Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 14, 1906, Sweiter Theil., Image 12

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Die Frau des Rendanfm
Kriminal-Roman von A. O. Klaußimmm
(14. oktsetznngJ -
Sie hatte täten bestimmten An
halt fürA diesen Verdacht, aber mit
selbßquäietischer Hartnäckixgteit hielt
He an ihm fest. Und als Mattha bei
the eintrat — ernst und kühl und zu
tkickbastend wie immer seit dem Vet
schwinden ihren Bruders — da be
kannte sie mit argwöhnisclser Auf
merksamkeit ihre Mienen wie ihre
orie, um in einem unwillliirlichen
Zacken der Lippen, in irgend einer
unbedachten Aeußerung vielleicht eine
Bestätigung zu finden für das, wag
sie vermuthete.
Sie sprachen wenig- denn seitdem
die Verschiedenheit ihrer Ansichten
Tiber Gerhatd Winters Sdfuld eine
unüberbrittkbare Kluft zwischen ihnen
" geschaffen, hatten sie einander
nichts mehr zu sagen. Martha konnte
ihrer Schwägerin den sofort mit rück
sischksloset Offenheit kund-gegebenen
Zweifel an ihresBruNrs Rechtschaf
« fenheit ebensowenig verzeihen, als sie
ihr das häßliche Wort vergessen konn
te, daß sie Gerhard niemals geliebt
Habe Wie Fremspde warener «in die
ten ietzt-en ziehn Jungen nebeneinander
her-gegangen Soviel, als es nur im
mer m ihren Kräften stand, hatten
fre« vermiedem miteinander allein zu
fein. Wo es dennoch nicht zu umge
hen gewesen war, da. hatte es immer
wie dumpfe Gewitterluft über ihrem
Beisammeniein gelegen.
So war es auch heute. Und viel
leicht noch deutlicher als sonst em
" pfauden sie gerade heute die drückende
Schmäle dieser unheildrohenden
Stimmung-. Martha hatte einige
spitze Bemerkungen ihrer Schwägerin
unbeantwortet gelassen. Aber nach
einem langen Schweigen sagte sie
plötzlich: »Ich habe heute die nachge
fuchte Entlassung aus meiner Stel
lung erhalten. Dsa ich nun nicht län
ger im« Stande sein werde, Dir eine
angemessene Summe für Wohnung
und Beiöstigung zu zahlen, bin ich
Willens, mich nuch einem anderen Un
terkommen nmzusehen.·'
»Paran mußte ich gefaßt iein«,
erwiderte Hermine ironisch-. »Ver
muthlich hegft Du die Absicht, Bres
lau zu verlassen.«
»Nein, diese Absicht liege ich nor
läusig nicht. Denn das wäre nichts
anderes als feig-e Flucht. Solange
noch ein Verdacht auf Gerizard ruht,
werde ich bleiben.«
»Das hieße: für immer. Aber da·
es Dir aller Voraus-ficht nach nicht
ganz leicht fallen wird, mit dem Na
men, den Du trägst, hier in Breslau
ine andere Anstellung zu finden —
wovon, wenn es erlaubt ist, danach
zu fragen, gedenkst Du denn Deinen
Lebensunterhalt zu. bestreiten-Z«
»Das weiß ich in diesem Augen
blick selbst noch nicht. Aber es wird
sich schon irgend ein Erwerb für mich
finden, wenn nicht in meinem Lehre
rinnenberufe, sodoch in irgend einem
anderen. Jch will mich lieber als
Dienstde verdientem ehe ich der
Läge und der Verleumdung das Feld
:iium«e.«
Wielleichi als Dienstmädchen bei
dem Rechtsanwalt Schröderi Jch
bin überzeugt er wird Dich iehr
nnd unter ganz annehmbaren
Mängeng EINIGE
, D-—s1
Manch Mc ou- jch wxi »wenn
gestanden und ihrer Schwägerin den
Rücken gekehrt hatte, wandte sich-, wie
vor einer unsichtbaren Faust dazu ge
zwungen, nach ihr um. Sie war be
troffen; aket die Beschimpfung war
zu Ungeheuerlich. als daß sie sie fo
gleich in ihrer ganzen Schwere hatte
erfassen können.
»Bei dein Rechtsanwalt Schröder?
Was willst Du damit sagen?«
»O. bist Du mit einem Male so
schwer von Begriffen, meine Liebe?
