Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 23, 1906, Sweiter Theil., Image 9

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    Yebraska
Staats-Anzeng Und THMM
Grqnd Island Nebr» 23. November 1906 (Zweitcr Theil.)
No. 13.
W
Kinderspiele.
Laßt nur die Kinder spielen,
So lang- sieftoh und frei;
Bringt ert die Arbeit Schwielen,
« st’g mit dem Spiel vorbei.
- ie Kindheit gleicht dem Traume
Von einer schönem Welt,
Die ans dem goldnen Saume
Der Mensch in Händen hält.
Erwacht, sind leer die Hände,
Ist alle Pracht dahins; —
cco plötzlich gehn zu Ende
« Kindheit und Kindersinni
Drum laßt die Kinder spielen,
So lang sie Spiel erfreut;
Schallt doch zu früh bei vielen
Der Jugend Grabgeläut.
Ein Wiegenlieds ;
Novellette von Betty Wittwe
ger. s
Der Amateurphotograph geht nichtl
harmlos spazieren wie der gewöhnlich-J
Sterbliche, besonders dann nicht«
wenn er noch in der Zeit der »ersten;
Liebe« zu feinem Apparat steht. Sos
ließ auch Dr. Wolfgang Ebert eines
Tages seine Augen suchen-d umher
schweiien, von dem Wunsch beseelt,
noch irgend ein nettes Objekt zu sin
den und den leyten Tag seiner Fuß
tvanderung nicht sitt ,,nutzlos« erklä
" ren zu müssen. Einige Landschasts
ausnshmen hatte er zwar schon ge
macht, aber nicht ein einziges passen
des Genrebildchen bot sich ihm dar.
Und gerade Genrebitdchen liebte er
ganz besonders.——Plönlich stockts sein
Fuß: in einem sauber gehaltenenGars
ten an der Rückseite einer der Viller,
die das freundliche Städtlein ansinn
thig umkränzen, entdeckte er etwas
Rei endes, ein halberwachsenes blond
zöpsiges Mägdelein, das einen Kin
dertoagen mit Rosen schmückte und
razu mit wunderbar weicher Stimme
sang: »Guten Abend, zute Nacht, mit
Rosen bedacht, mit Häglein besteckt,
schlüps’ unter die Deck. Morgen
früh, wenn Gott will, wirst du wie-—
der geweckt!« Dr. Ebert lauschte
athemlos den lieblichen Tönen des
Brabmsschens Schlummerliedes unt:
kannte sich auch nicht los-reißen, alr
sxc verklungen waren und las junge
Mädchens sich nach einem mütterlich
bei-traten Blic:l hinter die Gardinen
des Wagens in den leichten Korbsessel
zuriictlehnte Und sinnend in die arti
nen Banmwipfel über sub schaute·
Nun hatte er sein Genrebildchen und
was siir ein liebliches dazu. Diese-Z
allerliebste Kind, aus dessen ganzer
Art schon jetzt die Mütterlichteit so
deutlich sprach, das wohl eben mit un
bewußter Sehnsuchka von einem ge
heimniszvollen Zutunstsglijcl träumte.
So dentete der psychologisch geschtsste
Mediziner den Ausdruck des siiszen
Mädchengesichtes. Rasch nahm er
seinen Apparat aus der Tasche, stellte
ihn und tnivste, oeransügt vor sich hin
lächelnd. Kein Mensch hatte etwas
bemerkt oon seinem Spitzbiibenstreich.
Befriedigt wanderte er weiter, bestie
rigt und doch etwas wehmüthia. Es
war ihm, als ließe er etwas sehr Lies
bes ljier zukiicL «
y
Der Chesarzt oes grosien Kranken-.
hauscg zu H» Dr. Wolfgang Eberi,
ioandert unruhig in feinem Sprech
zinimer hin- und her. Diese Schwester
Gertriid ——-- wäre sie nur erst sort,
ieineni Gesichtstreis entriickt siir alle
Zeit! Sie raubt ihm seine Ruhe, und
er tann diesen Zustand nicht noch drei
Wochen aushalten So lange dauert
Ehre Ausbildung aus der chirurgischen
Stuiioii noch, nnd er hat keinen
Grund, die pslichttreue Schwester
vorer zu entfernen. Aber »- hin —
er könnte ja gehet-» setzt seinen Urlaub
nehmen. Dr Freitag, sein erster As
sisient, hat gestern erst geäußert, ihm
sei’s ganz gleichgültig, ob er jetzt oder
im Herbst reisen könne. Also wird er
übermorgen schon sein Bündel schnit
ren, an der See Erholung — und
Vergessen suchen-! Es tlopst und auf
sein ,,Hereins« tritt eine Schwester ins
Zimmer. Sie!
