den König von Däneinart und
faminelten in großen Hauptschifsen
und anderen kleinen Schiffen, Snilten
Und Barsen iiber Rom Mann, wohl
versehen mit Waffen, Geschoß und
anderem Rüstzeug wag zum St:eit
gehört. Als die Schiffe alliiiiiial vit:
ti.alirt waren, do schielte jede Stadt
ihre Haiiptleute auf oie Schiffe Die
das Volk regieren sollten; aber iilier
ialle Hauptleute ward niit Vollmacht
sder Städte gesetzt-Ein Liserliaimts
Tmann der toar genannt Herr Tibe
»niann E-,teen Ratliiiiann zu Liiliect,
nnd damit er desto treulich-r der
Flotte isors«iinde, iiiachte der Rath von
iibeck itn iii einein Biiraeriiieisten
Und befin ihiii ernstlicls ini Reinen
asler Städte das-, er in den Ziind se
gefie und niig teiiiei Ursache eher do
raiiS fchie:e, als die Vaneiifiotte
butchgetoiiinien iijiiik Alls dies sii
inol tvolil bestellt iiiai·, segelten die
Schiffe alle iii den Viorsiind Voreireiii
guten Winde ltiott iioiii .t«:)iiiiniel Inb
der Flotte Gnade iiiid stillte ihr Wet
irr und aab ihr ihre Feinde in Ehre
Hind, so dass, nicht einer Davon ne
toniinen iniire« iveiin sie neioollt hätte.
Da die sechs Städie iii den Sisnd
geloininen ivareii, schauten sie one
Kopinhnien ihre Feinde vor fiele in
stolzen Schiffen. Der Stiiiste Schiffe
aber tociteii hochbotoig und sahen iit
den Schiffen der Deinen aus ioie
Kirche cis-gen Klause. Beide Flotten
schienen auch iii der «-onne ivie zwei
Berge von Sillsei Dei obe ste
Hauptmann, Herr Tioeinann Steen,
sagte: »Wir wollen daran, in Gottes
Nanien!« Die von Hamburg hatten
den Vorstteit. Es legten einer etliche
Schiffe der Deinen an die oon Ham
buig, nnd als leine Hilfe lani, wur
O
—
den sie gewonnen und nach Kot-erthei-i
gen gebracht.
Den banptmann von Liibeclsegelte
eine grofze Barke an, darin waren
Fürsten, Ritter und viele gute Leute,
die dem Kriege den Hals gebrochen
hätten, wenn sie in Gefangenschaft ge
kommen wören. Die Liibecker stellten
sich da als stolze Degen nnd fochten
mit den Dänen männlich lange Weile
und schlugen ihrer viele todt ohne gro
szcn Schaden.« —
Jn diesem fchtviilstigen Tone fährt
der Chronist Rnfns so fort in der
Schlachtenfchildernng. Diese köstliche
Schriftprobe zeigt uns, daß die mit
jelalterlichen Chronisten den Livius»
eint studirt halten«
Ich Ipiile diese neschwätzige Chro:
nitaDetailmnlerei schnell mit einem
feurigen Gläschen Bordeaux hinunter
nnd trete in einen schdnenRanIn, den
,,«.I.lianistrat«, ein. Hier hatten ec-« sich
die liinqiitratSniitglieder ehemals be
qnein eingerichtet lrine Treppe fiinrt
In den ,,Magistrat« genannten Keller
rnnm ans dein Rathhanfe herab nnd
verbindet die Sitzunggzinmier eer
lichten Oberwelt direkt mit den dunk
den Höhlen der llnterwelt. Jetzt ist der
Eingang von oken ndck unten ver
fitilossen Die Väter der-Stadt miinen
tnohl in der Befolgung des Spruches:
",,JnI Wein liegt Die Wahrheit« zn tief
in den blinlenden Rdmer geschaut
hat-en Und dann hinterher itnslis.1«tss
saJl die Weis-Mit arg mit Thnrreit
Verbrämt haben. Jen, ja. die unten,
alten Zeiten!
