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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 14, 1906)
,. ! Ver Braubottich. sBon Selma Lagerliif. Stizze aus dem Schwedifchen von P. Klaiben Vor langer, langer Zeit, als die Wölfe noch mächtig nnd gefürchtet wa ren, iiberfielen sie einmal einenBauern ans AelfadeL der mit einer Ladung BöttcherFGefiiße nmherfnhr. Sie jag ten eines Abends hinter ihm her, als kr eben iiber den Siljanfee nach Röt vi! fuhr. Es waren ungefähr dreißig Stück, und der Bauer hatte kein gutes Pferd, sodaß er nicht riel Hoffnung hatte, ihnen entwischen zu können. Die Wölfe überfielen den Mann nicht sogleich, nachdem er aufs Eis hinaus-gefahren war, sondern erft.als er sich mitten Auf dem See befand. Da ftiirzten sie von einer kleinen Landzunge aus auf ihn zu, gerade als ob sie dort auf der Lauer gelegen und auf ihn gewartet hätten. Das Eis war nicht glatt und glänzend, sondern mit einer dünnen Lage von hart gefro renem Schnee bedeckt, Menschen und Thiere konnten mit Leichtigkeit darauf arhen; nnd die Wölfe kamen rnit fol cher Geschwindigkeit auf den Bauern zu, daß er nicht mehr Zeit hatte, das Pferd zu wenden; schon svar der erfte Wolf neben ihm und schnappte nach dem Aermel feines Pelzrockrs. Jn wilder Haft beugte er sich vor nnd hieb mit dem Peitschenftoct ans das Pferd ein, so daf; es mit aller Macht daronjapte und die Wölfe weit hinter sich ließ. Darauf nahm der Bauer fein Felleisen’her.7us, worin er feinen Mundvorrath hatte, und wars es aufs Eis· Während die Wölfe den Sack durch wühlten nnd die leere Butterdofe nnd die abgenagte Hammelsteule heraus zetrten, konnte der Bauer ein wenig aufathmen. Er hatte eine recht große Ladung Daubengefiifze auf feinem Wagen, nnd das Natürlichfte wäre ge wefen, daß er jetzt eiligst die Stricke, tnit denen die Kübel, Bottiche und Mannen feftqefchniirt waren, durchae-: . fchnitien und die Gefäße aufs Eis ge- · worfen hätte. Wenn er dann davon gejagt wäre, als fei der Leibhaftige hinter ihm her, «o hätte er doch noch eine Möglichkeit gehabt, fein Leben zu retten. Aber der Mann war vor Schrecken ganz verwirrt. Ein fo ein facher Ausweg wie diefer fiel— ihm gar nicht ein« er blieb im Gegentheil ruhig vorne auf feiner Ladung sitzen. Man darf aber nicht meinen, daf-, er über haupt keinen Gedanken gehabt hätte, im Gegeniheit, es drängten sich viele Gedanken in feinem Gehirn, daß er teinen festhalten konnte. Später erin uerte ersich, daß er sich tlar zu ma chen versucht hatte, wo der nkjsbfte Hof lag, dafz er daran gedacht hätte, vom Wagen zu springen, das Ufer zu ge winnen und auf einen Baum zu tlet tern, und daß er sich gesagt hatte, er wolle lieber in die schwarze Ware hin einfahren, die er ganz in der Nähe des Fahrweg-«- bemertte, als fich und fein Pferd von den Wölfen verschlingen zu lassen· Während er fo wie gelähmt dafaß, sah er, daß sich zwischen den Tannen biischen, die auf dein Eis aufgepflanzt waren, um den Weg zu bezeichnen, etwas bewegte. Und als er fah, was es war, wuchs der Schrecken, der ihn schon vorher erfaßt hatte, in’s Unges heure. « Aber nicht Wölfe waren es, die ihm da entgegen kamen, sondern eine alte, arme Jkrau. Sie hieß die Finnens Malin und war eine rechte Landftrei chcrin. Sie hinkte ein wenig und hatte auch deinen kleinen Höcker: er konnte sie schon aus der Ferne erkennen. Die Frau ging aerade auf die Wölfe zu. Offenbar verdeckte sie der Schlit ten vor ihr, und der Bauer wußte fo fort, wenn er an ihr vorüber-fuhr, ohn- Fs In msknsn dnnn sitt K· his- . wilden Thieren unwiderbringlich zur Beute, nnd während diefe die Alte zerrissen, tonnte er enttemmen Ja, wenn er sie nur ruhig ihren Weg fortsetzen