»Jst’s etwas Besonderes-, Schwe
ster Gertrud? Sie wissen, um diese
Zeit liebe ich teine Störung« Es
llingi recht schross und die Schwester
erröthet bei ihrer Antwort.
»Die kleine Rose! Mart-in klagt sc
sehr til-er Schmerzen, schon seit einer
Stunde --— ich mocht’s aber nicht aui
mich nehmen« den Verband -—«
»Ach, das hätten Sie nur thun sol
len. Es ist wirklich nicht angenehm,
bei jeder Kleinigkeit ——-«
»Entsck,-uldiaen Sie, Herr Doktor,
es schien mir keine KleinigteiL Sie
haben kürzlich angeordnet, das Pfle
gepersonal solle sich niemals an den
erstens Verbänden Oergreisen.«
»Schon gut, ich tomme gleich.«
Die Schwester geht und Dr. Ebert
schämt sich. Auch noch, als er wieder
in sein Zimmer zurückkehrt, nachdem
er sich überzeugt hat, da es dringend
nöthig gewesen, den Ver nd zu wech
seln. Schwester Gertrsud ist ihm da
bei so geschickt zur band gegangen,
hat das aufgeregie, weinewde Kind so
gut zu beruhigen gewußt! Ja, sie
gäbe schon eine tüchtige Doktorösraut
Wean nicht alles nur — Herrgott —
er hat’i" doch schon einmal erfahren.
wie Weiber liigen und sich herstellen
töiinent Wie sie um iiuszerer Vor
theile willen ein Männerherz zutre
ten, ohne Scheu. Jetzt sreilich würde
ihm das nicht mehr so leicht passiren.
Damals ioar er eben noch ein junger
Arzt ohne Praxis. Dem gab man
einfach den Abschied, als der reiche
Fabritbesitzer lam. Jetzt —- ja jetzt
ninwirbt man den Herrn Chefarzt
von allen Seiten Er ist eine gute
HPartiel Er bleibt kühl allen solchen
Bemiihuncen gegenüber, nur dies-c
Schwester Gertritd erweckt Wünsche
Ein ihm, zaubert ihm Bilder vor von
gemeinsamer Arbeit und vosn trauli
’ther Ruhe, nachdem sie gethan. Aber
wer sagt ihm« ob ihre Sanftmuth
ihre Geduld, ihr liebevolles, smütters
lich-es Walten am Kranienbett nicht
nur Verstellung- ist? Ein häßlich-s
Wort klingt ihm stets im« Ohr, das
ein älterer Kollege ein-mal zu ihm
gesprochen-: »Ach, hören Sie mir aus
mit diesen Schwestern: Aus den Män
nerfang gehen sie ans unter derMaske
der Menschenliebe Und es finden sich
auch Dumme genug; geben Sie ntur
’nial acht, wie oft ein Arzt draus
’reinfiillt.«
Es war nicht nur ein häßlicher»
sondern auch- ein ungerechter Aus
spruch. Und doch kann er ihn nicht
vergessen nnd- muß besonders in den
letzten Wochen-, seit or die Neigung zu
dieser Schwester in sich wachsen fühlt,
immer wieder daran denken. Und in
dem Maß, wie seine Neigung wächst,
wird er schroffer und schroffer gegen
das Mädchen, mit dem er anfänglich
so gern gearbeitet hat und das von
unbedincter Verehrung für ihn erfiillt
war oder schien Denn wer weiß, ob
das aufrichtig gemeint, ob nicht alles
alles Lüge und Verstellung ist! Wer
sagt ihm, ob sie die Rechte ist?! Ob
sie wirklich so viel Liebe in- sich hat,
ob nicht alles nur berechnet ist aus den
,,Tiiännerfang«? Bald ist’g ihm, als
begehe er ein Satrileg mit dem Ver
dacht, dann wieder dentt er an jene,
die ihn mit ihrem Liebreiz nmgsarnt
und ihn dann schmählich zurückge
stosien kat. Und dann meint er, man
lönne dem ganzen Geschlecht nich:
trauen. Es wird wohl das richtigste
sein, der Gefahr aus dein Wege zu
gehen. Er h-at’s vorhin, als er eine
Anordnung für die kleine Martin
traf, die noch lange befolgt werden
solle, in Schwester Gertruds Gegen
wart hingeworfen: »Ich verreiseübers
morgen für vier bis fünf Wochen«
Da ist sie ganz blaß geworden tin-d
ihre sonst so sichere Hand hat geziti
tcrt. Nun ja, man kann auch zit
tern, wenn ein tlng angelegter Plan
scheitert.
