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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 21, 1906)
w W Die Büste. Eine heitere Geschichte oon Alwin Römer - Berlin. 1. Jm fpschtfriihlichen München hat schon manche gute Jdee das Licht der Welt erblickt. Plötzlich aus demGrunde der fünften oder sechsten Maß vofbräu steigt sie empor, wie die herrlicheAphro dite. eine echte Schaumgeborene und tlobft an bei Leuten, die dergleichen Gäste nur seiten zur Herberge bei sich einziehen sehen. Kein Wunder, daß auch der ehrenfeste Stadtrath Theo bald Espenhahn in einen wahren Taumel der Begeisterun gerieth, als ihm inmitten einer truanesten Schaar oon Münchener Kunstjiingern so et was wie ein genialek Einfall lam. Ein weitläufiger ,,Neffe der am Gärtnerplahtheater lleine Operetten Rollen oerzapfte, hatte ihn mit an den Tisch gebracht dessen fröhliche Sassen sammt und sonders leine blendenden Sonnen am Himmel der Kunst waren, aber doch auch nicht zu jenen verbum melten Prahlern gehörten, die allerlei welterschiitternde Kunstwerke im Kopfe mit sich herumtragen, ohne jemals den Anfang zu ihrer Verwirtlichung zu machen. Sie hatten alle ihr kleines Spezialgebieh das sie mit wackerem wertsfleiß beacterten so daß sie auch nicht Noth zu leiden brauchten, wenn ihnen in einem Anfall von künst lerischem Kahenjammer der schablo nenhafte Betrieb ihrer »Kunst« gar zu würdelos erschien. Sie tonnten dann ganz gut ein paar Wochen den alten halbvergesfenen Jdealen nachjagen oder in den Bräuheiusern herumhoclen und ihren Kummer ersäufen, bis sie sich wieder in ihr NothhafensSchicksal hin eingefunden hatten. Der Kern in ihnen war zu solide, als daß sie hätten ver lumpen und untergehen können. Der eine malte Buchengriinde für einen Kunst- und Mobelhiindlerx der andere lebte von Rembrandtlopien; ein drit ter meißelte für einen Steinmetzen Grabengel, die besonderen Anklang gefunden hatten; ein vierter hatte den kühnen Gedanlen gehabt, Büsten, zu mal Verftorbener, nach mehr oder min der guten Photograhien zu schaffen und war damit zu einer erträglichen Existenz getommen. Für Ontel Espenhahn waren sie natürlich alle große Künstler, die er mit sichtlichem Respett behandelte und im geheimen anstaunte. Jn Krusten berg, seinem Heimathstädtchem gab es dergleichen lunstbeflifsene Leute nicht. Und da sie alle den Mund ein bißchen voll nahmen, wenn die Rede auf-ihre Leistungen lam, so wurde seine Hoch achtung immer größer. Als ihm aber Hans Staudinger, der Büstenbildner, das dritte Mal zu trani, treuherzig und bierbriiderlich, wie es feine Art war, kam ihm die schon erwähnte gute Idee. Er hatte nämlich einen Auftrag mit auf seine Tiroler-Reife genommen. Jhr Ober haupt daheim, der hochweise Bürger ineister von Krustenberg, Stephau Schollmann, feierte in ein paar Mono ten sein fünfundzwanzigjähriges Amtgjubiläum Für diesen Ehrentag aber sollte er in der Kunststadt an«der Aar Umschau nach einem passenden efchenl halten. Ordentlich Herz llopfen belam er, als ihn der Einfall durchblitztc wir wär’s, wenn dieser Hans Staudinger lich herabliefze, auch von dem gestrengen Beherrscher aller Krustenderger ein Bild in Stein zu meiszeln? Eine Photographie konnte der Stadtschreiber besorgen; Scholl mann hatte verschiedentlich im Schau taiten des heimischen Photographen geprangi. Wenn nur die Geschichte nicht zu theuer wurde! Flüsternd vertraute er sich dem Neffen an, der