ließ, dann waret sicher gerettet. Davon konnte nicht die Rede fein, daß die FinnewMalin den Isc ariinmen entrinnen könnte. Langsam, auf eine-i Stock geftiitzt, tam sie daher, sie war alt und schwach und hatte richts, womit fie sick hätte vertheidigen tönnen. . Es war also ausgemacht, wenn er ihr nicht half, dann tam er davon, er nnd das Pferd. Aber wenn er ihr halt und sie auf den Schlitten nahm, war es durchaus nicht sicher, daß sie gerettet wurde, ja wenn er dies that, war es faft sicher, daher eingeholt wurde, und dannfie: len den Raubthieren vielleicht drei Leben zur Beute. Er hatte Frau unt Aind daheim, die Niemand anders zur Stühe hatten als ihn. Die Zinnen-Mach dagegen war eine einfame Person. Sie war nur ein altes böfes Bettelweib. Auf der gan zen Welt würde Niemand um sie trauern. Er icntrte wahrlich fchnell denken, wenn er wollte. All dies stand faft in demselben Augenblick, wo er die Fin nen-Malin erblickte, tlar vor ihm-— Und damit war es noch nicht genug, er mußte zugleich dran denken, wie es ihm wohl nachher felbft gehen würde: Oh er Gewissensbisse bekäme, weil er dem Weib nicht geholfen hatte, ob die Leute erfuhren, daß er ihr begegnet war und e im Stich lifz. Jn feiner Brust ent pann sich ein großer Streit, « und er la te fi fchlteletch: Es wäre mir viel lebet, ch wäre ihr gar nicht begegnet. W Jn diesem Augenblick stießen die Wblse ein lautes Geheul aus. Das Pferd schreckte zusammen, fuhr wild davon und jagte an dem Bettelweib vorüber. Sie hatte das Wolfsgeheul auch gehört, und alg der Baue an ihr dortibersauste, las er in ihrem Gesi t, daß sie wußte, was ihr bevorstand. Sie stand da, den Mund zu einem Schrei geöffnet und die Arme um Hilfe aus gestreckt, aber sie hatte weder geschrien noch einen Versuch gemacht, sich auf den Schlitten zu werfen. Sie war wie versteincrt von irgend einer Erschei nung. »Ich habe wohl wie ein böser Geist ausgeschni, als ich an ihr vorüber fuhr,« dachte der Bauer. »Es ist gut, daß es jetzt gethan ist,« dachte er, während das Pferd weiteriagte, und er versuchte, sich jetzt, trI er seines Lebens sicher sein konnte, zufrieden zu fühlen. Aber in dem selben Augenblick begann es in seiner Brust zu arbeiten nnd zu brennen. Er hatte noch nie etwas Böses gethan, und nun hatte er in einem einzigen Augenblick sein Leben verdorben. Um sich zu beruhigem fing er an, mit dem Pferd zu sprechen »Du, Rappe, es gab« ia keinen an dern Ausweg,« sagte er. »Wir wollen uns das Spiel nicht verderben, indem wir die Neue aufkommen lassen.«Aber plötzlich hielt er das Pferd mit einem gewaltigen Ruck an. »a, was ich gesagt habe, ist richtig,« sagte er in einem ganz anderen Ton, »wir wollen uns das Spiel nicht verderben. Was würde das fiir ein Leben geben, wenn wir uns liinftig jeden Tag schämen :niißte:r!« Nur mit großer Mühe gelang es ihm. das Pferd zu wenden: aber schließlich brachte er es doch zu Stande-, und er hatte die FinnensMa lin bald wieder erreicht. »Steigt schnell auf meinen Schlit ten!« befahl er ihr, und er sagte es so hart, als sei er wütljsind Und das war er auch. Auf sich selbst war er böse, weil er das Weib nicht ihrem Schick sal überlassen konnte. Als sie wieder ans der Flucht waren, dachte er: »Der liebe Gott müßte es jetzt von Rechts wegen so einrichten; daß mich die Wölfe in Ruhe ließen.« Jeßt klam merte sich das Weib an seinen Arm an und wimmerte. »Nun, laß meinenArm los!« tiefer und machte sich- heftig frei. »Du thätest besser, daheim zu bleiben, Du alte Hexe, anstatt Tich immer he rumzutreiben. Nun werden wir Beide Deinetivegen umkommen, der Rappe und ich.'