EpistAbend Dr. Ebert muß noch
einmal nach dein lraiilen Kinde sehen.
llks hat« gefiebert. Die Kleine liegtal
leiri in einein Zimmer aufWunsch der
sehr wohlhabenden Eltern, die eine
Privatpflegerin bezahlen können.Vor
der Thiir stutzt der Arzt es tönt
Gesang san sein Ohr. Ganz leise
triickt er die Klinke aus ----- lnarrende
Schlösser uiisd Angeln giebt es nicht
im Krankenhaus — und niemand be
nicrli ihn. Das Bett steht mit dem
Kopfende gegen die Thiir uiid Schwes
ster Gertrud sitzt singend aus dem
Stuhl daneben. »Guien Abend, gute
Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein
l«esteett, schlüps’ unter die Deck -—- —---«
Doltor Ebert lauscht athenilog, und
beim Klang der weichen, tiefen Stim
ine steigt eine Erinnerung in ihm auf:
Dieses Lied hat er seh-on einmal gehört
von dieser Stimme, die nur damals
nicht ganz so tief war. Und nun iveifz
er auch mit einemmal, wie es lommt,
daß er bisweilen in Schwester Ger
truds Zügen gesorscht hat mit dein
Gedanken: Wo hab’ ich das Gesicht
schon gesehen? Ein un-geheuresGliicks
gesiihl kommt über ihn. Leise ver
läßt er das Zimmer nnd eilt über den
langen Korridor in sein Sprechziiw
mer zurück. Dort kramt er eisrig in
seinen Schreibsächern unsd bald findet
er, ivas er sucht: eine kleine, Ver
blaßte, aber noch ganz giet erkennbare
Amoteurphotographie. Und nachl einer
Minute ste t er vor der Schwester
Essertriid un hält ihr das Blättchen
»Hi:
»Eine Frage, Schwester Gertrud,
kennen Sie das?«
Das Mädchen bringt die Photogra
phie ganz nahe an die Lampe und
dann ruft sie lebhaft:
»Aber, das bin ja ich — und das
ist Schiwager Ottos Aeltester! Ach, ich
war so glücklich damals mlt dein
Rind! Else lonnte sich lange nicht er
holen. Da sagte sie immer: Gut, daß
Bubi noch ein Vizemiitterchen hat.
Und- als ich endlich wieder nach- Hause
en;is;te, da war ich ganz trostloT
Und jetzt ist Bubi schon Sextanerl
Aber wie kommen Sie zu dein Bild,
Herr Doktor?«
Doktor Etert lächelte froh:
«Geltohlen im Vorübergehen,
Schwester Gertrud. Und wie gut-, daß
ich's gethan habe. Nun weiß ich doch,
daß Sie die Rechte sind. Mir bestimmt
von Anbeginn! Und ich kann nicht be:
greifen, daß ichSie nicht erkannt
habe- Sie smd ja dem Bildchen noch
so äbnlichl Aber daran ist nur die
lLaube schuld —« Doktor Ebert greift
init beiden Händen nach der Daube.
»Aber Herr Doktor, was thun
Sic?«
»O, ich thu’ noch viel mehr, Ger
trud —« «
Die Haube fliegt auf die Erde und
zwei blonde Zöpfe hängen in voll-er
Pracht über Schwester Gertruds
Rücken — und der Doktor nimmt den
Kopf des erglühenden Mädchen-S in
seiicc Hände und küßt die weichen
Lippen Es ist gut, daß Klein-Rose!
nicht sehen kanns, was an dem Tisch
dort vorgeht. Und- siz kann auch nicht
hören, was die beiden so lange nnd
eifrig zu flüstern haben Aber es
muß wohl etwas sehrSchönes gewesen
sein, denn als sie zuihcr ans Bett tre
ten, sehen sie ganz strahlend aus.