wiederum mit seinem Freunde Staudinger eine geheimes Zwiesprache flog. Ein vaar Zahlen schwirrten hin und her, die anfänglich ein befiiirztes Erstaunen, zuletzt ein befriedigtes Kopfniclen bei demStadi rath hervorrieer. Ein Atelierbesuch wurde verabredet und schließlich eine neue Runde auf das halb abgeschlos iene Geschäft bestellt, deren Blume in einer improvisirten humorvollen An fnrache vom Aeltesten des Tisches dem wackeren Kunstfreunde aus Krustens berg gewidmet wurde. Theobald Es penhahn hatte das beleligende Gefühl, fo etwas wie ein Mäcen zu fein und wurde zum Schluß von den fröhlichen set-minnen in seinen Gafthof geleitet, was sich übrigens auch wegen der heim tüaischen Wirlung des letzten Liters als nothwendigerwieä Am anderen Mittag wurde die Be stellunq im Atelier Hans Staudingers bei einem Kelter-Frühstück besiegelt. TheobaldEspenhahn schrieb eine lange lspistel an den Stadtschreiber Berger in Krustenberg und reiste befriedigt von dannen, den Tiroler Bergen zu. Weil er heimwärts iiber Wien und Pea wollte, konnte er das bestellte unthert vor seiner Absendung nicht inu Augenschein nehmen. Da ihm aber der Biidbauer on etlichen Beispielen ezeigt hatte, wir zuverlässig er ans seinem Gebiete arbeite, hegte er nicht die geringsten Bedenken, und hatte nur gebeten, doch ja den Termin inne zu Falten, den der Stadtschreiber bei ebersendung der Photographie noch endgültig bezeichnen werde. Er selbst toar nämlich an jenem Morgen ntckzt anz tlnr darüber gewesen, ob die gtubelseier am 10. oder 18. September stattfinden werde. O) Als der Stadtschkei ver Fabinn Ber ger jene Epistel empfing, war er in Wy einer höchst niedergefchlngenen Stim mung. Die ihm vom Bürgermeister fo oft angedrohte Entlassung aus dem tslmte wegen grober Pflichtversiiuni niß war infolge etlicher von ihm im R( ufche vergessener Berichte an Behin den zur Thatfachc geworden. Knall und Fall sollte er davon gehen, da auf eine Besserun; bei einein fo alten Ge wohnheitstrinter ja doch nicht mehr ;u rechnen fei. Dreimal hatte er fchon versucht, durch demüthig vorgetrageneEnthalt-s famteitsgelöbnisse die fo oft erfahrene Langmuth des Bürgermeisters wieder zu galdanifiren. Aber Stephan Scholl rnann hatte es endgültig fatt, fich für die Sünden dieses Unverbesserlichen von der Regierung mit »Nafen« dete riren zu lassen. Er liefz sich nicht er weichen. Litt doch die Reputation de: gefammten Stadtverwaltung fchon lange unter der ärgerlichen Lebens fiihrnng des dein Schnapsteufel erge benen Stadtschreibers, den die Jugend von Kruftenberg längft in ,,Kiimmel berger« umgetauft hattet Dem Slan dal mußte ein Ende gemacht werden! Und da er chußte, daß Berger’s Sohn, der als Kaufmann in Baltimore fein Glück gemacht hatte, den Alten gern zu sich hinüber nehmen würde, fo em pfand er feinen diesmal festen Ent schluß auch nicht als Härte. Hatte doch Berger früher oft genug damit ge prahlt, »drüben« mit offenen Armen empfangen zu werden! Und erst als man durch einen Zufall erfahren hat e, was fiir ein eifriger Verscchter des A - fiinenzlerthums Berger innior in Bal timore geworden sei, war den Krusten bergern ein Licht darüber aufgegan gen, weshalb ,,.