« Das Weib erwiderte kein Wort, aber der Butter war jetzt in einer so verzweifelte-n Stimmung, daß es ihm geradezu Vergnügen macht-, sie zu t-uälen. »Der Rappe ist heute schon secks Stunden gelaufen, und alt ist er auch, da wirst Du begreifen, daß er bald müde tein wird. Und die Last ist nicht leichter geworden, seit Du dazu gekommen bist.« Die Schlittentusen tuirschten auf dem Eis-, aber trotzdem vermeinte er in hören, wie die Tatzen der Wölfe hinter ihm ausslchugen, und er sühlte, daß die Raubthiere ihn eingeholt bat teu. »Jetzt ist es aus mit nns,« sagte er. »Daß ich Dich zu retten versucht habe, ist weder Dir noch mir gut bekommen, Finnen-Malin.« Erst jetzt sprach das Weib ein paar Worte. Vorher hatte sie nur geschwie gen, wie jemand, der an Scheltworte gewöhnt ist. »Ich tann nicht verstehen. warum Du Deine Gefäße nicht cbladest und die List erleichterst,« sagte sie. .»Du kannst ja morgen friih wieder kommen und sie zusammenlesen.« Wases nun auch sein mochte, ob es daher kam, daß das Weib so tlug sprach und die Hossnung hatte, daß er morgen wieder hierherkommen könnte, sxder ob es von etwas anderem her kam, aber gerade du gewinn der Bauer etwas von seiner Ruhe wieder. Es hsrsss »Im ·nIe«t Its-Enden Bis mpdnnssn einen Augenblick still, anstatt so ängst lich umherznslatterm wie sie es higher gethan hatten. Er strich sieh iiber die Stirn, als sei er ans einem wirbeln ken Tanz heraus-getreten und wandte sich seiner Ladung zu. Nein, natürlich schadete es den Kübeln und Bottichen und Eimern nicht-J, wenn sie über Nacht ans dem Eise lagen. .,Wiri sie doch ah, Du,« sagte das Weil-. »Du kannst Dir denken, daß sie Dir Niemand stiehlt. Du wirst sie alle wiederbekommen« Der Bauer entgegnete nichts, unbe weglich und unverwandt betrachtete er seine Bottiche. Mitten drin stand ein— grosser schwerer Braut-Stich Aus ihr waren seine Augen qerichtet, als könne er sich nicht entschließen diesen abzu laden. Aber in Wirllichteit waren seine Gedanken oon etwas anderem in Anspruch genommen· ,,Pserd und Mann, denen nichts fehlt, sollten doch eigentlich nicht geopfert trerden,« dachte er. »Es muß einen Weg zur Rettung neben. Sicher gibt es einen. Der Fehler ist nur, das-, ich nicht heraus sinden tann, was ich thun niusz.« »Probir es nun damit. die Bottiche abiuladen,« drang die Frau in ihn. »Wenn das nicht hilft, dann werde ich mich selbstverständlich den Freßsiielen überlieferm damit Du enttammst.« Während sie dies sagte, hörte sie ihn ein Gelächter ausschlagen Er lachte über sich selbst, weiler so dumm gewes sen war. Jth tvar ihm das Richtige ein esalten. Er wu te, was er thun nm te, um alle drei u retten. Es war ganz leicht und einfach. Er mußte laut lachen, daß er nicht früher daran ge dacht hatte. « »Du sannst wohl fahren, Malin?« fragte er. . »O ja, das kann ich schon,« ant wortete das Weib. »Was-; nun woht aus, Malin. Was Tu da gesagt hast, daß Du Tich selbst den Wölfen vorwerfen wollest, war wirklich nobel von Dir. Und gewis-, deshalb bat mir Gott jetzt einen so guten Gedanken eingegeben, daß uns allen Dreien geholfen wird. Du muszt jetzt nur thun, trag ich sage. Du nimmst die Zügel, und was ich auch danach thue, Du bleibst ganz ruhig sitzen und fährst geraden Weges nach Rättvil auf den Posthof. Dort weckst Tu die Leute aus nnd sagst ihnen, daß ich hier mit dreißig Wölfen allein auf dem Eise sei, und bittest sie, mir zu helfen." Während er dies sagte, war er auch schon eifrig bemüht, die Bottiche ah zuladern Die Wölfe sprangen um den bepackten Schlitten ber, und er schleu derte ihnen einen Bottich und Kübel an die Köpfe, daß s:c zu Boden fielen, und derRappe wieder einen Vorsprung gewann. Nur mit großer Mühe lonnte der Bauer den großen Braubottich aufs Eis hinunterschassen, aber schließlich