Oder glaubst Du wirklich, mich mit
irgend einer hochtrabenden Redensart
über die Gründe zu täuschen, die Dir
den Aufenthalt in diefem Hause un
bequem nmchens Schließlich haft Du
ja gar keine Ursache, sie vor mir zu
verheimlichen, denn Du bist Deine
eigene Herrin, und ich begreife Voll
kommen. daß Du anderswo in Dei
nem freundschaftliche-n Verkehr mit
dem Herrn Rechesanwalt viel weni
ger geniri sein wirst als hier.«
Aus dem- Gefichi des jungen Mark
« chens schien auch ter letzte Blutstu
- per gewichen; ask-er ihxe Augen
sprühten »Das ist schändlich!« rief
ße »Weder nimmst Du das Recht.
mich durch eine so nichtswürdige An
deutung zu beleidigen?«
« » »Ei, warum denn so- heftig? Starke
- Ausdrücke sind noch lange kein-e Wi
"deelegung. Jch werde wohl gute
—- Wabe haben fiie meine Bermuthum
—- Seht-öder ist seht wohlhabend.
wahr? Und so lange Du ihn
Inn Brief-Wer hast, kannst Du aller
» » leichten setzenj auf eine An
verzichten«
weis-L«
m, fast ienloi war dies ein
wn Matthias Lippen ge
» , Sie hatte beide Hände auf
M , ßt, need als ein Bild
T des tiefes ens als des « H
» He vor i er höhnischk kn
, Oel-Wetter da. Der ge ame
-·-s«-2 Mr zu gut Fesseln als daß
M
er seine Wirkung hätte verfehlen kön
nen. Frau Vermine war zufrieden
mit ihrem Erfolg.
»Gewiß — ich schweige gern, wenn
es Dir unangenehm ist, davon reden
zu hören. Aber ich dachte mir gar
nichts Bisses dabei. Warum sollte sich
der Herr Rechtsansczalt nicht bei Dir
»ichadios dafür halten, daß ihm an
anderer Stelle die Erobetung nicht
jgegliickt ist« auf die er sich ffnung
icemacht hatte? Jch gönne sir und
Hihm von Herzen alle ordentlichen
HGiiickseligkeiien«
I Jn die gleichsam erstarrte Gestalt
sdes jungen Mädchens war endlich
Tmieder Leben gelonimen. Sie ließ
die Hände sinken und ging geradez
ivegs zur Thür. »Du bist nicht
imerih, daß ich Dir antworte«, sagte
sie mit einem Ausdruck von Verach
tang, wie ihn Hermine wohl noch nie
hatte hören iniissen »Dies war das
?letz.e Mal, daß wir in diesem Leben
miteinander gesprochen Morgen schon
H verlasse ich das Hans-«
: »Viel Glück auf den Wes-! —- Und
Lvergiß nicht, mich bei Deinem Lieb
! nen zu verilagen-.«
Dass lcglc Mllc LUMUHI lockst lclllll
inoch gehört: denn das Geräusch der
ähirter ihr zufallenden Thiie hatte den
JKlang der giftigen Worte verschlun
J
gen. Sobald sie allein war, sprang
Hermine aus der lässt-gen Pole ent
por. in der sie so lange aus dem Sosa
gesessen-, ihr schönes Gesicht verzerrte
sich zu einer furienhaften Grimasse,
md ihre kleinen Hände ballten sich zu
Fäusten, als sei sie im Begriff, sich
auf einen unsichtbaren Gegner zu
stürzen. .
»Das letzte Mal?«· stieß sie in lei
denschaftlicher Wuih zwischen den
Zähnen hervor-. »Nein, Du Schlan
ge, das letzte Mal war es noch nicht!
Denn wir sind noch nicht fertig mit-—
einander. ——-- Laß doch sehen, ob er
Dich auch dann noch zu seinem Weibe
machen wird — der ehrenshafte Herr
Rechtsanwalt!"