««-iiimrnelberger« sich nicht entschließen konnte, in diese ,,of fenen Arme« endlich hineinzufliegen· Aber jetzt hatte sich fein Schicksaler: füllt. Er mußte nun doch wohl die Reife iiber den ,,großen Teich« antre ten, bei der man in’s Schwanken kom menfoll, ohne irgend etwas ,,Geiitli a;es« genossen zu haben. Da half nichts mehr! Wehmüthig strich er sich die mächti gen Schnurrbartbuschen glatt. Jn sei nen kleinen Schioeinsaugen schimmerte es verdächtig, und dieWarze an seiner linken Wange, die eine Art Tempera turmesser war und beim fünften Schuppen, mit obligaten Kümmeln da zrrischen eine intensive Röthe zeigte, die alsbald in ein satte-s Braun überging, erschien blaß und litmnterlich Dann aber packte ihn die Muth Hastig fah er sich nach allen Seiten um« boste dann eine handliche Flasche ans einer inneren Rocktasche und frischie in einem langen Zug seine klägliche Stimmung auf. ,·.Höngt Euch aus, alle miteinan der!" summte er vor sich hin und trommelte mit beiden Händen den Talt dazu aus seiner Pultplattr. Aus dem Neben-Zimmer steckte je mand den Kopf zur Thiir herein-— »Sind Sie des Teufel-, "Berger?« fragte strafenden Tones die Stimme des Bürgermeisters-. ,,Wollen Sie nicht doch noch einmal —- ein allerletztes Mal, lieber verehr ter Herr Bürgermeister? Jch verspre che Ihnen auch --—« begann Berger so gleich wieder. »Hören Sie auf! Die Sache ift er ledigt. Zum Ersten sind Sie entlass fen· Punttum!« »Aber, lieber, bester . . ." »Mensch, Sie riechen ja schon wieder Inach Fuselt Es ist unerhört!« entrü s stete sich Schollmann. « »Vor Verzweiflung, Herr Bürger i meisten-« s »Ist-zu haben Sie gar keinen Grund. tJhr Sohn freut sich, wenn Sie endlich fzu ihm ziehen. Und vielleicht werden sSie driiden wieder ein vernünftiger sMensch Hier sind Sie unten durch!« » Damit schloß Schollinann die Thiir » wieder.,. ; ,,Alfo nicht!« grollte Berger und Imackste dem Vorgesetzten eine Faust nach. Dann siel fein Blick auf den Nries des Stadtraths. . »Und so ein Kerl soll auch noch ein Denkmal haben! Es ist eine Gemein heit! Aber ich schicke die Photographie nicht nach München! Fällt mir gar nicht ein!« Dann grisbelte er eine Weile finster vor sich hin. »H.lloh!·« rief er plötzliche »Ich schicke sie erft recht bin! Jhr follt eine Freude ha ben, verdammte Bande!'.'.... Und dann machte er sich auf den Weg zum Photographen — Z. Der Julsiläuntgtag war langsam herangekommen Morgenständckxm An inrachen, Ordengverleihung, Festesseru alles war vorgesehen für morgen. Nur die Münchener Kiste blieb aus. Stadt rath Espenhahn sieberte vor Ungeduld und sragte alle halbe Stunde auf der Güterexpedition an, ob noch immer nichts von München angelangt sei. Endlich, am Nachmittag rislirte er ein langes Telegramm an Hans Staudinger. der zurückdepeschirte, dasz die Büste erst acht Tage später fällig sei laut Schreiben des Herrn Sta tsetretärs Bergen Aber da er sie schon vor ein paar Tagen vollendet habe wolle er sie persönlich bringen, Laus ihm Reisetosten vergütet wür Und so fuhr er mit seinem Kunst werk noch in der Nacht von der Jsar ab, um nach beinahe zwölf Stunden aus dem tleinen Bahnhos des welt sremden Städtchens auszusteigen.. . Jn sliegender Eile ging s nach dem Rathhause, und während unten im Flur noch die Hammerschläge hallten, die den Kistendeckel von der marmor nen Festgabe emporzwiingtem sprach W l droben, sich den Schweiß von derl Stirn wischend, Stadtrath Espenhalsnl schwungvolle Worte der Anerkennung siir das gerührte Jubiliiumslind. Als er die schweren Tritte les Rathsdie ners hörte, der die Biiste herausbrin-» gen sollte, sah er sich verstohlen un1 und winkte ihm, näher zu kommen. »Als ein Zeichen unserer großen Verehrung aber, lieber Freund«, schloß er dann seine Rede, ,,ividmet Dir die Bürgerschaft unserer guten. Stadt Krustenberg ein Wildniß das wir inu nierer Stadthalle an einem Ebrenplatze aufsteilen wollen, wo eg n·och späten Enkel-i zeigen soll, welche Züge einst derb este, wackerste und treieste Bürger Krustenbergs getra gen.