gelang es ihm doch, und in demselben Augenblick sprang er selbst vom Schlitten. « »Thu nun, wie ich Dir gesagt habet« rief er der Alten zu. ,,Jawohl, antwortete sie und fuhr weiter, rhne sich tin-zusehen. ,,Deise FinnewMalin ist besser, als ich geglaubt hatte,« dachte er. Doch schon hatte er alle Wölfe um sich her. Das wollte cr gerade. Er lies eine kleine Strecke quer jiber’s Eis hin, damit der Schlitten entkommen konnte. Dann eilte er mit einer jähen Wendung zu dem Bottich zurück, tippte ihn« um und kroch darunter Es war ein großer, schwerer Bot tich, dazu gemacht, einen ganzen Weih nachts-Vorrath an Bier fassen zu kön nen. Die Wölfe sprangen daraus zu, hüpften auf den Boden hinaus, bissen in die Reisen und versuchten, den Bot tich umzuftiirzen. Aber er war zu stark imh An srbmsk fi- knnnton nikbtä I»y--ss- Iff s’«-"-" "»7" ausrichten. Sie heulten vor Wuth, daß der Bauer ihnen fo nahe war, nnd sie ihn doch nicht erreichen konnten, und sie versuchten, ihre Tatzen unter dem Bot iich hineinzuzwängen, um ihn umzu ftiirzen. Aber da zog der Bauer fein Messer heraus und hieb nach ihnen. «Taht ihr nur! Tatzt ihr nur!« rief er. Er wußte, er war sicher, die Wölfe konnten ihm nichts anhaben, und er lachte unter feinem Bottich Aber plötzlich überfiel ihn ein merk würdige-Z innerliches Beben Es ver breitete sich über feinen ganzen Kör per; Hände und Kopf zitterten, und Thriinen traten ihm in die Augen« Aber dies kacn nur daher, daß er so wohl der Lebengaefahr als auch der anderen Gefahr, Unrecht zu thun, ent gangen war. Nur Freude war es, die ihn packte und fchiittelte. DerGedanle, dafi er sitt- unter den Braubottich ret ten konnte, tam ihm sehr merkwürdig vor. Es hatte so nahe gelegen, und doch war es ihm so schwer gefallen, ihn zu finden, aber dann war er gerade noch iin rechten Augenblick gekommen. Es war nur ein kleiner, kleiner Ge danke, aber er hatte die Kraft gehabt, ihn zu retten. Wenn er ihm nichtge kommen wäre, wären sie jetzt alle drei, er und der Rappe und das Finnen weib, von den Wölfen zerrissen-. Er ioar ganz außer sich vor Rüh rung; er legte feine Lippen an den Bottich und küßte ihn. Sobald ich wieder in irgend einer Gefahr bin, werde ich an diesen Brau lsottich denken,« fagte er. »Gott macht es doch nie so schlimm fiir uns daßeg nicht roch einen Ausweg gäbe· Man Muß nanriitze genug im Kopfe ha ten, ihn zu finden. Jh werde jetzt irnmer überlegen, ol- nichi die Rettung hinter ·rni: auf dein Schlitten sitzt, wuiu ra; irr uuuf um« Irrt-. Jrn Hochsommer. Novellctte von Reinhoid Ort mann. Heiß weht der soinmetliche Nach mittagstvind Eil-er die schmachtenden Wiesen. Aus der vielgewunderen Land straße kommt ein einsamer Rcdfahrer daher, ein dunkeltirrtiger, lonnenver brannter Mann in der Volltraft der Jahre. Die iengcnde Hitze scheint ihm nicht viel anzuhabenl obwohl er tüchtig zu treten hat auf dem auftei genden Wege. Denn es ist ein Glanz von gesunder Lebensfreude in seinen Angen. « Da, an eine: scharfen Wegbiegunq, macht er Plötzlich Halt und springt ab. Endlich im Schatten der Hecke, die die Straße säumt, hat er eine Dame im fommerlichen Sport-Koftün! gewahrt, dir neben ihrem Rade auf dein Bo den tniet und sich offenbar abmüht, etwas an dein Gefährt in Ordnung zu bringen. Da ist’s gute Radlersitte, daß einer dem andern seinen Beistand anbietet, und der dunkelbärrige würde seine Fahrt wohl auch unterbrochen haben, wenn ihm die beiftandsbediirf tige Sportgenofsin weniger anmuthi( und reizend erschienen ware. als es hier der Fall ist. Rasch ist er an ihrer Seite und zieht mit höflichem Gruße seinen Hut, um in fröhlicher Bereitwi lligtcit seine Hilfe anzubieten. Ein wcni er schrocken