»Aber Schwester Gertrud, wos hast
du denn deine Hande? Und Zöpfe hast
du, wie meine Mama. Ganz lange
Zdvser Sind die eben erst gewachsen-?
Ich dachte, Schwestern hätten nur
Haut-en Haben alle Schwestern
Zöpfe?«
,,’; a, aber ni ,t ·alle so wunder
schöne, RoseL Unsd du darfst jetzt
nichts weiter fragen, es ist Zeit zum
Schlaer für arti-ge klein-e Mädchen«
»Aber dann muß Schwester Ger
trud das schöne Lied nochmals singen
vom Paradies und den Englein.«
»Ja, das soll sie thun, das mag
Onkel Doktor auch gern hören.«
Schwester Gertrud hat die Zöpfe
wieder aufgesteckt und flugs die Haube
darüber befestigt, dem Geliebten einen
schelmischen Blick znwerfend; nun setzt
sie sich neben das Bett, nimmt Die hei
ßen Hände des Kindes in die ihren
und singt: »Gutes: Abend, gute Nacht-,
von Engleitr bewacht, die zeigen ini
Traum dir Christlinsdleins Baum,
Schlaf nun selig nnid süß, schau’ im
Traum ’s Paradies.«
»Ich seh’-3 schon im Wachen,
Liebste.«
Mit diesen Worten neigt sich der
Arzt zu seiner Braut, die mit strah
lendcn Augen zu ihm aufschaut.
Schütze-August
Teuiiche Manöver-Episode von OF
K o n r a d.
Das war eine ganz schlimme Ge
schichte: noch zwei Stunden umfzte die
I-. Kompagnie kräftig a.usschreiten, ebe
sie die Quartiere erreichte. Und dabei
hatte ein LJnds und Dauerregen ein
gesetzt, der bis auf Die Haut dran-a.
Die Straße war bis in Grund und
Boden aufgeweickt und aus den Stie
felsuxiiften der lautlos dahintrotten-s
Den Llliannfchaften quoll das Wasser.
Hauptmann v. Normann gab sei
nen- Braunen diezporen uncd pretschte
die Kolonne entlang. Das Regen
wasser tropfte ihm zwischen Halgbinbc
und Kragen und sein mächtiger
Hchnurrbart bing windelweich bis aus
die Uniform. Die Kompagnie war
weit auseinandergezogen und der
zweite Zug schlidderte schwerfällig in
dem klebrigen Humugboden, ohne das-,
jemand taran dachte, Vordermannzu
fassen. Neben der ersten Sektion dec
Zuaeg stampfte der dicke Felvwebel
Mariae puttend und leuchensd vor
wärt-Z, dickeTropfen rieselten ihm über
diesjlangem man konnte nicht unter
scheiden, ob es Schweiß- oder Wasser
tropsen waren.
,,U.Iciserabel Dieses Wetter,« — der
Hauptmann wendete feinen Gaul,
»und nun noch ’n-e Stunde, Felb
wedel?«
»Ja Befehl, Herr Hauptm-ann,«
antwortete dieser, »und» schon vier
Fußlranke Dabei grasfirt die
Schlappheit und bei jedem Schritt
können die Stiefeln stecken bleiben.«
,,'n bischen Zug müßte in. die Ko
lnnne kommen, dann würde es schon
besser flutschen,« mein-te der Haupt
mann, und ließ das Wasser aus sei
uem Waffeiirock-Aermel tropfen,
»aber die Trommler können nicht ein
schlagen, die Katbfelle sind durch
näßt."
»Wenn- det Herr Hauptmann ge
statten, — Schütze-August tönnte die
Sache machen. Wenn der sing-t, dann
singt er die ganze Kompagnie leben
ein«
»SchiiVe-August?«, der Hauptmann
schien sich des Namens zu erinnern,
»das ist ja der meistbestrafte Kerl in«
tet ganzen Komspagnie.·'
,,Stimmt, Herr Hauptmann,« be
stätigte ber FeldwebeL »aber wenn er
jetzt losgrölte . · .«
«»Lassen- Sie »den Kerl singen,« be
fahl der Hauptmann und ftippte mit
seinem Gaul wieder nach vor-n. Das
Pferd schien auch schon zu lahmen.