Sie ging an ihren Schreibtifch und
legte sich mit Lebenden Fingern einen
Briesbogen zurecht. Kreischend flog
ihre Feder iiber das Papier, und wie
käm-mische Genugtisuuna leuchtete es
in Atem Gesicht, als sie das Geschrie
bene überlas. «
Es war ein kurzer Brief ohne Un
terschrift und er war an den Unter
suchungs-richtet Harrius gerichtet- l
Vielleicht hätte ich mir etwas- mehr
Mühe geben sollen, meine Hand zu
rerstellen«, dachte sie, als sie ihn in
ten Umschlag steckte. »Aber gleich
viel! Jch werde es schon zu ver
antworten wissen, wenn man die Elb
senderin erräth-.«
—...--,« l
15. K a p i te l. j
Breslau, den 16· Augusts
Mein lieber George!
Herzlichen Dank für Deinen legten
Brief und fiir die Wiederholung - i
neä brüderlichen Anerbietens, mich
mit Geld zu unterstützentz. Es ist ja
leider nicht unmöglich, daß ich noch
genöthigt sein werde, davon Gebrauch
zu machen; fiir den Augenblick aber
besi . ich genug. um mein freudloses
Da ein zu stiften. Die Gesellschaft
hat mir brieflich eröffnet, daß ich noch
drei Monate inL Lmeiner Wohnung
Li-!k. --. -·L»..
unweit unt-ic. uns Uukj lllull lllll GUD
befindet-er Rücksicht auf meine Lage
fiir diese drei Monate sogar das Ge
halt meines Mann-es weiterzahlen
werde. Das ist mehr Großmuib, als
ich erwarten durfte. Aber es ist doch
immer nur eine Galgenfrifi, und ers
bedeutet im Grunde einen fehr gerin
gen Unterschied, ob ich heute oder nach
einem Vierteljahr als Bettlerin aus
der Straße liege.
Am liebsten wäre ich gleich nach
dein Empfang Deinesteiten Brie
fes zu Dir nach Berlin aceilt, um
mich endlich einmal an einein treuen
Herzen auszuweinen. Aber man gab
inir zu verstehen, daß irn Interesse der
Untersuchung vorläufig noch mein
Verbleiben in Brei-lau wünschens
werth sei. Der aufregende Verlauf
Des heutigen Tages hat mir bewiesen
wie triftige Gründe der Untersu
chungs-richtet für einen solchen Fin
gerzeig hatte.
Jch habe Dir nämlich eine große
Neuigkeit mitzutlfeilem Gevrge —
eiii Ereigniß, das , siir Dich wahr
fckzeiislixh eine viel größere Ueberra
schung bedeuten wird, als es nach al
lein Vorbeiaegcngenen fiir mich fein
kannte. Denn ich habe vom eeften
Tage an einen sehr bestimmten Ver
dacht gegen dieie falsch-. gleißmrische
Person gehegt, die eine unumschräntte
Herrschaft iiber ihren schwachen Bru
der aiiöiibte, und die ja auf dein be
tten Wege war. während Deines Hier
feins auch Dich zu bethörenz Nun ist
lie von dem Schicksal ereilt worden,
das sie sich selbst bereitet hat, und ich
leugne nicht« daß. eit. mir eine gewisse
Genugthuung gewahrt« sie von der
hundertsach verdienten Strafe bedroht
zu sehen.
Aber ich muß wabl im Zusammen
hang er ’—hteri, wenn Du mich verne
hen toll Gesten-. hatte mir meine
Schwägerin mitgetheilt, das sie aus
-
W
freien Stücken ihre Entlassung gesi
nammen habe nnd schon innerhalb der l
nächsten vierundzwanzig Stundens
mein Hans zu verlassen gedenke. Ohne
Zweife: war ihr trotz der dreisien Zu
versidlt die sie so lange zur Schau ge
irae-In, allaetnach doch der Boden hier
in Breslan zu heiß geworden, und sie :
hielt den ackeigneten Zeitpunkt für ge-j
kommen. sieh ans dem Stanke zu ma- i
ehen. Jch durch-schaute ihre Absicht:
sofort. Aber ich hatte ja feine greif-·’
baren Beweise für ihren Antheil an»
dem Verbrechen meines nnfeiigeii
Gatten. Darum kannte ich nichtsi
thun, sie an der Ausführuna ihres
jedenfalls wohl vorbereiteten Vlanesi
zu hindern. Jn aller Frühe des den-J
tigen Tages nun wurde ich durch wie- E
behalte-H heftiges Klinke-in an dirs
Wohnunasthiir anfgeichreat. Noth-s;
diirftia bekleidet, öffnete ich selbst undt
fah mich zu meinem Schreck dem Kri- ’
minaltomrnissar Neuberger und zweis
anderen Männern gegenüber, in de
nen ich trotz ihres Civilanznges auf
den ersten Blick die Polizeibeamten
erkannte. Ter Kommissar begrüßte;
mick höflich; aber nach seinem Ein-i
tritt m die Wohnung wies er mit
einen Befeh! des Untersuchungsriclk
ters vor. der ihn erinächiigie, aber
mal-S eine Hansfuchnng bei mir vor
zunehmen. Da mein Gewissen rein
ist, übergab ich ihm ohne weiteres alle
meine SchiiisseL Aber ehe er mit sei
nen Nachforschungen begann stellte
er eine große Anzahl ans meine
Schwägerin bezügliche Fragen, aus
denen ich leirirt entnehmen ionnte, daß
der frühe Besuch viel mehr Martha
Winter galt als mir
. - «
zur rqal retht In Diesem auskn
klick noch, was in meinen Kräften
stand. um sie zu schonen-. Aber dem
eindringlichen Hinweis gegenüber.