blickt die Angeredete a us und er sieht ein sehr hübsches, von dem — rosigen Farbenton blühende-r Gesund-— heit überhauchtes Gesicht mit großen, ernsten, tiefbluuen Augen. CI ist, als wäre sie ein paar Setunden lang im Zweifel, ob sie den Beistand des wild fremden Menschen annehmen solle, aber seine cheoalereske Art und die liebenswürdiege Frische im Klang sei ner Rede schlagen ihre Bedentlichkeiten aus dem Felde. Sie zeigt ihm das kleine Loch, das ein scharfer Kiesel in den Gummimantel und den Luft schlauch des Vorderrades geschnitten und das ihr ein Weiterkominen un möglich macht. Sachverstäneig hat er den Schaden gemustert und ihr die tröstliche Versicherung gegeben, daß er wohl imstande sein werde, ihn noth diirftig auszubessern, da er mit Pfla ster und Klebftoff für solche Eventu alitäten versehen sei. Ohne Zögern macht er sich ans Werk, und da sie ihm natürlich nach Kräften behilflich ist, hat er Gelegenheit, ihre schönen, aristotratischen Hände zu new-andern, die seine Aufmertsamteit fast allzu sehr von der Verrichtuna abientten, da er immer eine besondere Schwäche für anmuthige Frauenhiinde gehabt hat. Auch auf ihr Gesicht kann er, ohne indistret zu erscheinen, noch manchen verstohlenen Seitenbliek wer sen. Er kommt dalsei zu dem Schluß, daß sie iiber dei- Lebens erite Maiens blüthe wohl schon hinaus sei. Er schätzt sie auf fiinfnndzwanzig oder sechsundzwanzig Jahre, aber eine ver heirathete Frau ist sie seiner Meinung nach doch nicht, dazu ist zu viel mad chenhafte Scheu nnd Zurückhaltung in ihrem "·Besen. Sie erhebt ja auch keinen Einspruch, als er sie wieder holt mit «gnädige-Z Fräulein« anredet, und als er darin, nachdem der Reisen provisorifch anstzgsbcsfert und mit Luft gefüllt ist, mit akermaligem Lüsten seines Hirtes zurücktritt, wie um sich ze. verabschieden, glaubt er in ihrem Blick etwas tuie Dankbarkeit zu lesen. Aber er zögert nun doch noch, sein Rad wieder zu besteigen. «,,Gnädigest Fräulein tisnnen »dies reicht auch nur einen Menfr erwmcn , fcgte er, ,,vorausgesetzt, daß Sie in der hiesigen Gegend bekannt sind-— Jchbin nämlich nicht gani sicher, ob ich mich wirklich mit Recht auf mein gutes Ortsgcdächtniß verlassen habe und ol) ich mich nicht doch vielleicht auf einem falschen Wege befinde. Es sind nämlich beiläufig neun Jahre vergangen, ieit ich zuerst in dieser Gegend gewesen bin, und auch da war ess nur zu sehr flüchtigem Verweilen. Es ist das Hurenhaus non Rexin, das ich suche.« « Während er spricht, scheinen die Augen des Mädchens größer ge worden zu iein als zuvor. Aber ihre Stimme klingt ruhig und freundlich, da sie ihm Antwort giebt: »Wenn Sie nach R rin wollen, nsein Herr, sinds-te n der That schon um ein gutes Stück vom iürzesten Wege ahgelomr.ikn. Und Sie müssen ungefähr zwei Kilometer zurück, um dann nach rechtJ abzubiegen »Ich danke Ihnen fiir die Zurecht weisung Und —- wenn esz nicht nn befcheiden ist, Sie noch weiter zu belästigen — können-» Sie n ir vielleicht auch sagen, wie die jetzigen Bewohner rec« Herrenhauses l,eißen?« »Das-J Rittergut gehört einem Ban iier Sanders aus Berlin. Aber der Besitzer und seine Familie sind augen blicklich nicht anwesend« »Das maclt wir nichis aus, denn ich habe gar nicht das Verl angen, ihre Bekanntschaft zu machen. Es ist nur eine Liebe, ist«-er leiser aefagi, ein: nehmiithige Erinnerung, die mich nach Rexin zurückführt Hat dag Gut denn schon seit langem seinen Eigen thiinrer gen-sechs lli — Friiher gehörte e: doch einem Baron von Stei),ntoff wenn ich nicht irre· »Allerdings":«. Ader der Baron ist sizxon vor sieben Jahren gestorben nnd seine Hinterbliebenen mußten den Ve sitt aufgeben.·' »Und was is: aus seiner Familie aeivorden?