Da Plötzlich richtete es die Ohren hoch-,
stieß einen scharfen jeher aus und
fehle die Beinchen we beim Pan-de
marfch Zugleich stimmte eine forsche
Kehle im zweiten Gliede eines jener
Soldatennmrsch-Lieder an, derenText
eine strenge Sittlichkeits-Zen·sur kaum
passiren lassen würde. Und der Haupt
inann hörte:
»Was nutzt mir denn» mein schöner
Ga—arten,
Wenn Andere man:g die Aeppeln
gehn« «
Dir-in lam der Text und mit einem
mal aus hundert Kehlen dieWieders
holung des Refrains:
»Was nutzt mir denn mein« schöner
Ga—arten,
Wen-n Andere mawg die Aeppeln
-— gehn....«
Hauptmann v. Normanii wandte
-den Kopf. Oh, da sah er eine lern
tiichtige Truppe hinter sich. Die Sek
tionen hatten aufgeschlossen und man
hörte den Tritt, als ob die Straßen
festgestampft werden sollten-. Und
Feldntebel Maucte hatte sich auch die
Trübsal abgewöhnt, er erschien neben
dem Pferde und versuchte die Harten
zusammenzutrißen Das gelang ihm
zwar nicht-; aber er konnt-e doch mel
den: »Schiitze-August hat’s wieder
einmal gemacht«
»’s wohl ein toller Knabe?« fragte
der Hauptmann.
,,Zu Befehl, Herr Hauptmann,«———
Feidwebel Maucle konnte gar nicht
mehr anders, als jeden Satz mit dieser
militiirischen Formel einzuleiten.
,,LZrh-iitze-August ist ’n richtiger,,1lsin
ger« (Schlesier) aus der Nähe von
Gruß-Prasse-! lBreslau)· So’ns rich
tiger Durchganger undSchosenmacher.
Das muß sein Beruf so mit sich brin
gen denn er ist Windmüller Und
Kräfte hat der Lümmel, der haut mit
dersyaust ’ne Tischtante runter Zu
Hause hat er mal die Mühlenfliiael
angehalten, da hat er sich einfach ge:
sengestemrni. Aber freilich an die mi
TiiiirIsche Disziplin lann er sich schwer
gewöhnen -«—«
Und um fur die Behauptung den
Beweis- zu liefern, ertönte plötzlich
any dem zweiten Zuge eine Kom
nzanvostimme: ,,Tambonrg einschla
gen!'« Die Trommler rissen ihre
Trommeln herum, die Pfeifer spitzten
die Lippen untd mit Gesang, unter
Trommelschlag und Pfeifenllang bielt
die Kompagnie ihren Einzng in das
»Manöver-Quartier. Vor dem Weg
ireteii rief der Hauptmann den Feld-«
soebeh »Wer hat denn vor-hin das
stommando gegeben?«
,,Zu Befehl, Herr Hauptmann,
SchützeAugust·«
»Den werden wir gelegentlich drei
Tage in’g Loch stecken«
»Z« Befehl. Herr Hauptmann«
«- e st
Die 9. Kompagnie war auf den
.äußersten linken Flügel der Abant
garde der ,,blanen« Armee gestellt
f worden. Es handelte sich uni eine Um
»x«ehung der Flanke des Gegneer Ges
i lang diese, dann hatte die »rothe« Ar
mee den ersten Schslachttag verloren.
fDazu gehörte freilich eine Marsch
Jleiltung hervorragender Art. Um 1,-J·-·3
Uhr stand denn auch die Kompagnie
bereite- auf dem Sammelplatz. Schon
wallte der Hauptmann die Meldung
des Feldwekcles entgegennehmen, da
schlupfte noch ein Soldat in’5 dritte
; Glied.
« »Was ist denn dae fiir’n Bumms
-ler?« tnurrte der Hauptmann.
,,Zu Befehl, Herr Hauptman-n,«
.n!elde:e der Feldwebel und klopfte auf
sein dickleibiges Notizbsuchz »natiirlich
Schütze-August Trotz des gewaltigen
. LUlarscheS von gestern hat er wieder ein
-«.ltachtcr,en gemacht und ins der Dorf
»tneipe einen Bauern nach dem andern
! verhaucn.«
i »Da werden drei Tage »ftrarnm«
inicbt langen,« meinte der Hauptmann,
,,noti:en Sie sieben, — wenn’5 nicht
noch schlimmer kommt ———— Jn Sel
tionen rechte- schwentt . .. marsch!«
Die Truppe setzte sichs in Bewegung.