daß ich wahrscheinlich alle Aussagen
spä:er unter meinem Cide würde wie
derholen müsset-, durfte ich doch end
lich nicht länger zurückhalten mit
dem, was ich beobachtet hatte und
was ich verniutheie. Die ewige Ge-.
bei.niiißkrämerei zwischen meinem
Manne und feiner Schwester-, ihre ge
radezu lächerliche Zärtlichkeit siir ein
an:er, Marthe-J ausfallendes Beneh
men nach dem Verschwind-en ihres
Bruders und endlich ihr gestern kund
gegebener Entschluß einer plötzlichen
Abreise schienen den Beamten Grund
genug dasüe, die Haussuchung nicht
in meinen Räumen. sondern in dem
Zimmer meiner Schwägerin zu be
sinnen.
Er ersuchte mich, sie davon inKennb l
nis; zu setzen; aker er folgt-: mir auf
dein lFuße n.1ch, wahrscheinlich damit
sie lerne Gelegenheit mehr fände, in
aller Eile etwas beiseite zu schaffen.
Wir iiberraichten Die junge Dame
beim Einpacken ihrer Habfeligieitem
die iiber das qanze Zimmer zerstreut
Tagen. Jch kann ihr die Anerken
nung nicht versegen, daß sie die Rolle
der geiräntten Unschuld auch ietzt noch
meisterhnft zu spielen wußte. Sie
schien mich sur die Urheberin oer un
erfreulichen Ueberraschung zu halten,
denn sie wars mir einen Blick zu, der
mich wohl vernichten sollte. Jn: übri
aen aber war sie von einer habend-i
voilen Erhabenheit, die auf leinemi
Theater ihren Eindruck verfehlt hass
ten würde.
Jch wollte mich zuriielziehen. weili
mir die Szene sehr peinlich war-!
Doch der Kommissar forderte michi
auf, Zu bleiben, und so wurde ich ge- i
gen meinen Willen zur Zeugin des:
- denkt-würdigen Augenblicks. der das 3
ganz-, von meiner tugendhaflens
Schwägerin aufgestihrte Lügenge-.
bäude über den hausen warf.
sie war auf eine ueberrumpeluna
ins letzten Augenblick offenbar nicht
mehr gefaßt gewesen; denn sie würde
sonst Doch tvobc einen besseren Ver
steck für den funkelnagelneuen Tau
feudmartichein gewählt haben, den
einer der Kriminalschutzieute aus
einem Bündel von Brieer und Pa
Pieren in einem Schiebfach ihres noch
unausgeriiumten Schreibtisches »Her
-rsrsrzog, um ihn dem Kommissar zu
übergehen
,,Pf!egen Sie ihr Geld immer so
;iorg:o-·Z aufzubewahren, mein Fräu
;lein?·' wandte er sich an Martha, in
! dem er ihr vie Bantnote entgegenhieli.
),,C«s waren atso doch nicht Ihre
fsiimmtlichen Ersparnisse die Sie Ih
rem Bruder zur Verwaltung anver-s
traut hatten?«
Ich hörte an dem sartastiseteu
Ton seiner Frage, daß er sie bereits
für überführt hielt, und ich muß ge
stehen» daß ich in diefem Augenblick
sogar herzlich-es Mitleid mit ihr hatte.