« »So viel ich weiß, dient der einzige Sohn in einem Linienregiment. Die Wittwe und die Tochter aber leben in bescheidenen Verhältnissen drüben in der lleinen Kreis-statt Ich kann Ihnen zufällig sogar ihre Adresse n:nnen, wenn Sie die Absicht haben sollten, sie aufzusuchen.« Aber der Tsuntelbärtige schüttelt freundlich ablehnend den Kopf. »Nein, diese Absicht habe ich nicht. Nur den Schaut-laß meines sonniasten Frühlingstraumes wollte ich wieder sehen, nicht die lebendigen Gestalten dieses Traumes-. Denn ich möchte meinen Erinnerunzen an den Part und das Hurenhaus Von Rein ihren poetischen Schimmer erhalten. Ken nen Sie das Fräulein Asta von Steinhofs vielleicht auch persönlich?« »Oberfl·cichlich —- eigentlich nur dem Aussehen noti.« »Nun, dann tret-den Sie es mög licherweise taum glaubhaft finden, wenn ich Jhnen versichere, daß sie vor neun Jahren ein so holdes und elfen zartes Geschöpf war, wie ich seither ähnlich keines mehr gesehen. Denn ich kann mir wohl denken, daß diese neun Jahre an ihr ebensowenig spur les vorübergeguigen sein werden wie ::wa an mir. Nur daß das bei einem Manne in der Regel nicht so viel be deuten will als bei einem Mädchen.« »Ja der That ·—— daß Asta von Etetnhoff jemals ein holdes und klfenzartes Geschöpf gewesen sein sollte, will mir kaum in den Sinn. Sie muß sich dann allerdings gewal-« Eieg Zu ihrem Nachtheil verändert ha n. »Dacht’ ich tnir’S doch! —- Und darum möchte ich sie lieber nicht wie dersehen. auch dann nicht, wenn ich ihr mit reinerem Gewissen gegenüber treten könnte, als es in Wahrheit der Fall ist. Aber ich langweile Sie mit meinen persönlichen Angelegenheiten, mein guädiged Fräulein! —-— Also um zwei Kilometer zurüct —- sagten Sis: nicht so? Und dann rechter Hand?« Die blonde Unbekannte zögerte ein wenig, dann sagte sie mit einer sehr anmuthigen Befangenlfkeitt »Sie könnten nach meiner unzu länglichen Beschreibung doch leicht abermais einen fciichen Weg einschla gen. Da mich der meinige ohnedies in dieser Richtung führt, darf ich Sie Vielleicht soweit geleiten, bis ein Jers thum nicht mehr möglich ist.« Er bemühte sich taum, die Freude zu verbergen, die er über tin-c liebens würdige-?- Anerbieten empsand. Und nun nannte er ais wohlerzogener Mann auch seinen Namen. ,,Rudols von Breiten« »Sie sind -Offizier, mein Herr?« »Gewesen, meine Gnädigste, längst gewesen«, erwiderte er, um nach einer Pause sortzusahren: »Hierher nach Rexin kam ich vor neun Jahren allerdings noch in der schmucken Leutnantsuniform ein hoffnungsvolles Bürschchen von ein undztvanzig Jahren, dem der Himmel voller Geigen oder — da ich wenig musikalische Neigungen hatte —- viel mehr voller Marschallstäbe hing. Es war aus Anlaß einer iniiitärischen Uebung, daß mir für zwei Taae und eine Nacht Quartier im Oerrenhause zugewiesen wurde. Und bis an mein Lebensende werde ich diese beiden Tage als zwei von den großen Feier tagen meines Daicins ansehen» Es war im Frühling, aber der Lenz in der Natur mag nicht viel Stintheil ge habt haben an dem, was geschah, denn Asta von Steinbosf und ich, wir tru gen den Frühling in unseren lHerzen. Sie war eigen sieozehn geworden fast cis-las cllc OULUIIUJUJZIH lUlL lu-» Ucl Lichte besehen, ja sast noch ein Knabe war. Darum brauchten wir auch so schrecklich wenig Zeit, uns sterblich in einander zu vertieven und ung- vor der schmerzlichen Trennung an einem rerschwiegenen i» lätzchen im Parle ewige Treue zu schwören. Ach, wenn man dao alles doch zum zweiten Male erleben könnte! Aber des Lebens Mai blüht eben nur einmal, und man muß dankbar sein« daß schließlich auch der Sommer noch seine Freuden bat, wenn sie auch vielleicht weniger poesie voll und überschwenglich sind als die les Friihlings.