Die Landstraße entlang dann recht-S
ab in ein-en Feldweg schließlich kam
ein Bruch. Auf dem Feldweg ging-Z
schon recht holperig zu und als erst
durch den Bruch getvsatet wurde, tan
Unordnunsg in die Kompagnie Selbst
des Hauptmanan frommer Gaul
wurde nervög, als ihm die Zweige der
Sträucher um die Schenkel peitschten.
Der Hauptmann studiritie sein-e Gen-e:
raisiabstarte, er hatte seine Leute ganz
richtig geführt. Der Bruch stimmte,
freilich aus diesem heraus...
Hufsah, der Gaul hatte plötzlich
einen Schneller von einer Haselnuß
staude in die Weichen bekommen und
i·tiir:ate, weil sein Reiter die Zügel
lose hatte hängen lass-en, vorwärts.
Drei, vier Säpe, danm sank er bis an
den Leib in moorsigen Sumpf. Ver
geblich suchte der Hauptmann das
Thier hochzuhalten-, vergeblich rief er
um Hilfe..., die Soldaten, die sich
aus dem Busch herausgearbeitet hatten
und bis zu dem versintewden Pferde
vordrangsen, saßen auch sofort bis iisber
die Kniee im Morast·
Der Hauptmann schien dem Unter
sang geweiht, das Pferd steckte schon
bi3»z-um Halse imSchlamm. Da nahte
Hilfe — von der anderen Seite des
Moores stürmte ein Soldat. Man
merlte sofort, daß er wußte, wo er den
schmalen, festen Grund unter den
Füßen sand. Und jetzt war er bei dem
Versinkenden Ein scharfer Griff und
er hatte den Hauptmann vom Pferd
genommen gleich- einem Bleisoldaden
und ihn auf ein trockenes Fleckchen
Erd-e gestllt. Dann raffte er den Gaul
hoch. Das Biest schlug gewaltig un-,
sich. Aber der Soldat zerrte das Thier
bis zu dem festen Pfade, und als die
Hufe nicht gleichs Posto zu fassen ver
mochten, faßte Schütze-August das
Thier um den Hals uwd halfterte es
mit einer gewaltigen Kraftanstren
gung empor..·, ertrug es mehr denn
daß er cs führte, aus dem Moor her
aus. Und drüben stand der Haupt
mann, der sich leidlich wieder gesäu
bert hatte.
»Soll« ich Sie wieder driisfhelfen?«,
fragteSchützesAuguft in seiner dumm
dreisten Manier.
i ,.Esel,« auittirte der Hauptmann
Jüber das Angebot. ,,Hauptsache ist,
daß wir aus dem oertrackten Sumpf
herauskommen«
»Wir hätten gar nicht hin-einzuge
rathen brauck«en,'« meinte Schütze-Au
gust. ,,Etwa. 20 Minuten weiter, dann
ist der trockenste Boden. Wir schneiden
"(3-’oitlieb Wolfss Brache, Schulzes
kliartoffelacker und kommen bei Ar
inolds Klitsche raus· Schließlich geht’s
Hain Weißbach lang, und wenn tüchtig
ausaetreten wird, sinsd wir in einer
Stunde an Ort und Stelle und hul
;1eru. die ,,Iliotl)en« in’n Wurftkessel.«
J »Sie scheinen ja jeden Weg und
fsstesz zu tennen,« staunte der Haupt
irnann »sin-d Sie denn hier geboren?«
E ,,.":!iee, das nictxt,« Schütze-August
that etwas verlegen, »aber «ne Braut
itzab« ich in Arnclds Klitsche mal je
;k,-«n.t«
Die Kompagnie war bald- wieder
ra:1girt, es ging riiftig vorwärts. Die
Angaben Sctxiitzens erwiesen.sich als
richtig. Buche, Kartoffelfseld die
jstrrshberachte Klitfclce, der Bach-...,
;und da oben auf dem Hügel: Helm
spitzen,-——die Vorposten der ,,Rothen!«
,,L3chwärmen·,« ertönte das Kom
:nan?-o. Mit großer Präzision wurden
die Kitolonnen auseinander gezogen-—
«L)luanziren, — Laufschritt, —- —
Schnellfeuer ——-«; wie ein Wetter
stürmte die Q. Kompagnie voran und
überschüttete die überrascht-en »Ro
fthen« mit ein-Im ,,Kugel«regen. ’s gab
»unter den Vorposten ein« Debacle, der
»Vomrarschs der gesammtmen ,,"2lrmee«
; wurde verzögert.