»Aber es verwundelte sich in Entrü
Isiung, als ich gleich darauf erkennen
mußte, eine wie durchtriebene Person.
eine wie abgefeimte und versteckte
Lügnerin ich to lange in meinem
lHause beherbergt hatte. Wohl war
»sie rasch nacheinander sehr roth und
Jsehr bleich geworden; doch ohne auch
inur mit der Wimper zu zucken, unt
)woriete sie: »Diese: Schein gehört
fmir nicht. Ich habe ihn ebensowenig
jkorthin gelegt, als ich überhaupt et
Iwas von seinem Vorhandensein
s ahnte.«
- Dabei hatte sie die Unverschämt
heit, einen vielfagenden Blick auf mich
Izu richten, gleichsam- ats wollte sie
mich oerdächtigem die Banknote in
ihrem Scheeibtiseh versteckt zu haben.
cis war eine so empören-de recht-ein
daß ich wirklich nur mit tät-e an
»mich halten konnte. Glücklicherweise
Zuersqu bei dem Krimisnallommissar
sdies Kunststiietchen ebensowenig wie
Falle anderen, mit denen sie es versuch
ste.-- Nachdem ich der Wahrheit gemäß
W
versichert hatte. das-, ich seit vierzehn
Tagen das Zimmer meiner Schmäge
rin nicht mehr betreten hätte, und daß
außer dem Dienstmädchen auch sonst
niemand hineingekommen wäre. re
rete er ihr sehr eindringlich ins Ge
wissen, ihre Lag-e nicht durch zweckw
ses Leugnen zu verschliminern und
ihre Mittvissenscheft an demVerbres
cken ihres Bruders einzugestehem zu
mal man in der Lage sein würde, ilzir
zu beweisen, daß ver gesundene Tau
sendmartschein aus dem Tresor der
Gesellschaft stamme. Sie blieb aber
lseliarrtich kei ihrer Behauptung,
nichts zu wissen — von dem Dieb
stahl so wenig als von dem gegen
märtigen Aufenthalt ihres Bruders
oder von der Hertunst der Bontur-te
die ihr in dieser Stunde zum ersten
Mau- vor Augen aetommen sei. Jbre
Halsstarriateit und der Aufwand an
itttlistker Entrüstung, mit dem iisr jede
Bescksuldigunq zurückivies, erschöpf
ten. endlich die Geduld des Beamten.
Er erklärte, daß es Sache des Unter
Juctsrzngsrichters sein würde, sie zu
eine-n Geständniß zu bpinaem und
forderte sie aus, sich sertia zu machen,
da es seine Pflicht sei, sie zu net-has
ter»
Du hättest nur das Gesicht setzen
sollen, mit dem sie diese Eröffnung
entgegentrat-irrt Wie eine antite Rös
merini Jch hätte laut auslachen tön
nen, wenn mir nicht in dem namenlo
sen Jammer dieser letzten Wochen
längst alle Lust zum Lachen verloren
gegangen wäre. Der Kommissar
Libergab sie der Aufsicht eines seiner
beiden Untergebenen und keendete die
Hatt-stuman die wohl nur der Form
halber auch auf die übrigen Ränme
ausgedehnt wurde und nichts Bela
stendes weiter zu Tage förderte.
Dann war er rücksichtsvoll genug, fiir
den Transport meiner liebenswürdi
gen Schwiigerin eine gefchlossene
Drofehle holen zu lassen. Und sie
ging vor ihm her, stolz mie eine Prin
zefsin. die im Begriff ift, zu einer
Hoffeftlichteit zn fahren.