« Die blonde Dame, Die sub während seiner letzten Rede eifrig on ihr-ein Rade zu schaffen gemacht hatte, fragte. obne ihn anzusehen: -,,Und Sie harren Ihren Schwur ewiger Treue natürlich schon verges» sen, als Sie wieder in Ihrer Garnisi ion anlangten?« »O nein«, prostetirte er, »so ein Windhmid war ich denn doch nich1,.s trotz meiner sleimnbärtiaeu Einund-; zwanzig. Jch baue mich vielmehr an : meinem ersten dienstsreien Vormittagi hingesetzt, um meinem alten Herrn in einem sechzehn Seiten langen Briese Mittheilung von meiner heimlich-m Verlobung zu machen und feine Ein willigung zu erbitten, daß ich bei Astas Vater in aller Form um ihre» Hand werben dürfe. Seine Antworti ließ ein bischen lange auf sich warten,j und als sie lam, schlug sie wie ein ver- . nichtender Haaclschczner in die junge Saat meiner Hoffnungen ein. Es war » ein liebevoller und zärtlicher Brief, aber nichtsdefiomeniger der grau sit-niste, den Leb je erhalten. Denn nachdem mir mein alter Herr das Ge- - ständniiz abgelegt l?atte, tas; feine Vermiiziensverhiiltnisse infolge großer geschäftlicher Verluste eine arge Ver-J schlechterung erfahren hätten, theilte er mir mit, das; er sorgfältige Erinn- - diaunaen über Fierr von Steinboff eingezogen habe, i:!n zu erfahren, daß die Familie 3war der höchstens Achtung würdig sei, das: aber der Baron die väterliche Besitzung schon Inst einer bis über die Schornsteine hinausgehenden Belastung übernonsnien hale und das; für feine Tochter von einer Mitgift, wie ich sie brauchen würde, deshalb kein Rede sein könne. Lich, um es lnrz zu machen: Ich dachte drei Tage lang an Selbst-nord, drei Wochen lang ans Abschied-nehmen und an den Uebertrit in den Beruf eines Gold gräbers oder dergleichen —- und dann na, dann getoiihnte ich mich eben all-gemach, es als etwas Unabänder liches hinzunehniem nnd weil zwischen Asta und mir nimmt-«- ein Brief aus getaufcht wurde, der Himmel uns auch gnädig den Schmerz eine-J Wieder sehens ersparte, schloß sich eben nach nnd nach die blutende Wunde. Drei Jahre nachher nahm ich meinen Ah schied wirklich, diesmal nicht tin-I An laß einer unglücklichen Liebe, sondern aus viel profaifcheren Gründen, nnd trat als Theilhaber in das Fabritge-H schäft eines Verwandten ein, das ichs inzwischen ganz und gar übernommen ; habe. Aber ist es nicht droltig, meins Fräulein, daß ich Ihnen diese Beichte c.blege? —« Jn Jhres Herzens Stille werden Sie sich ja gewiß nicht wenig iibek meine Gefchwätzigleit in stig machen.« Da sie sich just im nämlichen Mo ment auf ihr Rad geschwungen und es in Bewegung gesetzt hatte, konnte er sich nicht allzu sehr darüber wundern, daß er auf die legten Worte ohne Er widerung blieb. Und das Thema schien ein fiir allemal abgethan. Aber während er nun geflissentlich ein we — s— j- — nig hinter ihr zurückblieb, betrachtete er mit stetig wachsendem Vergnügen Iihre volle und doch wundersam ge schmeidige Gestalt, die anmuthig stolze Haltung ihres schönen Kopfes und die natürliche Grazie ihrer Bewegung. Und er nannte sich insgeheim einen TiummtopL das; er diesem reisenden Wesen seine vergessene Liebeggeschichte erzählt hatte, denn je länger er sie an sah, desto wärmet wurde es ihm ums Herz, nnd der Gedanke, das-, er sich vielleicht schon nach wenig Minuten aus Niknmerwieversehen von ihr tren nen sollte, wollte ihm ganz und gar nicht gefallen. — Aber sie mußte es mit ihrem Versprechen, ihn vor aber maligem Verirren zu bewahren, wohl sehr genau nehmen, denn plötzlich ge-· wahrte er, daß sie schon die Part mauer des Herrenhanses nor sich hat ten, und erst als sie dag osscne Portal erreicht