Hauptmann v. Normann kam bei
der Kritik sebr gut weg, der Kommun
dirende sollte seinem strategischen Ta
lent alle Anerkennung: die Majors
ecte war also glücklich umsegelt.
si- -I· di
Tie St. Kompagnie trabte über die
Bracke den Quartieren zu. Da rief der
Hauptmann nack! dem Feldwebel
Abtritt
»Hu Befehl, Herr Hauptmann«
»Das mit dem Soldaten Srlxiitz-e,«
erkjiirte der Hauptmann, ,,wollen wir
doch sein lassen. Streichen Sie mal
in Ihrem Notizouch die Arreststrafen
nieder aus«
»Ja Befehl, Herr Hauptmann«
lind in demselben Augenblick wurde
im zweiten Gliede das schöne Lied an
gestimmt:
»Was nutzt mir denn mein schöner
Qta——arten,
Wenn Andere mang die Aeppeln
gehn . . . .«
W
Eiue Maschine, die Ctgarrm
raucht.
Unlängst ist eine Maschine gebaut
worden, die das Zigarrenrauchen, ab
gesehen von dem erst-en Anziin-den,
ohne menschliches Zuthun besorgt. Es
ist damit die JJtdglichteit gegeben, das;
)·Itenschen, die den Zigarrenrauch lie
ben, das Rauch-en aber nicht vertragen
können, sich jenen Genuss verschaffen.
Doch das ist nicht der Zweck der neuen
Erfindung-, sie soll vielmehr ernstere
Ausgaben ersiillen.
Das geht schon daraus hervor,das3
sie in» einer Abtlseilung des Ackerbaus
Departementss zu Washington Aufs
stelluna gsesunsden hat. Die aus ver
schieoenem in den Ver. Staaten er
zeugten Tabaten hergestellten Zigar
sren sollen durch die Maschine auf die
iGiite ihres Brandes einwandsrei ge
prüft werden. Aus dem Verlaufe der
Brandprove will man dann Rück
schliisse machen aus die günstigste Zu
sammensetzung von Füllung und
Tectvl.itt. Da der menschliche Rau
cher nie ganz gleichmäßig raucht, die
einzeln-en Züge vielmehr oft stärker,
oft schwächer, in liirzeren oder-länge
ten Zwischenraumen erfolgen, so muß
die Maschine zur Lösung dieser Aus
gabe einsprintaen Die Zigarren wer
den mechanisch getaucht, und zwar ers
iolgt in Zwischenräumen von 30 Se
tnndeni je ein Zug von 10 Selunden
Dauer, etwas reichlich lang. Die
Maschine ist ganz einfach, die zu prü
— «
fenden Zigarren werden in zigarrens
spitzenähnliehe Mundsttiicke ge ecki,
von dem Mund-stlick der Spitze «iihrt
»dann eine Rohrleitung nach einem
künstlichen Atbtnungsapparat. Der
entwickelte Rauch rrird dabei durchs be
sondere Glasgefäße durchgeführt,
Itann also auf sein Aussehen und
seine Menge, auch chemsiich auf seine
Beschaffenheit geprüft werden. Viel
leicht hat nicht nur die amerikanische
Zigarrenindnstrie Nutzen von den «
Versuchen, sondern, wenn den Rauch- «
analysen dieselbe Aufmerksamkeit ge
schenkt wird, wie der eigentlichen
Prüfung des Brandes-, auch die Mk-·
dizin
Geistessegenwar«.
Von der Geistesgegenwart auf der
Bühne seitens der einst viel gefeierten
Darstllerin der Prinzessin Eboli im
Berliner Kgl. Schauspielhause, 7 rie
derite Unzelmann, wird folgende
wahre Asnekdote überliefert: Es war
die packen-de Szene, wo sdie verliebte
Prinzessin in ihrer blinden Leitdenss
feile-it den für sie und den König gleich
sehr komprinrittirensden Brief Phi
lipps des Zweiten an seinen Sohn ge
geben hat und Karlos, den Brief in
die Höhe haltend, frohloclt: »Den
Brief behialt’ ich!« Umsonst wirft sich
die vserzweifelnde Evsoli ihm in den
Weg: »Gros3er Gott, ich bin verlo
ren!« Karlos geht trium.plj-iren«d mit
seinem kostbaren Briefe ab... aber,
» Malheurt Der gute, etwas nach-läs
sige Franz Makaufch, der damals den
Kartos gab, läßt den Brief noch auf
der Bühne fallen, ohne es zu merken.