Mir hatte sie vor ihrer Abfiihrung
lein Wort mehr vergönnt; aber ich
lin sicher, daß sie mich am liebsten
umgebracht hätte. Nun, ich fürchte
mich nicht vor ihrem Haß, und ich
denle. daß fie für eine gute Weile
iiberliannt keinem mehr wirr- schaden
tönt-en. ——— Aber Du wirft Dir leicht
darstellen, Geome, in welcher Aufte
gunp ich mich feit dem Vorfall befin
de. Nachdem es erwiefen ist, daß sie
mit meinem Manne im Einverständ
ntß war, halte ich es auch fiir sicher,
daf; fie seinen ge nwärtigen Aufent
halt kennt. und daß sie die tausend
Mart dazu benutzen wollte, ihm nach
Zureifen
»Man wird es aewiß nicht an Be
mühungen fehlen lassen«, fuhr Frau
Gemeine irr ihrem Brief an den Bru
der fort, »die Wahrheit aus Martha
herauszubringen, nnd es ift schade,
daß wir nicht mehr in Zeiten leben,
wo man fitr solche Zwecke die Tor
tut zur Hilfe nehmen konnte. Aber
man würde fie« wahrscheinlich auch auf
ker Folterbanl nicht dahin bringen,
ihren Bruder zu verrathen. Sie ist
eine jener verfchlagenen, arundver
derhten Naturen, oie das Böse thun
aus- reiner Freude am Böse«-i, und de
nen darum mit Härte ebensowenig
beizukommen ift als mit Sanftmuth
und Güte. Sie wird bei ihrem Letta
nen verharren m der Gewißheit daf;
man sie ja schließlich nicht auf Le
benszeit ins Gefängniß sperren kann,
und in der Hoffnung, nach ihrer Frei
lassung gemeinsam mit dem ehren
ivertlien Bruder die Früchte d f·er ed
len Standhaftieckeit zu genießen Mir
aber stehen nun natürlich wieder end
lose Vernehmunan bevor, bei denen
alle Wunden meiner armen, gepeinig
ten Herzens von neuem aufgerissen
werden· Und ich tin ganz allein —
ich bade keinen Menschen. zu dem ich
mich flüchten kann, leinen, der mich
mit einem freundlichen Trosiwort
nusrichtet, wenn die Verzweiflung
zrnich zu überweiltigen droht! -—— Jch
Titiache Dir ja keinen Vorwurf. lieber
si?seorge, den-n ich sehe weht, daß Du
s den besten Willen haft, alles für mich
zu thun, was in Deinen Kräften steht.
Aber es betrübt mich so seh-, dass
Deine Geschäfte Dir nicht Zeit las
sen, mich auch nur auf einen einzigen
Taa zu besuchen Ich tann Dir nicht
sage-r, welche Erleichterung es mir ge
nsiilzren würde, vor dem einzigen
Mensche-e auf Erden, zu dem ich vol
les Vertrauen hat-en kann. einmal
mein ganzes Herz cuszuschiitten, und
mit ihm über meine Zutunft zu bera
then. Man Du es möglich machen
tannst, so samme, und wäre es nur
aus wenige Stunden! —- Auch der
längste Brief —-- und ich denle, der
vorlieeende ist wieder lang genug ge
worden —— tana in solcher Laae die
mündliche Aussprache nicht ersetzen.
Und es giebt noch so viel, was ich
Dir zu sagen hätte.
Jn der Hoffnung, recht bald durch
eine Erfüllung dieser Bitte erfreut zu
nerden. arüßt und umarmt Dich
Deine unglückliche Schwester.«
Noch am Abend des Tages, an wel
chem auf Grund einer anonymen De
nunziation die Haussuchung bei der
jungen Lehrerin und-— nach Auffin
dung des Tausendenartscheines —- Este
Verhaftung erfolgt war, sandte Frau
Heemine Winter diesen ausführlichen
Brief die Arbeit mehrerer Stunden,
an ihrenBruder ob. Was er an that
sächlichen Mittheilungen enthielt, ent
sprach vollkommen ver Wahrheit Und
die Mnusethuung der Verfassers-:
über das rhiingniß das ihre tödt
tiji gehnßte Feindin ereilt hatte, wäre
,
Immer Hausfrau.
-. "!p-·-·-s ;- ..
XVI Lip
Gutzchtmdh
Frau Bimmelmaiet: »Nein, so 'tvas! . . Dort am Fensterbtett machst
gar ’s Gras! (Zu ihrem Dienstmädch en): Sehn S’, Marie, wie weit es
; kommen kann, wenn nicht ordentlich abgestaubt wird!«
sicherlich noch größer gewesen, wenn
sie gewußt hätte, ein wie überzeugen
des- Bemeismaterial jener neue Tau
sendnsurtfchein in den Augen des Un
tersuchungsriii,ter·s war. Seine Num
mer fand sich nämlich als eine der
ersten in dem aus Gethard Wintert
Notizen entnommenen Verzeichniß.