hatten, sprang sie ab. So, mein Herr, das ist der Port don Rexin, in dem sie nnd vielleicht noch ein anderes Wesen zwei kurze Frühlingstage lang so glücklich gewe sen sind. Das verschwiegen-: Plötzchen, das Sie so gerne wiedersehen wollen, finden Sie wohl auch ohne meine Führung. Jch müßte Sie Ihnen ver weigern. denn ich habe mir geschwo ren, meinen Fuß nie wieder durch dies Portal zu setzen. Wir sind nun wohl auitt. Leben Sie wohl, Herr von Brette-il« Jhre Stimme hatte eine-n ganz an deren Klang gehabt als vorhin. Jn siürmiichen Athemzügen hob sich unte: der leichten Bluse ihre Brust, und ihre Wangen glühten... Der Dun kelbärtige starrte sie an, dann nahm er ganz mechanisch seinen Hut ab Und strich sich mit der Hand über Stirn und Haar. »Ja, was ist kenn das? --— Herrgott i:n Himmel — wenn es mäglich Wäre —! Diese Stimme nnd der Ton. in dem Sie soeben meinen Namen nann ten — —— Asta —— Sie sind es ja sel ler, die — ——« »Die Sie nicht wiedersehen wollten, um Ihrem Friihlingstrvum seine Poesie zu bewahren. Legen Sie es bitte nicht mir zur La st, wknn er die ses poetisclisen Schimmers nun den noch entkleidei worden ist« Sie machte oi«·.e Verse-gang, als ob sie ihr Rad wieder besteigen wollte. Aber wie in tökitlicher Angst, daß sie iljtn entschwinoen könnte, erfaßte er ihre Hand »Mir — met ne liebe Astat —- Kön nen wir niere« Früljiingstraum auch nicht noch einmal träumen — was hindert net-s denn, ihm einen Sommcrnaebtstranrn folgen zu lassen, dessen erfüllte Seligkeiten vielleicht tausendmal herrlicher sind als die er k.offten des Lenzes-W Sie schüttelte den Kopf, aber ihr Gesicht aliihte noch immer wie das eines dunklen ssiögle1n5. Und nach ei ner kleinen Weile —- niemand hatte gehört, was noch weiter zwischen ih nen gesprochen worden war — rat-el ien sie Seite an Seite auf der beißen Landstraße dem nahen Kreis-MU cipen zit. Die Setjxoiile des Sommer tages laa auf ihnen, aber sie fühlten iickt ihren Tretet sondern nur das große Schmachten in der Natur nnd die Sehnsucht alles Lebendigen, nicht in Unfruchtbarleiå zu vergehen Ein Memüthsniensch. Junge Frau Czum Bettler): »So lieber Mann, essen Sie die Suppe und lassen Sie sieh’s schmecken; thun Sie nur ganz wie zu.L«,a11se!« Bettler: »Na, wissen Se, Madam chen, ze Hause hätte meine Alte die Snppe schon längst am Hinwei« Rette Aussicht Mutter: »Nimm Vernunft an, Hed wig. Jch gebe Dir Brief nnd ZieqeL wenn Du den Mann l·,-eiratl;est, wirst HU clllsl llUty Vchclll siclscllå Tochter: «Mama, da kennst Du meinen Edtvard schlecht. Wenn’6 lvirtlich einmal dahin lonnrxen fullte, dann wird er fiir uns lelse bettel gehen!« Uebertroffcn. A.: »Hut, wag ist denn log? Du siehst ja ganz dieprimirt angl« B.: »Es ist aber auch gleich zum Davonlaufen. Eben ersuche ich mei nen reichen Onkel um eine Beifteuer zu meiner Badereise, und mag ant wortet mir der alte Filz: ich soll nur fleißig an die frische Luft gehen!« A.: »Na, da tröste Dich. mir ist’s noch schlimmer eraanaenl Mein Onkel hat mich. als ich das gleiche Verlangen an ihn stellte-, einfach an die Luft — gesetzt!« Definition. »Was ist denn eigentlich Marga rine, Papa?« Vater (Marqarinefabritant): »Das ist Butter, mein Sohn, im höchsten Stadium sortgescheittener Knltnrl« lieber-modern. Mutter: »Na, hast Du denn gar keine Lust, die einaeleitete Scheidung rückgängig zu machen?« Tochter: »Nein, es ist auch schon alles abgemacht —-— mein jegiger Mann wird als Trauzeuge bei meiner näch sten Hochzeit sungiren!« Fataler Erfolg. Patient: »Da haben Sie eint-sc Schönes angerichtet, Herr Doktor-, als Sie mir so dringend Bewegung an empfehlen. Sonntag war ich zum et stenmal zum Tanz, und heute bin its bereits —- verlobt!«