Ein lehr aeränniiges Gemach bildet
die sogenannte ,«;s;elle«. Hier pflegten
in nlter Zeit die reichen Verein-er die
Briini"s, Solln-edel nnd Genossen,
ihren Hochzeitgfchnmng zu halten. An
den-. Sims- dec- alterthiinilichen Kanti
ne-« steht in plattdentscher Sprenk
eine fchalthafie Warnung fiir die ixm
den ,,gliirtlichen« liheinänneir
»Mnnnich Mann lude synktet,
Wenn man em die Brudt dringet;
Wiste he, tvcrt man em brachte-,
Dei he veel lewer weenen nt.-chte!«
Nun trete ich hinaus auf Den drei
ten istewölbegang Beim Anblick der
kolossalen Stücksässer, die wie Riesen
tireitspurig in behaglicher Rutzr d.rlie
nen, empfinde ich heftigen Durst nnd
sehe mich schleunigst nach ein«ni stillen
Winkel unt. Da fällt «mein suche-irrer
Blick auf einen Zechtisch, der in einer
tiefen Fensternische steht. Zwei Holz
lsiinte laden zum Sitzen ein. Teig
Mondes- volles Antlitz schaut vom
Markt her durch die bunten Butzen
scheiden verwundert auf den ,..Adni
rattisch«, der wurmstichi·q, zerspalten
und zernagt ist. Dieser unscheinbare
Tisch ist ein verwittertes Denkmal
vergangener Liibecker Herrlichkeit: eine
Planke des letzten, längst vermoderten
lübischen Admirnlschisses.
Vor diesem morschen Eichenlsolze
sitze ich nun tvie »Scipio Asticanug
mindr« aus den Trümmern stattha
gog und will träumen von Liitsecks
entschtvundener Herrlichkeit »Herr
Wirth, eine Kanne Riidesheinier!«
An solchen Ort darf nur deutscher
Rebenblut getrunken werden. Nun
sunkelt der goldene Wein im Römer
und ich trinke, trinke und träume,
träume - -- Mein Haupt sinkt miidc
aus die ehrwürdige tshronika Dennan
nieder. --
Da öffnet sich dic Thür, und her
ein tritt mit verschämtem Lächeln die
holde »Rose«, um alles in Ordnung
zu bringen. Da dröhnen aus der eiche
nen Diele im Vorranm auch schon
schwere Tritte: die Beherrscher der
Ostsee wollen schnell noch vor der
seierlichen Rathssitzung einen kiihlen
Trunk nehmen. Sie setzen sich schivei
gend um den ,,Admiralstisch«: der
schwarze Wullenweber blickt finster um
sich, als höre er noch einmal den
Fluch seiner P"titl)ürger, der ihn, den
thatlrästigsten Sohn Lübecks, hinaus
stieß in die Fremde; —— der ergraute
Hüne Witteinburg schnitt starr auf den
Marltplatz hinaus, als höre er ausk
neue dag scharfe Richtschwert sausen,
das ihm den schmachvollen Tod
brachte, ihm, dem lijhnen Eroberer
von Oeland, Gotland und Seeland;
der Ziege-r von ."c)elscnskir, Bruno
v. Wareiiidorp. trägt eine blutige
Binde um die Stirn; - Beding-,
Plestom alle sind sie gekommen die
ESöhne Liilsecig fast alle Zeugen von
sdem grenzenlosen Undanl ihrer Va
ltersiadt Heut ist eine wichtige
Sitzung!
Da erhebt sich der ehrwürdige,
ltoeifihaarige Bürgermeister Jakob
Pleglom und steigt die Treppe zum
Sitzuugcssaal empor, und alle folgen
. ..uu, auch ich Sie setzen sicli ille
um den langen Beritbnngg tisch die
löniglichen Kaufleute, vor deren
Stirnrunzeln Fiöiiige, Fürsten und
Liölter ehemals iitterten, deren Hand
lebensogut mit dem blanten Schtiierte
Eule mit der friedlichen Feder umzu
igehen verstand.