« Und mit iveihevoller Geberde nahm er die Leinwandhiille von der Büste, rie der Raihsdiener aus ein improvi sirtes Postamentgesetzt hatte. Gespannt hingen alle Augen an dem lange ewarteten Werte. Befrem deles Erstaunen! Starr-es Entsetzen! Dann ein Tuscheln... ein Wis pern... ein Raunen;... Endlich klingen erlösend ein paar leise Lach töne aus. Wie ein Signal wirken sie; denn sie lösen ringsum ein unbändi ges Gelächter . . . Das Marmdrbild auf dem Sockel ist nämlich nicht Stephan Schollmann, der selber jetzt das Lachen nicht lassen kann. Es ist Fabian Bergen genannt ,,Kiimmelberger«. Seine Nase ist zwar weiß, aber ihre istdbeersorm ist er staunlich getreu wiedergegeben Und die kleinen Schweinsaugen scheinen einen leise verdämmernden Rausch zu verrathen . . . Dem Austrage getreu steht am Sockel eingemeißelt: »Jk)s:em edelsten Sohne die dank bare Stadt Krustenberg.«... . Der nichtsnutzige Stadischreiber, der nun längst in Baltimore war, hatte sein eigenes Vildniß an Hang Staudinger in München gesandt, um seiner alten Heimath ein ebenso impo santes wie- billiges Andenken an sich zu hinterlassen... W Der »kleine Bläuling«. Eine Erinnerung aus dem deutsch französischen Kriea von Andre There-iet. Das Haus, in dem Wittwe Jacobi’ wohnte, stand an der Ecke von zwei Straßen, die im rechten Winkel aus dem runden Platze vor dem Bahnhof ausliefcn. Es war ein schnsales Ge bäude, noch alleinstehend, zwischen Geiniifegarten ——-- einfaches Mauer wert und ein rothes Ziegeldach — Die Wittwe Jacobi war dort erst im Juli 1870 eingezogen, nach der Kriegser-T tlarung, nachdem ihr jüngster Sohn sie verlassen hatte, uni mit den Truppen von der Meuse nach Verdun zu mar schiren Sie hatte sich dort eingemie thet, weil diese Wohnung der Bahn l-: nahe war. Dieg ute Frau glaubte sich ihrem Jungen näher, und dann, wenn ; er zurücktäme, hätte er nur ein paar ’ Schritte, um in ihre offenen Arme zei. sinken. Ariftid war ihr Liebling; ein zweiter Schn, der einige Jahre älter war, lebte in Paris-, wo er sich gegen den Willen seiner Mutter verheirathet hatt-» Seit dieser Zeit waren sie sich fremd geworden, und die Mutter hatte ihre ganze Fürsorge auf den jüngsten übertragen. Und was war das nun fiir ein Schmerz, als das Nefthiitchen abreifte mit Thriinen in den Augen. mit einem Sack, der vollgepfropft war von allerlei Vortiithen, als er hinaus zog, urn sich seinem Truppentheil zu stellen! Jm Anfang hatte die gute Mutter in regelmäßigen Ztoifchenriiumen Nachrichten von ihm erhalten, und war so immer einigermaßen beruhigt. Abe: als seine Abtheilung gefangen, und die Stadt von zwei bayrifchen Regimeii· tern besetzt war, waren die Verbin dungen abgeschnitten, und Nachrichten kamen nur selten und auch nur dann, wenn es eben einmal gelang, einige Boten durchzuschmuggeln. Der letzte Brief war vom SO. August und in einem Dorfe in der Nähe von Sedan geschrieben. Dann kam lange nichts mehr —- lange5, tiefes Schweigen War Aristid getödtet oder gefangen genommen bei der Uebergabe von Se dan? Die arme Frau Jacobi