Dag ganze Publikum und Eboli-Un
zelmann sehen es sogleich. Was nun,
wenn die tragisch-leidenschaftliche
Szene nicht zur Posse werden foll?
FriederiieUnzelmann ist keinen-Puls
schlan lang in Verlegenheit. Noch ehe
csas Publikum sich ganz klar gemacht-,
ob es Ursache zum höhnischen Geläch
ter hat —- wie ein Blitz des Gedan
kens —— wie ein zündeztder Feuerfunke
—— nie eisnsePanteriatze auf ihre Beute
fpringt die geniale Frau auf den« ge
fährlichen Brief los, reißt ihn ausein
ander und-ichleudert ihn mit dem
Verzweiflungsscbrei wieder von sich:
»Mein Giott, nicht der rechte!« Dann
stürzt sie zur Thür: ,,Prin-z, noch ein
Wort! Prinz, hören Sie« —- Er geht!
—(xinsthusiaftisch jubelten die Berliner
ihrer herrlich-en, ihrer einzigen Unzel
maxm zu»
Ein verschonen-es Denkmal.
Die demnächstige Bestattung der in
Mainz ruhenden französischen Sol
daten — oornehmlich Gefangenen
in zwei Massengriibern mahnt danan,
daß dort auch der seinstige Jakobiner,
spätere Reichsbaron Präfekt Jeanbon
St. Andre ruht. Er war eine charak
teristische Persönlichkeit, dem auf
deutscher Erde sogar ein Denkmal er-«
richtet worden ist, was wohl wenig
oder gar nicht bekannt ist. Jn einer
sehr iesenswerthen Schrift von Pfar
rer Heinrich Bechtolsheimer in Mom
b.ich-Jltain,3 ,,Rheinhesfens zur Zeit der
Franzosenherrfchaft«, wird über den
genialen Präfetten und das ihm ge
stiftete Monument Folgendes gesagt:
»Jeanbon St. Andre hatte eine eigen
thümliche Vergangenheit, er war ur
sprünglich kaloinistischser Prediger ge
wiesen, dann galt er in der Revolu
tiouszeit alLJ ein gefürchteter Jakobs
ner. Als er — als Präfett— nach
Mainz kam l1802l stand er schon in
vorgerücktem Lebensalter, seine
Sturm- und Drangperiode laa weit
hinter ihm. So lange er dem Departe
ment Donnersberg Vorstand, that sich
Jeanlson St. Andre als ein besonne
ner, wohlwollender und einsichtiger
Mann hervor. An einer hochgelegenen
Stelle RheinhessenT da, wo man zwi
schen Finthen und Wackernheim an der
Straße, die von Mainz nach Bingen
führt, weit hinüber schaut nach dem
Rheingau, befindet sich ein kleines
Denkmal, dessen Inschrift heut-e un
leferlich ist. Dieses Denkmal wurde zu
Ehren des Maine-er Präfiekten errich
tet. Er hat dies-e Ehrung vollan ver
dient·«
—
Päckchem
Als junges Mädchen klagt sie sehr,
Getos ein Partei zu tragen.
Sie fuhr sogleich, war’5 auch nicht
schwer,
Damit im Stadtbahnwagen.
Ale Frau schleppt sie vergnügt allein
Den Waasen sammt Packetchenl
Sie lacht dazu und wiegt es ein,
Jhr Kind, ihr süßes Gretchen. —
Die bekannte, historische Apotheke,
»Zum goldenen Kopf«, in der Schil
dergasse 69 belegen, fällt der Neuzeit
zum Opfer; sie wird mitsammt den
Häuser-n 71 und 72 abgebrochen und
muß einem Prunkbau das Feld räu
n:en. Was das Gebäude interessant
macht, ist nicht allein, die altkölnische
Bauart, das Erinnern an Kölns Ber
gangenheit, sondern das ehrwürdige
Alter. Jn den Schreinsbüchern der
Stadt Köln finden sich bereits im
Jahre 1304 Notizen über das alte
Haus, bei Verläner, Schuldverschrie
Inn-gen, Eheschließungen und derglei
-)en.
»Nordpolforscher,« bemerkte derWei
berfeind, »haben»das eine gemeinsam,
daß sie alle vexheiratet sind, und das
.;t»låcht die Geschichte auch ganz begreif
l I ««