F Da erschallt draußen der stürmisehe
lJubel deg Volkes: Kaiser Fiarl der
»Vierte ist angekommen, um seines
Reiches ruhmvollste Stadt zu besu
chen. ·Laiigsatii und wiirdedoll schrei
ihm die Rathsherren vis- zur breiten
Freitreppe entgegen nnd geleiten ihn
zum Erensitze Nach der seierlieben
Begrüßnng durch den iiltesten Burg-r
nieister bedankt sich Ver Kaiser mit den
kurzen Worten: »Ihr lieben Herren
von Lübesi, -ch freue mich. in den
Mauern Eurer ruhmreicher Vater
stadt zu weilen, die durch Gottes
Soltwedel, Tidemann Stern, Jakob
Hand alle Feinde siegreich zu Boden
geflilendetk l·,-.at« Bescheiden weis«
en ob Blejelow daran hin, daß dest?1
Flaiser doch allein Herr in Liibecl seh-«
sie aber nur Sr. Majeität Unterth
nen und Diener wären. ckmtl
Vierte aber erwidert: »Noch net-Z
Jengniß der alten Jahrhücher istth
den eine der fünf vornehmsten Städie
des heiligen römischen Reiche S Idee·
ehrwürdige Väter Der Stadt, lismtk
jeder·--zeit in Unseen Rath eintreten,
Daher geziemt es sich wohl, Euch Her-i
rin zu nennen’«
Die Rathsherren wollen dem Kai iet
die Herrlichkeit und Macht Liibeels
vor Anaen führen Sie geleiten den
Monat-then durch die Hauptfuan
iiler die Holfienbriicke und durch das
JO-) itenthor ileberrafcht bleibt der
staiser einen Augenblick fiel,en; denn
in dein Hafen tagt ein ivnhrerMaskem
nsnld empor.
Da unten fchwinnnen 66 hochber
dige Schiffe mit 2300 Mann Brind
un-«;: Rennen, Holle, Karavelleih Flori
rolsfehiffe und Orlogs. Gewaltin hebt
sicl«. Der liebe Veto, der starke KieL
der mächtige Bienen, der hochaewöllzte
Bna mit dem steilen Bugspriet ank
lseni dunklen Wasser-. Alle Segel sind
ncxfziesetzt nnd ron einein ftnrlen See
ninde mächtig-. anfgebanscht. Auf
einein ni:rs;i5i, das nanacf nnd"
Spinne nezinisnert ist, erheben sich die
hölzernen Zinnen fiir die Schützen
nnd iiii die Jiinrfmnlitnneth Die e
l:ei«·nnten Seel-gute schwenken beim
Vinisliile les-, Kaiser-S ihre Miitzen und
e:i;el)en ein Jl:lselaefcl-)rei.
Jch will Ileninllis meinen Drei
schwenken nnd —
Pliilzlien werde ich am Arnii gerät
teltt iet) erirsaelke und liege Unter den
Trümmern Fiarthagosr auf mir liegt
kie Liicinlnnne nnd neken mir der zer
schellte Römer, während von meinen
silcidnn der Mein tropfi-—— der herr
liln ittisdeszibeinien »Aber mein Herei«
ertiine des Wiltliee Stimme-, «mollen
y«
Sie Nenn gar nicht heimgehen
Hielt erhebe niich niiihsani, leis-Lief
isscine He Je nnd steige die irr-ten
«
Stufen dr reiche!.·ta"l)iiichend TI N
..-.... .»..s-.-J).;p:-««-«1L !
»..«—-I..-....
empor. Dunst-In gehe ich dnrcy ne -«
i!?(n, mitten-sinnigen Straizrn nach
set-i du«- nitgo cisle Tini-mal alihnn —
tifscker Vnntnnsi vor mir Zu inei
nku Füßen lisser izn iilliernen Mons
n Hirn-eine Her F Ofen n: it seinen Schif
fen. nlscr ein«·JJiailen1rald« ist nicht
in ielfsen
L LiidecL doc- trciuniend vor mir
i .
i Helitentlm empor Zerinoriirdif
f
iCi
«
i
cis
E- ilient, wann wirst du wieder zn alter -
Juli knieit erwachen! —
—---. - C-—--—- -—
Die intnle Vorstellung.
- —« »s- W
i
N »Z- i
. » . N
. » - - --—-».-.—. ....-.J
da Los-»si« f.lion bi-: reizend
Kleian
C- —-.
LJKIM
(
....-«—-—--» — . - ————-1
t csxattck:, -«!n·i-.c. O ;,«u-:lef1:, daßid
F- —- — «
m Erv
vcrUeUc7...
Ein Mildkrnimoqtssnd. .
»Wie im s in du Schutz Kar19«"
Augurs-Privat lieb( Mutter!'«
»Du lüng Jch hat-c gehört, das
"Ou AUHAH behnnnnn busi!«
»Im die Vol-en in aksei gar nich s
weh geil-um« E
i