konnte darüber nirgends sichere Auskunft be kommen. Sicher war nur, daß sie sei« dem 30. August ohne jede Nachricht ge blieben war von ihrem Liebling; ez lam aber auch teine amtliche Todes nachricht, und deshalb lonnte und wollte die Wittwe auch nochnicht au seinen Tod glauben. Sie sagte sich vor, er sei irgendwo in Deutschland gefangen, an irgend einem Ort-, von dem aus leine Mittheilungen zu ihr kommen konnten, und tröstete sich mit dem Gedanken, daß er nach diesem schrecklichen Kriege wieder zu ihr zu rückkehren werde. —- So erwartete sie ihn immer. — Nach den langen Wintermonaten, die sie mit vielen anderen sorgenden Müttern in steter Angst um ihren ge liebten Sohn verbracht hatte, kam end lich die Nachricht von der Uebergabe oer Stadt Paris, Von der Unterzeich nnng der Friedensverhandlungem da begann das Herz der guten alten Witt frau wieder heftiger u wehen-ab wechselnd erregt bald utch stille, bald durch lebhafte hoffnungsstrahlen Die Gefangenen wurden ausgeliefert Schon waren sie auf dem Heemwegc. —- Etnige Vaterlandösöhne waren so gar schon heimgekommen. Man sah sie aussteigen auf dem BahnhoL mager F und elend aussehend, in zersetzten Kleidern, und dennoch leuchtete aus ihrem fast gebrochenenAuge die Freude über das Wiedersehen der heimathli. chen Berge. » Frau Jacobj verfehlt-; nicht, zu je dem Zuge zu gehen, der aus ,,Deuts(i;« land« kam, besah sich jeden Neuanges toinmeiien und fragte die, welche ans derselben Stadt waren, begierig aus. Jlber niemand wußte etxr as von ihrem Aristidl Seit dem Tage der Ueber gabe von Sedan hatte ihn niemand mehr gesehen. —— ,,Trotzden!,« fügten mehrere jüngere Soldaten noch bei, ,seinoch nicht alles verloren, Aristid könnte möglicherweise in einer von den .vreußischen Kaseniatten zurückgehalten werden, um für Beleidigungen, die er im Feinde-Island geäußert, eine Zeit lang zu büßen.« —-— Und die gute Frau Jacobi schrieb abermals an die deut «schen Behörden ——— sich jeden Tag an einem neuen Hosfnungsstrahl er quickend. Jeden Abend stand in dem kleinen Eßsaal der Wittwe ein kaltes Abendessen bereit, jeden Abend schmückte und deckte sie dort selbst die Tafel und stellte eine Flasche ganz al ten Weines darauf. Dann horchte sie ängstlich gespannt aus den schrillen Psisf der anbrausenden Züge, — während sie mit schmerzlich bewegtem Herzen die kurzen Regenschauer, die irn Monat März so häufig sind, an die Fenster schlagen hörte Eines Abends — es war stürmisch und stockdunkel « fuhr der letzte Zug von Strißburg eben ein« Der Zug blieb heute dort stehen, er fuhr nicht weiter und alle Passagiere waren aus gestiegen. Aus dem letzten Abtheil dritter Klasse war ein ganz junger Soldat gekommen, der die Unisorm der Mobilgarde trug. Das eine Bein ein wenig nachziehend, schien er von Müdigkeit überwältigt, und als er an der slacternden Gaslaterne am Bahn hof vorüberschritt —- langsam und schweren Trittes — konnte man deut lich sein abgemagertes, blasses· Gesicht mit einem langen, ungepflegten Bart und die von den großen Anstrengun gen gekrümmten Schultern sehen. Sei nen Weg, den er noch zu Fuß zurück zulegen hatte bis in die Heimath tonnte er vor dem.nächften Tag un möglich fortsetzen, deshalb erkundigte er fich nach einer Herberge, und da er fuhr er, daß in der Nähe des Bahn hofplatzes eine sei. Als letzter hatte er den Bahnhof verlassen. Alle übri gen Reisenden, die sich nach der Stadt