DREI-eh daß die Baninoie tvirilich
aus der Beute res- Kassendiebes
stimmte» konnte telnertei Ungewißheit
bestehen Wenn sich unter solchen Um
ständen der UnterfnckningårichterHar
eins nicht länger durch den günstigenl
Eindruck beeinflussen ließ, den diei
Persönlichkeit der junaen Lehrerin
anfangs auf ihn gemacht hatte unt
Even-i er ihr nicht mehr mit freundii
eher Milde, sondern rnit strengem
Ernst begegnet-: sotlyat er damit nur,
wag- jeder gewissenhafte Beamte an
seiner Stelle aetban haben würde.
Auch er sah inihr ietzt nur noch ein-:
ungxtuöhnlich geschickte Komödianiim
Seine Vorhaltungen während dei
sinndenlangen Verhörs, dem er das
junge Mädchen unterwarf, waren von
einer ·.’?rt, vie ihr trotz ihrer muthigen
Stanptnfticteit die Thränen der
Scham in die Augen treten ließ. Es
emaörte ihn, daß all seine triminaliflis
scle Gewandtheit nicht das kleinste Zu
geständniß ans ihr herauszuvresser
erwachte, und als sie auf feine Frage
innrer nur die eine Antwort hatte,
daß sie von dem Dasein der Bantnote
nichts geahnt habe, und daß sie nicht
angeben tönne, tvie dieselbe in ihnen
Schreibtisch gekommen sei, fuhr er sie
zuletzt heftig an: »Aber begreifen Sie
denn nicht, daß dies unsinnige Entg
nen die allergrößte Thorheit ist, dir
Sie jetzt noch begehen können? Auch
wenn Sie nicht durch die Aussagen
Ihrer Schwägerin und durch Jhr
naseweis-nies- scxssn hsisxksiiixxich
Vclcriccllgl Wukocll, locke MS Auffin
ren des versteckten Geldscheines ein
Beweis, der«durcb" bloßes Ableugnen·(
nicht mehr zu entiräften ist. Wer in
aller Welt soll Jhnen glauben. daß!
jemand aus purer Bosheit das Geld;
ohne Ihr Vorwissen in IhrenSchreib-«
tifch prattizirt hätt-? Sie müssen uneU
wi:ilich fiir lehr einfältig halten, daß
Sie mit einem so abgeschmackten Mär
chen Jän- Heil versuchen. Wenn ich
Ihnen einen wohlgemeinten Rath
geben foll, ift es der, Jbre Lage bis
moran recht reiflich zu überdenten
und sich auf Grund dieser Ueberleg
nng zu einem unumwundenen Ge
ständniß zu entschließen Nur wenn
es uns durch Ihre Aufrichtigkeit ge
lingt. des Flüchtlings, mit dem Sie
ohne allen Zweifel im Einvernehrnen
waren, wieder habhaft zu werden,
diirfen Sie auf eine mildere Auffas
sung Jhres eigenen Versuchldens hof
yen.««
’Regun«qslos, mit feit zusammenge
prefzten Lippen hatte Martha ilin an
gehört Sie hatte sich vorgenommen
unter der Laft des Unglücks, das da
iiker fie hereineehrochen war, nicht zu
erliegen: aber fee fühlte nun doch, daß
ihre Widerstandstraft nicht ftart e
nugwnr, eine so enttviirdigende sc
lzandlun lange »Hu ertragen. Nur das
Veto-einein ihrer Schuldloflgteit gab
ihr 71euMuth, dagegen zu proteftiren.
»Ich würde Jhnen morgen teine an
dere Antwort geben können als heute,'«
sagte ite, ihre Thränen tapfer nieder
tämsoiend, mit fester Stimme. »Und
da ich Ihnen nicht oas Recht zugestehe,
wie zu einer übersiehrten Verbrecherin
zu mir zu reden, werde ich aufFra
gen, die in diesem Tone an mich ge
richtet werden, überhaupt nicht mehr
antworten. weder heute noch morgen,
noch an irgend einem anderen Tage.«
»Ich kann Sie natürlich nicht zum
Reden zwingen,'« erwiderte der Unter
suchung-reichem auf den der Tonihrer
Erklärung doch einigen« Eindruck ge
macht zu haben schien. etwas milder’
als zuvor, »aber ich glaube nicht, dast;
ein derartiges Verhalten Ihre Situa-l
tion vertefsern würd-. Jedenfallej
werde ich Ihnen vierundzwanzig
Stunden Zeit lassen,·mit sich felber zu
Rathe zu gehen, und ich wiil um Ih
retwillen hoffen, daß mir morgen zu
einem besseren Ergebniß gelangen.«
Er tlingelte unr- befnhl. die Arke
ftantin abzuliihrem Martha aber
mußte. als sich die Thitt der ihr zu
gewiesenen Zelle ver ihr öffnete, all
ihre physische Kraft und ihren ganzen
moralischen Muth zusammennehmen,
um nicht von Jammer und Verzweif
lung niedergeworfen zu werden in dem
Gefühl ihrer furchtbarem nie wieder
auf-kritischean Schmach.
l G. K n t-« i t e l.