begaben, hatten sich schon nach allen Seiten zerstreut, und so irrte er allein umher in der Dunkelheit, auf der Suche nach der angetündigten Her berge. Seine Füße , die ihn fo schmerzten, patschten in die Schmutz pfiitzen hinein, er stieß an alle mögli chen Gegenstände, die er im Dunkeln überfah, und sein Seitengewehr schlug bei dem Stoß, den es dabei erlitt, an die leere Feldflafche. Endlich nach langem Herumirren unterschied er in matten Umrissen ein alleinftehendes Haus, an dessen einem Fenster durch die Scheiben ein schwa cher Lichtschein auf der Straße sicht bar ward. Er hielt das zu so später Abendstunde noch erleuchtete Haus für die Herberge und näherte sich der Schwelle. Er tappte im Finstern um her und fand den Glockenzug den er heftig anzog. Ebenso hastig wurde oben das er leuchtete Fenster weit geöffnet, ein Frauenkon erschien am Fenster, weit herausgebeugt, und eine erregte, zit ternde Stimme rief in die Nacht hin aus: »O mein theures Kind; endlich, endlich bist du doch da!« Dann tönen eilige Schritte im Ve stibiil, die Riegel werden zurückge schoben, und vor dem erstaunten Sol-— daten steht eine alte Frau, schon er graut, die Lampe erhoben, und sieht ihm enttäuscht in die ermatteten Au gen. Dann lispelte sie erschreckt: »Mein Gott! Mein großer Gott! Er ist es nicht ...... « »Entfchuldigen Sie, lverthe Frau,« antwortete der Soldat, der den Grund ihrer Täuschung gleich errathen hatte und selbst bewegt war darüber, »ich sehe, daß ich mich geirrt habe. —- — Man hat mir gesagt — es sei hier in der Nähe eine Herberge, und ich habe mich in der vHausthüre geirrt Ich hätte es doch gleich sehen sollen, daß Jhr Haus hier nicht das war, das ich suchte, aber ich bin so müde, daß ich kaum aus den Augen sehen kann.« Madame Jacobi stand wie gelähmt durch diese Enttäuschung Aber den noch wurde sie tief ergriffen in ihrem Innern beim Anblick dieses so jungen ermüdeten Soldaten — der übrigens gleichaltrig war mit Ariftid » und die Thränen kamen ihr in die Augen. ,,Ikclcn Sie Ullk ciliZ" Vkacylc slc endlich hervor . . . . »Man soll mir nit nachsagen können, daß ich einen Christenmenschen in dieser schweren Zeit vor die Thüre gewiesen habe . . . Wer tann’-3 wissen, ob nicht mein ar mes Kind auch sgerade zur selben Stunde aus der Suche ist nach einer Herberge.« Sie ließ ihn eintreten, nahm ihm seinen Tornister ab, brachte ihm un ter Thränen das Abendessen, das sie so lange süt ihren them-en Aristid be reit gehalten hatte, und während sie ihn bediente, erzählte sie ihm von ihrem verschollenen Sohn. Als er mit Essen fertig war, sah sie, daß er vor Müdigkeit einschlafen wollte, und da führte sie ihn in das Zimmer ihres Sohnes. Und am nächsten Morgen, als der junge Soldat bereit war, ab zureisem tischte sie ihm ein reichliches WW Frühstück auf und erzählte ihm weiter von Aristid, wo sie am Abend vorher stehen geblieben war »Das arme, arme Kind,« seufzte sie, ,,wie er wohl-zu leiden haben wird da draußen in der Fremde! Nach allem, was Sie mir erzählt haben, ist das ja ein Leben voller Entbehrungen, und er war zu Hause so verwöhnt! . . . Als er hinauszog in den Krieg, strickte ich ihm eigenhändig ein blau wollenes Tuch — ganz über die Ohren zu ziehen —- damit er sich die Ohren und den Nacken nicht erfriere, er hatte immer neuralgische Schmerzen . Wenn er es auch mer anhatte in die sen. rauhen, srostigen Winternäch ten ..... Der junge Krieger aß nicht mehr. Die Bissen blieben ihm im Halse stecken. Er erinnerte sich plötzlich, daß er einmal mit einigen Kameraden zu sammengelegen hatte auf einer Wiese vor Sedan, wo sie von deutschen Wachen wie eine Heerde beaufsichtigt wurden —- und erinnerte sich, daß sein Nachbar damals kein anderer als die ser Aristid gewesen sein konnte, denn er hatte einen großen Schlips aus blauer Wolle, Trotzdem es ihnen ei- « gentlich gar nicht lächerlich zu Muthe gewesen war, amüsirten sie sich über diesen seltsamen Kopfputz und Aristid bekam den Spitznamem »Der kleinei Bläuling.« Der kleine Bläuling hatte eines Tages versucht auszureißen; er war kaum zwanzig Schritte von ver Grenze des Lagers entfernt, als der Wachtposten anlegte und ihn zu Bo den streckte . . . . Das Käppi siel ihm vom Kopfe und das erblaßte Gesicht des Todten wurde sichtbar, eingerahmt von der großen blauen Schutzvorrich tung gegen die eisige Kälte. Der Soldat erhob sich, dankte der armen Wittwe —— und dann umarmte er sie tröstend, indem er sagte, sie solle i nur guten Muthes bleiben, ihr Sohns würde sicher bald zurückkehren — ess seien ihrer ja noch so viele in deutscher Gefangenschaft! ...... ! Er nahm seinen Tornister auf undi ging Als er draußen war, schnaubte eri sich geräuschvoll --— wischte sich die feuchtgewordenen Augen . . . wußte er doch nur zu gut, daß der »kleine Bläu ling« nimmer zurückkehren würde! -.-—-— Windfchutz auf Seeretfem Der erfahrene Reifende sucht. wenn er an Bord gekommen ist, fo rasch wie möglich einen windgefchützten Platz für feinen Deckstuhl auf. Solche-r Plätze, welche durch die in ungerader Linie verlaufenden Wände der Deci aufbauten zufällig gebildet werden, gibt eS aber auf dem Promenadendecl eines Dampferg nicht viele. Eine in neuester Zeit gemachte Erfindung, die im Deutfchen Reich, Frankreich unr England bereits patentirt und in den: Ver. Staaten angemeldet worden ist, hat den Zweck, auf den Promenaden decks Ecken und Nischen kiinftlich zu bilden. Die Einrichtung besteht im Wesentlichen darin, daß aus-Holz oder Segeltuch bestehende Querwände, die zum Abnehmen oder Aufklappen ein gerichtet sind, zwischen dem Promena dendect und den dariiber verlaufenden Deckbalten nach Bedarf angebracht werden. Durch tiefe Schutzwände, an denen auch Behälter zum Aufstel len vvn Gläsern, Tafer etc. ange macht werden können, wird die Mög lichkeit geboten, Dutzende von je nach Bedarf kleineren oder größeren Ni schen zu schaffen, in welchen die Sec reifenden, ohne befürchten zu müssen» daß sie von Wind und Wetter zer-? zauft werden, und roch die erfrischende nnd kräftige Seeluft auf Decl genie fzend, fich auch bei schwerem Wetter-! aufhalten können. Bereits ist die von Herrn Karl r-. Helmolt, Direktor des Norddeutfchen Llohd in Bremcn, gemachte Erfindung auf denSchnelldampfern mit bestem Erfolg angewandt. Von den Passa eleren, wie von den Kapitänen der» Dampfer liegen außerordentlich gün ftigeUrtheile darüber vor, fo daß des: Norddeutfche Llond die. Erfindung auch auf allen feinen iibrigen Dam pfe-in einzuführen im Begriff ist, und ohne Zweifel auch die anderen Schiff fahrtsgesellfchaften än Kürze mit der Einführung der Erfindung nachfolgen werden. Ein gewissenhafter Patient. »Wie-»siin würde Ihnen nicht hel fen,« versicherte cis-ehrlicher Arzt sei nem Patienten. »Sie haben eine voll ständige Aenderung Ihrer Lebensweise nöthig. Gehen Sie einen Monat aufs Land, aber an einen abgelegenen, ru l)iaenOrt. Gehen Sie früh anett und stehen Sie deshalb nicht zu zeitia auf. Essen Sie Fleisch nnd Geflüge!. trinken Sie frische, unabgerahmtr Milch und tauchen Sie täglich gerade eine Ci(»arre.