Am Abend dieses Tages lam der
Bucht-alter Bartel zum ersten Male
schwer betrnntcn nach Hans-— zum
Entsetzen feiner Wirthin, die ihm die
Thür hatte öffnen müssen, treil es
ihm durchaus nicht gelungen wer, das
Schlüsselloch zu finden. Fast hätte sie
lsei feinem Anlliet vor Schrecken die
Lampe fallen lassen, fo unheimlich
verändert loher ans mit feinem weit
in den Nacken qelchohenen Hute, fei
nem wirren Herak, das er offenbar
mit beiden Händen .zerwlihlt hatte.
»Nun? Was gieht’5.« fragte er mit
schwerer Zunge, als er trotz feines
Raulches ihre Britiirzung ewnhrtr.
»Westmlb gloyen Sie mich onn?-——
Hallen Sie mich vielleicht fiir einen
Berbrecher?«
Die geängftipte Treu bemühte sich.
ihn Durch einige fr.undlicke Worte-zu
belchwichtigen·. aber sie nahm fich im
Ställen vor, ilim das Zimmer aufzu
tiinnigem wenn etwas Derartiges sich
wiederholen sollte. Sie athmete auf
als die Thiir feines Stühchens fich
hinter dem Schwankenden geschlossen
hatte. Aber erst lange nack- Mitter
nacht lam sie wirklich zur Ruhe, weil
erft dann die wilder-, unverständlichen
Redeil verstummten die ihr fonft fo
ruhiger-Miether'da drinnen mit sich
selber führte
»Was nur ant ihm vorgeganan fein
inag?'« kochte sie. »Er ist doch so lange
»ich itin tenne, der nüchternste Mensch
von der Welt gewesen. Gewiß ift er
Hin leichtfertige Gesellschaft gerathen
Aber ich werde ihm morgen früh ge
shiirig insGrwifsen reden. Das hat
Her rechtschaffen verdient siir den
Feine-L den er mir eingejagt hat«
Trotzdem tatn die brave Frau nicht
jzur Ausführung ihres Vorhabens,
denn als sie dein Buchholter am näch
sten Morgen seinen Kaisee brachte,
erschien es ihr nach dem ersten Blick
auf fein Gesickt doch gerathen-V die
beabsichtigte Strafpredigt zu unter
’driieken. Daß ein Mensch durch die
iüblen Folgen eine-:- Naufches so ge
Iwaltig verändert werden könnt-. hätte
’sie nimmermehr für möglich gehalten.
Der Mann sah ja aus, als wär-. er
iider Nacht unt zwanzig Jahre älter
geworden, und wenn er sie auch nicht
beutai anfuhr wir gestern in seiner
Betrnnlenheit, so sixirte er sie dafür
mit einem so sonderbar scheuen, miß
trauischen Blick, daßihr ganz detlorn
xnien zu Muth wurde, unt-. dasz sie
Hherzlield froh war, clssiesich erstwie:
Ider aus dem Bereic- seinet schwarzen
isteehenden Augen wußte.
tFortieyung folgtJ
—
. Sie fasten aus Zuclerfiifsern und
Seifentisten und erzählten sich seltsame
Geschick-ten »Wie ich von den Philip
pinen wieder tam,« sagte Einer, »sind
wir an der pazisischen Küste in einen
Nebel geraten, durch den man eine La- -
terne, die noch keinen Fuß entfernt
stand, nicht brennen sehen tonnte.«
»Das will nichts sogen,« antwortete ein
Nachbar. »Bei uns in Oshtosh hatten
wir einen Dochdeeier. der hat im Nebel
etwa zehn Fuß Schindeln über das
Dach hinaus fort genagelt. Den hät
ten Sie schimpfen hören sollen, wie ed
wieder hell wurde und er sie abzureiszen
hatte.