« Etwa fünf Wochen später kam der Patient zum Doktor zurück. Er sah nicht nur schwerer, sondern auch jün ger und frischer aus. ,,Dottor, ich bin Ihnen sehr dani bar," sagte er. »Ihr Rath hat mir geholfen. Jch habe ihn in allen Punk ten befolgt. Aber das muß ich Ihnen sagen, Doktor, die eine Ciaarre pro Tag hat mich zuerst fast getödtet. Keine Kleinigkeit, als alter Kerl mit den: Rauchen anzufangen!« ——»—--·O .-—«..-.. Was dem Talent, der Fähigkeit Nicht will gelingen, Mag oft Geduld und Zähigteit Zustande bringen. — v Trinken Mk » Trinler lder immer großen Durst Fund wenig Geld hat): »Den Dichter smöchte ich mal seh’n, der 's machen » kunnt, daß mein Durst und mein Geld ; zusamt-ienreimen!« Kompliment Köchin: »Schmeclt es?« Bräutigam (begeistert): »Ach, Anna, in Hammelrippen und Schwein-Hinte leits da bist Du nmviderstelslich!« Ah so! Athen Sie acht, daß Herr Maiet nicht zuviel trinkt, sonst wird er ge sährlich.« ,,Streitet er?« »Nein, aber er fängt an, Klavier zu spielen.« nat-erfroren Handwerk »Von den sechzehn Eiern, die Sie mir verkauft haben, waren dreizehn faul!« Bauer: »Sehen Sie, ein paar frische sind doch immer darunter!« Bitter. »Die heutige äxztliche Kunst ver wirft das Schröpfen gänzlich« Freund: »Doch nicht ganz, Herr Eanitätssrath! Die Blutegel sind ver schwunden -— gewiß, aber an deren Stelle treten Eure Rechnungen.« Bescheiden. »Trotzdem Sie ebenfalls angeheitert waren, haben Sie Jhren Freund noch nach Hause geschafft?« »:xza!« »Und als Sie nun sahen, daß ex von seiner Frau eine Tracht Prügel bekam?« »Na, da habe ich mir mein Theil gedacht!« « Autorität von heute! Herr (zu seinem Freunde, dener besucht): »Es aeht mich ja nichts an, aber-so oft ich schon bei Dir war: Deine Frau habe ich noch niemals in der Küche aeseh’n!« Freund: »O, die kocht sogar sehr gut und gerne; aber seit zwei Mona ten ist sie mit der Köchin auf den: Kriegsfuß, und da getraut sie sich nicht hineint« Beim Wort genommen. Der Onkel besucht mit seinem Nef fen, der Student tit, eine Theatesrvor stellung, worin sich der Held schuld-eu halber crsck,ieß't. »Na, Fritz,« sagt der Onkel im Zwischenakt, ,.ftehst Du, so weit bringt man est mit den Schul den.« Fritz: »Hast recht, Onkel! Leit)’mir nur gleich 400 Mart, damit ich meine zahlen tann!« Unangmehm. Junge Frau (zuc Freundin): »Mit meinem Manne wäre alles ant und schön, . .. wenn er mich nur nicht gar so gerne hätte!« Freundin: »Ich meine wieder, das muß Dir doch sehr recht sein?« Junge Fran: »O nein! Wenn er nämlich im Wirthshaus sitzt, da denkt er bei jedem Schluck an mich, und nachher bringt er jedesmal einen Itiordsrausch mit nach Haus-IV anch die Blume« O sv IV ? von meinem Mann höre ich nie ein Junfreundliches Wortl« »So! Jst der so rücksichtgvoll?« »Nein —-- bloß fo vorsichtig!« ----. Aheudfriepcw Mälilieh wird es still und stiller, Nun die Sonne ging zur Ruhs Laanmn geht der Tun zur Neige, Siiszer Friede deckt ihn Zu. lieber Berg und Thal zieht leise Noch ein lveicher, lekzter Hanchs — .«s)l«rr, der du den Frieden spendesl. Gild- il,n meiner Seele auch. W. Schmidt Das Leben wäre nicht so kurz — aber man mißt cg gewöhnlich etsi,« wenn bereits viel davon fehlt. , —